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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 D IE PASSIVE , MEDIKAMENTELLE S TRESSINDUKTION BEI M ENSCH UND P FERD

2.4.4 Einsatz der passiven Stressinduktion in der Humanmedizin

In der Humankardiologie wird die pharmakologische Stressinduktion inzwischen routinemäßig zur Darstellung der myokardialen Perfusion bei Risikopatienten eingesetzt (BART et al. 2005). Zur medikamentellen Erzeugung einer kardialen Belastungssituation stehen verschiedene Wirkstoffe, wie Dobutamin, Dipyridamol, Denopamin oder Adenosin zur Verfügung (BECKMANN u. HAUG 1998, WYSS 1999).

Besonders der Einsatz von Dobutamin ist inzwischen eine verbreitete und gängige Methode zur Stressinduktion (AKTHAR et al. 1975, BAMBACH et al. 1983, DURANDO 2005). Auch KIM et al. (2001), die unterschiedliche Pharmaka zur medikamentellen Stressinduktion verwendeten (Adenosin, Dipyridamol und Dobutamin), halten die medikamentelle Stressinduktion mit Dobutamin für die Methode mit der höchsten Sensitivität und Spezifität.

Je nachdem, ob geringe Belastungen erzeugt werden, oder ob Maximalbelastungen angestrebt werden, spricht man von „low-stress“- bzw. „high-stress“- Belastungen, für die Dosierungen von 5µg/kg/min bis zu 50 µg/kg/min empfohlen werden (BECKMANN u. HAUG 1998). Die Indikationsbereiche für eine medikamentelle Stressinduktion sind vielfältig. Beispiele für den Einsatz in der Stressechokardiographie sind pektanginöse Symptomatiken, welche häufig mit unklaren bzw. nicht zufriedenstellenden Ergebnissen aus dem Belastungs - EKG einhergehen, und die Kontrolle von Angioplastieergebnissen oder Ischämienachweise bei linksventrikulärer Hypertrophie. Auch der Nachweis ischämietypischer Wandbewegungsstörungen, Stenosen, koronarer Herzkrankheit, koronarer Belastungsinsuffizienzen und die Vitalitäts- bzw.

Ischämieobjektivierung nach Myokardinfarkten zählen zu den typischen Einsatzbereichen der

Bei Patienten mit Myokardinfarkt erlaubt der Dobutamin - Stresstest in der Doppler-Echokardiographie einen guten Einblick in die linksventrikuläre Funktion (WANG et al.

1997).

In der Humanmedizin haben sich zur Dobutamin-Stressuntersuchung sogenannte Stufenprotokolle durchgesetzt (s. Abb. 1).

Abbildung 1: Stufenprotokoll zur medikamentellen Stressinduktion mit Dobutamin und Atropin (aus: PICANO 2003)

Dabei wird das Dobutamin über einen Perfusor kontinuierlich intravenös infundiert und die Dosis, beginnend bei 5 µg/kg/min, alle drei Minuten auf 10, 20, 30 bis maximal 40 µg/kg/min gesteigert (HAUG 1998). Mit dieser Höchstdosierung kann die Infusion bis zu einer Dauer von maximal 19 Minuten fortgesetzt werden (LIENG et al. 1996). Wird im Rahmen einer Applikation von Dobutamin zur passiven Stressinduktion keine ausreichend hohe Herzfrequenz erzielt, kann die Untersuchung mit einer Atropingabe (bis maximal 1 mg) zur Reduktion des Vagustonus kombiniert werden (FIUZA et al. 1994, LESSICK et al. 2000, PETEIRO et al. 2001). Die geforderte Zielherzfrequenz errechnet sich dabei nach folgender Formel: HF = (220 – Lebensalter) x 0,85. Besonders bei älteren Patienten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind einen aktiven Belastungstest zu absolvieren, gilt die passive Stressinduktion mit Dobutamin und Atropin als sichere und praktikable Methode, um eine Belastungssituation zu erzeugen (POLDERMANS et al. 1994, DURANDO 2005). Einige

kardiologische Zentren sind dazu übergegangen, Atropin bereits bei Herzfrequenzen unter 100/min zu verabreichen (TSUTSUI et al. 2005), um die Untersuchungszeit zu verkürzen (SCHRÖDER et al. 1992). Verschiedene Autoren kombinierten auch aktive Belastungstests mit einer Atropingabe (DE LORENZO et al. 2003, PETEIRO et al. 2004). PETEIRO et al.

(2004) verabreichten ihren Probanden bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 105 ± 10 Schläge/min eine mittlere Atropindosis von 0,73 ± 0,35 mg und erzielten damit Herzfrequenzsteigerungen von 27 ± 9 Schlägen/min. Die passive Stressinduktion wird auch in Zusammenhang mit Herzkatheteruntersuchungen angewandt (Ventrikulographie, Koronarangiographie) (BECKMANN u. HAUG 1998). Hierbei beobachteten PALMGREN und HULTMAN (2001) während der Herzkatheteruntersuchung unter Dobutaminwirkung (5-10 µg/kg/min) signifikante Anstiege des Lungenkapillardruckes ohne gleichzeitigen Anstieg der Herzfrequenz. Im Gegensatz dazu beobachteten AKHTAR et al. (1975) bei Patienten mit schwerer kongestiver Herzinsuffizienz, die eine Dobutamininfusion von 10µg/kg/min erhielten, eine Erniedrigung des Lungenkapillardruckes. Dieselbe Beobachtung machten auch ANDY et al. (1977), die Dosierungen zwischen 5 und 15 µg/kg/min bei Personen mit kongestiver Herzinsuffizienz anwendeten. Sie berichten ausserdem von einer Erniedrigung des mittleren Pulmonalarteriendruckes, sowie des rechtsatrialen Druckes.

Die Adenosin - Stressechokardiographie ist relativ wenig verbreitet, obwohl sie in einigen kardiologischen Zentren wahlweise eingesetzt wird (MERTES et al. 1993). Sie findet ihren Einsatz vor allem in der Beurteilung der myokardialen Perfusion (HART et al. 2000, BALAN u. CRITCHLEY 2001). Im Gegensatz zu anderen Stressinduktionsmethoden liegen hier aber nur wenige Erfahrungsberichte vor (ZOGHBI et al. 1992). Adenosin hat eine direkt dilatatorische Wirkung auf die Gefäßmuskulatur (SCHÜTZ 1996).

Denopamin ist ein Phenylethanolaminderivat mit einem β-hydroxy-Anteil in der Seitenkette.

Es zählt zu den selektiven β1-Adrenozeptoragonisten und hat im Gegensatz zu Dobutamin keinen Katecholaminanteil. Denopamin wirkt nur gering positiv chronotrop. Seine positiv inotrope Wirkung ist ähnlich stark wie die von Dobutamin. Die Wirkungsdauer ist deutlich länger als bei den Katecholaminen (NAGAO et al. 1984).

Dipyridamol ist ein Hemmstoff der zellulären Adenosinaufnahme. Es ist als Vasodilatator in der Lage, die Koronardurchblutung unter Ausschöpfung der Koronarreserve zu verbessern, beeinflusst aber die eingeschränkte Durchblutung ischämischer Bezirke nicht (SCHÜTZ 1996). Es wird sogar der Blutstrom aus den bereits minderdurchbluteten Bezirken abgeleitet.

Ein solch negatives Umverteilungsverfahren wird klinisch als „coronary steal“ bezeichnet und führt zur Ischämie (PICANO 2003). Chronotrope und inotrope Effekte sind unter Dipyridamol nur gering, jedoch kommt es zu einer leichten Blutdrucksenkung aufgrund der Vasodilatation (HAUG 1998).

Im Vergleich zwischen aktiver Belastungsuntersuchung auf dem Fahrradergometer, sowie passiver Stressinduktion mit Dobutamin (5-40 µg/kg/min) bzw. Dipyridamol (0,84 µg/kg über 10 min) stellte sich heraus, dass Dobutamin beiden anderen Methoden zur Stressinduktion in Bezug auf die diagnostische Genauigkeit überlegen war (PREVITALI et al. 1993). Einige Autoren setzen jedoch auch Kombinationen aus Dipyridamol + Dobutamin (Dip-Dob-Set) und Dipyridamol + Atropin (Dip-Atro-Set) zur pharmakologischen Stresserzeugung ein.

Beide Methoden liefern ähnlich gute diagnostische Genauigkeit und Sicherheit (MILOSAVLJEVIC et al. 2005).

Andere Indikationen für den Einsatz von Dobutamin beim Menschen sind Herzerkrankungen verschiedener Ätiologie (TUTTLE u. MILLS 1975). Die Langzeitmedikation bei chronischen Herzinsuffizienzen führt jedoch zumeist zu einer Tachyphylaxie gegenüber Katecholaminen, da aufgrund des erhöhten Vagustonus die β-Rezeptorenzahl abnimmt und die Konzentration des GTP-bindenden Proteins, welches die Adenylatzyklase hemmt, zunimmt. Außerdem wird Dobutamin zur Behandlung des kardiovaskulären Schocks eingesetzt (ESCHENHAGEN 1992).

2.4.4.1 Einsatz der passiven Stressinduktion beim Kleintier

Beim Kleintier hat sich die medikamentelle Stressinduktion mit Dobutamin zu einer sicheren und verlässlichen Methode zur Aufdeckung latenter myokardialer Dysfunktionen entwickelt (McENTEE et al. 1998b). Um pathologische Veränderungen während der medikamentellen Stressinduktion mit physiologischen Veränderungen während einer Belastung vergleichen zu können, führten McENTEE et al. (1998b) Dobutamin-Stressechokardiographien an acht gesunden Hunden durch (Dosierung: 12,5-42,5 µg/kg/min).

Der Dobutamin-Stresstest zeichnete sich durch gute Durchführbarkeit, Sicherheit und Reproduzierbarkeit aus. Zusätzlich erstellten McENTEE et al (1998a) Normwerte für die myokardiale systolische Funktion während Dobutamininfusionen (7,5–42,5 µg/kg/min), indem sie Herzkatheteruntersuchungen während des Stresstests an gesunden, unsedierten Hunden durchführten. Außerdem stellte sich nach einer Dobutamininfusion von 27,5–

50µg/kg/min heraus, dass sowohl der Lungenkapillardruck, als auch der systolische und mittlere Pulmonalarteriendruck signifikant mit der Dobutamindosis anstiegen, der diastolische Pulmonalarteriendruck jedoch nur unwesentlich beeinflusst wurde (McENTEE et al.1996). In einer weiteren Studie untersuchten McENTEE et al. (2001), inwieweit der Dobutamin-Stresstest in Kombination mit der Echokardiographie zur Aufdeckung früher linksventrikulärer Dysfunktionen im Hinblick auf die dilatative Kardiomyopathie bei Hunden geeignet ist. Sie verwendeten Dosierungen zwischen 12,5 und 42,5 µg/kg/min. Der Test erwies sich als guter, sensitiver Detektor für die Aufdeckung früher linksventrikulärer Dysfunktionen. MINORS und O´GRADY (1998) verwendeten in einer stressechokardiographischen Studie zur Entwicklung der dilatativen Kardiomyopathie bei Dobermann-Pinschern eine wesentlich geringere Dobutamin-Dosierung von 5 µg/kg/min.

Auch bei Nutztieren wird Dobutamin zur passiven Stressinduktion eingesetzt. Um die Messung des Herzindex (Schlagvolumen/Herzfrequenz) mittels 3-D-Echokardiographie mit der invasiven Messung durch einen Swan–Ganz-Einschwemmkatheter in Ruhe und unter pharmakologisch erzeugter Stresssituation zu vergleichen, applizierten HANDKE et al.

(2003) fünfzehn Schweinen Dobutamin (5, 10 und 20 µg/kg/min).

2.4.4.2 Einsatz der passiven Stressinduktion in der Pferdemedizin

Auch beim Pferd wurde die passive, medikamentelle Stressinduktion zur Durchführung von Belastungsuntersuchungen schon von verschiedenen Autoren angewendet (YOUNG et al.

1998, BECKER 1995, FRYE et al. 2003, MARNETTE 2004, WYSS 2004, SANDERSEN et al. 2005). Um ein pharmakologisches Stressprotokoll erstellen zu können, das die Untersuchung des stimulierten equinen Herzens ermöglicht, verglichen SANDERSEN et al.

(2005) die medikamentelle Stressinduktion mit Dobutamin alleine („Dobutamin-Gruppe“) mit einer zweiten Probandengruppe, die wenige Minuten vor der Dobutamingabe Atropin erhalten hatte („Dobutamin + Atropin - Gruppe). Es stellte sich heraus, dass der Herzindex in der

„Dobutamin + Atropin - Gruppe“ einen wesentlich höheren Anstieg erfuhr als bei der

„Dobutamin-Gruppe“. Beide Methoden führten zu einem signifikanten Herzfrequenzanstieg.

Das Schlagvolumen war bei der „Dobutamin-Gruppe“ signifikant erniedrigt, bei den mit Atropin vorbehandelten Pferden dagegen nahezu unverändert. Eine Erklärung dafür liefert die Frequenzinotropie: bei niedrigen Herzfrequenzen ist der Kalzium-Einstrom pro Zeiteinheit niedrig, die Anzahl der Aktionspotentiale ist gering und für den Ausstrom zwischen den Aktionspotentialen bleibt relativ viel Zeit, so dass die mittlere Kalziumkonzentration niedrig und die Kontraktilität gering ist. In dieser Weise kann auch der Vagus (indirekt) negativ inotrop wirken. Im umgekehrten Fall nimmt bei einer Sympathikusaktivierung mit steigender Herzfrequenz die Kontraktilität zu, so dass in der Folge auch das Schlagvolumen ansteigt (SILBERNAGL u. DESPOPOULOS 1991). Weiterhin zeigte sich, dass im Vergleich in der

„Dobutamingruppe“ eine hohe interindividuelle Variabilität der Herzantwort bestand, verstärkt Arrhythmien auftraten und sich das Verhalten der Ponies durch extreme Ruhelosigkeit auszeichnete. Eine unakzeptabel hohe Rate solcher „Nebenwirkungen“

während einer “high-dose“ Dobutamin - Stressinduktion beobachteten auch FRYE et al.

(2003). Die Verwendung von niedrigen Dobutamindosierungen in Kombination mit Atropin erzielte vergleichbare Wirkungen, jedoch mit einem wesentlich geringeren Anteil an unerwünschten Arzneimittelwirkungen (SANDERSEN et al. 2005). Hinsichtlich ihrer Praktikabilität zur Stressinduktion, ihrer Nebenwirkungen und ihres Einflusses auf die Herzfrequenz fand auch MARNETTE (2004), dass sich Dobutamin in Kombination mit Atropin gut zur medikamentellen Stressinduktion eignet, da hierbei eine der realen, aktiven Belastung adäquate Herzfrequenz erreicht werden kann. YOUNG et al. (1998) führten einen

Dobutamin-Stresstest zur Erfassung temporaler hämodynamischer Effekte bei Halothan - anästhesierten Pferden durch. Durch gleichzeitige Anwendung von Rechts- und Linksherzkathetern ermittelten sie signifikante Anstiege des mittleren, systolischen und diastolischen Aortendruckes, des Pulmonalarteriendruckes und der systolischen und enddiastolischen Drücke im rechten und linken Ventrikel.

Bei dem Vergleich von medikamenteller Stressinduktion mit Denopamin und Dobutamin stellte WYSS (2004) bei beiden Medikamenten eine hochsignifikante Zunahme der Verkürzungsfraktion und einen leichten Anstieg der Herzfrequenz fest, zieht aber Dobutamin wegen seiner deutlich kürzeren Halbwertszeit in der Routinediagnostik vor.

Weitere Indikationsgebiete für den Einsatz von Dobutamin sind beim Pferd auch die Behandlung des kardiovaskulären Schocks. Dazu werden Dosierungen zwischen 4-10 µg/kg/min empfohlen (LÖSCHER et al. 2003). In der Pferdemedizin wird von einer Dobutamin - Dauerapplikation bei Herzerkrankungen abgeraten, die mit einem erniedrigten Schlagvolumen verbunden sind (PATTESON 1996). Einerseits resultiert aus einer Dobutaminapplikation eine erwünschte Blutdruckerhöhung, andererseits ist jedoch die Steigerung der Nachlast und der damit verbundene erhöhte Sauerstoffverbrauch des Myokards und die von verschiedenen Autoren postulierte arrhythmogene Wirkung nachteilig (PATTESON 1996).

2.4.5 Risiken und Abbruchkriterien der medikamentellen Stressinduktion