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2.4 Histaminrezeptoren im Gastrointestinaltrakt

2.4.1 Funktionelle Aspekte von Histaminrezeptoren im Gastrointestinaltrakt

Histaminrezeptoren vermitteln verschiedenste intestinale Effekte und die Rolle von Histamin in der Physiologie und Pathologie des Gastrointestinaltraktes war und ist Gegenstand vieler wissenschaftlicher Studien. Dabei wurde ein Teil der Untersuchungen an humanen Proben und Geweben durchgeführt (STEAD et al.

1989; KEELY et al. 1995; BARBARA et al. 2004; LING et al. 2004; BREUNIG et al.

2007). Forschungsergebnissen aus Tiermodellen, vor allem Studien mit Meerschweinchen, Mäusen und Ratten, kommt jedoch ebenfalls eine große Bedeutung zu (HARRY 1963; BARKER und EBERSOLE 1982; RANGACHARI und MCWADE 1986; YAMANAKA und KITAMURA 1987; WANG und COOKE 1990;

TRAYNOR et al. 1992; KHAN et al. 1994; COOKE et al. 1995; IZZO et al. 1998;

HEMEDAH et al. 2000; HOFSTRA et al. 2003). Die Ergebnisse aus einer Vielzahl

dieser, oft funktionellen Untersuchungen zeigen die Bedeutung und Wirkungsweise von Histamin und seinen verschiedenen Rezeptoren für die Motilität, Sekretion, vaskuläre Permeabilität, Hämodynamik und immunologische Vorgänge in Magen und Darm (FOGEL et al. 2005a).

Dabei ist zu beachten, dass ein Teil der Untersuchungen zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, an dem noch nicht alle vier Histaminrezeptoren entdeckt beziehungsweise funktionell beschrieben waren. Eine Verwendung von pharmakologischen Substanzen, die hierbei als vermeintlich spezifische Liganden eingesetzt wurden, tatsächlich jedoch auch an bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Rezeptoren banden, kann somit zur Verzerrung von Ergebnissen geführt haben (POLI et al. 2001; AKDIS und SIMONS 2006; BÄUMER und ROßBACH 2010;

CORUZZI et al. 2012). Darüber hinaus bestehen mitunter starke speziesspezifische Unterschiede in Verteilungsmuster, Proteinstruktur und Nukleotidsequenzen der einzelnen Histaminrezeptoren, die sich möglicherweise auch funktionell auswirken können (KHAN et al. 1994; XIE und HE 2005; PARSON und GANELLIN 2006;

JIANG et al. 2008; BÄUMER und ROßBACH 2010).

2.4.1.1 Gastrointestinale Motilität

Bereits im Jahre 1910 beschrieben DALE und LAIDLAW (1910) einen Effekt von Histamin auf den Tonus von Dünndarmschlingen. Es gibt zahlreiche, meist funktionelle Studien, die verschiedene Mechanismen der Wirkung von Histamin auf die gastrointestinale Motilität beschreiben.

Direkte kontraktile Effekte von Histamin auf die glatte Muskulatur des Ileums über postsynaptische, nicht cholinerge Rezeptoren wurden von HARRY (1963) im Meerschweinchenmodell gezeigt. Im Jahre 1977 zeigten HILL et al. die spezifische Bindung eines H1R-Antagonisten an den H1R in glatter Muskulatur des Darmtraktes von Meerschweinchen. Untersuchungen an der Lamina muscularis mucosae des Magens von Hunden zeigten abhängig von der Histaminkonzentration einen kontraktilen, über H1R vermittelten und einen entspannenden, via H2R vermittelten Effekt (MULLER et al. 1993). Ähnliche Beobachtungen machten auch YAMANAKA

und KITAMURA (1987) im Ileum von Meerschweinchen. Untersuchungen der Lamina muscularis mucosae des kaninen Kolons hingegen zeigten lediglich via H1 R-vermittelte, kontraktile Effekte, während keine Reaktion auf H2R-Agonisten nachgewiesen werden konnten (MULLER et al. 1990).

Weiterhin spielen Histaminrezeptoren bei der neuronalen Signalübertragung im enterischen Nervensystem eine bedeutende Rolle und modulieren die Kontraktionen der glatten Muskulatur. So berichteten BARKER und EBERSOLE (1982) in einer funktionellen Studie über kontraktile Effekte an Proben aus dem Ileum von Meerschweinchen. Diese werden durch eine H2R vermittelte Ausschüttung von Mediatoren, wie Acetylcholin und Substanz P, aus Neuronen des Plexus myentericus bewirkt (BARKER und EBERSOLE 1982). Neuronal ausgelöste, über H1R und H2R vermittelte Kontraktionen bei hohen Histaminkonzentrationen beschrieben IZZO et al.

(1998) im Ileum vom Meerschweinchen.

Für den H3R, der an prä- und postganglionären Lokalisationen beschrieben wurde, sind vor allem inhibitorische Effekte auf die Ausschüttung von exzitatorischen Neurotransmittern bekannt (POLI et al. 2001). Bezüglich der Expression und funktionellen Bedeutung von H3R im Magendarmtrakt existieren anscheinend speziesspezifische Unterschiede. So zeigten in vitro-Untersuchungen an Proben von Meerschweinchen (IZZO et al. 1998) eine Hemmung neuronal ausgelöster Kontraktionen der glatten Muskulatur des Ileums, die durch eine präsynaptische Inhibition an Interneuronen via H3R vermittelt wurde. POLI et al. (2001) berichteten von einer Verlängerung der gastrointestinalen Passage bei Mäusen durch die Gabe eines H3R Agonisten. Jedoch konnte in funktionellen Studien an Geweben von Kaninchen, Ratten und Menschen keine Beteiligung von H3R an der gastrointestinalen Motilität nachgewiesen werden (POZZOLI et al. 1997; HEMEDAH et al. 2000; POLI et al. 2001). Auch mittels in situ-Hybridisierung wurde im Ileum von Ratten keine H3R-mRNA nachgewiesen (HEMEDAH et al. 2000).

Neuere Untersuchungen aus der Humanmedizin zeigten, dass Neuronen des Plexus submucosus durch Histamin reizbar sind und alle 4 Histaminrezeptoren an dieser Reaktion beteiligt sind (BREUNIG et al. 2007).

2.4.1.2 Sekretion

Einen wichtigen Aspekt der intestinalen Barrierefunktion stellt die Sekretion von Ionen und Wasser durch Epithelzellen dar, die einerseits die Fluidität der Mukusschicht erhält und andererseits durch erhöhe Sekretion Noxen im Darmlumen beseitigt (WANG und COOKE 1990; COOKE 2000).

Die Regulation der Chloridsekretion kann direkt durch Histamin über H1R auf Enterozyten erfolgen wie in vitro-Untersuchungen am humanen Kolon zeigten (KEELY et al. 1995). Untersuchungen der Chloridsekretion am Meerschweinchenmodell deuten auf einen ähnlichen Mechanismus hin (WANG und COOKE 1990). Durch Untersuchungen in Ussing-Kammern am Kolonepithel von Schweinen zeigten TRAYNOR et al. (1992), dass Histamin über den H1R die Natrium- und Chloridsekretion erhöht, während die Chloridabsorption gehemmt wird.

Weiterhin wurde an Kolongewebe von Meerschweinchen ein indirekter Einfluss auf die Stimulation der Chloridsekretion nachgewiesen, welcher über H2R auf Interneuronen des enteralen Nervensystems vermittelt wird (WANG und COOKE 1990; COOKE et al. 1995). Eine vermehrte Chloridsekretion ist funktionell eng verbunden mit der Regulation der Motilität (COOKE 2000).

2.4.1.3 Sekretion von Magensäure und Schleimhautschutz

Weiterhin sind Histamin und insbesondere der H2R von großer Bedeutung für die Regulation der Magensäureproduktion von Belegzellen und damit für den Schleimhautschutz des Magens (HILL et al. 1997; CORUZZI et al. 2012). Dabei wird Histamin vor allem von enterochromaffin-ähnlichen Zellen freigesetzt und bewirkt eine parakrine Stimulation der basolateral lokalisierten H2R der Belegzellen (KOPIC und GEIBEL 2010). Therapeutisch werden auch in der Tiermedizin H2R-spezifische Antagonisten wie Ranitidin und Cimetidin bei Hyperazididät und peptischen Magenulzera zur Hemmung der Magensäureproduktion verwendet (NEIGER 2011).

Untersuchungen von KOBAYASHI et al. (2000) an H2R-defizienten Mäusen zeigten eine Hypertrophie der Mukosa des Magens und eine veränderte Zellmorphologie von Belegzellen und enterochromaffin-ähnlichen Zellen. Histamin und Gastrin zeigten in

diesem Modell keinen Einfluss auf die Magensäureproduktion, während die Wirkung von Carbachol, einem Acetylcholinanalogon, erhalten blieb und der Basis-pH im Magen normal war (KOBAYASHI et al. 2000). Es wird davon ausgegangen, dass Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Signalwegen, welche die Magensäuresekretion beeinflussen, existieren (KOPIC und GEIBEL 2010).

Aktuelle Studien deuten auf eine mögliche Beteiligung des H4R an der Entstehung von ulzerativen Läsionen durch Histamin hin, da die Verwendung selektiver H4 R-Antagonisten bei Ratten und Mäusen gastroprotektive Effekte zeigten (CORUZZI et al. 2009; CORUZZI et al. 2012).

Mittels Immunhistochemie konnten MORINI et al. (2008) in der Mukosa des Magenfundus von Ratten H3R und H4R auf endokrinen Zellen darstellen. Da keine Kolokalisation dieser Rezeptoren festgestellt werden konnte, vermuten die Autoren eine Expression der jeweiligen Histaminrezeptoren auf unterschiedlichen Zelltypen und schließen auf verschiedene Funktionen von H3R und H4R (MORINI et al. 2008).

2.4.1.4 Intestinale Hämodynamik und vaskuläre Permeabilität

Eine der wichtigsten Funktionen von Histamin im Rahmen einer entzündlichen Reaktion besteht in der Dilatation von Gefäßen und Erhöhung der vaskulären Permeabilität vermittelt durch H1R (WALUS et al. 1981; GUTH und HIRABAYASHI 1982; DE ESCH et al. 2005; JUTEL et al. 2009; CORUZZI et al. 2012).

In vivo-Untersuchungen über die hämodynamischen Effekte von Histamin an mesenterialen Gefäßen von Hunden zeigten eine anfängliche transiente, über H1R vermittelte Vasodilatation (WALUS et al. 1981). Wurde diese H1R-Reaktion geblockt, zeigte sich eine verzögerte Vasodilatation via H2R (WALUS et al. 1981). Auch Untersuchungen zum postischämischen Blutfluss im Ileum von Hunden wiesen eine via H2R vermittelte Vasodilatation durch endogenes Histamin nach (KASZAKI et al.

1994).

In Studien zur mikrovaskulären Permeabilität in der Tunica muscularis des Dünndarms von Ratten bewirkte Histamin eine dosisabhängige Erhöhung der

Durchlässigkeit kleiner Gefäße für Makromoleküle (GUTH und HIRABAYASHI 1982).

Die Verwendung von H1R- und H2R-Agonisten und -Antagonisten deuten auf einen H1R-vermittelten Effekt hin (GUTH und HIRABAYASHI 1982). Zu anderen Ergebnissen kommen MORTILLARO et al. (1981), die die kapilläre Permeabilität am Ileum von Katzen untersuchten und eine hauptsächlich über H2R vermittelte Erhöhung der Permeabilität für Plasmaproteine beschrieben, während die Vasodilatation über H1R vermittelt wurde.

2.4.1.5 Immunmodulation

Eine enge mikroanatomische Lokalisation von Immunzellen und enterischen Nervenfasern bildet die Basis für neuroimmunologische Interaktionen im Magendarmtrakt (STEAD et al. 1989; BARBARA et al. 2004). Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den intestinalen Mastzellen zu, die teilweise einen direkten Membrankontakt zu peripheren Nervenfortsätzen aufweisen (STEAD et al. 1989) und durch Ausschüttung von Mediatoren, unter anderem Histamin, eine parakrine Signalübertragung bewirken (HE 2004; CORUZZI et al. 2012).

Untersuchungen von HOFSTRA et al. (2003) zeigten eine Expression von H4R in humanen Mastzellen sowie eosinophilen und basophilen Granulozyten. In derselben Studie wurde eine über H4R vermittelte, chemotaktische Wirkung von Histamin auf murine Mastzellen beschrieben (HOFSTRA et al. 2003). Es fanden sich jedoch keine Hinweise auf via H4R vermittelte Effekte auf die Degranulation, Proliferation oder Lebenszeit von Mastzellen (HOFSTRA et al. 2003). Einige Autoren stellen die Hypothese eines self-amplification-Mechanismus von Mastzellen auf (HE 2004; XIE und HE 2005). Es wird vermutet, dass Mastzellen durch autokrine und parakrine Wirkung der Mastzellmediatoren, vor allem Histamin, wiederum eine Degranulation der umliegenden Mastzellen bewirken und eine Stimulation ihrer selbst im Sinne eines positiven Feedbackmechanismus via H1R stattfindet (HE 2004; XIE und HE 2005).

Weiterhin spielen Histaminrezeptoren eine bedeutende Rolle bei der Chemotaxis verschiedener anderer Entzündungszellen (HUANG und THURMOND 2008).

Unterschiedliche Konzentrationen von Histamin bewirken chemotaktische Bewegungen von eosinophilen Granulozyten in vitro, welche mit Veränderungen der Zellform und Aufregulierung von Adhäsionsmolekülen einhergehen (LING et al.

2004). Diese Effekte werden durch H4R vermittelt, dessen Expression durch den Nachweis von H4R-mRNA durch die Autoren gezeigt wurde. Bei neutrophilen Granulozyten konnte mRNA von H4R jedoch nicht nachgewiesen werden (LING et al.

2004). Frühere Studien zeigten via H2R vermittelte, inhibitorische Effekte bei neutrophilen Granulozyten (AKDIS und SIMONS 2006). So hemmt Histamin mittels H2R-Signalübertragung die Chemotaxis und Aktivierung von neutrophilen Granulozyten sowie deren Degranulation und die Synthese oxidativer Stoffe (SELIGMANN et al. 1983; AKDIS und SIMONS 2006). Die Migration von dendritischen Zellen wiederum wird durch H2R und H4R vermittelt, während immunmodulatorische Effekte durch H4R reguliert werden (GUTZMER et al. 2005;

HUANG und THURMOND 2008). Weiterhin wird ein Einfluss von Histamin via H2R bei der Reifung von dendritischen Zellen vermutet (XIE und HE 2005; AKDIS und SIMONS 2006). Bei der Chemotaxis von T-Lymphozyten hingegen sind anscheinend H1R und H4R von Bedeutung (HUANG und THURMOND 2008).

Auch die Regulation der Zytokinproduktion und -freisetzung von Entzündungszellen wird zum Teil über Histaminrezeptoren moduliert (HUANG und THURMOND 2008).

Beispielsweise zeigte eine Untersuchung von GANTNER et al. (2002), dass die Freisetzung von IL-16 aus humanen CD8+ T-Lymphozyten durch H2R und H4R vermittelt wird. Interleukin 16 ist ein Chemoattraktant für CD4+ T-Lymphozyten, welche ebenfalls den H4R exprimieren (LING et al. 2004; DE ESCH et al. 2005).

Deshalb wird vermutet, dass Histamin einen indirekten Einfluss auf die Rekrutierung von T-Zellen hat (HUANG und THURMOND 2008). Weiterhin beeinflusst Histamin die Balance zwischen der Th1- und Th2-Immunantwort und reguliert die Immunglobulinsynthese (JUTEL et al. 2002). Untersuchungen von JUTEL et al.

(2001) zeigten, dass Th1-Zellen vorwiegend H1R exprimieren und die Bindung von Histamin an H1R eine Th1-dominierte Immunantwort triggert. Die Stimulation von H2R bewirkte eine Herunterregulierung sowohl der Th1- als auch der Th2-Zytokinsekretion und scheint einen negativen Regulationsmechanismus für T-Zellen darzustellen

(JUTEL et al. 2001). H1R und H2R- defiziente Mäuse zeigten eine stark abweichende Immunantwort mit verändertem Zytokinspektrum und Unterschieden bei der Antikörperproduktion (JUTEL et al. 2001).

In vitro-Untersuchungen an humanen Monozyten aus dem peripheren Blut zeigten, dass diese Zellen H4R exprimieren und eine Stimulation des H4R zu einer verminderten Produktion des Proteins CCL2 (CC-Chemokin-Ligand 2) führt (DIJKSTRA et al. 2007). Das Zytokin CCL2 spielt eine Rolle bei der Migration von Monozyten, aktivierten T-Zellen und natural-killer-Zellen im Rahmen einer Th2 -Immunantwort (DIJKSTRA et al. 2007). Außerdem ist Histamin an der Regulation von Entzündungsprozessen durch die H2R-vermittelte Sekretion von IL-10 beteiligt, welches als Inhibitor der Proliferation und Zytokinantwort bei T-Zellen fungiert (JUTEL et al. 2002; JUTEL et al. 2009).

Zusammenfassend bewirkt die Freisetzung von Histamin und die Signalvermittlung über Histaminrezeptoren eine chemotaktische Wirkung auf gewebsständige und zirkulierende Zellen und hat einen indirekten Einfluss auf die T-Zellaktivierung (HUANG und THURMOND 2008). Dabei wird dem H1R eine eher immunstimulierende, proinflammatorische Wirkung zugeschrieben, während H2R vermittelte Signale einen eher inhibitorischen Effekt auf Entzündungsvorgänge ausüben (AKDIS und SIMONS 2006; BÄUMER und ROßBACH 2010). Der H4R wiederum vermittelt die Akkumulation verschiedener Entzündungszellen am Ort der Immunreaktion (AKDIS und SIMONS 2006).