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3. Methodik

3.3 Analysemethode und Auswertungsverfahren

3.3.1 Analysemethode nach Mayring

Nach Mayring kann das praktische Vorgehen bei der qualitativen Inhaltsanalyse in folgende Schritte gegliedert werden:

1. Festlegung des Materials

2. Analyse der Entstehungssituation 3. Formale Charakteristika des Materials 4. Richtung der Analyse

59 5. Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung

6. Bestimmung der Analysetechnik 7. Definition der Analyseeinheiten 8. Durchführung der Analyse149 1. Festlegung des Materials

Es wird das Material definiert, das analysiert werden soll. Ist es nicht möglich, alle Daten zu analysieren, wird eine Auswahl aus der Gesamtmenge getroffen, wobei diese Stichprobe auch repräsentativ und unter (zeit)ökonomischen Gesichtspunkten gewählt sein sollte. Die Grundgesamtheit, aus der die Stichprobe entnommen wird, sollte im Vorhinein klar definiert werden. Die Stichprobe selber sollte nach einem be-stimmten Modell (zum Beispiel eine reine Zufallsauswahl oder die Auswahl nach speziellen Kriterien) gezogen werden.150

2. Analyse der Entstehungssituation

Es soll dargestellt werden, von wem, unter welchen Bedingungen und aus welchem Grund das vorliegende Material erstellt wurde, also zum Beispiel auch, wer an Inter-views teilgenommen hat. Dabei soll auch der soziokulturelle Hintergrund der Beteilig-ten beleuchtet werden.151

3. Formale Charakteristika des Materials

Die Art des Materials soll näher beschrieben werden. Meist wird für die Analyse ein niedergeschriebener Text verwendet, dieser kann zum Beispiel das Transkript eines Interviews sein. Hier können auch Beobachtungsdaten wie das Lachen eines Teil-nehmers hinzugefügt werden. Die Art der Transkription kann das Ursprungsmaterial stark verändern und sollte daher erläutert werden (zum Beispiel das Streichen von

„ähm“ oder das Eindeutschen von Dialekten).152 4. Richtung der Analyse

Für die Interpretation des nun beschriebenen Ausgangsmaterials muss zunächst feststehen, über welchen Aspekt dieses Textes eine Aussage getroffen werden soll.

Die Interpretation kann sich auf verschiedene Bereiche des Materials beziehen. Es

149 Vgl. Mayring, Philipp (2010) Qualitative Inhaltsanalyse, S. 52ff

150 Vgl. ebd., S. 52f

151 Vgl. ebd., S. 53

152 Vgl. ebd., S. 53

60

kann der Gegenstand des Textes beschrieben werden, der emotionale Zustand der Beteiligten beurteilt werden, der Text an sich unter soziokulturellen Gesichtspunkten ausgewertet werden, die Intention des Verfassers oder die Wirkung bei der Zielgrup-pe untersucht werden.153

5. Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung

Die Inhaltsanalyse soll in die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Diskus-sionen eingeordnet werden bzw. daran anknüpfen.154

6. Bestimmung der Analysetechnik

Mayring beschreibt drei verschiedene Analysetechniken, aus denen die jeweils pas-sende je nach Forschungsfrage und Material für die Inhaltsanalyse ausgewählt wer-den soll:

Zusammenfassung: Das Material soll so reduziert werden, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben und diese das Gesamtmaterial wiedergeben.

Die Zusammenfassung gliedert Mayring wiederum in die folgenden Punkte:

- Paraphrasierung, also der knappen Umschreibung einer Textstelle auf deren wesentlichen Inhalt. Dabei werden nicht inhaltstragende Textteile entfernt und die Sprachebenen bei verschiedenen Interviewteilnehmern auf eine Ebene gebracht. Die Sätze werden zu Stichpunkten umformuliert.

- Generalisierung auf das Abstraktionsniveau, dabei wird ein Abstraktionsni-veau bestimmt und alle Paraphrasen, die darunter liegen, werden verallge-meinert.

- Erste Reduktion: Alle inhaltsgleichen, unwichtigen oder nichtssagenden Text-teile werden gestrichen.

- Zweite Reduktion: Paraphrasen, die sich aufeinander beziehen, werden zu-sammengefasst und durch eine neue Aussage gebündelt wiedergegeben.

Nach erfolgter Zusammenfassung muss überprüft werden, ob alle anfänglichen Aus-sagen sich in dieser Zusammenfassung wiederfinden und ob sie das Grundmaterial

153 Vgl. ebd., S. 56f

154 Vgl. ebd., S. 57f

61 repräsentiert. Die Schritte können wiederholt werden, sodass am Ende eine noch knappere und allgemeinere Zusammenfassung steht.155

Explikation: Einzelne fragliche Textteile, zum Beispiel einzelne Begriffe, sollen zu-sätzlich beleuchtet werden. Zum besseren Verständnis wird weiteres Material zu die-sem einzelnen Punkt eingeholt. Nachdem eine bestimmte Textstelle ausgewählt wurde, wird diese wie folgt untersucht:

- Lexikalisch-grammatische Definition: Die Kenntnis über die lexikalisch-grammatische Definition der Textstelle ist die Voraussetzung für die Untersu-chung des Materials. Wenn der Sprecher von dieser Definition abweicht und sich zum Beispiel unklar ausdrückt, muss auf den Kontext zurückgegriffen werden. Ziel der Kontextanalyse ist eine Aufschlüsselung und Interpretation der Textstelle.

- Bestimmung des zulässigen Explikationsmaterials: Reicht die lexikalisch-grammatische Definition zum Verständnis nicht aus, muss entschieden wer-den, welches zusätzliche Material für die Explikation zugelassen wird.

- Materialsammlung: Bei der engen Kontextanalyse wird nur Material aus dem direkten Textumfeld zugelassen. Dabei werden Textstellen gesucht, die mit der zu analysierenden Textstelle in Verbindung stehen. Diese können zum Beispiel ausschmückend, erklärend, gegenteilig oder beispielgebend sein. Bei der weiten Kontextanalyse wird auch Material über den Text hinaus zugelas-sen. Dazu zählen etwa Informationen über den Verfasser, über die Entste-hungsbedingungen des Textes oder über das Vorverständnis.

Nach erfolgter Explikation wird eine Aussage gemacht, die die fragliche Textstelle erklärt und ersetzen könnte. Es wird die Sinnhaftigkeit dieser Paraphrase überprüft – die Textstelle sollte nun klar verständlich sein.156

Strukturierung: Bestimmte Aspekte sollen aus dem Material herausgearbeitet wer-den. Die Materialbestandteile werden nach vorher festgelegten Kriterien geordnet, die sich aus der Fragestellung ergeben und theoretisch begründet sein müssen.

Nach Mayring sollte bei der Strukturierung (deduktive Kategorisierung) wie folgt vor-gegangen werden:

155 Vgl. ebd., S. 63ff

156 Vgl. ebd., S. 63ff

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1. Definition der Kategorien: Es wird festgelegt, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen sollen.

2. Ankerbeispiele: Es werden Textstellen aufgeführt, die als Beispiele für eine Kategorie dienen sollen.

3. Kodierregeln: Bei Abgrenzungsproblemen zwischen den Kategorien werden Regeln definiert, die eine Zuordnung möglich machen.

Schließlich liegt das gesamte Material in einem Kategoriensystem geordnet vor. In einem ersten Materialdurchgang wird überprüft, ob das Kategoriensystem weiter mo-difiziert und angepasst werden muss. Bei diesem Probedurchlauf werden wie beim Hauptdurchlauf zunächst die Fundstellen markiert, die einer Kategorie zugeordnet werden können, um anschließend aus dem Material extrahiert und der strukturieren-den Inhaltsanalyse zugeführt zu werstrukturieren-den. Diese kann laut Mayring verschiestrukturieren-dene Ziele haben:

- Formale Strukturierung: Aus dem Material sollen Strukturen herausgearbeitet werden, die selbiges auf eine bestimmte Art gliedern, zerlegen oder schemati-sieren. Das Kriterium, nachdem der Text analysiert werden soll, muss vorher genau festgelegt werden.

Beim syntaktischen Kriterium werden sprachliche Formulierungen im Text un-tersucht und ein Augenmerk auf Besonderheiten im Satzbau oder Abweichun-gen gelegt.

Auch kann die inhaltliche Gliederung oder Struktur des Textes herausgearbei-tet werden (thematisches Kriterium).

Beim semantischen Kriterium wird die Beziehung einzelner Materialbestand-teile untereinander rekonstruiert.

Die Abfolge von Gesprächsbeiträgen, das heißt der Gesprächsverlauf, soll beim dialogischen Kriterium analysiert werden.

Nach Auswahl des gewünschten Kriteriums erfolgt die Definition der Katego-rien, das Heranziehen von Ankerbeispielen und das Festlegen der Kodierre-geln (s. oben).

- Inhaltliche Strukturierung: Bestimmte Inhalte oder Themen sollen aus dem Material herausgearbeitet werden. Dafür werden Kategorien und Unterkatego-rien gebildet. Diesen KategoUnterkatego-rien wird der Text in Form von Paraphrasen

zu-63 geordnet und anschließend nach den Regeln der Zusammenfassung (s. oben) zusammengefasst.

- Typisierende Strukturierung: Nur besonders markante Merkmale des Textes sollen herausgezogen und genauer beschrieben werden. Als markant oder als typisch können dabei besonders extreme Ausprägungen, Ausprägungen von besonderem theoretischen Interesse oder Ausprägungen, die besonders häu-fig vorkommen gelten. Für diese Ausprägungen werden dann Beispiele aus dem Text zitiert. Diese Prototypen werden dann genauer beschrieben. Die ty-pisierende Strukturierung birgt die Gefahr der Verallgemeinerung, obwohl die entsprechenden Textteile bei Betrachtung des Gesamtmaterials vielleicht nur einen kleinen Teil ausmachen.

- Skalierende Strukturierung: Bei der skalierenden Strukturierung soll das Mate-rial bzw. sollen einzelne Ausprägungen in „mindestens ordinalskalierter Form (z.B. viel – mittel – wenig)“157 eingeordnet werden. Die Skalenpunkte sollen im Vorhinein anhand der Hauptfragestellung festgelegt werden. Nicht vergessen werden sollten auch Restkategorien wie „teils/teils“ oder „unklar“. Die Ergeb-nisaufbereitung hängt laut Mayring von der Fragestellung ab und kann zum Beispiel die Häufigkeitsverteilung der Einschätzungen umfassen.158

7. Definition der Analyseeinheit

- Kodiereinheit: kleinster Textbestandteil, der einer Kategorie zugeordnet wer-den darf

- Kontexteinheit: größter Textbestandteil, der einer Kategorie zugeordnet wer-den darf

- Auswertungseinheit: Festlegung, welche Textteile jeweils nacheinander aus-gewertet werden

Es soll ein Kategoriensystem unter Berücksichtigung der Fragestellung und des kon-kreten Materials erarbeitet werden. Dieses soll klar definiert und während der Analy-se überarbeitet und rücküberprüft werden.159

157 S. ebd., S. 101

158 Vgl. ebd., S. 92ff

159 Vgl. ebd., S. 59

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8. Durchführung der Analyse

Im Anschluss wird die Analyse nach dem vorgestellten Ablaufschema durchgeführt.

Dabei wird eine Analysetechnik ausgewählt. Es erfolgt die Zusammenstellung und Interpretation der Ergebnisse hinsichtlich der Hauptfragestellung und die Einschät-zung der Aussagekraft anhand von Gütekriterien.160 Gütekriterien sind beispielsweise Objektivität, Reliabilität und Validität, also die Zuverlässigkeit und Gültigkeit von Messungen. In der qualitativen Inhaltsanalyse spielt vor allem die Intercoderreliabili-tät eine große Rolle. Dabei wird das Material von unterschiedlichen Inhaltsanalytikern untersucht und die Ergebnisse der Analysen werden verglichen.161