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FRÜHE HILFEN UND FRÜHKINDLICHE FÖR- FÖR-DERUNG – FAMILIENBEZOGEN UND

Im Dokument DOKUMENTATION GEMEINSAM. (Seite 26-30)

KOM-PENSATORISCH. AUFGABEN DER KINDER-UND JUGENDHILFE IM SPANNUNGSFELD VON PRÄVENTION UND INTERVENTION.

VORTRAG VON DR. HEIDEMARIE ROSE, LEITERIN DER OBERSTEN LAN-DESJUGENDBEHÖRDE UND DER ABTEILUNG JUNGE MENSCHEN UND FAMILIE, SENATORIN FÜR ARBEIT, FRAUEN, GESUNDHEIT, JUGEND UND SOZIALES, BREMEN

Dr. Heidemarie Rose, Leiterin der Obersten Landesjugendbehörde und der Abteilung Junge Menschen und Familie, Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Bremen.

fenen Familien oder Kinder innerhalb von 24 Stunden eine Lösung für die Schutzbedürf-tigkeit des Kindes gefunden wird. Dieser wenig nachhaltigen Herangehensweise, der über-organisierten Trennung zwischen Prävention und Intervention, sind wir in Deutschland zum Glück fern.

FAMILIEN SIND OFTMALS SCHWER ZUGÄNGLICH

Das Zusammenspiel von Intervention und Prävention funktioniert aber auch hierzulande innerhalb eines Spannungsfelds. Sprechen wir über Frühe Hilfen, Frühe Förderung und Kin-derschutz, beschreiben wir auch ein Spannungsfeld zwischen privat und öffentlich, zwischen einem Subjekt- und Objektstatus – und sprechen immer auch über eine Störung von Intimi-tät. Die Familien sind anfangs oft schwer zugänglich, da ihre Probleme nach ihrem Empfin-den niemanEmpfin-den etwas angehen. Es geht hier auch um eine Spannung zwischen Macht und Ohnmacht: Wir möchten Hilfen anbieten, können es aber nicht immer. Sei es, weil sich die Familien dagegen wehren oder weil jeder Arbeit menschliche Grenzen gesetzt sind. Die Frage ist an dieser Stelle: Wie kann diese Kraft und Energie, die durch diese Spannung erzeugt wird, produktiv und konstruktiv genutzt werden?

VERNETZUNG VON HILFEN, FÖRDERUNG UND SCHUTZ IST BESONDERS WICHTIG

Doch wo Spannungen sind, können auch Schäden und Verletzungen entstehen. Es kann gesellschaftlicher oder individueller Schaden auf Seiten der Eltern oder der Kinder entstehen.

Es kann sogar Schaden bei den Helfenden entstehen, etwa wenn der Verdacht aufkommt, dass falsch oder zu spät gehandelt wurde. Die Helfenden handeln nicht eigenmächtig, sie haben sich an Normen zu halten. Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention stellt eine solche Norm dar und die Arbeit wird durch geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungs-maßnahmen geregelt, mit dem Ziel das Kind von jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernach-lässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Miss-brauchs, zu schützen. Bei Betrachtung von einzelnen Programmen und Maßnahmen zur Vor-beugung, Aufdeckung, Meldung, Weiterverweisung, Untersuchung, Behandlung und Nachbetreuung und für das Einschreiten von Gerichten wird deutlich, wie notwendig es ist, den Zusammenhang von Hilfen, Förderung und Schutz immer wieder herzustellen und im Kompetenzrepertoire wirksam werden zu lassen.

NICHT ALLES WAS GUT GEMEINT IST, HILFT!

Politik lebt davon, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Ein Beispiel im Zusammenhang Kinder-schutz ist die Einführung der verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung. Sie erschien oberfläch-lich betrachtet zunächst sinnvoll, aber welcher Effekt ist hier längerfristig zu verzeichnen und mit welchem Aufwand? Es ist wünschenswert, dass Systeme oder Arbeitsansätze, die nachweis-lich nicht mehr effizient sein können, geändert werden, um Platz zu schaffen für andere Ansätze. Dies sollten alle Akteurinnen und Akteure der Frühen Hilfen in Zukunft stärker in die Debatte einbringen.

FRÜHE HILFEN UND FRÜHKINDLICHE FÖRDERUNG – FAMILIENBEZOGEN UND KOMPENSATORISCH.

In Bremen sind nach dem tragischen Fall Kevin die Ausgaben in den Hilfen zur Erziehung um mindestens ein Drittel, also um 30 Millionen Euro angestiegen. Damals wurde im parlamen-tarischen Untersuchungsausschuss die Anklage laut, die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter seien überlastet, hätten zu viele Fälle zu betreuen. Es wurden ab 2007 neue Sozialarbeiterin-nen und Sozialarbeiter eingestellt und mehr Gelder bereitgestellt. Zum Teil arbeiten dort jetzt sehr junge Menschen als „Case-Manager“. Doch die Fallzahlen haben sich seitdem wieder erhöht, so dass mittlerweile wieder das gleiche numerische Verhältnis herrscht wie zuvor.

Diese jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen eine hohe Verantwortung und Last.

Aber eines hat sich darüber hinaus geändert: weiterführende Qualifikation, Supervision, kol-legiale Beratungen, der eigene Ressourcencheck, die Einhaltung von positiven Routinen sind zum schützenswerten Standard geworden und müssen nicht mehr aus einer Überlastsituati-on heraus eingefordert werden.

NZFH GEWÄHRLEISTET ÜBERBLICK ÜBER FRÜHE HILFEN-PROGRAMME Institutionen wie der Kinder- und Jugendnotdienst und deren Kampagnen zeigen eine gute Entwicklung in den Hilfen an, auch wenn es durch Einrichtungen wie 24-Stunden-Notdiens-te zunächst mehr Fälle gibt. Es gibt viele neue, begrüßenswer24-Stunden-Notdiens-te Initiativen und Institutionen:

Guter Start ins Kinderleben, ProKind, Opstapje, STEEP, Wellcome, TippTapp, Tripple P, Star-ke Eltern - StarStar-ke Kinder, Kinder- und Jugendnotdienste, PEKIP, Rucksack, EKIP, Aus Fehlern lernen, Frühwarnsysteme, Förderketten, Familienhebammen, Familienbegleiterinnen, Vernet-zung etc.

Das NZFH hilft, durch Prüfung und teils Bewertung, einen Überblick über die Vielzahl der Angebote zu gewährleisten. Das ist auch eine Entwicklungsaufgabe für alle Akteurinnen und Akteure. Durch die Logik der Wissenschafts-, Forschungs- und Praxisinstitute befinden sich die „Helfer“ immer mehr in Situationen mit Marktcharakter. Auch das bedeutet Konsequen-zen für das Handeln in den Frühen Hilfen. Es gibt mehr und mehr sogenannte liKonsequen-zensierte und normierte Programme, die wissenschaftlich fundiert sind und Effekte nachweisen können.

Das ist gut, die diversen Programme und Projekte erweitern das Kompetenzrepertoire der Helfer und Förderer. Eine Gefahr liegt jedoch darin, zwar bestimmen zu können, für welche Fälle die jeweiligen Programme geeignet sind, die Arbeit der Helfenden wird damit aber einer Programmlogik unterworfen, die über dem Einzelfall steht. Wie sollen die Akteurinnen und Akteure handeln, wenn ihre Fälle aus den Mustern, für die diese Programme entworfen wur-den, herausfallen? Individualisierte, dabei nachhaltige Herangehensweisen sind für alle Pro-fessionen der Frühen Hilfen das Ziel. Was wir neben einer einzelnen Programmlogik brau-chen, ist eine professionelle Gesamtsystematik, die ausreichende Anpassungsoptionen zulässt.

Ein Programm sollte immer nur eine Möglichkeit innerhalb der Professionalität der Fachkräf-te sein.

BEISPIELE FÜR ERFOLGSGESCHICHTEN DER FRÜHEN HILFEN

Ein Beispiel für eine kleine mir bekannte Erfolgsgeschichte in diesem Zusammenhang ist

„Mo.Ki, frühes Fördern von Anfang an“ aus Monheim am Rhein. Die kleine Kommune hat in VORTRAG 3

Kooperation mit dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) eine erfolgrei-che Förderkette für Kinder von 0 bis 10 Jahren entwickelt. Alle, die sich auf den Weg maerfolgrei-chen über Förderketten nachzudenken anstatt nur über Einzelprogramme, sind, glaube ich, auf einem guten Weg.

In der letzten Legislaturperiode ist es misslungen, ein Bundeskinderschutzgesetz zu verab-schieden. Der neue Gesetzentwurf fordert „aktiven Kinderschutz“. Mir gefällt diese Formulie-rung – und die gesetzliche NormieFormulie-rung Früher Hilfen ist auch vorstellbar. NormieFormulie-rungen bringen aber auch Gefahren mit sich. So sollte weiterhin immer individuell auf die Bedürfnis-se der KindeBedürfnis-sentwicklung eingegangen werden können.

NEUE STRATEGIEN ENTWICKELN

Für viele Akteurinnen und Akteure der Frühen Hilfen sind die fiskalischen Entwicklungen von zentraler Bedeutung für ihre Arbeit. Wenn die Ausgaben immer weiter steigen, heißt es irgendwann selbst in der finanziell stärksten Kommune: Der Anstieg muss gebremst werden – Lassen Sie sich was einfallen! Wir haben uns „was einfallen lassen“. Das Team im Bremer Nachbarstadtteil Walle wird mit sechs weiteren Case-Managern verstärkt und mit anderen Angeboten im Stadtteil vernetzt. Case Management, Frühe Hilfen und Prävention werden über verschiedene Institutionen miteinander verbunden. Die Idee dahinter ist, dass das Case Management nicht länger die alleinige Krisenverantwortung tragen soll. Außerdem soll die Infrastruktur für deprivierte Familien geöffnet werden. So könnten langfristig und nachhaltig Sozialarbeiterinnen und -arbeiter entlastet werden, was zu einem Anstieg der Qualität ihrer Arbeit führen würde.

Überlegungen und neue Strategien dieser Art gibt es aktuell nicht nur bei der Jugendhilfe in Bremen – sie passieren bereits überall in Deutschland. Es gibt viel Spezielles zu tun. Es gibt aber auch viele gute Erfahrungsberichte und die Beschreibung von Qualitätsanforderungen und dafür möchte ich an dieser Stelle – persönlich und im Namen Aller – dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen danken, das einen großen Beitrag zu dieser Arbeit leistet.

Interessierte Konferenzteilnehmende

Unter der Moderation der Journalistin Sabine Brandi entwickelte sich ein spannen-des Gespräch zwischen den „Pionierinnen und Pionieren der ersten Stunde“ , die den Aufbau der Frühen Hilfen in Deutschland von Anfang an begleitet und somit auch das NZFH mit aus der Taufe gehoben haben.

Die Diskussion eröffnete Professor Dr.

Reinhard Wiesner, Ministerialrat a.D. Er betonte die Wichtigkeit der Zusammenar-beit aller Länder: „Wir müssen weiterhin verstärkt Mitwirkende und Helfende in ein Boot holen! Insbesondere die Gesundheits-berufe und die Jugendhilfe sollten stärker PODIUMSDISKUSSION „GANZ SCHÖN VIEL DAZU GELERNT … –

VIER JAHRE AKTIONSPROGRAMM FRÜHE HILFEN“

Im Dokument DOKUMENTATION GEMEINSAM. (Seite 26-30)