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Geschichte der Unternehmensbewertung

2. Hintergrund

2.1 Geschichte der Unternehmensbewertung

Die Unternehmensrechnung geht zurück auf die Anfänge der Rechenkunst und Buchführung im 13. Jahrhundert. Von Italien ausgehend verbreitete sich die Buchfüh-rung zunächst langsam, ab dem 16. Jahrhundert dann schneller in weitere Gebiete der Welt. 1518 erschien vermutlich das erste deutschsprachige Buch zur doppelten Buchführung. Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert in Deutschland ge-wann die Unternehmensführung und -rechnung an Bedeutung. Erste wissenschaftli-che Ansätze fanden um 1900 durch die ersten Handelshochschulabsolventen ihren Einzug in die Praxis. Durch die verbesserte Abbildung betriebswirtschaftlicher Daten von Unternehmen wurde eine Grundlage für die Unternehmensbewertung geschaf-fen.7 Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland bereits eine erste Unter-nehmensbewertung von Forstbetrieben vorgenommen. Eine konsequente Bewer-tungstheorie entwickelte sich aber erst im 20. Jahrhundert.8 Während in den 1950er Jahren die objektive Bewertungslehre dominierte, trat in den 1960er Jahren die sub-jektive Bewertungslehre in den Vordergrund. Diese wurde in den 1970er Jahren von der funktionalen Bewertungslehre abgelöst.9

1. Objektive Bewertungslehre

Nach der objektiven Werttheorie sollen Gegenstände wie auch Unternehmen „objek-tiv“ bewertet werden, losgelöst von bestimmten Personen. Es ist das Erfolgspotenzial des Unternehmens zu bewerten, das für Jedermann in dem Unternehmen enthalten ist. Der objektive Wert soll für jeden realisierbar sein und nicht die Vorstellungen und Bedürfnisse einzelner, konkreter Konfliktparteien (das heißt zum Beispiel Käufer und Verkäufer) mit einbeziehen. Da die Interessen und die Situation von Käufer und Ver-käufer unberücksichtigt bleiben, kann eine Einigung problematisch werden. Kritiker halten die Ermittlung eines objektiven Wertes für schwierig; er kann aber als Aus-gangspunkt für die Wertermittlung bzw. als Verhandlungsgrundlage dienen.10

7 Vgl. Quill, Tobias (2016) Interessengeleitete Unternehmensbewertung – Ein ökonomisch-soziologischer Zugang zu einem neuen Objektivismusstreit, S. 15ff

8 Vgl. ebd., S. 93

9 Vgl. Kuhner, Christoph / Maltry Helmut (2017) Unternehmensbewertung, S. 57

10 Vgl. Peemöller, Volker H. (Hrsg.) (2009) Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 4ff

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2. Subjektive Bewertungslehre

Bei der subjektiven Werttheorie wird der Wert subjektiv gebildet, das bedeutet zum Beispiel durch die Vorliebe eines Menschen für einen bestimmten Gegenstand. Die-ser Wert hängt vom Betrachter ab. Alle Bewertungsmaßstäbe werden konkret auf zum Beispiel den Käufer einer Zahnarztpraxis abgestimmt. Dadurch ergibt sich etwa der Preis der Praxis für einen konkreten Käufer, den er bereit wäre maximal zu zah-len, nicht aber der Kaufpreis, da dieser erst durch Verhandlungen mit anderen Par-teien (die wiederum eine subjektive Anschauung haben) zustande kommt. Aufgrund der starken Subjektivität ist der Wert nicht allgemein begründbar.11

3. Funktionale Bewertungslehre

Die funktionale Werttheorie hat sich seit Mitte der 1970er Jahre durchgesetzt. Dabei ist der Unternehmenswert abhängig vom Zweck bzw. der Aufgabenstellung der Be-wertung. Es sind mögliche Änderungen oder Planungen des Bewertungsobjektes mit einzubeziehen.12 Mit der funktionalen Werttheorie wurden die kontroversen An-schauungen der objektiven und subjektiven Werttheorie überwunden. Sie hat schnell großen Zuspruch sowohl in der universitären als auch in der praxisorientierten Litera-tur erhalten. Unterstützt wurde diese Theorie auch durch zwei in den 1970er Jahren gegründete Arbeitskreise (IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) und Schmalenbach-Gesellschaft unter universitärer Leitung), sodass sich diese Theorie schnell ausge-breitet hat. Als Hauptfunktion dieser Bewertungsmethode werden die Entscheidungs-funktion, die Vermittlungsfunktion und die Argumentationsfunktion genannt.13 Je nach Bewertungsanlass kann (zum Beispiel Kaufgutachten) oder muss (zum Beispiel im Zuge eines Scheidungsverfahrens) ein Gutachter tätig werden.

Er kann sowohl beratend (Ermittlung eines subjektiven Grenzpreises = Entschei-dungswert) als auch vermittelnd (Ermittlung eines Arbitriumwertes zwischen den Grenzpreisen beider Parteien = Schiedswert, Einigungswert) tätig werden. Als Aus-gangspunkt für Verhandlungen kann er einen Argumentationspreis ermitteln.14

11 Vgl. ebd., S. 6f

12 Vgl. Sander, Thomas (2014) Grundlagen der Praxiswertermittlung: Leitfaden für Ärzte, Zahnärzte und Gutachter, S. 3

13 Vgl. Matschke, Manfred J. / Brösel, Gerrit (2013) Unternehmensbewertung – Funktionen – Methoden Grundsätze, S. 22ff

14 Vgl. Kuhner, Christoph / Maltry Helmut (2017) Unternehmensbewertung, S. 60

5 Berater können je nach Anlass der Bewertung, nach Bewertungszweck und nach der eigenen Funktion bei der Bewertung verschiedene Werte bzw. Preise ermitteln:

- Der Entscheidungswert oder Grenzpreis des Verkäufers ist der Preis, den der Verkäufer verlangen muss, um seine wirtschaftliche Situation nicht zu ver-schlechtern.

- Der Entscheidungswert oder Grenzpreis des Käufers ist der Preis, den ein Käufer höchstens bereit sein sollte zu zahlen, um seine wirtschaftliche Situati-on nicht zu verschlechtern.

- Der Arbitriumwert oder faire Einigungspreis liegt zwischen den Grenzpreisen von Käufer und Verkäufer bzw. ist der Mittelwert zwischen diesen beiden Wer-ten.

- Der Schiedspreis ist der Preis, den ein unabhängiger Gutachter bei der Be-wertung der Praxis ermitteln würde, insbesondere wenn die Grenzpreise bei-der Parteien keinen Einigungsbereich aufweisen.

- Der Argumentationspreis ist der Preis, der als Ausgangspunkt für Verhandlun-gen Verhandlun-genutzt wird.15

Ein Berater oder sachverständiger Gutachter einer Zahnarztpraxis kann folgende Funktionen übernehmen:

- neutraler Gutachter,

- Berater eines Mandanten oder - Schiedsgutachter.16

Wenn Käufer- und Verkäufer gemeinsam einen Gutachter beauftragen, ist dies in der Regel ein neutraler Gutachter, der einen objektivierten Wert („wie die Praxis steht und liegt“17) als Grundlage für Kaufpreisverhandlungen liefert. Er zeigt sowohl die positiven Eigenschaften der Praxis (Verkäuferseite) als auch die negativen Eigen-schaften der Praxis (Käuferseite) auf.

Wird der Gutachter nur von einer Seite, das heißt von der Käufer- oder der Verkäu-ferseite beauftragt, so wird der Berater bei der Bewertung des Objektes seine Fest-stellungen mit den VorFest-stellungen seines Mandanten verbinden. Das Gutachten ist

15 Vgl. Kuhner, Christoph / Maltry Helmut (2017) Unternehmensbewertung, S. 59

16 Vgl. Boos, Frank / Witte, Axel / Zur Mühlen, Doris / Rohner, Markus (2015) Bewertung zahnärztlicher Praxen, Kompass zur Wertbestimmung, S. 7

17 S. ebd.

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damit zumindest teilweise von Subjektivität geprägt. Es wird ein subjektiver Ent-scheidungswert ermittelt.

Als Schiedsgutachter kennt der Sachverständige in der Regel die Preisuntergrenze des Verkäufers und die Preisobergrenze des Käufers. Er erarbeitet auf Grundlage der Wertvorstellungen beider Parteien nach fachkundiger Beurteilung und Bereini-gung von subjektiven und überzogenen Wertargumenten ein Gutachten.18

Zur Theorie der Unternehmensbewertung gibt es Autoren, darunter Peemöller, Matschke und Brösel sowie Kuhner und Maltry, deren Werke zur Standardliteratur der Unternehmensbewertung gehören. In diesen Büchern finden sich kaum Hinweise auf die Bewertung von Arzt- oder Zahnarztpraxen. Zwar gibt es in der jüngeren Zeit auch Werke, die sich dieser Thematik annehmen (u.a. Schmid-Domin, Bridts, Boos et al.), eine genauere Betrachtung der Besonderheiten bei der Bewertung von (Zahn)arztpraxen ist dennoch wünschenswert. Dazu zählen zum Beispiel die nicht frei gestaltbare Vergütung durch Bindung an Gebührenordnungen und das einge-schränkte Werberecht.

Eine weitere Besonderheit bei der Bewertung von Zahnarztpraxen (und anderen kleinen Unternehmen) liegt in der starken Personengebundenheit des Unterneh-mens. Der Erfolg des Unternehmens ist stark abhängig von den unternehmerischen Fähigkeiten des Inhabers, da es nicht, wie große Unternehmen, über weitgehend unabhängige Managementstrukturen verfügt.19

Auch die Gerichtsurteile legen keine eindeutige Bewertungsstrategie für Arzt- und Zahnarztpraxen fest.