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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 D IE PASSIVE , MEDIKAMENTELLE S TRESSINDUKTION BEI M ENSCH UND P FERD

2.4.2 Dobutamin

2.4.2.1 Grundlagen und Wirkungsmechanismus

Dobutamin, ein Derivat des Dopamins (HAUG 1998) mit einem großen chiralen Substituenten am Stickstoff, ist auch beim Pferd der Prototyp der β- Sympathomimetika mit selektiver Herzwirkung (SWANSON u. MUIR 1988). Es wurde 1975 von TUTTLE und MILLS aus Isoproterenol entwickelt, um dessen chronotrope, arrhythmogene und vaskuläre Seiteneffekte zu reduzieren. Seine Halbwertszeit beträgt etwa zwei Minuten (WEISSMAN 1997, FRYE et al. 2003). Etwa 10-12 Minuten nach Ende einer Dauerinfusion ist es bereits metabolisiert bzw. eliminiert (FRYE et al. 2003). Die Grundsubstanz Dopamin ist wie Adrenalin und Noradrenalin ein körpereigenes Katecholamin, welches einerseits Vorstufe bei der Synthese von Adrenalin und Noradrenalin ist, andererseits aber auch als eigenständiger Transmitter wirkt, der in spezifischen dopaminergen Synapsen gebildet wird (LÖSCHER et al. 2003, SCHMIDT et al. 2004). Das Racemat Dobutamin, welches in die Gruppe der synthetischen Katecholamine eingeordnet wird, zählt zu den kreislaufwirksamen, pressorisch wirkenden Pharmaka (s. Tab. 1). Sein (+)- Enantiomer aktiviert β1- und β2- Rezeptoren und hat nur eine unwesentliche α- adrenerge Wirkung. Das (-)- Enantiomer führt zu einer potenten

Stimulation von α1- Adrenozeptoren, dagegen hat es aber nur einen schwachen Einfluss auf β1- und β2-Rezeptoren (STARKE et al. 1996).

Tabelle 1: Adrenerge Rezeptorsubtypen, modifiziert nach GOLDBERG (1989) Rezeptor Kardiovaskuläre Hauptwirkung

β1 Anstieg der kardialen Kontraktilität, der Herzfrequenz und der AV-Überleitung

β2 Vasodilatation überwiegend im mesenterialen und skelettmuskulären Gefäßbett (Blutdruckabfall), Anstieg der kardialen Kontraktilität, Herzfrequenz und AV-Überleitung

α1 Vasokonstriktion (Blutdruckanstieg), positiv inotrope Wirkung

α2 Vasokonstriktion (Blutdruckanstieg), zentrale präsynaptische Hemmung des Sympathikotonus (Abfall von Blutdruck und Herzfrequenz)

Die selektiv positiv inotrope Wirkung des Dobutamins erwächst aus den Eigenschaften der beiden Enantiomere: an den Blutgefäßen in der Peripherie halten sich die vasokonstriktorischen Eigenschaften des α1- wirksamen (-)- Enantiomers und des vasodilatatorisch auf β2- Rezeptoren wirkenden (+)- Enantiomers die Waage (SCHÜTZ 1996). Am Herzen bliebe dann die positiv inotrope und chronotrope β1-Wirkung des (+)- Enantiomers, sowie die positiv inotrope, aber nicht chronotrope α1- Wirkung des (-)- Enantiomers übrig (RUFFOLO 1987, FORTH et al. 1996, STARKE et al. 1996). Aufgrund seiner sehr kurzen Halbwertszeit (2 min) und seiner mangelnden Bioverfügbarkeit muss Dobutamin per Infusion verabreicht werden (FREY u. LÖSCHER 2002). Der Abbau erfolgt sowohl beim Menschen als auch beim Pferd überwiegend in der Leber durch die Enzyme MAO (Monoaminooxidase) und COMT (Catecholamin-O-Methyltransferase) (RUFFOLO 1987).

2.4.2.1.1 Wirkung am Herzen

Die Stimulation von β-Rezeptoren am Herzen hat folgende Auswirkungen: es kommt zu einer positiv chronotropen Wirkung durch Steigerung der Sinusknotenfrequenz, einer positiv dromotropen Wirkung (durch Steigerung der Leitungsgeschwindigkeit im AV-Knoten), sowie zu einer positiv inotropen (durch Steigerung der Kontraktionskraft von Vorhof und Ventrikel) und positiv lusitropen Wirkung (Steigerung der Erschlaffungsgeschwindigkeit von Vorhof und Ventrikel) (STARKE et al. 1996, MUTSCHLER 1997). β1-Adrenozeptoren kommen häufiger vor als β2-Adrenozeptoren. Am gesunden Herzen ist das Verhältnis etwa 80:20 (ESCHENHAGEN 1992). Beide β-Adrenozeptor-Subtypen sind über ein stimulatorisches GTP-bindendes Protein an das Enzym Adenylatcyclase gekoppelt und vermitteln nach Agonistenbindung über diesen Signaltransduktionsweg einen intrazellulären Anstieg von zyklischem AMP (cAMP) (SCHMIDT et al. 2004). Die Bildung dieses „second-messenger“

führt über eine Aktivierung von Proteinkinasen zu einer verstärkten (reversiblen) Phosphorylierung von sarkolemmalen Kalziumkanälen und anderen Funktionsproteinen. So entsteht eine verstärkte Kraftentwicklung der kontraktilen Elemente (ESCHENHAGEN 1992, HARMEYER 2000). Gleichzeitig löst die Bindung eines Rezeptoragonisten am Rezeptor direkt, ohne zwischengeschalteten „second-messenger“, eine Kalziumkanalaktivierung und einen verstärkten Kalziumeinstrom in die Zelle aus. So werden die Ionenkanäle in den kardialen Schrittmacherzellen bzw. in den Zellen des Erregungsleitungssystems, direkt beeinflusst. Eine Stimulation der am Herzen vorkommenden, wenigen α1-Rezeptoren führt über die Aktivierung der Phospholipase C und des Inositolphosphatstoffwechsels zu einem Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration und damit ebenfalls zu einem myokardialen Kraftanstieg. Die α1-Stimulation führt also ebenfalls zu einer Zunahme der Inotropie (ESCHENHAGEN 1992). In therapeutischen Dosierungen (4-10 µg/kg/min) wird das Herz durch Dobutamin nur geringfügig positiv chronotrop beeinflusst (BECKER 1995, HELLYER et al. 1998, WYSS 1999, LÖSCHER et al. 2003, MARNETTE 2004). In der humanmedizinischen Literatur wird als mögliche Ursache dafür eine überwiegende Wirkung des Racemats gegenüber dem positiv chronotrop wirkenden (+)-Enantiomer diskutiert (ESCHENHAGEN 1992). Herzfrequenzsteigerungen werden ausserdem reflektorisch durch einen erhöhten Vagustonus wieder herunterreguliert, so dass daraus häufig eine Bradykardie resultiert (Bezold-Jarisch-Reflex) (DONALDSON 1988, HOFMEISTER et al. 2005). Das

Auftreten von Bradykardien unter Dobutaminwirkung scheint dosisabhängig zu sein (LIGHT u. HELLYER 1993). So berichten SWANSON et al. (1985), die anästhesierten Pferden jeweils 3, 5 bzw. 10 µg/kg/min Dobutamin infundierten, dass unter den beiden niedrigeren Dosierungen Bradykardien auftraten, wohingegen es bei 10 µg/kg/min zu einer Steigerung der Herzfrequenz kam. Verschiedene andere Studien haben sich mit dem Verlauf der Herzfrequenz unter Dobutaminwirkung beim Pferd beschäftigt. So beobachteten BECKER (1995) und GEHLEN et al. (2004) bei einer Dobutamininfusion von 5 µg/kg/min eine mittlere Herzfrequenz von 36 Schlägen pro Minute.

MARNETTE (2004) und GEHLEN et al. (2005f) erreichten mit einer Dosierung von 7,5 µg/kg/min über einen Zeitraum von 4 Minuten eine durchschnittliche Herzfrequenz von 36 +/- 8 Schlägen pro Minute. Mit einer Dosierung von 10 µg/kg/min erhielt WYSS (1999) einen Mittelwert von 38 Schlägen pro Minute. Andere Autoren, wie z.B. FRYE et al. (2003), infundierten Dobutamin mit einer stufenweisen Steigerung. Beginnend bei 10 µg/kg/min steigerten sie die Infusionsrate im Dreiminutentakt bis auf maximal 50 µg/kg/min. Mit der Maximaldosis wurden mittlere Herzfrequenzen von 161 Schlägen pro Minute erzielt. Dabei traten allerdings bei 20% der Pferde erhebliche Myokardschäden auf.

2.4.2.1.2 Wirkung an Gefäßen

Die Gefäßwirkung von Dobutamin wird in der Literatur nicht einheitlich beschrieben.

SCHÜTZ (1996) und SWANSON et al. (1985) sind der Ansicht, dass Dobutamin keinen Effekt auf den systemischen Gefäßwiderstand hat, da die vasokonstriktorischen Eigenschaften des α1-wirksamen (-)-Enantiomers und des vasodilatatorisch auf β2-Rezeptoren wirkenden (+)-Enantiomers an den Blutgefäßen in der Peripherie ausgeglichen sind. Dagegen ist ESCHENHAGEN (1992) der Ansicht, dass Dobutamin bei einer Infusionsmenge von 2,5-15 µg/kg beim gesunden Menschen, beim Labortier und bei Patienten mit Myokardinsuffizienz im Gegensatz zu anderen Katecholaminen sowohl den peripheren Gesamtwiderstand als auch den kapillaren Pulmonaldruck und damit die Vor- und Nachlast des linken Ventrikels senkt.

2.4.2.1.3 Wirkung auf den Blutdruck

Die Wirkung von Dobutamin auf den Blutdruck wird in der Literatur kontrovers diskutiert (WEICHLER 1999). In verschiedenen humanmedizinischen Studien kam es nach Dobutamininfusionen in Dosierungen zwischen 2 bis 15 µg/kg/min zu einer Senkung des mittleren arteriellen Blutdrucks, des mittleren Pulmonalarteriendrucks und zu einer Senkung des Lungenkapillardrucks (SHOEMAKER et al. 1986, RUFFOLO 1987). Dagegen stellten AMORY et al. (1993), die Kälbern Dobutamin in einer Dosierung zwischen 5 und 20 µg/kg/min verabreichten, in ihrer Studie fest, dass der mittlere arterielle Blutdruck und der mittlere Pulmonalarteriendruck unverändert blieben. Andere Autoren berichten beim Pferd über eine dosisabhängige Steigerung des mittleren, systolischen und diastolischen arteriellen Blutdrucks, sowie des mittleren Pulmonalarteriendrucks (SHEBUSKI et al. 1987, HELLYER et al. 1998, YOUNG et al. 1998, DYSON u. PASCOE 1990). YOUNG et al. (1998) beobachteten außerdem einen Anstieg des links- und rechtsventrikulären enddiastolischen und systolischen Druckes unter Dobutaminwirkung. Dagegen erreichten RAISIS et al. (2000) mit einer sehr niedrigen Dobutamindosis (0,5 µg/kg/min) bei mit Halothan anästhesierten Pferden signifikante Blutdrucksteigerungen. Sie bezeichnen Dobutamin als potenten β1-adrenergen Agonisten, der zur Behandlung der Hypotension unter Halothannarkose empfohlen werden kann.

In der Anästhesiologie des Pferdes ist die Verwendung von Dobutamin als positiv inotrop wirkende Substanz Mittel der Wahl, um im Falle einer arteriellen Hypotension wieder einen akzeptablen Blutdruck herzustellen (SWANSON et al. 1985, DONALDSON 1988, LIGHT u.

HELLYER 1993, HELLYER et al. 1998). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Halothan bzw. Isofluran zur Inhalationsnarkose zu einer Herzsensibilisierung gegenüber Katecholaminen führt (LÖSCHER et al. 2003).

2.4.2.1.4 Unerwünschte Wirkungen

In therapeutischen Dosierungen (4-10 µg/kg/min) hat Dobutamin positiv inotrope Wirkungen, ohne dabei eine Chronotropie hervorzurufen (BECKER 1995, BARILLA 1999, WYSS 1999, LÖSCHER et al. 2003). Niedrige Dosierungen (1-10µg/kg/min) führten in der Studie von LIGHT et al. (1991) zu Bradyarrhythmien und verstärktem Auftreten von AV-Blocks II.

Anstieg des systemischen arteriellen Blutdruckes gesehen wird. Geringe Überdosierungen können zu einem leichten Blutdruckanstieg sowie zu ektopischen Extrasystolen führen. Bei starker Überdosierung ist dagegen mit Tachykardien und heterotoper Erregungsbildung, sowie Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern zu rechnen (SWANSON et al. 1985, ESCHENHAGEN 1992, STARKE et al. 1996, HELLYER et al. 1998, YOUNG et al. 1998, LÖSCHER et al. 2003). Hohe Dosierungen führen darüber hinaus beim Pferd zu kardiotoxischen und arrhythmogenen Nebenwirkungen (FRYE et al. 2003, SANDERSEN et al. 2005).