3. Methodik
3.2 Auswahl und Operationalisierung der Erhebungsinstrumente
Rekrutierung von Studienteilnehmern
↓ ↓
N = 10 N = 23
↓ ↓
Telefonisches Interview (mit Leitfaden)
Qualitative Auswertungen Quantitative Auswertungen
3.2 Auswahl und Operationalisierung der Erhebungsinstrumente
Für die beiden Zielgruppen (Sachverständige und Zahnärzte) wurden unterschiedli-che Interviewleitfäden entwickelt. Zunächst wurde ein Fragebogen für die Interviews mit den Sachverständigen entwickelt. Ziel war es, mögliche Einflussfaktoren auf den immateriellen Wert bzw. den Ergebniszeitraum zu erheben.
Die Auswahl der Faktoren erfolgte auf Basis der aktuellen Literatur.
Grundsätzlich folgte die Literaturrecherche dem Schneeballsystem, das heißt, bei interessanten Büchern oder Artikeln wurde die weiterführende oder zitierte Literatur in die Recherche mit aufgenommen. Leider findet sich grundsätzlich recht wenig zur Bewertung von Zahnarztpraxen insbesondere in medizinisch orientierten Bibliothe-ken oder Zeitschriften, daher wurde die Suche auf ökonomisch orientierte Datenban-ken ausgeweitet. Aber auch hier ist das Thema eher ein Randgebiet. Zunächst wur-de die einschlägige Standardliteratur wur-der Bewertungslehre auf Hinweise zur Bewer-tung von Zahnarztpraxen untersucht. Dort findet sich nur wenig zu diesem speziellen Thema. Nach Hinzuziehung der Bücher über die zahnärztliche Bewertungslehre und der IDZ-Studie, die die Faktoren bei der Bewertung von Zahnarztpraxen derzeit am
Abbildung 1: Rekrutierung von Studienteilnehmern
53 umfangreichsten untersucht hat, wurde die Recherche auf das Internet ausgeweitet.
Im Gabler Wirtschaftslexikon ergibt der Suchbegriff „Zahnarztpraxis“ null Treffer.
Auch das modifizierte Ertragswertverfahren hat dort keinen eigenen Eintrag. Bei Google Scholar ergibt die Eingabe von „Zahnarztpraxis + Bewertung“ nur sehr weni-ge echte Treffer, das heißt Verweise auf Bücher oder Artikel, die für diese Arbeit zu-träglich wären. Es wiederholen sich dieselben Autoren immer wieder (z.B. Bridts, Sander, Schmid-Domin).
Beispielhaft sollen hier einige vorgeschlagene Faktoren (jeweils Auszüge) aufgezeigt werden:
Sander:
- Arbeitsschwerpunkte,
- langjährige Bindung der Patienten, - Anteil der Privatpatienten,
- Arbeitsatmosphäre,
- Alter des Patientenstamms und - Zahnarztdichte vor Ort.141 VSA:
- Dauer des Bestehens der Praxis, - Ruf der Praxis,
- Patientenstruktur, - Mitbewerbersituation, - Leistungsspektrum und
- Anzahl der ärztlichen Behandler.142 Bundesärztekammer:
- Ortslage der Praxis,
- Praxisstruktur (z.B. Überweisungspraxis, Konsiliarpraxis), - Arztdichte,
141 Vgl. Sander, Thomas (2014) Grundlagen der Praxiswertermittlung: Leitfaden für Ärzte, Zahnärzte und Gutachter, S. 66f
142 Vgl. Vereinigung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen (2012) Modifiziertes Ertragswertverfahren bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen: gemeinsame Stellungnahme zu bewertungsrelevanten Fragen, S. 7
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- Möglichkeit/Pflicht, die Praxis in den Räumen weiterzuführen, - Qualitätsmanagement,
- Tätigkeitsumfang, - Anstellung von Ärzten,
- Kooperationen (z.B. Praxisgemeinschaft), - Infrastruktur und
- Aufbau- und Ablauforganisation der Praxis.143 Urteil des Bundesgerichtshofs:
- Mitarbeiterstamm, - günstiger Standort,
- Art und Zusammensetzung der Patienten, - Konkurrenzsituation und
- Ruf und Ansehen des Praxisinhabers.144
IDZ (für alle Faktoren s. 2.7 Ergebnisse der IDZ-Studie):
- Etablierte Arbeitsschwerpunkte, - Praxisform,
- Alter der Praxis, - Mitarbeiterfluktuation - Praxislage,
- Erreichbarkeit der Praxis, - Zahnarztdichte vor Ort,
- Einwohnerentwicklung im Praxisumfeld und - Bildungsniveau der Patienten.145
Die Faktoren wurden untereinander abgeglichen und häufig genannte Faktoren aus-gewählt. Es wurden nur Faktoren berücksichtigt, die für die gewählte Befragungs-gruppe relevant waren, das heißt, unberücksichtigt blieben Faktoren bezüglich Mehr-behandlerpraxen, Zuweiserpraxen oder Zulassungsbeschränkungen. Nach internen Gesprächen mit den Betreuern dieser Arbeit, in denen die übrigen Faktoren in ihrer
143 Vgl. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.) (2008) Deutsches Ärz-teblatt, Jg. 105, Heft 51-52, S. A2779f
144 Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 9.2.2011, XII ZR 40/09, Abs. 8
145 Vgl. Klingenberger, David / Sander, Thomas (2014) Stellenwert des Sozialkapitals in Praxisbewer-tungsverfahren – Eine kritische Reflexion theoretischer Ansätze anhand empirischer Fallrekonstrukti-onen, S. 43
55 Relevanz und Ausprägung diskutiert wurden, wurde sich darauf geeinigt, die Aus-wahl der Faktoren möglichst nicht einzuschränken. Grundsätzlich wurden nahezu alle Faktoren ausgewählt, um offen zu agieren146. Nach Beendigung und Auswertung der Interviews mit den Sachverständigen wurde der Fragebogen überarbeitet und von Sachverständigen angemerkte Details und weitere mögliche Einflussfaktoren (Potenzial, die Praxis auszubauen, persönliche Verhältnisse, Fallzahlen, Alter der Konkurrenz) wurden eingearbeitet. Am Ende jedes Interviews hatten alle Studienteil-nehmer die Möglichkeit, weitere Punkte aufzuzählen, die noch nicht genannt worden waren. Dadurch wurde die möglichst vollständige Abbildung der maßgeblichen Fak-toren gewährleistet und die Anpassung des Fragebogens auch während des Studi-enverlaufes ermöglicht.
Die Antworten der Studienteilnehmer wurden je nach Fragestellung kategorisiert und Ziffern zugeordnet (zum Beispiel 0 = nein, 1 = ja oder 0 = weiblich, 1 = männlich).
Alle Antworten bzw. deren Zuordnung zu den Ziffern wurden in einer Excel-Datei festgehalten. Die Kategorisierung wurde individuell auf jeden einzelnen Faktor zuge-schnitten und wird in den Ergebnissen unter den Tabellen erläutert. Einige Antworten konnten nicht eindeutig zugeordnet werden. Hier wurde die der Antwort am nächsten stehende Kategorie ausgewählt bzw. die Interpretation des Gesagten einer Ziffer zu-geordnet. Bei fehlender Eindeutigkeit wurde dies in der Excel-Datei markiert. Nicht angesprochene Punkte wurden mit „-“ gekennzeichnet.
Abgefragte Faktoren bei den Interviews Ergebniszeitraum
- s. 2.4.6 Modifiziertes Ertragswertverfahren Arztlohn
- s. 2.4.6 Modifiziertes Ertragswertverfahren Kaufkraft
- „Als Kaufkraft der Verbraucherhaushalte wird das in privaten Haushalten für Konsumzwecke verfügbare Einkommen bezeichnet, also derjenige Betrag, der pro Haushalt vom Einkommen verbleibt, nachdem alle regelmäßig wiederkeh-renden Zahlungsverpflichtungen (zum Beispiel Wohnungsmieten, Kreditraten,
146 Der vollständige Fragebogen kann im Anhang eingesehen werden.
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Versicherungsprämien) bedient wurden.“147 Der „Kaufkraftindex (…) einer Re-gion (…) gibt das Kaufkraftniveau dieser ReRe-gion pro Einwohner oder Haushalt im Vergleich zum nationalen Durchschnitt an. Der nationale Durchschnitt hat dabei den Normwert 100.“148 Liegt der Kaufkraftindex zum Beispiel bei 115%, so verfügen die Einwohner dieser Region über 115% der durchschnittlichen Kaufkraft.
Modernität/Erscheinungsbild der Praxis
- beispielsweise eine moderne oder optisch ansprechende Einrichtung Technische Ausstattung
- beispielsweise Behandlungsstühle, Monitore oder Laser EDV-Stand
- beispielsweise Praxissoftware zur Abrechnung, karteikartenlose Dokumenta-tion am Rechner
Organisationsgrad der Praxis
- beispielsweise Behandlungsfluss, Mitarbeiterorganisation Recall-System vorhanden ja/nein
- Erinnerung der Patienten an Termine oder daran, einen Termin für notwen-dige Kontrolluntersuchungen oder Prophylaxesitzungen zu vereinbaren
QM-System
- Qualitätsmanagementsystem Praxislabor ja/nein
- ein in die Praxis integriertes Eigenlabor Fremdlaboranteil hoch/niedrig
- Maß für die Prothetiklastigkeit einer Zahnarztpraxis Praxislage
- beispielsweise an einer Hauptstraße, in einem Dorf oder in einem Ärztehaus Anbindung (Parkplätze/ÖPNV)
- beispielsweise Parkplätze, Bus- oder Bahnstationen in der Nähe der Praxis Zahnarztdichte vor Ort
- Höhe der Zahnarztdichte vor Ort
147 S. Wikipedia (o.J.): „Kaufkraft (Konsum)“
148 S. ebd.
57 Raumkosten/Mietvertrag
- beispielsweise Laufzeit des Mietvertrages, Kündigungsrecht oder die Höhe der Miete
Fluktuation des Personals
- Wechselhäufigkeit des Personals, Beständigkeit des Personals Qualifikation des Personals
- fachliche Qualifikation des Personals (zum Beispiel Ausbildung zur Zahnmedi-zinischen Prophylaxeassistentin)
Erscheinungsbild des Personals, Atmosphäre in der Praxis/im Team
- beispielsweise äußeres Erscheinungsbild des Personals oder die Freundlich-keit und Kollegialität untereinander
Altersstruktur der Patienten
- beispielsweise sehr junger oder sehr alter Patientenstamm Einkommensniveau der Patienten, Einwohnerzahl und -struktur vor Ort
- beispielsweise sehr wohlhabende Patienten oder eine sehr einkommensstarke oder -schwache Umgebung
Einwohnerentwicklungspotenzial
- beispielsweise Entstehung von neuem Wohnraum in der Umgebung mit potenziellen Neupatienten
Langjährige und vertrauensvolle Bindung der Patienten an die Praxis und das Team - sehr lange Bindung der Patienten an die Praxis, den Abgeber und/oder
das Team
Anteil an Privatpatienten
- beispielsweise sehr hoher oder niedriger Anteil an Privatpatienten Arbeitsschwerpunkte
- beispielsweise sehr spezialisierte (zum Beispiel Endodontie, Chirurgie, Kinderzahnheilkunde) oder allgemeinzahnärztlich tätige Praxen
Ruf der Praxis/des Abgebers
- beispielsweise besonders bekannter Zahnarzt mit sehr gutem Ruf Marketingaktivitäten des Abgebers
- beispielsweise eine Homepage, ein Eintrag in den Gelben Seiten oder Plakatwerbung
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Zukünftig erwartete Gewinnveränderungen
- beispielsweise Gewinnsteigerung oder -abnahme in der Zukunft Mitarbeit des Abgebers nach Übernahme
- beispielsweise einjährige gleitende Übergabe (Abgeber und Übernehmer arbeiten parallel)
Mitbewerbersituation bei den Kaufverhandlungen - Vorhandensein weiterer Kaufinteressenten
Sympathie zwischen Abgeber und Übernehmer, Bekanntheitsverhältnis - beispielsweise gegenseitige Sympathie oder Abneigung
Geschlecht von Übernehmer oder Abgeber - weiblich oder männlich
Einfluss des Gutachtens auf den Kaufpreis
- Kaufpreis und ermittelter Wert stimmen (nicht) überein Potenzial, die Praxis auszubauen
- beispielsweise Ausbaureserven für weitere Behandlungszimmer Persönliche Verhältnisse
- beispielsweise die Nähe zu den Eltern oder zum Wohnort Fallzahlen
- beispielsweise sehr hohe oder niedrige Fallzahlen Alter der Konkurrenz
- beispielsweise viele ältere/jüngere Kollegen in der Umgebung