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2   STAND DER FORSCHUNG IM STRATEGIC HUMAN RESOURCE MANAGEMENT

2.2   I NHALTLICHE E RGEBNISSE DER L ITERATURANALYSE

2.2.3   Fazit und Forschungslücken

Der vorangegangen dargestellte Stand der Forschung führt zu folgendem Fazit, das nachfol-gend zunächst im Überblick dargestellt wird und dann hinsichtlich weiteren Forschungsbe-darfs im Detail diskutiert wird.

Im zuvor dargestellten Stand der empirischen SHRM-Forschung wurde das HPWS als ein Werkzeug im Unternehmen diskutiert, das den Unternehmenserfolg indirekt über das Wissen, die Fähigkeiten, die Motivation, die Einstellungen, das Verhalten und die Leistung der Mitar-beiter positiv beeinflusst. In der neueren empirischen Forschung wurde das Unternehmens-klima als relevanter Mediator zur Steuerung kollektiven Mitarbeiterverhaltens stärker in den Fokus des Forschungsinteresses gerückt. Wie gezeigt wurde, wurden zum Test dieser An-nahme bereits verschiedene Operationalisierungen eines Unternehmensklimas verwendet.

Betrachtet man die Vielfalt an theoretisch diskutierbaren Effekten eines HPWS auf ein Unter-nehmensklima, so wird deutlich, dass bislang lediglich ein kleiner Teil der durch ein HPWS vermeintlich induzierbaren Unternehmensklimata in der empirischen Forschung getestet wur-de und die SHRM-Forschung in dieser Beziehung noch Raum für weitere Fragestellungen bietet. In der Literaturanalyse wurde ferner deutlich, dass auch moderierende Variablen in der Wirkungskette zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg einbezogen wurden.

Hier fiel jedoch auf, dass bislang nur ausgesprochen wenige Studien moderierende Variablen in ihre Modelle integriert haben. Darüber hinaus führten Forschungen zu spezifischen Mode-ratoren, wie z.B. der Umweltdynamik, zu ambivalenten empirischen Ergebnissen, so dass auch hierzu nach wie vor Raum für weitere Forschung besteht. Es fiel ebenso auf, dass sich die betrachteten Studien vornehmlich auf Forschungsfelder außerhalb Europas bzw. Deutsch-lands konzentriert haben und daher weitere Studien im europäischen und deutschen Kontext sinnvoll erscheinen.

Relevanz organisationaler Klimata und kollektiver Verhaltensweisen. In der neueren SHRM-Forschung wird darauf hingewiesen, dass das Unternehmensklima als unmittelbar nach einem HPWS folgender Mediator diskutiert werden sollte und das Unternehmensklima damit in der Reihenfolge vor allen weiteren Mediatoren steht (vgl. Abbildung 1). Dieser Lo-gik folgend, wird das organisationale Klima für die Mitarbeiter als eine Art kollektiver Dol-metscher für die durch die Anwendung von Personalpraktiken ausgesendeten Signale eines

Unternehmens verstanden, aus denen die Mitarbeiter die von Seiten des Unternehmens erwar-teten Einstellungen und Verhaltensweisen ableiten. Mit dieser Annahme wird die Erklärungs-kraft des klassischen AMO Frameworks erhöht, da deutlich wird, auf welche Weise ein HPWS die Fähigkeiten, Motivation und Partizipationsmöglichkeiten (AMO) der Mitarbeiter beeinflussen kann (vgl. Bowen et al., 2004). Erste Schritte zum Test der Rolle eines organisa-tionalen Klimas in der Wirkungskette zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg wurden durch Rogg et al. (2001) unternommen. Jedoch wurde in dieser Studie ein sehr abs-trakter bzw. multidimensionaler Begriff für das Unternehmensklima verwendet, so dass es den Forschungsergebnissen aufgrund der abstrakten Operationalisierung des Klimas an Präg-nanz fehlt. Die Konzentration auf abstrakte Klimabegriffe wurde in der Forschung bereits kritisiert (vgl. Ostroff et al., 2003). Mittlerweile wurden Studien durchgeführt, die spezifi-schere Operationalisierungen für die Klimavariable verwendet haben. Dabei handelt es sich um „work climate“ (Guerrero et al., 2004), „perceived safety climate“ (Zacharatos et al., 2005) und „social climate“ (Collins et al., 2006). Vor dem Hintergrund des Facettenreichtums eines organisationalen Klimas, das durch Personalpraktiken induziert werden kann, ist mit den bislang noch vereinzelten Studien ein noch recht junges Forschungsfeld entstanden, das durch einen dementsprechend großen Bedarf an weiterer Bearbeitung gekennzeichnet ist (vgl.

Chuang et al., 2010). Betrachtet man die mögliche inhaltliche Spezifikation der Klimavariab-len, die durch ein HPWS induziert werden könnte, so fällt auf, dass ein inhaltlich spezifisches Klima, das den Mitarbeitern die Notwendigkeit zur Flexibilisierung, zur Innovation, zum Wandel oder zur Ausprägung von Initiativverhalten suggeriert, bislang nicht in der empiri-schen Forschung berücksichtigt wurde. Jedoch lässt sich die Notwendigkeit für den Test eines derartig inhaltlich spezifizierten Klimas aus der vorangegangenen Analyse der Mediatoren ableiten. In der Kategorie der wissens- und fähigkeitsbezogenen Mediatoren konnten Studien identifiziert werden, die den positiven Einfluss eines HPWS auf die Problemlösungsfähigkeit und Responsivität des Unternehmens gegenüber Kundenbedürfnissen oder den positiven Ein-fluss auf die fähigkeits- und verhaltensbezogene Flexibilität der Mitarbeiter beschrieben ha-ben (vgl. Ketkar et al., 2009; Wei et al., 2010a). Ferner kann aus den Studien zu den motivati-ons- und einstellungsbezogenen Mediatoren abgeleitet werden, dass es einen positiven Ein-fluss eines HPWS auf die Haltung der Mitarbeiter gegenüber der Eigeninitiative gibt, wie in der Studie von Liao et al. (2009) postuliert wird. Liao et al. (2009) argumentieren, dass inter-ne Karrierechancen, Entscheidungsfreiheiten und selbstbestimmte Teams die Wertschätzung

der Führungskräfte für Initiativen und Meinungen der Mitarbeiter zeigen. Diese Vermutung wird in der Studie von Liao et al. (2009) allerdings nicht durch einen empirischen Test, etwa mit Hilfe einer entsprechenden Klimavariablen, überprüft. Auch Datta et al. (2005) postulie-ren, dass ein HPWS die Eigeninitiative der Mitarbeiter in einem Unternehmen fördern kann, testen diese Annahme jedoch weder durch die Integration der Variable „Eigeninitiative“ oder einer entsprechenden Klimavariable. Trotz der oben beschriebenen Hinweise auf die positive Wirkung eines HPWS auf Aspekte in einem Unternehmen, die durch ein Klima für Eigenini-tiative gefördert werden können, wie z.B. Flexibilität, Wandel, Innovation oder individuelle Eigeninitiative, konnte keine Studie identifiziert werden, in der die Rolle des Klimas für Ei-geninitiative überprüft worden wäre, so dass die Rolle dieses spezifischen Klimas im Wir-kungszusammenhang zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg offen bleibt.

Das Fehlen von Studien, die das Klima für Eigeninitiative als Mediator in einer Wirkungsket-te zwischen einem HPWS und dem UnWirkungsket-ternehmenserfolg inWirkungsket-tegrieren und Wirkungsket-tesWirkungsket-ten, hat auch zur Folge, dass das Klima für Eigeninitiative im Sinne der kognitiven Perspektive in der SHRM-Forschung bislang nicht als Antezedenz zu kollektiven Verhaltensweisen in dieser Wirkungs-kette getestet wurde (vgl. Abbildung 1). Jedoch gibt es in der aktuellen SHRM-Forschung und in der Forschung um die „Ambidextrous Organization“ bereits konkrete Hinweise zu mögli-chen, aus dem Klima für Eigeninitiative resultierenden kollektiven Verhaltensweisen. So wird in der Forschung um die „Ambidextrous Organization“ kollektives exploratives und exploita-tives Verhalten als mögliche resultierende Verhaltensweisen eines Klimas für Eigeninitiative diskutiert (vgl. Bledow et al. 2009; Rosing et al., 2010). Schließlich konnte in den analysier-ten Studien der Literaturanalyse erste Anhaltspunkte für die Wirkung eines Klimas für Eigen-initiative mittels inhaltlich ähnlicher Klimakonstrukte auf kollektives exploratives und exploi-tatives Verhalten gefunden werden. In der Studie von Collins et al. (2006) wurde in einer Wirkungskette zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg eine Klimavariable in-tegriert, hier das „soziale Klima“, das auf die Fähigkeit der Mitarbeiter wirkt, ihr Wissen zum Zweck der Generierung von Innovationen im Sinne explorativen Verhaltens zu kombinieren und auszutauschen. Die Studie von Harris und Ogbonna (2001) lieferte unter anderem Hin-weise auf den positiven Zusammenhang eines HPWS mit der Responsivität der Mitarbeiter auf Markt-Informationen, die als Merkmal kollektiven exploitativen Verhaltens verstanden werden kann. Mit diesen exemplarischen Befunden erscheint es durchaus relevant und kann

als Schließung von Forschungslücken verstanden werden, wenn kollektives exploratives und exploitatives Verhalten in einer komplexeren Wirkungskette zwischen einem HPWS, einem Klima für Eigeninitiative und dem Unternehmenserfolg getestet wird.

Moderator Umweltdynamik. Neben dem Forschungsbedarf zu Mediatoren gibt es auch in Bezug auf Moderatoren Raum für weitere Forschung. In der Literaturanalyse konnten im Vergleich zur Anzahl der identifizierten Mediatoren nur verhältnismäßig wenige in den For-schungsmodellen berücksichtigte Moderatoren recherchiert werden. Auch in anderen Litera-turanalysen zum Entwicklungsstand der SHRM-Forschung, wie in der Arbeit von Boselie et al. (2005), konnte nur ein geringer Verwendungsgrad von Moderatoren in den Modellen der untersuchten Studien festgestellt werden. Die Autoren kritisieren diesen Umstand in Hinblick auf die tatsächlich bestehende Relevanz von Moderatoren für die SHRM-Forschung (vgl.

Boselie et al., 2005). Als mögliche Erklärung für die Vernachlässigung von Moderatoren in der aktuellen SHRM-Forschung führen Boselie et al. (2005) methodische Herausforderungen bei der Berücksichtigung von Moderatoren an. Auch kann festgehalten werden, dass der in den empirischen Studien der vorliegenden Literaturanalyse theoretisch plausibel hergeleitete Einfluss von Moderatoren auf Wirkungszusammenhänge relativ häufig nicht durch empiri-sche Ergebnisse bestätigt werden konnte (vgl. Huselid, 1995; Lau et al., 2004; Wu et al., 2009). Hier stellt sich die Frage, ob der postulierte Effekt tatsächlich nicht empirisch nach-weisbar ist oder ob andere Aspekte der empirischen Studien, wie z.B. die Größe der Stichpro-be, einen Einfluss ausgeübt haben.

Schließlich fiel auf, dass insbesondere branchen- und umweltbezogene Moderatoren, wie z.B.

die Umweltdynamik, in den untersuchten Studien nicht betrachtet wurden, obwohl die Rele-vanz derartiger Moderatoren für die SHRM-Forschung bereits seit Längerem postuliert wird.

Dies wird durch das nachfolgende Zitat von Jackson und Schuler aus dem Jahr 1995 verdeut-licht: „Although not yet widely incorporated into research paradigms, industry characteristics may have far-reaching implications for HRM“ (Jackson et al., 1995: 252). Datta et al. (2005) griffen diesen Hinweis als eine der wenigen Autoren in ihrer Studie auf, in der sie jedoch kei-ne Mediation berücksichtigten. Die Autoren konnten in ihrer Studie den Einfluss des Modera-tors „Umweltdynamik“ auf den direkten Zusammenhang zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg nicht bestätigen, forderten jedoch zur weiteren Forschung zu diesem

Moderator auf. Bislang wurde jedoch lediglich auf Basis von Abschlussarbeiten an Universi-täten an der Hypothese zur Vermutung der Moderation der Umweltdynamik im Zusammen-hang zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg weitergearbeitet (vgl. Liu, 2011;

O'Regan, 2011). In den angeführten Abschlussarbeiten konnte zum einen in branchenüber-greifenden Stichproben in Irland die Hypothese bestätigt werden, dass die Umweltdynamik den Zusammenhang zwischen einem HPWS und der Arbeitsproduktivität moderiert (vgl. Liu, 2011). Zum anderen konnte eine Moderation der Umweltdynamik für den Zusammenhang zwischen einem HPWS und der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens nachgewiesen wer-den (vgl. O'Regan, 2011). Trotz der theoretischen Plausibilität der Vermutung zum Einfluss des Moderators „Umweltdynamik“ auf den Zusammenhang zwischen einem HPWS und dem Unternehmenserfolg sowie den bestätigenden empirischen Ergebnissen aus den angeführten Abschlussarbeiten, ist die SHRM-Forschung hierzu insgesamt noch lückenhaft. Daher soll der Einfluss der Umweltdynamik auf den Zusammenhang zwischen dem HPWS und dem Unter-nehmenserfolg im Modell der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden, um diese For-schungslücke zu schließen.

Verteilung der Studien auf Länder und Kontinente. Ausgehend von den ersten For-schungsbemühungen im Feld des SHRM in den USA wurden die Studien der vorliegenden Literaturanalyse auch auf anderen Kontinenten und in weiteren Ländern durchgeführt. Zum Teil wurden die Samples der Studien auch in mehreren Ländern erhoben (z.B. Park et al., 2003). Betrachtet man die Verteilung der im Zeitraum von 1990-2011 identifizierten Studien auf Kontinente, so lässt sich feststellen, dass 19 Mal Länder in Asien untersucht wurden. 14 Mal wurden die Untersuchungen in Europa und 11 Mal Studien auf dem amerikanischen Kontinent durchgeführt. Fokussiert man auf die Verteilung der identifizierten Studien auf dem europäischen Kontinent, so fällt auf, dass die meisten Samples in Spanien gesammelt wurden. Auf die übrigen Länder (Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Russland, UK) verteilen sich die Studien gleichmäßig mit einer Anzahl von ein bis zwei Stu-dien. In Deutschland wurden lediglich für eine Studie Daten erhoben (vgl. Ahmad et al., 2003).

Als Fazit lässt sich feststellen, dass es bei deutschen Unternehmen nur eine sehr geringe In-formationsbasis in Bezug auf den Zusammenhang zwischen einem HPWS und dem

Unter-nehmenserfolg gibt. Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Ergebnisse aus anderen Ländern ohne weiteres auf Europa bzw. Deutschland übertragen lassen. So ist es beispielsweise denkbar, dass die Personalpraktiken eines HPWS bei deutschen Mitarbeitern anders interpretiert werden, als in Ländern mit anderen kulturellen Hintergründen, in denen es beispielsweise ein anderes Verständnis von Eigenverantwortung oder einen anderen Umgang mit Unsicherheit gibt (vgl. Hofstede, 2001). Es kann deshalb an dieser Stelle weiterer For-schungsbedarf für Studien in einem deutschen Kontext identifiziert werden, dem durch die vorliegende Arbeit Rechnung getragen werden kann.