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VI. Empirische Untersuchung

2. Aktueller Stand der Hilfsmittelnutzung und Versorgung

2.1 Das digitale Hörgerät

2.1.2 Die Praktiken der Versorgung des Hörgeräts

2.1.2.1 Forschung und Entwicklung des DSP-Chips

11 Die Regierung limitiert den Kaufpreis für ein Hörgerät auf 190 Euro, und davon werden ca. 150 Euro, nämlich 80% von 190 Euro, von der National „Health Insurance Corporation (Abk. HIC)“ übernommen.

Auch wenn der Kaufpreis mehr als 190 Euro beträgt, überschreiten die Zuschüsse die 150 Euro nicht. Die Mindestlohn-Verdiener erhalten 100% von den Kauflimitkosten (190 Euro). Keine medizinischen Zuschüsse werden für die Untersuchungen, Tests oder Behandlungen, die für das Tragen der Hörgeräte in den Kliniken durchgeführt werden, ausgezahlt.

12 Nach Einschätzung der Hörgeräte-Unternehmen „S“

Die F&E für das digitale Hörgerät hat ihren Ursprung im Unternehmen Samsung.

Samsung hat seit Mitte der 80er Jahren mit der F&E für Halbleiter-Speicherchip Technologie angefangen. Damals war das Unternehmen auf der Suche nach neuen Marktnischen und fand sie im Bereich der akustischen Geräte. Das Hörgerät selbst war ein untergeordneter Unternehmensbereich. Mitte der 90er Jahre versuchte Samsung einen DSP-Chip eigenständig und ein Hörgerätemodell vom Box-Typ zu entwickeln.

Samsung führte aber die Industrialisierung des Hörgeräts nicht zum Ende, da es sich aus betriebsstrategischen Gründen auf den Halbleiter-Speicherchip konzentrieren wollte.

Für das Unternehmen war das Marktpotential von Halbleiter-Speicherchips selbst noch größer als das der akustischen Geräte bzw. der Hörgeräte. Ein weiterer Grund war, dass der Hörgerätverkauf eine andere Art von Verkaufsmethoden als bei sonstigen Elektroprodukte erfordert. Beim Hörgerätverkauf benötigt man einen individuellen Service für den Käufer wie die der Beratung und der Anpassung. Für Samsung, das auf der Basis von Niederlassungen für Elektroprodukte ein Verkaufsnetzwerk aufgebaut hatte, hätte es eine weitere Belastung bedeutet, für das Hörgerät eigenständiges Marketing- bzw. Dienstleistungsnetzwerk aufbauen zu müssen.

Die Tatsache, dass das größte koreanische Unternehmen sich in der Hörgeräte-Entwicklung konzentrierte, beeinflusste die nachkommenden Hörgeräte-Entwicklungen in Korea sowohl auf positive, als auch auf negative Weise.

Die damals an der F&E beteiligten Forscher waren die ersten in Korea, die Erfahrungen mit der Hörgerätentwicklung machen konnten. Diese führten ihre Forschungstätigkeiten auf der Ebene von Universitäten, Instituten oder individuell bis heute weiter. In Korea werden Studien über die Entwicklung von Algorithmen des DSP-Chips durchgeführt.

Im Mittelpunkt dieser Studien steht das „Advanced Research Center for Recovery of Human Sensibility“ der Universität K. Die Teilnehmer der Forschungsgruppe kooperieren mit dem Forschungsprojekt von Samsung direkt oder indirekt.

Der negative Einfluss zeigt sich auf der industriellen Ebene. Der Mißerfolg von Samsung wies in indirekter Weise darauf hin, dass der Hörgerätemarkt als Unternehmensbereich nicht attraktiv ist. In der Tat gibt es bis heute keine

Großunternehmen, die das Hörgerät entwickeln.

Die Erfahrung von Samsung mit dem Hörgerät hinterläßt auf der einen Seite die Folgen, der bis heute andauernden Entwicklung von Hilfsmitteltechnik für Schwerhörige, aber auf der anderen Seite zog es die negative Einstellung über die Wirtschaftlichkeit der F&E für Hörgerät nach. Diese Einstellung ist bei der heutigen F&E für Hörgeräte immer noch ausgeprägt.

Die niedrige Wirtschaftlichkeit der Hörgerätforschung bedeutet für die Forscher die geringe Chance auf die Fördermittelgewährung. Für den Forscher dieses Projekts sind die Informationen über Charakteristika der koreanischen Sprache wichtig. Desweiteren sind Informationen über die körperlichen und psychologischen Eigenschaften der Schwerhörigen und ihrer Bedürfnisse notwendig. Darum ist diese F&E fächerübergreifend zu anderen Wissenschaftsbereichen wie der Audiologie (Audiophysiologie, Audiopsychologie, etc.), Linguistik (Lautlänge, Tonhöre, etc.) und der Medizin. Um dieses Wissen mit der F&E des digitalen Hörgerät integrieren zu können, müßte die Hörgerätforschung sich als ein gesellschaftlich bedeutendes Forschungsgebiet ausweisen.

Die Bedeutung der Forschung wird bis heute von der Regierung unter dem Blickwickel der Wirtschaftlichkeit interpretiert, und die Forschungsinteressen kommen nicht unabhängig von der Rahmenbedingung der Fördermittelverteilung zustande.

Neben der geringen Anzahl von Forschungsarbeiten über das Hörgerät bzw. die Hilfsmittel für Schwerhörige in dem Bereich der Ingenieurwissenschaft, ist die wissenschaftliche Forschung über die Schwerhörigkeit selbst auch ein Schwachpunkt in der koreanischen Wissenschaftslandschaft. Beispielsweise gibt es im Bereich der Audiologie in Korea nur zwei oder drei Wissenschaftler, und selbst diese konzentrieren sich auf die Ausbildung von Hörgerät-Akustikern (Experten für das Hörgeräte-Fitting), und nicht auf die wissenschaftliche Forschung.

Im Jahr 2002 initiiert das MOCIE (Ministerium für Handel, Industrie und Energie) die Regierungspolitik nach dem Regierungskonzept der „Zusammenbringen der wirtschaftlichen Wachstum und Wohlfahrt“ die F&E - Fördermittel im Bereich der Hilfsmitteltechnik zu investieren. Es bot Motivation zur Fortführung bereits begonnener, aber nicht vortgeführter Forschungen. Um die Entwicklung des digitalen Hörgeräts bzw.

DSP-Chips fortzusetzen, stellten sich die Forscher, die an den verschiedenen Universitäten angesiedelt sind, unter die Projektführungsschaft des „Advanced Research Center for Recovery of Human Sensibility“ der Universität K., das von einer F&E-Organisation namens „KITECH (Korea Institute of Industrial Technology)“ unterstützt wird. KITECH investiert im Auftrag des MOCIE die Fördermittel für die Hörgerätforschung mit der Erwartung, industrielle Erfolge zu erzielen. Im Zuge dessen stellen die Hörgerätforscher ihre Argumente in der folgenden Art dar. Erstens, dass man durch Eigenherstellung den Preis im Vergleich zu den Importwaren senken kann.

Zweitens, dass man den Abfluss von inländischem Kapital, mit anderen Worten die Steuergelder, ins Ausland vermeiden kann. Und drittens, dass man den Schwerhörigen in Korea einen verbesserten Hörsinn und körperlich angepasste Hörgeräte anbieten kann.

Ihr Argument stützt sich auf die Zunahme der Nutzerzahl von digitalen Hörgeräten seit 2000 und den gesellschaftlichen Wandel zur „Aging Society“.

Während die Fördermittelausrichtung der Regierung nicht gerade aus der Absicht des wirtschaftlichen Wachstums in der herkömmlichen Weise veranlaßt wird, steht die Erwartung auf die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund der Förderung, und dadurch bleibt die Regeln für das Projektmanagement oder die Evaluation die üblichen, die aus der Sicht der wirtschaftlichen Effekte herausgebildet worden sind. Die Forscher stehen demzufolge Bedingungen gegenüber, welche zum einen keine wissenschaftliche Infrastruktur für die Forschung bieten und welche zum anderen keine ausreichende Zeit für den Infrastrukturaufbau ermöglichen.

Infolgedessen sehen die Forscher die Strategie für die Fortsetzung der Hörgerätforschung und DSP-Chip Entwicklung in folgender Weise.

Da keine Lerngemeinschaft vorhanden ist, befindet sich der Forscher für DSP-Chips in der Position, selbst mit Schwerhörigen oder Spezialisten Kontakt aufzunehmen und autodidaktisch vorzugehen, um die nötigen Informationen in diesem Bereich zu erwerben.

Die Forscher nutzen den Verband der Hörgerät-Akustiker, die Gesellschaft für Audiologie oder das HNO-Forschungstreffen, um Informationen über die Bedürfnisse von Nutzern zu erlangen. Das „Fitting“ (Anpassungsprozess) ist ein obligatorischer Prozess, dem man sich als Nutzer nicht entziehen kann. Dabei werden die Gefühle und Probleme bei der Nutzung angesprochen und von dem Hörgerät-Akustiker gelöst. Aus diesem Grund sind die Informationen, die die Hörgerät-Akustiker aus ihren Erfahrungen vermitteln, wichtig für den DSP-Chip Entwickler und die HNO-Ärzte. Seit über einem Jahr findet ein Seminar zum Thema von Hörgerätfitting und –training statt. Am Seminar beteiligen sich HNO-Ärzte, Hörgerät-Akustiker, Mitarbeiter von Unternehmen (in Korea vertretene internationale Firmen) und DSP-Chip Entwickler. Insofern ist das Seminar eine Art Informationskanal, wodurch Wissenschaftler Informationen über die Probleme bei der Behandlung von Schwerhörigen mit ihren Hörgeräten aus den ärztlichen Praxen erwerben können.

Die Initiative für das Seminar geht hauptsächlich von den HNO-Ärzten aus und meistens werden die Erfahrungen von den Hörgerät-Akustikern präsentiert. Das Seminar findet aber aufgrund der Interessen ausländischer Hörgeräte-Firmen und HNO-Ärzten statt, und deren Interessen decken sich mit denen der Nutzer nur im Bereich der Anwendungsprobleme beim Hörgeräte-Fitting. Die verschiedene Interessen an dem Wissensaustausch beim Seminar werden zum großen Teil durch die Marketingstrategien der Kliniken und Unternehmen reguliert. Dabei ist nicht zu erwarten, daß eine wissenschaftliche Auseinandersetzung unter den verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten wie Linguistik oder Behindertenpsychologie tatsächlich statt findet.

Die fehlende wissenschaftliche Infrastruktur bedeutet für die Forschungskultur einer Art isolierte Forschung. Sie führt schließlich zu einem Mangel an Basisdaten über die

Charakteristika der koreanischen Schwerhörigen.