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Die vorliegende Fallstudie beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Journalismus und Public Relations. Die aufgezeigte Problemlage sowie der kurz angerissene Forschungsstand führen vor Augen, dass trotz des Wissens über die mögliche Beeinflussung der Berichterstattung durch das Ressort und den Status der Informationsquelle die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft es bislang versäumt hat, sich mit dieser Problematik zu beschäftigen. Hier setzt die Fallstudie an. Sie stellt sich die forschungsleitenden Fragen:

Sind die Leistungen des Journalismus von Public Relations abhängig und wenn ja, welche Rolle spielen das Ressort und der Status der Informationsquelle im Prozess der Informationsentstehung, -verarbeitung und -vermittlung innerhalb eines Massenmediums?

Die Dissertation verfolgt zweierlei Aufgaben: Erstens soll das Verhältnis von Journalismus und Public Relations durch eine Untersuchung der journalistischen Produktionsroutinen näher charakterisiert werden. Wenn Journalismus von PR-Leistungen abhängig ist, stellt sich die Frage nach der journalistischen Funktionserfüllung und der Qualität im Journalismus. Damit verbunden ist das zweite Ziel der Arbeit. Die Determinationsthese soll konkretisiert und zugespitzt werden. Dies geschieht durch die Berücksichtigung der möglichen Einflussfaktoren Ressort und Status der Informationsquelle. Damit weicht die Fallstudie von der ceteris-paribus-Annahme, wie sie sich bei Baerns findet, ab (vgl. 1991: 17). Diese blendete für ihre Erhebung alle Einflussfaktoren auf das PR-Journalismus-Verhältnis aus. Zwar fanden mehrere Studien Belege für die Beeinflussung des Journalismus durch Public Relations. Von einer absoluten Determination des Journalismus ist indes nicht auszugehen. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen der

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journalistischen Aussagenentstehung berücksichtigt werden, beispielsweise die gesetzlichen Grundlagen oder ökonomische Faktoren, wie die Pressekonzentration.

Zwei Ansätze liegen der Untersuchung zu Grunde. Zum einen werden die Ergebnisse der Studie JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND I aufgegriffen und weiter ausgeführt. Im Mittelpunkt stehen jedoch nicht alle Ressorts einer Tageszeitung, sondern lediglich eine Lokal- und die Landesredaktion des Fallbeispiels THÜRINGER

ALLGEMEINE (TA). Diese Beschränkung erscheint sinnvoll, da einerseits in beiden Fachgebieten Nachrichten im Mittelpunkt stehen und beide ihre Informationen aufgrund der räumlichen Nähe (beide Redaktionen befinden sich in derselben Stadt) häufig aus übereinstimmenden Quellen beziehen. So können Aushandlungsprozesse und eventuelle Unterschiede in der Selektion, Verarbeitung und Veröffentlichung untersucht werden. Andererseits bewerten die JournalistInnen beider Ressorts den Einfluss auf ihre Arbeit unterschiedlich: LokaljournalistInnen schätzen PR-Quellen laut JouriD-Studie positiver ein als die JournalistInnen des Politikressorts.

Schließlich hat die Kommunikationswissenschaft bislang keinerlei Erkenntnisse zu diesem Vergleich unter Berücksichtigung der möglichen Beeinflussung durch Public Relations vorgelegt. Es stellt sich daher die Frage nach dem Umgang mit PR-Materialien und den dabei eventuell auftretenden ressortspezifischen Unterschieden.

Zum anderen wird der Grundgedanke aufgegriffen, auf den die Studie von Saffarnia baute. Im Vordergrund steht erstmals nicht der Vergleich einer Informationsquelle mit deren Veröffentlichung in verschiedenen Massenmedien, sondern alle schriftlichen Informationen, die die Lokal- und Landesredaktion erreichen, werden berücksichtigt. Prinzipiell haben diese Informationsquellen dieselbe Chance auf Publikation. Damit wird der Ansatz Saffarnias noch erweitert, der lediglich das innenpolitische Ressort betrachtete. Durch die Erhebung der Publikationswahrscheinlichkeit (PuW) lassen sich Rückschlüsse auf eine eventuelle Eliteorientierung des ostdeutschen Journalismus und Vergleiche zwischen verschiedenen Ressorts und ihrer Verwendung von PR-Materialien ziehen.

Vor der empirischen Überprüfung der Fragestellung steht die theoretische Fundierung. Dabei wird das Verhältnis zwischen Journalismus und Public Relations in die Kommunikationswissenschaft eingeordnet. Zunächst wird nach den gesetzlichen und rechtlichen Grundlagen des Journalismus gefragt (Kapitel 2 Blicke auf Journalismus und Public Relations). Ausgangspunkte sind der Artikel fünf des Grundgesetzes (GG), die öffentliche Aufgabe der Presse nach Paragraf drei des

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Thüringer Pressegesetzes (TPG) sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Es werden die Funktionen des Journalismus beschrieben. Auch Public Relations haben für die Demokratie eine wichtige Funktion in Form der behördlichen Informationspflicht der Massenmedien.

Das dritte Kapitel bildet die Diskussion von ausgewählten Einflussfaktoren auf die Nachrichtenentstehung. Dazu zählt die Betrachtung des vor allem Mitte der siebziger, Anfang der achtziger Jahre konstatierten Zusammenhangs zwischen der Pressekonzentration auf der einen und dem Grad der Informiertheit der BürgerInnen und ihrer Fähigkeit zur Meinungsbildung auf der anderen Seite (Kapitel 3.1 Lokale Konzentration – Gefährdung der publizistischen Vielfalt?). Kapitel 3.2 Vom Ereignis zur Nachricht arbeitet Faktoren heraus, die den täglichen Selektionsprozess in den Redaktionen bestimmen. Vorgestellt werden die JournalistInnen in ihrer Funktion als Gatekeeper, die Nachrichtenwertforschung, der Determinationsansatz sowie der Einfluss des Ressorts auf die Berichterstattung. Ein Zwischenfazit (Kapitel 3.3) fasst die Ergebnisse des theoretischen Teils zusammen, auf deren Grundlage die Hypothesen der Fallstudie formuliert werden (Kapitel 3.4).

Daran anschließend beginnt der empirische Teil der Arbeit (Kapitel 4).

Zunächst wird die Redaktion als Untersuchungsfeld vorgestellt. Hier steht die Fallstudie am Beispiel der THÜRINGER ALLGEMEINE im Mittelpunkt. Die TA ist in Thüringen Marktführerin im Segment der regionalen Tageszeitungen. Das Kapitel beinhaltet neben ihrer Charakterisierung und Ausführungen zum Freistaat Thüringen einen Exkurs zu den Besonderheiten des ostdeutschen Journalismus und seiner Rezeption. Diese Ausführungen sind aus zweierlei Gründen erforderlich: Erstens wird so die Entscheidung für das Fallbeispiel erklärt. Zweitens werden dem Journalismus in den neuen Bundesländern Defizite in der Recherche und Nachrichtenbearbeitung unterstellt (vgl. Mast et al. 1994: 434). Seine Funktionen übe er nur unvollständig aus, Kritik und Kontrolle vernachlässige er und setze vielmehr auf Orientierung und Service (vgl. Möhring 2001: 164-165). Diesem Verdacht geht die Fallstudie nach, da sie den Blick auf die Gesamtberichterstattung richtet und dabei sowohl die möglichen PR-determinierten als auch eigen recherchierten Beiträge untersucht. In diesem Teil der Arbeit finden sich zudem Ausführungen zu den eingesetzten Methoden und dem Feldzugang (Kapitel 4.2). Im Sinne einer qualitativen Sozialforschung und um deren Gütekriterien gerecht zu werden, sollen alle Forschungsschritte in der Arbeit dokumentiert und erläutert werden (vgl. Steinke

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2004: 324). Diese Offenlegung betrifft die „Explikation des Vorverständnisses, Zusammenstellung des Analyseinstrumentes, Durchführung und Auswertung der Datenerhebung“ (Mayring2002: 145).

Nach einer ersten teilnehmenden Redaktionsbeobachtung mit wechselnden Hospitationen in den ausgewählten Ressorts und einer schriftlichen Umfrage zu den Informationsquellen einiger regionaler Tageszeitungen in der Bundesrepublik wurde im September 2004 jeweils eine Woche teilnehmend der Redaktionsalltag in der Lokalredaktion Erfurt und in der Landesredaktion Thüringen beobachtet. Alle eingehenden schriftlichen Quellen wurden mit der Gesamtberichterstattung verglichen. Um die Daten zu ergänzen und zu vervollständigen fanden ExpertInneninterviews mittels Gesprächsleitfaden mit den Redaktionsleitern und ihren Stellvertreterinnen statt.

Die Vorteile der Kombination aus einem quantitativen und zwei qualitativen Analyseverfahren zeigt sich deutlich an den beiden möglichen Einflussgrößen Ressort und Status der Informationsquelle. Mit Hilfe der Inhaltsanalyse wird verglichen, wie viele Informationen die Tageszeitung erreichen und welcher Anteil davon in welcher Art und Weise veröffentlicht wird. Leitfadeninterviews ermöglichen darüber hinaus Einblicke in die Entscheidungsfindung innerhalb eines Ressorts. Da die Antworten der Befragten subjektiv geprägt sind, bieten sich teilnehmende Beobachtungen an, die Einblicke bieten, die die Ergebnisse der Interviews fundieren, bestätigen oder aber widerlegen können.

Die Lokal- und Landesberichterstattung der THÜRINGER ALLGEMEINE und damit die Ergebnisse der Fallstudie stellt das Kapitel 5 vor. Es enthält Ausführungen zu den eingesetzten Methoden sowie einen zusammenfassenden Blick auf die Resultate. Diese werden auf die formulierten Hypothesen bezogen. Bevor ein Fazit die Befunde der Untersuchung zusammenfasst (Kapitel 6), wird nach Erklärungen für die Ergebnisse gesucht. Ein Ausblick (Kapitel 7) trägt Vorschläge zur Zukunftssicherung der Regionalzeitungen in Deutschland zusammen. Im Kapitel 9 Anhang finden sich Tabellen und Abbildungen, die weiterführende Daten zu den drei eingesetzten Methoden liefern.

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