• Keine Ergebnisse gefunden

3. Methodik

3.1 Datenerhebungsmethode, Befragungszeitraum und Stichprobenbeschreibung

3.1.1 Datenerhebungsmethode

3.1.1.6 Episodisches Interview

Das episodische Interview verbindet eine Erzählung des Interviewteilnehmers und eine Fragensammlung in einem Leitfaden.124 Subjektives Wissen über bestimmte Themengebiete wird in der Regel über Interviews mit mehr oder weniger offenen Fragen abgefragt. Subjektive Erfahrungen oder Verläufe des eigenen Lebens auf-grund bestimmter Umstände oder Ereignisse wie zum Beispiel einer schweren Krankheit werden in der Regel erzählerisch (s. 3.1.1.4 Narratives Interview) erhoben.

Eine Kombination dieser Methoden kann für bestimmte Fragestellungen sinnvoll sein und wird als episodisches Interview bezeichnet. Das episodische Interview enthält Fragen, die zu klar begrenzten Antworten führen aber auch solche, die zu einer Er-zählung des Interviewteilnehmers hinleiten. Für diesen Zweck sind Erzählaufforde-rungen im Leitfaden enthalten.125

Auch hier handelt es sich, wie beim narrativen Interview, eher um Sachfragen, wes-halb diese Interviewform nicht angewendet wurde.

122 Vgl. Helfferich, Cornelia (2009) Die Qualität qualitativer Daten, S. 36

123 Vgl. Kurz, Andrea / Stockhammer, Constanze / Fuchs, Susanne / Meinhard, Dieter (2007) Das problemzentrierte Interview, S. 464

124 Vgl. Helfferich, Cornelia (2009) Die Qualität qualitativer Daten, S. 36

125 Vgl. Flick, Uwe (2011) Das Episodische Interview, S. 273f

43 3.1.1.7 Fokussiertes Interview

Beim fokussierten Interview wird der Fokus auf einen bestimmten Gegenstand ge-legt. Dabei gibt es spezifische Regeln und einen Leitfaden.126 Diese Form des Inter-views wurde in den 40er Jahren entwickelt. Im Vorhinein wird ein Gesprächsgegen-stand oder -anreiz bestimmt, zum Beispiel ein Film, den die Teilnehmer gesehen ha-ben, ein Artikel, den sie gelesen haben oder ein soziales Ereignis, dem sie beige-wohnt haben. Reaktionen und Interpretationen sollen im Interview relativ offen erho-ben werden. Der genutzte Leitfaden ist sehr flexibel und frei zu nutzen, so können auch zunächst nicht vorgesehene Aspekte von den Interviewten angesprochen und erzählt werden. Folgende Qualitätskriterien sollten bei einem fokussierten Interview erfüllt sein:

- Reichweite: Die Problemstellung sollte nicht zu eng gefasst sein. Die Befrag-ten sollBefrag-ten auf den Gesprächsgegenstand oder -anreiz umfassend reagieren können.

- Spezifität: Die zu behandelnden Fragen sollten spezifisch abgearbeitet wer-den. Zum Beispiel soll ein Proband nach dem Anschauen eines Filmes diesen nicht wahllos kommentieren, sondern konkret seine Gefühle und Gedanken zu bestimmten Szenen äußern.

- Tiefe: Die Befragten sollten bei der Darstellung der Bedeutung, die eine Situa-tion für sie hat, unterstützt werden.

- Persönlicher Kontext: Für die Interpretation von Aussagen ist es notwendig den persönlichen Kontext zu erfassen.

Fokussierte Interviews können auch ein Anstoß sein, nicht im Bewusstsein stehende Erinnerungen zum Vorschein zu bringen. Erinnerungen können aktiviert werden, die ohne den Gesprächsanreiz nicht einfach zugänglich gewesen wären. Hopf berichtet von Jugendlichen, die nach dem Anschauen eines Filmes über Gewalt von eigenen Gewalterfahrungen erzählten.

Der Vorteil eines fokussierten Interviews liegt in der zurückhaltenden Gesprächsfüh-rung mit Interesse an sehr spezifischen Informationen.127

126 Vgl. Helfferich, Cornelia (2009) Die Qualität qualitativer Daten, S. 36

127 Vgl. Hopf, Christel (2007) Qualitative Interviews – ein Überblick, S. 353ff

44

Die vorliegende Arbeit war etwas breiter aufgestellt, sodass das Instrument des fo-kussierten Interviews nicht eingesetzt wurde.

3.1.1.8 Leitfaden-Interview

Beim Leitfaden-Interview liegt ein Leitfaden während des Interviews vor. Er enthält Fragen oder Stichworte zu Fragen, die mehr oder weniger flexibel durchgegangen werden.128 Leitfadengestützte Interviews sind immer dann sinnvoll, wenn eine maxi-male Offenheit des Interviewten gewünscht ist, der Interviewende aber Themen ein-führen und somit den offenen Erzählraum strukturieren und lenken soll. Dies ist not-wendig, wenn sich das Forschungsinteresse auf bestimmte Fragestellungen oder Bereiche bezieht, von denen nicht erwartet wird, dass sie der Interviewte von sich aus ansprechen wird. Ein leitfadenbasiertes Interview ist auch sinnvoll bei der Unter-suchung von größeren Stichproben, um die Antworten untereinander vergleichen und auswerten zu können. Anforderungen an einen Leitfaden sind:

- Er muss den Prinzipien der qualitativen Forschung gerecht werden und aus-reichend Offenheit ermöglichen,

- er sollte nicht zu viele Fragen beinhalten, um ein „Abhaken“ der einzelnen Punkte zu vermeiden,

- er sollte übersichtlich und einfach aufgebaut sein,

- die einzelnen Punkte sollten aufeinander aufbauen und nicht zu Sprüngen zwischen den Themen führen,

- Fragen, die eine längere Antwort nach sich ziehen, sollten zu Beginn gestellt werden,

- die Fragen sollten nicht abgelesen werden und

- der Fragebogen darf nicht dazu führen, dass weitergehende Fragestellungen oder Vertiefungen eines Themas abgeblockt werden.

Statt vorformulierter Fragen können Stichpunkte notiert werden. So kann die Frage-stellung individuell an die Interviewsituation angepasst werden. Zum Schluss sollte dem Interviewten die Möglichkeit gegeben werden im Interview nicht angesprochene

128 Vgl. Helfferich, Cornelia (2009) Die Qualität qualitativer Daten, S. 36

45 Aspekte anzumerken oder das Interview zu kommentieren.129 Das leitfadenbasierte Interview dient der Hypothesenentwicklung.130

Wichtig bei Leitfadeninterviews ist die Kompetenz des Interviewers. So müssen die zentralen Fragen im richtigen Moment gestellt werden. Der Interviewer sollte im Vor-feld intensiv geschult werden. Auch die Wiedergabe der leitfadenbasierten Interviews spielt eine Rolle, so können die gegebenen Antworten entweder während der Befra-gung notiert werden oder im Nachhinein durch die AnfertiBefra-gung von Gedächtnisproto-kollen oder Tonbandaufzeichnungen reproduziert werden. Es ergeben sich laut Atteslander einige Nachteile bei der Durchführung von Leitfadeninterviews (im Ver-gleich zu standardisierten Interviews, s. 3.1.1.10 Standardisiertes und nicht-standardisiertes Interview):

- Es gibt höhere Anforderungen an den Interviewer und dieser muss vor der Be-fragung geschult werden,

- der Interviewer hat einen stärkeren Einfluss auf die Antworten bei der Befra-gung,

- die Qualität der Daten hängt von der Qualität des Interviewers ab,

- die Befragten müssen sprachlich und sozial kompetent sein und eine höhere Bereitschaft zur Mitarbeit aufweisen,

- das Interview nimmt mehr Zeit in Anspruch und

- die Ergebnisse sind schwerer vergleichbar und damit schwerer auszuwer-ten.131

Laut Hopf kommt es immer wieder zu überlangen Leitfäden und einem daraus resul-tierenden Abhaken der Fragen, wodurch Themen nur oberflächlich behandelt wer-den. Ein unsicherer Interviewer hält sich eventuell zu strikt an den Leitfaden und ruft ihn mit seinen Aussagen immer wieder ins Gedächtnis, in dem er zum Beispiel aus-sagt, dass nun ein Teil durch ist oder eine Frage bereits beantwortet wurde. Auch kann es vorkommen, dass der Wunsch den Leitfaden abzuarbeiten, interessante und neue Aspekte unbeachtet lässt, da der Interviewer auf die Beantwortung seiner Fra-gen aus dem FrageboFra-gen drängt.132

129 Vgl. ebd., S. 179ff

130 Atteslander, Peter (2000) Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 153

131 Vgl. ebd., S. 154

132 Vgl. Hopf, Christel (2007) Qualitative Interviews – ein Überblick, S. 358f

46

Eine besondere Form des Leitfadeninterviews sind die Expertenbefragungen, die mündlich oder schriftlich geführt werden können. Dabei werden Experten mehrmals zu einem Thema befragt, wobei in jeder Fragerunde auf Widersprüche oder Ergeb-nisse der vorhergehenden Fragerunde eingegangen wird. Die Antworten können auch von den Befragten mit den Antworten anderer Teilnehmer verglichen werden mit dem Ziel der Erstellung einer fachmännischen Gruppennorm. Diese Art der Be-fragung wird vor allem in der Zukunftsforschung angewendet, bei der zukünftige Entwicklungen durch Experten abgeschätzt werden sollen.133

Ein Interview kann mehrere Aspekte beinhalten, das heißt, mehrere Interviewarten können sich überschneiden.134

Ein Leitfaden bot für diese Arbeit die optimale Balance aus Flexibilität und Offenheit der Fragen und einer Leitstruktur, die im Nachhinein eine Auswertung erleichterte.

So konnten zielsicher alle gewünschten und geplanten Themenbereiche besprochen werden und trotzdem auch neue Aspekte durch die Befragten eingeführt werden. Der Leitfaden diente der Autorin auch als Gedächtnisstütze, um keine wichtigen Punkte zu vergessen, sodass hinterher möglichst viele Interviews in ihren einzelnen Teilas-pekten ausgewertet und verglichen werden konnten.

3.1.1.9 Struktur des Interviews

Interviews können laut Atteslander wenig bis stark strukturiert sein. Der Verlauf eines wenig strukturierten Interviews liegt zum großen Teil in der Hand des Interviewers. Er entscheidet, auf welche Themenbereiche wann eingegangen wird und formuliert seine Fragen flexibel. Der Fokus liegt auf der Erzählung des Interviewpartners, das bedeutet, dass der Interviewer vor allem zuhört. Die Fragen ergeben sich aus dem Gespräch. Eine „offene Reaktionsmöglichkeit“135 des zu Befragenden wird ange-strebt.

Für ein stark strukturiertes Interview muss im Vorfeld ein Fragebogen ausgearbeitet werden. Dieser Fragebogen muss sinnvoll konstruiert sein, da er die Interviewpartner während des Interviews stark einschränkt. Der Fragebogen gibt den Inhalt, die

133 Atteslander, Peter (2000) Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 154f

134 Vgl. Helfferich, Cornelia (2009) Die Qualität qualitativer Daten, S. 36

135 S. Atteslander, Peter (2000) Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 134

47 Anzahl und auch die Reihenfolge der Fragen vor. Auch werden im Vorfeld die sprachliche Formulierung und Antwortkategorien festgelegt. Eine zu lange Dauer des Interviews (über 60 Minuten) sollte aufgrund der begrenzten Aufnahmefähigkeit und Motivation des Teilnehmers vermieden werden. Die Anzahl der Fragen sollte sich an deren Schwierigkeit orientieren.

Bei teilstrukturierten Interviews werden vorbereitete Fragen in einem flexiblen Rah-men abgefragt. Das bedeutet, dass auf den Interviewteilnehmer eingegangen wer-den kann und bestimmte Themenbereiche vertieft bzw. davon ausgehend neue Fra-gen gestellt werden können.136

3.1.1.10 Standardisiertes und nicht-standardisiertes Interview

Standardisierte Fragen sind solche, deren Antworten in Antwortkategorien (zum Bei-spiel Ja/Nein) zusammengefasst werden können. So wird eine Vergleichbarkeit her-gestellt. Bei nicht-standardisierten Fragen gibt es keine Antwortkategorien oder die Kategorisierung erfolgt hinterher.137

3.1.1.11 Offene und geschlossene Fragen

Die offene Frage lässt dem Interviewteilnehmer Spielraum bei der Beantwortung der Frage. Es gibt keine vorgefertigten Antwortkategorien. Der Teilnehmer kann frei re-den. Der Interviewer notiert sich die Antworten und kann sie hinterher auswerten und bestimmten Kategorien zuordnen.

Bei geschlossenen Fragen sind die Antworten bereits vorgefertigt. Der Studienteil-nehmer kann sich dann für eine Antwort entscheiden (zum Beispiel Ja/Nein).138

Die Interviews dieser Arbeit wurden leitfadenbasiert (s. 3.1.1.8 Leitfaden-Interview) durchgeführt. Zu Beginn wurde eine offene Frage gestellt, sodass der Studienteil-nehmer zunächst frei erzählen konnte. Im Anschluss folgten Punkte, die vom Inter-viewer eingeführt wurden. Alle Fragen des Leitfadens wurden in Stichpunkten und

136 Vgl. ebd., S. 134f

137 Vgl. ebd., S. 144

138 Vgl. ebd., S. 146

48

nicht in vorformulierten Sätzen notiert, um eine flexible Anpassung des Sprachstils an die Interviewsituation zu ermöglichen. Die Reihenfolge der Fragen wurde durch den Leitfaden vorgegeben, sie konnte jedoch bei Bedarf an den Gesprächsfluss an-gepasst werden, zum Beispiel, wenn der Teilnehmer eine andere Frage von sich aus angesprochen hat. Dies ist wichtig, um ein „Springen“ zwischen den Themen oder die Wiederholung von Fragen zu verhindern.

Da die Interviews dieser Arbeit einem Gesprächsleitfaden folgen, können sie nicht der wenig strukturierten Interviewform zugeordnet werden. Gleichwohl gibt es einen Spielraum, was die Flexibilität und die Vertiefung einzelner Fragen angeht, sodass es sich um teilstrukturierte Interviews handelt. Durch die Nutzung des Leitfadens ist ein Vergleichen der Antworten verschiedener Teilnehmer möglich.

Aufgrund der besseren Einschätzbarkeit von komplexen Antworten und der höheren Rücklaufquote wurde die Befragung nach vorheriger Festlegung eines Termins mit-tels telefonischer Interviews durchgeführt. Durch die persönliche Ansprache konnten die Fragestellung gut erläutert und Unklarheiten beseitigt werden. Möglicherweise waren einige Teilnehmer aufgrund des persönlichen Kontaktes auch eher dazu be-reit, Daten preiszugeben. Bei vorliegendem Einverständnis wurden die Interviews mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgenommen und gespeichert. Nach Beendigung des Telefonats wurde das gesamte Interview abgespielt und niedergeschrieben (Transkription). Dabei wurden alle die Fragestellung betreffenden Antworten erfasst.

Soweit für die Fragestellung nicht dienlich, wurde Nachfolgendes nicht dokumentiert:

- Füllwörter (zum Beispiel: „ähm“),

- Wortwiederholungen (zum Beispiel: „Nein, nein, nein, nein“), - Unverständliches,

- Persönliches (zum Beispiel Fragen über die persönliche Laufbahn der Verfas-serin oder ein persönliches Gespräch mit einer Praxismitarbeiterin) und

- Anmerkungen, die Rückschlüsse auf den Praxisort oder die Person zulassen würden (zum Beispiel die Nennung eines Städtenamens).

Auslassungen wurden in den Interviews mit drei in Klammern gesetzten Punk-ten „(…)“ gekennzeichnet. Anmerkungen der Verfasserin wurden in Klammern ge-setzt und mit „Anm. der Verfasserin“ gekennzeichnet. Umgangssprachliche Wörter wurden teilweise in Schriftsprache geändert (zum Beispiel „Nee“ in „Nein“).

49 Waren Studienteilnehmer mit der digitalen Aufzeichnung des Gesprächs nicht ein-verstanden, wurden während des Interviews die gegebenen Antworten stichwortartig notiert.

3.1.2 Befragungszeitraum

Die Befragung der Sachverständigen fand im Zeitraum von Juli 2015 bis September 2015 statt.

Die Zahnärzte wurden im Zeitraum von Dezember 2015 bis Oktober 2016 befragt.

Der Zeitraum der Befragungen ergab sich aus den Rahmenbedingungen der Disser-tation. Aufgrund möglicher Gesetzesänderungen, die eine Änderung der Antworten hätten ergeben können, wurde der Zeitraum der Befragungen begrenzt. Auch war die Koordination der Termine mitunter schwierig, da sowohl die Interviewteilnehmer als auch die Autorin einer Beschäftigung nachgingen. Durch Nichteinhalten von verein-barten Terminen seitens der Interviewpartner wurde der Befragungszeitraum verlän-gert. Die ursprüngliche Planung sah einen kürzeren Zeitraum für die Befragungen vor. Dieser konnte jedoch aufgrund der Unzuverlässigkeit einiger Teilnehmer und der erschwerten Rekrutierung nicht eingehalten werden.

3.1.3 Stichprobenbeschreibung

Für die Studie wurden zwei Gruppen von Studienteilnehmern rekrutiert:

- Sachverständige, die Erfahrungen bei der Bewertung von Zahnarztpraxen haben und

- Zahnärzte, die in den Jahren 2010-2016 eine Zahnarztpraxis gekauft haben.

Mit den Studienteilnehmern wurden telefonische Interviews geführt. Alle Teilnehmer wurden vorher mündlich und auf Wunsch auch schriftlich angemessen und ausführ-lich über Inhalte und Ziele der Studie informiert. Alle Studienteilnehmer mussten der Teilnahme an den Interviews ausdrücklich zustimmen. Diese Zustimmung konnte und kann jederzeit zurückgezogen werden (Einhaltung des Gebotes der Freiwillig-keit). Jedem Teilnehmer wurde ein Fragebogen zugeordnet, der jedoch keine Na-men, sondern nur einen Forschungscode (Pseudonym) enthält. Die Zuordnungslisten

50

werden getrennt von den pseudonymisierten Notizen auf einem externen Datenträ-ger aufbewahrt. Sobald die Zuordnungslisten nicht mehr erforderlich sind, werden diese vernichtet (Anonymisierung). Durch diese Vorgehensweise wird erreicht, dass für die Auswertung und Ergebnisdarstellung nur anonyme Daten verwendet werden.

Über diese Vorgehensweise wurden alle Teilnehmer informiert und um Einwilligung gebeten.

Eingeschlossen in die Gruppe der Sachverständigen wurden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige der IHK (Industrie- und Handelskammer), die für die Be-wertung von Zahnarztpraxen zuständig sind. Die Liste aller dazugehörigen Sachver-ständigen (17 in Deutschland) kann auf der Seite der IHK eingesehen werden.139 Es ist anzumerken, dass darüber hinaus auch andere Personen Bewertungen durchfüh-ren (zum Beispiel Steuerberater, Dentaldepots). Ein öffentlich bestellter und vereidig-ter Sachverständiger der IHK „ist von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung (Bestellungskörperschaft) auf gesetzlicher Grundlage bestellt und vereidigt worden.

(…) Bevor ein Sachverständiger öffentlich bestellt und vereidigt wird, muss er sich hinsichtlich seiner persönlichen Eignung und seiner besonderen Sachkunde einem anspruchsvollen Überprüfungsverfahren unterziehen. (…) Gerichte und Staatsan-waltschaften sollen nach den einschlägigen prozessualen Vorschriften vor- wiegend öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige heranziehen (…).“140 Von diesen 17 Sachverständigen konnten N = 10 für die Teilnahme an dieser Studie gewonnen werden. Diese wurden durch persönliche Ansprache rekrutiert. Alle Sach-verständigen hatten bereits Erfahrung mit dem Kauf/Verkauf und der Bewertung von Zahnarztpraxen.

Die Interviews haben im Schnitt circa 42 Minuten gedauert. Sie wurden bei vorlie-gendem Einverständnis der Studienteilnehmer digital aufgezeichnet und hinterher abgeschrieben (transkribiert). Während des Interviews kam es teilweise zu kurzen Störungen, da zum Beispiel die Interviewteilnehmer vom Personal oder privat ange-sprochen wurden.

Eingeschlossen in die Gruppe der Praxiskäufer wurden Zahnärzte, die in den Jahren 2010-2016 eine Zahnarztpraxis oder einen Anteil einer Zahnarztpraxis (Gemein-schaftspraxis/Praxisgemeinschaft) gekauft haben. Dabei fand keine Vorselektion

139 S. IHK Bundesweites Sachverständigenverzeichnis

140 S. IHK Bundesweites Sachverständigenverzeichnis, Fragen zum Sachverständigenwesen

51 (zum Beispiel nach Alter/Geschlecht) statt. Als Erhebungsregion wurde Deutschland ausgewählt.

Bei der durchzuführenden Stichprobenbildung handelt es sich um eine Kombination aus verschiedenen Zugangswegen. Hintergrund dieses Vorgehens ist der Umstand, dass es nicht möglich war, Einsicht in Daten der Grundgesamtheit (das heißt der Ge-samtheit aller Zahnärzte, die in den Jahren 2010-2016 eine Praxis gekauft haben) zu erhalten. Praxiskäufer wurden wie folgt akquiriert:

- Weitersenden eines Anschreibens mit der Bitte um Erlaubnis der Weitergabe von Kontaktdaten über verschiedene Dental-Depots,

- Weitersenden eines Anschreibens mit der Bitte um Erlaubnis der Weitergabe von Kontaktdaten über Händler von Medizinprodukten,

- Weitersenden eines Anschreibens mit der Bitte um Erlaubnis der Weitergabe von Kontaktdaten über Praxisbewertungsfirmen,

- zufällige Auswahl von Zahnarztpraxen über das Internet mit anschließender telefonischer Kontaktaufnahme und

- Rekrutierung weiterer Interviewpartner über Studienteilnehmer.

Insgesamt wurden 47 Zahnärzte von der Verfasserin persönlich schriftlich oder tele-fonisch kontaktiert. 23 konnten für die Befragung gewonnen werden. Gründe für eine Absage waren fehlende zeitliche Kapazität, Nicht-Interesse oder Ausschluss aus der Zielgruppe (Neugründung oder Übernahme der elterlichen Praxis). Außerdem kam es zur Nichteinhaltung von Terminen oder Rückrufvereinbarungen. Drei Zahnärzte haben zunächst zugesagt und ihre Zusage später widerrufen.

Die Gruppe der befragten Zahnärzte besteht aus insgesamt N = 23 Zahnärzten, die im Zeitraum zwischen Januar 2010 und Dezember 2016 eine Zahnarztpraxis erwor-ben haerwor-ben. Der Altersdurchschnitt der Praxiskäufer lag bei 34,65 Jahren, wobei der jüngste Praxiskäufer 28 Jahre und der älteste Praxiskäufer 48 Jahre alt waren. Von den Praxiskäufern waren sechs weiblich und 17 männlich. Lediglich einmal wurde der Anteil einer Gemeinschaftspraxis erworben. In allen anderen Fällen wurde eine Einzelpraxis gekauft. Eine Einzelpraxis wurde mit dem Kauf in eine Gemeinschafts-praxis umgewandelt.

Die Interviews haben im Schnitt circa 24 Minuten gedauert. Sie wurden bei vorlie-gendem Einverständnis der Studienteilnehmer digital aufgezeichnet und hinterher

52

abgeschrieben (transkribiert). Teilweise kam es während der Interviews zu kurzen Störungen, da zum Beispiel die Interviewteilnehmer vom Praxispersonal angespro-chen wurden.

Sachverständige Praxiskäufer

↓ ↓

Rekrutierung von Studienteilnehmern

↓ ↓

N = 10 N = 23

↓ ↓

Telefonisches Interview (mit Leitfaden)

Qualitative Auswertungen Quantitative Auswertungen

3.2 Auswahl und Operationalisierung der Erhebungsinstrumente

Für die beiden Zielgruppen (Sachverständige und Zahnärzte) wurden unterschiedli-che Interviewleitfäden entwickelt. Zunächst wurde ein Fragebogen für die Interviews mit den Sachverständigen entwickelt. Ziel war es, mögliche Einflussfaktoren auf den immateriellen Wert bzw. den Ergebniszeitraum zu erheben.

Die Auswahl der Faktoren erfolgte auf Basis der aktuellen Literatur.

Grundsätzlich folgte die Literaturrecherche dem Schneeballsystem, das heißt, bei interessanten Büchern oder Artikeln wurde die weiterführende oder zitierte Literatur in die Recherche mit aufgenommen. Leider findet sich grundsätzlich recht wenig zur Bewertung von Zahnarztpraxen insbesondere in medizinisch orientierten Bibliothe-ken oder Zeitschriften, daher wurde die Suche auf ökonomisch orientierte Datenban-ken ausgeweitet. Aber auch hier ist das Thema eher ein Randgebiet. Zunächst wur-de die einschlägige Standardliteratur wur-der Bewertungslehre auf Hinweise zur Bewer-tung von Zahnarztpraxen untersucht. Dort findet sich nur wenig zu diesem speziellen Thema. Nach Hinzuziehung der Bücher über die zahnärztliche Bewertungslehre und der IDZ-Studie, die die Faktoren bei der Bewertung von Zahnarztpraxen derzeit am

Abbildung 1: Rekrutierung von Studienteilnehmern

53 umfangreichsten untersucht hat, wurde die Recherche auf das Internet ausgeweitet.

Im Gabler Wirtschaftslexikon ergibt der Suchbegriff „Zahnarztpraxis“ null Treffer.

Auch das modifizierte Ertragswertverfahren hat dort keinen eigenen Eintrag. Bei Google Scholar ergibt die Eingabe von „Zahnarztpraxis + Bewertung“ nur sehr weni-ge echte Treffer, das heißt Verweise auf Bücher oder Artikel, die für diese Arbeit zu-träglich wären. Es wiederholen sich dieselben Autoren immer wieder (z.B. Bridts, Sander, Schmid-Domin).

Beispielhaft sollen hier einige vorgeschlagene Faktoren (jeweils Auszüge) aufgezeigt werden:

Sander:

- Arbeitsschwerpunkte,

- langjährige Bindung der Patienten, - Anteil der Privatpatienten,

- Arbeitsatmosphäre,

- Alter des Patientenstamms und - Zahnarztdichte vor Ort.141 VSA:

- Dauer des Bestehens der Praxis, - Ruf der Praxis,

- Patientenstruktur, - Mitbewerbersituation, - Leistungsspektrum und

- Anzahl der ärztlichen Behandler.142 Bundesärztekammer:

- Ortslage der Praxis,

- Praxisstruktur (z.B. Überweisungspraxis, Konsiliarpraxis), - Arztdichte,

141 Vgl. Sander, Thomas (2014) Grundlagen der Praxiswertermittlung: Leitfaden für Ärzte, Zahnärzte und Gutachter, S. 66f

142 Vgl. Vereinigung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen (2012) Modifiziertes Ertragswertverfahren bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen: gemeinsame Stellungnahme zu bewertungsrelevanten Fragen, S. 7

54

- Möglichkeit/Pflicht, die Praxis in den Räumen weiterzuführen,

- Möglichkeit/Pflicht, die Praxis in den Räumen weiterzuführen,