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2.2 Demokratietheoretische Grundlagen des Journalismus

2.2.1 Artikel fünf Grundgesetz

Das Prinzip der Kommunikationsfreiheit bestimmt in der Bundesrepublik Deutschland die rechtlichen Grundlagen des Journalismus. Als Grundrecht ist es in Artikel fünf Grundgesetz festgelegt:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.21

Aus dem Artikel fünf des Grundgesetzes leiten sich fünf verschiedene Freiheiten ab:

- das Recht auf freie Meinungsäußerung und -verbreitung (Meinungsfreiheit), - das Recht auf freie und ungehinderte Information aus allgemein zugänglichen

Quellen (Informationsfreiheit),

21 Artikel fünf: Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft laut dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, verkündet am 23. Mai 1949.

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- das Recht auf Pressefreiheit sowie einer freien Berichterstattung durch Rundfunk und Film (Rundfunk- und Filmfreiheit),22

- ergänzt und abgesichert werden die Freiheiten durch das Zensurverbot.

Meinungsfreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und -verbreitung ist ein „individuelles Freiheitsrecht, das der Mensch zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit benötigt“

(Branahl 2002: 17). Zentral sind sowohl die Verbreitung und Äußerung der eigenen Meinung als auch die Weitergabe von Meinungen und Informationen, beispielsweise mittels eines Mediums. Geschützt sind durch das Grundgesetz Meinungsäußerungen in drei Kommunikationsformen: Wort (mündlich), Schrift (schriftlich) oder Bild (visuell), Äußerungen durch Gestik und Mimik fallen ebenfalls darunter (vgl. Münch 1981: 247).

Dass der Einzelne ein Recht auf Meinungsfreiheit hat, unterstreicht seine Rolle, die er als mündiger Staatsbürger in einer freiheitlichen Demokratie einnimmt.

Indem er seine Meinung frei äußern und verbreiten darf, können bestehende Meinungsunterschiede und Interessenkonflikte öffentlich ausgetragen werden, so dass sich der Einzelne seine Meinung frei bilden kann (vgl. Branahl 1995: 12). Der Staat hat laut Herzog keine Möglichkeit, innerhalb dieses Prozesses dem Bürger „den Mund zu verbieten“ (1992: 18a). Meinungsfreiheit ist nach Artikel fünf, Absatz eins, Satz eins GG als Rede- und Mitteilungsfreiheit (vgl. Branahl 2002: 18) zu verstehen, wobei kein Unterschied darin besteht, ob die Meinung als „wertvoll“ oder „wertlos“

anzusehen ist (Münch 1981: 244). Das Grundrecht schützt neben dem Recht, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten auch das Recht, dies nicht zu tun und seine eigene Meinung zu verschweigen.

Informationsfreiheit

Das Grundgesetz versteht unter Informationsfreiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten zu können. Branahl sieht sie als ein

„individuelles Abwehrrecht, das dem einzelnen ermöglicht, seinen Wissensdurst – auch seine Neugier – zu befriedigen, ohne vom Staat daran gehindert zu werden“

22 Das Grundgesetz nennt in Artikel fünf, Absatz drei noch die Kunst-, Wissenschafts-, Forschungs-, und Lehrfreiheit. Diese spielen für die Untersuchung ebenso wenig eine Rolle wie die Rundfunk- und Filmfreiheit und werden daher nicht diskutiert.

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(2002: 19). Wie die Meinungsfreiheit, mit der sie die Grundlage für eine freiheitliche Meinungsbildung innerhalb einer Demokratie bildet, ist sie nicht an eine Bevölkerungsgruppe gebunden, sondern steht jedem Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu. Das Grundgesetz kennt zwei Formen der Informationsfreiheit: „Einerseits als Recht darauf, andere zu informieren und Informationen anderer entgegenzunehmen; andererseits als das Recht, sich durch das Aufsuchen von Informationsquellen (aktiv) zu informieren“ (Gädeke 1994a: 178).

Entscheidend sind bei der Informationsbeschaffung die Quellen, wobei das Grundgesetz nicht zwischen in- und ausländischen Quellen trennt. Auch sie stehen jedem offen und sind nicht an einen Personenkreis gebunden. Quellen können neben Massenmedien (diese meinen auch Plakate, Flugblätter oder Leuchtschriften) auch öffentliche Veranstaltungen bzw. öffentlich zugängliche Veranstaltungen (Ausstellungen, Versammlungen etc.) sein. Herzog schlussfolgert daraus, dass Informationsfreiheit nicht nur die Information aus Quellen umfasse, sondern auch die Information an der Quelle (vgl. 1992: 29).

Pressefreiheit

Grundlegend für die Pressefreiheit sind die Meinungs- und Informationsfreiheit.23 Laut Grundgesetz sind diese individualrechtlichen Abwehrrechte vor Angriffen von außen geschützt. Die Presse als Massenmedium ist ein freies Instrument zum Verbreiten und Äußern der eigenen und zugleich fremder Meinungen sowie der Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen. Die Pressefreiheit ermöglicht somit die Bildung der öffentlichen Meinung und „schafft die Voraussetzung für die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte“ (Gädeke1994b: 317).

Die Pressefreiheit schützt alle Druckerzeugnisse, wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Broschüren, Flugblätter und Plakate und den gesamten Herstellungsprozess „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen“ (Branahl 2002: 20). Diese Charakterisierung umfasst alle Berufsgruppen, die in irgendeiner Weise mit der Herstellung, der Selektion, dem

23 Branahl trennt die Pressefreiheit auf vier Ebenen: als individuelles staatsgerichtetes Abwehrrecht (liberale Doktrin), als Garantie der privatwirtschaftlichen Struktur des Pressewesens (konservative Deutung), als Teilhaberecht der Medienschaffenden (sozialstaatliche Deutung) und als Mittel zur Verwirklichung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates (funktionalistische Interpretation) (vgl. Branahl 1979: 20-64).

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Vertrieb oder dem Verkauf von Presseerzeugnissen zu tun haben, RedakteurInnen, ebenso wie DruckerInnen oder GrossistInnen. Auch die Tätigkeit als freie/r MitarbeiterIn ist durch die Pressefreiheit geschützt.

Neben den Abwehrrechten von Eingriffen von außen meint die Pressefreiheit die ungehinderte Zulassung von Massenmedien auf zwei Ebenen. Zum einen existiert, bedingt durch die historischen Erfahrungen des Nationalsozialismus, keine Reglementierung des journalistischen Berufes: Eine feste Berufsbezeichnung fehlt ebenso wie ein vorgeschriebener Ausbildungsweg. JournalistInnen sind nicht zur Mitgliedschaft in einer Standesorganisation verpflichtet. Andererseits ist auch die Gründung von Presseunternehmen völlig frei. Auf diese Art und Weise soll eine unabhängige Bildung von Verlagen erreicht werden, die untereinander um die Leserschaft konkurrieren, was wiederum das Erreichen einer marktbeherrschenden Meinungsmacht verhindern soll.24

Zusammenfassend kann die Pressefreiheit als eine prinzipielle Abwehr von staatlichen Eingriffen und wirtschaftlicher Macht gekennzeichnet werden. Das Grundrecht der Pressefreiheit umfasst darüber hinaus die Freiheit, „die Tendenz eines Presseorgans festzulegen, zu verwirklichen, beizubehalten und zu ändern“

(Forsthoff 1994: 413). Der so genannte Tendenzschutz ergibt sich aus § 118 Betriebsverfassungsgesetz. Er soll einerseits die Pressefreiheit vor einer Beeinträchtigung durch die betriebliche Mitbestimmung schützen, legt aber anderseits eine Einflussnahme des Verlages auf die journalistische Berichterstattung nahe. Forsthoff definiert Tendenzschutz als „die Einschränkung der Mitspracherechte der Arbeitsnehmer im Unternehmen, die eine geistig-ideelle Zielsetzung verfolgen“

(ebd.). Dazu zählen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Der Verlag hat damit das Recht, die Tendenz des Presseunternehmens festzulegen. Laut Branahl ist es sehr umstritten, „ob und in welchem Umfang die Pressefreiheit – als ‚innere’

Pressefreiheit – den redaktionellen Mitarbeitern eines Presseunternehmens Freiräume bzw. Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung des Blattes gegenüber Weisungen des Verlages gewährt“ (2006: 223).25 Der Betriebsrat eines Verlages hat in

24 Dennoch ist eine gänzliche Pressefreiheit eine Illusion, da die Presse durch ihre privatwirtschaftliche Struktur gewinnorientiert arbeitet. Eine Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Interessen des Verlages darf daher nicht ausgeblendet werden (vgl.Löffler 1959: 520).

25 Mit der äußeren Pressefreiheit ist die durch das Grundgesetz garantierte Kommunikationsfreiheit gemeint.

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wirtschaftlichen und personellen Angelegenheiten nur eingeschränkte Mitbestimmungsrechte. Um die Rechte und Pflichten der Verleger26 und RedakteurInnen festzulegen und um die Einschränkungen des Tendenzschutzes im publizistisch-inhaltlichen Bereich teilweise aufzuheben, gaben sich vor allem bis Ende der 70er Jahre einige Verlage und ihre Redaktionen Redaktionsstatute, die inzwischen in der Regel ausgelaufen oder von Verlagsseite gekündigt worden (vgl.

Blöbaum 2006: 242).

Fünf Aspekte fallen zusammenfassend bei der Bestimmung von Pressefreiheit laut Pürer und Raabe besonders auf (vgl. 1996: 268): An erster Stelle steht der Grundrechtsschutz der gesamten Pressetätigkeit, worunter der Empfang, die Beschaffung, Veröffentlichung und Verbreitung von Informationen und darüber hinaus die Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung fallen. Außerdem wird die freie Tätigkeit der Presse durch die Zulassungsfreiheit und das Verbot von Sondergesetzen bestimmt. Den zweiten Schritt bildet der Schutz des Presseerzeugnisses selbst. Den technischen und wirtschaftlichen Apparat, der zur Herstellung des Presseerzeugnisses notwendig ist, umfasst die dritte Stufe. Die Träger der Pressefreiheit, beispielsweise die JournalistInnen, bilden das vorletzte Element. „Der Grundrechtsschutz der >Institutionen freie Presse< gegenüber staatlichen Eingriffen, Eingriffen nichtstaatlicher Machtgruppen und Interessenverbänden“ (Ricker2000: 60) [H.i.O.] sind der letzte Interpretationsaspekt der Pressefreiheit.27

Grundrechtsschranken der Kommunikationsfreiheiten

Das Grundgesetz hebt deutlich hervor, dass die Ausübung der Kommunikationsfreiheiten, wie der Pressefreiheit, eingeschränkt werden kann. Die Bestimmungen der allgemeinen Gesetze, des Jugendschutzes und der Persönlichkeitsrechte müssen immer Berücksichtigung finden. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze bestehen, um ein der Pressefreiheit gleichwertiges Recht zu

26 Der Verleger verfügt über die publizistische Grundsatz- (Verantwortung für die Blattlinie) und die Richtlinienkompetenz (vgl. Raabe 2006: 298). Die JournalistInnen sollen die Details ihrer Berichterstattung festlegen. Bei ihnen liegt die Detailkompetenz.

27 Mit der Frage nach der Messbarkeit von Pressefreiheit beschäftigt sich Czepek: Als Indikatoren berücksichtigt sie legale und strukturelle Bedingungen von Pressefreiheit, Zensur und Repressionen gegen JournalistInnen, Umfang und Vielfalt der Berichterstattung sowie Partizipation als Zugang zu den Medien (vgl. Czepek 2005: 373).

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schützen. Das Grundrecht muss dann zurücktreten, „wenn ‘schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang’ durch deren Ausübung verletzt würden“ (Branahl 2002: 27). Darunter fallen Individual- und Gemeinschaftsinteressen, beispielsweise der Schutz der äußeren Sicherheit des Staates, des inneren Friedens oder der öffentlichen Sicherheit. Die Pressefreiheit kann bei Verdacht des publizistischen Friedens- oder Hochverrates, der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Aufforderungen zu Straftaten gegen die Landesverteidigung oder zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgehoben werden (vgl. Pürer/ Raabe 1996: 271).

Die Bestimmungen zum Schutze der Jugend bilden eine weitere Grundrechtsschranke. Diese sollen alle Gefahren abwenden, die „auf sittlichem Gebiet von allen Druck-, Ton- und Bilderzeugnissen drohen, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhass provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deshalb zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können“

(Bamberger 1986: 96). Zum Jugendmedienschutz finden sich Hinweise in den Richtlinien des Grundgesetzes als auch des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit sowie das Strafgesetzbuch, das Bestimmung zum Umgang mit pornografischen und Gewalt verherrlichenden Schriften enthält (vgl. Pürer/ Raabe 1996: 272).

Die letzte Grundrechtsschranke stellt das Recht der persönlichen Ehre dar.

Dieser Grundsatz leitet sich aus Artikel eins Grundgesetz ab, nachdem die Würde des Menschen unantastbar ist. Eine Ehrverletzung liegt vor, wenn „jemandem seine elementaren menschlichen Eigenschaften bestritten werden, ihm zu Unrecht Pflichtverletzungen im sittlichen, rechtlichen oder sozialen Bereich vorgeworfen werden, jemandem tatsächlich erworbene Verdienste abgesprochen werden“

(Branahl 2002: 61). Zu beachten ist, dass zwischen dem in der Presse vertretenem öffentlichen Informationsinteresse und der Ehre der Einzelnen häufig Kollisionen auftreten, die im Einzelfall entschieden werden müssen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Artikel fünf Grundgesetz zwar die rechtlichen Grundlagen des Journalismus nennt, konkrete journalistische Funktionen sowie die für die Untersuchung interessante öffentliche Aufgabe der Presse ausgeblendet. An dieser Stelle treten die einzelnen Bundesländer auf den Plan: Der Bund hat zwar nach Artikel 75, Absatz eins, Satz zwei Grundgesetz die

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Kompetenz zur Rahmengesetzgebung für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse. Bislang hat er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht (vgl.

Fechner 2001: 23).28 Daher haben die Bundesländer, unter Rückgriff auf ihre Kulturhoheit, in ihren Landespressegesetzen so genannte „Vollregelungen“

vorgenommen, die „nicht nur das Ordnungsrecht, sondern auch wichtige presserechtliche Kernfragen“ (Ricker 2000: 9) regeln, wie die Freiheit der Presse (Paragraf eins LPG) und ihre öffentliche Aufgabe (Paragraf drei LPG).