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2 LITERATURÜBERSICHT

2.5 E RMITTLUNG DER D RUCKVERHÄLTNISSE IM H ERZEN BEI M ENSCH UND P FERD

2.5.2 Bedeutung des Lungenkapillardruckes

Die Messung des Lungenkapillardruckes ist beim Pferd von besonderem Nutzen für die weitere Abklärung von belastungsbedingtem Lungenbluten (BAYLY et al. 1983; ERICKSON et al. 1990, 1992; JONES et al. 1992; MANOHAR 1993a,b; MANOHAR 1994; MANOHAR et al. 1994a,b, 1995; SINHA et al. 1996), sowie zur Abklärung von Mitralklappen-insuffizienzen (GEHLEN et al. 2003). Bei Pferden mit Leistungsinsuffizienz und Erkrankungen des linken Herzens ist der Lungenkapillardruck in Ruhe gegenüber gesunden Pferden signifikant erhöht. Dies ist auch für den Lungenkapillardruck bei Pferden mit Mitralklappeninsuffizienzen unter standardisierter Laufbandbelastung bekannt (GEHLEN et al. 2003). Da der Lungenkapillardruck dem linksatrialen Mitteldruck, sowie dem enddiastolischen Druck des linken Ventrikels entspricht, erlaubt seine Bestimmung, Rückschlüsse auf den Funktionszustand des linken Herzens zu ziehen (MUYLLE et al. 1986, CHALIKI et al. 2002, GEHLEN et al. 2003). Insbesondere aber eröffnet die Messung des Lungenkapillardruckes eine Differenzierungsmöglichkeit zwischen pulmonalen und kardialen Erkrankungen (s. Tab. 3).

Bei pulmonalen Stauungen, z.B. durch Flüssigkeitsüberladung oder durch Linksherzinsuffizienz etc., kann der Lungenkapillardruck den kolloidosmotischen Druck übersteigen und so zur Entstehung eines Lungenödems führen (BUCHBINDER u. GANZ 1976).

Pferde mit chronisch obstruktiver Bronchitis zeigen gegenüber lungengesunden Pferden grundsätzlich einen signifikant erhöhten Pulmonalarteriendruck (DIXON 1978).

Liegen im Falle einer pulmonalen Hypertonie beim Pferd der enddiastolische und damit auch der mittlere Pulmonalarteriendruck über dem Lungenkapillardruck, lässt sich aus der Differenz zwischen dem mittleren Pulmonalarteriendruck und dem mittleren Lungenkapillardruck der „Pulmonary driving pressure“ (driving = Antrieb) errechnen. Dieser ist ein Maß für den effektiven Widerstand im Lungengefäßbett und für die alveoläre Ventilation (MUYLLE et al. 1986).

Tabelle 3: Differenzierung kardialer und pulmonaler Erkrankungen (aus:

BUCHWALSKY 1992)

Erkrankung Pulmonalarteriendruck Pulmonalkapillardruck Herzminutenvolumen

Kardiale Ursache ↑↑ ↑↑ ↓↓

Pulmonale Ursache ↑↑ nicht verändert (↓)

VEREL und STENTIFORT (1970) verglichen beim Menschen simultan den direkten linksatrialen Druck mit dem Lungenkapillardruck (der indirekt den linksatrialen Druck repräsentiert) und stellten fest, dass die Druckänderungen im linken Atrium denen im Lungenkapillarbett um 0,06 - 0,12 Sekunden vorausgehen. Diese Verzögerung führten sie auf die Zeit zurück, die die im linken Atrium entstehende Druckwelle benötigt, um die Pulmonalvenen zu passieren und das Lungenkapillarbett zu erreichen. Eine Korrektur dieser Zeitverzögerung erhöht dementsprechend die Präzision der Messungen signifikant (MARZOCCHI et al. 1995). Ob die Größe des linken Atriums dabei einen Einfluss auf den im Lungenkapillarbett herrschenden Druck hat, wird in der Literatur gegensätzlich diskutiert.

PAPE et al. (1991) konnten aufgrund der Größe des linken Atriums keine Rückschlüsse auf den Lungenkapillardruck oder die Größe der v-Wellen bei Patienten mit Mitralklappeninsuffizienzen ziehen. BUBECK (2001) konnte dagegen bei Pferden mit Mitralklappeninsuffizienzen eine positive Korrelation nachweisen. In der Belastung hat die Intensität der Belastung jedoch einen Einfluss auf die Druckverhältnisse (PARKS u.

MANOHAR 1983a, MANOHAR 1995, REEVES u. TAYLOR 1996, SINHA et al. 1996, MANOHAR u. GOETZ 1999). Dabei stellten SINHA et al. (1996) fest, dass es beim Pferd unter Belastung zu einem signifikanten Anstieg des mittleren Pulmonalarterien-, Pulmonalkapillar- und „wedge“-Druckes kam, wobei der höchste Anstieg zu Beginn der Belastung zu verzeichnen war. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen Intensität der Belastung und Druckanstieg analysierten MANOHAR und GOETZ (1999) die pulmonalen Druckverhältnisse bei Pferden in Ruhe, während leichter und während intensiver Belastung.

Dabei bestätigten sie frühere Beobachtungen, dass pulmonale vaskuläre Drücke progressiv mit der Intensität der Belastung zunehmen. Der Lungenkapillardruck stellt für sie einen wichtigen Faktor dar, um das absolute Level des Pulmonalarterienblutdruckes beim arbeitenden Pferd bestimmen zu können.

In der Humanmedizin wurde diesbezüglich beobachtet, dass Änderungen des Blutdruckes in der Pulmonalarterie parallel zu Änderungen des Lungenkapillardruckes ablaufen (REEVES u.

TAYLOR 1996). Im Rahmen einer Laufbandstudie beim Pferd wurde hierzu nachgewiesen, dass die pulmonal-vaskulären Drücke bei plötzlichen hohen Belastungen signifikant schneller und höher ansteigen, als bei dosierter Steigerung der Belastung, obwohl letztendlich die gleiche Leistung gefordert wurde bzw. die gleiche Geschwindigkeit erreicht wurde (MANOHAR 1994). Der beim Pferd beobachtete, progressiv mit der Intensität der Belastung ansteigende Lungenkapillardruck ist mutmaßlich auf ein erhöhtes pulmonales Blutvolumen, einen erhöhten venösen Tonus (intrinsischer myogener Tonus und neurohormonale Einflüsse) und einen erhöhten nachgeschalteten Druck („downstream pressure“) zurückzuführen. Da in der ventrikulären Enddiastole ventrikuläre und atriale Drücke identisch sind, ist es der linksventrikuläre enddiastolische Druck, der als nachgeschalteter Druck den pulmonalen venösen Druck beeinflusst. MANOHAR (1994) macht die massive Steigerung des venösen Rückflusses unter Belastung verantwortlich für den dramatischen Anstieg des Lungenkapillardruckes, der ja eine Größe des pulmonalen Venendruckes darstellt und als Indikator für die Vorlast des linken Ventrikels angesehen wird.

In der Kleintiermedizin überprüften CORBOZ et al. (1995) die Übereinstimmung von arteriell und venös bestimmtem Lungenkapillardruck an der intakten Hundelunge. Zur Druckbestimmung verwendeten sie Balloneinschwemmkatheter, die sowohl über die rechte Pulmonalarterie, als auch über eine Pulmonalvene des linken unteren Lobus eingeführt wurden. Die erhobenen Druckwerte zeigten gute Übereinstimmungen.

Lungenbluten

Belastungsinduziertes Lungenbluten (EIPH) ist ein bekanntes Problem bei Pferden unter Höchstbelastungen im Wettkampf (WEST u. MATHIEU-COSTELLO 1994). 44-75% aller Vollblutpferde leiden im Rennen unter Lungenbluten (PASCOE et al. 1981), 38-66% leiden auch während intensiven Trainings an EIPH (RAPHEL u. SOMA 1982). Gleichermaßen zeigen auch 26-78% der Warmblutpferde während intensiven Trainings oder im Wettkampf Lungenbluten (LAPOINTE et al. 1994).

Extreme Anstrengungen führen zu einer pulmonalen vaskulären Hypertension, die zu Stresszerreissungen von Lungenkapillaren und damit zum Austritt von Blut in Interstitium und Alveolen führen kann (ERICKSON u. LOWE 1994, PASCOE u. JONES 1994, SINHA et al. 1996). Die Schwelle für die Stressruptur von Lungenkapillaren beim Vollblutpferd wird bei transmuralen Drücken zwischen 75 und 100 mmHg eingeschätzt (BIRKS et al. 1997).

Auch LANGSETMO et al. (2000) zeigten, dass beim Pferd mit Lungenbluten für den Pulmonalarteriendruck eine Schwelle existiert, oberhalb der es zur Symptomatik des EIPH kommt. Diese wird häufig während Hochgeschwindigkeitssprints überschritten. Weiterhin ist die Lunge vor allem bei hohen Geschwindigkeiten starken bewegungsabhängigen Stoßkräften, in Form von über den Brustkorb in kaudodorsaler Richtung laufenden Stoßwellen, ausgesetzt. Diese Druckwellen werden durch das Lungenparenchym auf die dorsokaudalen Regionen fortgeleitet und zusätzlich im distalen Brustbereich reflektiert, so dass Wirbelsäule und Zwerchfell zu einer komplexen Struktur von Wellenbewegungen beitragen. Die bei einem 500 kg schweren Pferd wirkenden Stoßkräfte im Galopp betragen mehr als 100 kPa über eine Dauer von 10 msec. Diese Kräfte können ausreichen, ein Ödem oder Blutungen zu induzieren (SCHROTER et al. 1998). Auch druckmechanische Veränderungen, die von Obstruktionen im luftleitenden System ausgehen, können Ursache für Kapillarzerreissungen sein (ROBINSON u. DERKSON 1980). Schon bei geringen Lungenerkrankungen können häufig Resistance-Erhöhungen und Lungencompliance-Erniedrigungen festgestellt werden. Eine übermäßige Interpleuraldruckerhöhung bei forcierter Atmung während der Arbeit führt so zu starken Dehnungs- und Scherkräften zwischen gut und schlecht belüfteten Lungenarealen, die Kapillarzerreissungen zur Folge haben können.

Auch Bronchulusobstruktionen können während der Inspiration durch eine starke intraalveoläre Druckabnahme, die ihrerseits erhebliche Kräfte auf die Kapillarwände ausübt, zu Zerreissungen der Kapillarwände führen (STADLER et al. 1998).

MANOHAR et al. (1998) untersuchten die Druckentwicklung im rechten Atrium, rechten Ventrikel, der Pulmonalarterie und im Lungenkapillarbett mit dem Rechtsherzkatheter in Bezug auf die Entstehung von Lungenbluten unter der Wirkung unterschiedlicher Medikamente (Furosemid und Furosemid + Phenylbutazon). Die Druckwerte in den verschiedenen Kompartimenten wurden simultan unter Höchstbelastungen der Pferde auf dem Laufband aufgezeichnet. Dabei stellte sich heraus, dass unter Furosemidwirkung (Diuretikum)

der belastungsinduzierte Anstieg der Druckwerte in Atrium und Lungengefäßen signifikant geringer war, als bei der unbehandelten Kontrollgruppe. Die Gruppe, die Furosemid und Phenylbutazon erhalten hatte, unterschied sich nicht von der Gruppe, die nur Furosemid erhalten hatte. Variable Dosierungen zeigten aber keinen linearen Zusammenhang zwischen der verabreichten Furosemidmenge und dem Auftreten von EIPH (MANOHAR et al. 1997).

Auch GLEED et al. (1999) evaluierten, dass Furosemid die pulmonalkapillären- und

„wedge“- Drücke reduziert und damit einen protektiven Effekt in Bezug auf die Entstehung von EIPH hat.

Bei anderen Tierarten ist die Stressruptur von Lungenkapillaren ebenfalls bekannt – beim Kaninchen z.B. liegt die Schwelle, oberhalb der es zum Zerreißen von Lungenkapillaren kommt, bei transmuralen Drücken von etwa 40 mmHg. Unter ähnlichen transmuralen Druckbelastungen zeigt die Hundelunge im Vergleich mit der Kaninchenlunge eine signifikant höhere Blutgasbarriere-Dichte von Epithel und Endothel, außerdem steigt bei höheren Druckbelastungen weder die totale noch die interstitielle Dicke dieser Strukturen signifikant an. Aufgrund dieser Resultate scheinen die Pulmonalkapillaren der Hundelunge weniger anfällig für Zerreissungen zu sein, als die der Kaninchenlunge (MATHIEU-COSTELLO et al. 1995).

2.5.3 Invasive Erfassung von kardialen Druckparametern mit dem