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Als epitheliale Oberfläche des Körpers ist gerade die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes einer großen Zahl von Antigenen, auch nicht pathogener Natur, ausgesetzt (JUNGI 2000; STOKES und WALY 2006; MURPHY et al. 2009a). Dabei fungiert das intestinale Epithel sowohl als physikalische als auch als immunologische Barriere (SANSONETTI 2004). Das mukosale Immunsystem verfügt neben besonderen anatomischen Merkmalen (Kompartimente aus diffusem Lymphgewebe in der Lamina propria mucosae, organisierte lymphatische Strukturen wie Peyer-Platten und isolierte Lymphfollikel) auch über spezielle Effektormechanismen und immunregulatorische Funktionen (MURPHY et al. 2009a).

2.2.1 Physikalische und chemische Barrieren

Das Epithel des Gastrointestinaltraktes wirkt vor allem durch feste Zell-Zell-Verbindungen (tight junctions) der Epithelzellen, durch die Produktion visköser Flüssigkeiten (Mukus) und den Mechanismus der Peristaltik als physikalische Barriere gegen infektiöse Erreger (STOKES und WALY 2006; MURPHY et al. 2009b;

SUCHODOLSKI 2011). Diese epitheliale Barriere besitzt eine hohe Regenerationsfähigkeit durch schnell teilungsfähige Kryptepithelzellen, die in Richtung Zottenspitze migrieren (SANSONETTI 2004). Weiterhin existiert auf der Oberfläche des Darms eine kommensale Bakterienflora, die im Sinne einer kompetitiven Hemmung mit pathogenen Mikroorganismen um Nährstoffe und Anheftungsstellen auf der Epitheloberfläche konkurriert (MURPHY et al. 2009b;

SUCHODOLSKI 2011).

Zusätzlich wirkt der saure pH im Magen des Gastointestinaltraktes als chemische Barriere (MURPHY et al. 2009b). Verdauungsenzyme aus dem Pankreas zerlegen die Nahrungsproteine, sodass nur wenige intakte Proteine mit der Mukosa in Kontakt kommen (ALLENSPACH und GASCHEN 2003). Die von Becherzellen im Dünn- und Dickdarm produzierte Mukusschicht enthält Muzine, die mit Oberflächenpolysacchariden und Proteinen bakterieller Organismen interagieren und diese in der Schleimschicht halten. Die Peristaltik des Magendarmtraktes ermöglicht den Abtransport vom Mukus und potentieller bakterieller Noxen (SANSONETTI 2004).

2.2.2 Immunologische Barrieren

Die immunologischen Verteidigungsmechanismen bestehen aus dem Zusammenwirken von Komponenten der unspezifischen bzw. angeborenen und der adaptiven bzw. erworbenen Immunabwehr.

Wichtige Effektoren der unspezifischen Immunität sind antimikrobiell wirksame Peptide, mononukleäre Phagozyten (Makrophagen), neutrophile Granulozyten, dendritische Zellen, γδ-T-Zellen und natural killer-(NK)-Zellen (SANSONETTI 2004;

STOKES und WALY 2006).

Antimikrobielle Peptide (host defense peptides), wie Cathelicidin sowie α- und β-Defensine, interagieren mit den Membranen bakterieller Erreger und können zur Lyse dieser führen (SANSONETTI 2004). Während beim Menschen insbesondere die α-Defensine in den Paneth-Zellen des Dünndarms produziert werden, erfolgt die Synthese von Defensinen bei Kaniden, die keine Paneth-Zellen besitzen, in

Makrophagen, zirkulierenden neutrophilen Granulozyten und Dünndarmepithelzellen (SANDOW und WHITEHEAD 1979; SANSONETTI 2004; LINDE et al. 2007).

Funktionell wirken antimikrobielle Peptide chemotaktisch auf Immunzellen, fördern deren transepitheliale Migration und verstärken die zytotoxische Wirkung von NK-Zellen (LINDE et al. 2007).

Makrophagen können über Oberflächenrezeptoren wie Mannose- und Glucanrezeptoren, den Scavenger-Rezeptor und Lipopolysacharidrezeptoren (CD14) Pathogene erkennen, phagozytieren und abtöten sowie in der Folge proinflammatorische Zytokine wie Interleukine (IL-1β, IL-6) und Tumornekrosefaktor-α (TNF-Tumornekrosefaktor-α) freisetzen, die zur Rekrutierung weiterer Immunzellen führen (MURPHY et al. 2009b).

Eine Rekrutierung und Migration von neutrophilen Granulozyten erfolgt durch Ausschüttung von IL-8 und PEEC (pathogen-elicited epithelial chemoattractant) von Darmepithelzellen im Falle einer mikrobiellen Invasion oder Kolonisation. Ein Teil der neutrophilen Granulozyten gelangt auch in das Darmlumen und übt dort ihre antibakterielle Funktion aus (SANSONETTI 2004).

Die NK-Zellen und die intraepithelialen γδ-T-Zellen werden der Gruppe der innate like-Lymphozyten zugeordnet und sind in der Lage, schnell Zytokine zu produzieren (MURPHY et al. 2009b).

Nicht zuletzt spielen spezifische Rezeptoren von Epithelzellen und dendritischen Zellen, wie zellmembranständige und endosomale toll-like Rezeptoren und zytosomale NOD-Proteine zur Detektion von pathogenen Strukturen (PAMP, pathogen-associated molecular pattern) eine wichtige Rolle im Rahmen von Erkennungs- und Signaltransduktionsmechanismen der unspezifischen Immunabwehr und induzieren über den NFκB-Signalweg die Produktion von Chemokinen und Zytokinen (SANSONETTI 2004; MURPHY et al. 2009b).

Im Gastrointestinaltrakt existiert neben den Immunzellen der Lamina propria mucosae ein spezifisches lymphatisches Gewebe, bestehend aus Peyer-Platten und

isolierten Lymphfollikeln, welches als MALT (mucosa-associated lymphoid tissue) oder auch GALT (gut-associated lymphoid tissue) bezeichnet wird (ALLENSPACH und GASCHEN 2003; ALLENSPACH 2011). Im Rahmen der adaptiven Immunabwehr erfolgt hier die Antigenaufnahme über die M-Zellen des follikelassoziierten Epithels. Mittels Transzytose erfolgt eine Weiterleitung an subepithelial gelegene, Antigen-präsentierende Zellen (Makrophagen, Lymphozyten und dendritische Zellen) und nachfolgend eine Aktivierung von T-Lymphozyten und B-Vorläuferzellen (MURPHY et al. 2009a; ALLENSPACH 2011). Mit Hilfe ihrer charakteristischen Fortsätze können dendritische Zellen auch direkt Antigene durch eine intakte Epithelbarriere aufnehmen und präsentieren. Sie stellen damit ein wichtiges Bindeglied zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem dar. Die Sekretion von IL-6 durch dendritische Zellen induziert einen Switch zur IgA-Produktion der B-Zellen (MURPHY et al. 2009a; ALLENSPACH 2011).

Die Effektorzellen des spezifischen Immunsystems im Magendarmtrakt sind vor allem die intraepithelialen T-Lymphozyten (CD8+ T-Zellen) und die heterogene Zellpopulation der Lamina propria mucosae (CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen, dendritische Zellen, eosinophile Granulozyten und Mastzellen) (MURPHY et al. 2009a).

Den vorherrschenden Antikörpertyp im mukosalen Immunsystem stellt das lokal von Plasmazellen produzierte, dimere IgA dar (RUAUX 2011). In den Peyer-Platten und den mesenterialen Lymphknoten kommt es unter Einwirkung des Zytokins TGF-β (transforming-growth-factor β) zur Aktivierung und zum Isotypenwechsel von naiven B-Lymphozyten zu IgA-produzierenden Plasmazellen. Mittels Rezeptor-vermittelter Transzytose (Poly-Ig-Rezeptor) durch unreife Epithelzellen am Grund der Darmkrypten gelangen die Antikörper als sekretorisches IgA ins Darmlumen, binden an die Schleimschicht der Enterozyten, verhindern damit die Anheftung von Mikroorganismen und neutralisieren deren Toxine und Enzyme (MURPHY et al.

2009a; ALLENSPACH 2011). Außerdem wurde ein Einfluss der IgA-Produktion auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Flora festgestellt, da es bei IgA-Defizienzen zu einer hauptsächlich anaeroben Besiedlung kommt (ALLENSPACH 2011).

2.2.3 Orale Toleranz

Ein wichtiger Mechanismus des Darmimmunsystems ist die Entwicklung der oralen Toleranz, die eine adäquate Reaktion auf potentielle Pathogene ermöglicht und gleichzeitig eine überschießende Immunreaktion auf Antigene der kommensalen Bakterienflora oder der Nahrung verhindert (STOKES und WALY 2006;

ALLENSPACH 2011). Hierbei kommt den dendritischen Zellen eine besondere Bedeutung zu, die die Ausreifung naiver T-Zellen in Richtung einer Th1-, Th2- oder Th17-Antwort beeinflussen. Im Zustand der intestinalen Homöostase und in Gegenwart einer kommensalen, bakteriellen Flora besteht eine Balance zwischen Effektor- und regulatorischen T-Zellsubpopulationen, die durch ein enges Zusammenwirken verschiedener Zytokine gewährleistet ist (ALLENPACH 2011). Ein wichtiger Faktor zur Entwicklung der oralen Toleranz sind die Eigenschaften der kommensalen Bakterien selbst, denen im Gegensatz zu pathogenen Erregern Faktoren wie Adhäsine und Invasine fehlen und die deshalb kaum die intestinale Mukusschicht durchdringen (SANSONETTI 2004).

Die Immunantwort des Magendarmtraktes auf kommensale Mikroorganismen ist geprägt durch das Vorhandensein von regulatorischen T-Zellen, die durch Zytokine wie IL-10 und TGF-β die Aktivierung, Differenzierung und Proliferation anderer T-Zellen hemmen und damit eine entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkung vermitteln. Weiterhin finden sich T-Helfer-Zellen vom Typ 2 (Th2), dendritische Zellen und Makrophagen (ALLENPACH und GASCHEN 2003;

SANSONETTI 2004). Die Organismen der kommensalen Bakterienflora werden im mukosalen Immunsystem erkannt, da deren Antigene durch dendritische Zellen ohne Expression von kostimulierenden Molekülen präsentiert werden. Gleichzeitig besteht jedoch keine systemische Immunantwort (systemische Ignoranz) (MURPHY et al.

2009a).

Kommt es zu Störungen der Schleimhautbarriere und zum Eindringen von Mikroorganismen oder Antigenen, verschiebt sich die Immunreaktion in Richtung einer pro-inflammatorischen, von T-Helfer-Zellen des Typ 1 (Th1) dominierten Reaktion unter der Wirkung von entzündungsfördernden Zytokinen wie IFN-γ und

TNF-α, die zu einer weiteren Schädigung der Darmschleimhaut führt und somit in einem circulus vitiosus resultiert (ALLENPACH und GASCHEN 2003).

Studien an Nagetieren zeigen, dass die Entwicklung der oralen Toleranz durch viele Faktoren, wie Alter des Tieres, genetische und diätetische Faktoren beeinflusst wird (STOKES und WALY 2006).