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„Journalisten sind objektiv und unbeeinflussbar. Sie entscheiden als

‚Gatekeeper’, was publizierenswert ist oder nicht. Wer hingegen professionell Public Relations betreibt, ist von vornherein wenig glaubwürdig. Oder umgekehrt: Der PR-Profi spielt virtuos auf der Medien-Klaviatur. Und eigentlich will keine Redaktion wichtige Anzeigenkunden verlieren“

(Hooffacker 2002: 6).

Das einleitende Zitat von Hooffacker, Gründerin der Münchner Journalistenakademie, zeigt den Widerspruch auf, dem sich JournalistInnen täglich ausgesetzt sehen: Einerseits besteht der normative Anspruch, die Öffentlichkeit unabhängig und objektiv zu informieren sowie sich kritisch mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen. Der Beitrag zur Meinungsbildung der LeserInnen soll Ziel ihrer Arbeit sein. Andererseits werden den JournalistInnen gegen Vorlage ihres Presseausweises großzügige Preisnachlässe gewährt, die der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) auf seiner Homepage als ein Argument für eine Verbandsmitgliedschaft aufführt. Schnäppchenführer fassen „Journalistenrabatte von A bis Z“ zusammen (Bouché 2006), Internetportale bieten den direkten Link zu den günstigsten Angeboten (vgl. Kuss 2003: 38). Zudem stellen diese Anbieter den Redaktionen täglich druckfertige, journalistisch aufbereitete Informationen zusammen. Sie wollen sich die Chance wahren, in der medialen Berichterstattung vorzukommen und die Art und Weise der Publikation zu bestimmen. Sie betreiben Public Relations (PR). Als Urheber der Information wollen sie in der Regel gegenüber der Öffentlichkeit ungenannt bleiben (vgl. Sellheim 1997: 31).

Dieser Widerspruch zwischen der geforderten Unabhängigkeit und der engen Verzahnung des Journalismus mit den Public Relations wirft die Frage nach der journalistischen Arbeitsweise und Qualität auf. Nehmen JournalistInnen also „ein unmoralisches Angebot“ (Überall 2004: 37) an, wenn sie PR-Quellen publizieren?

Sind „Presserabatte prima“ (Diesler 2004: 2) oder ist die Glaubwürdigkeit des Journalismus durch die Annahme dieser gefährdet (vgl. Protze 2004: 3)? Führt die Zusammenarbeit zwischen Journalismus und Public Relations dazu, dass sich die JournalistInnen auf einem „gesponserten Lotterbett“ (Erdmann/ Nehrlich 2005: 16) ausruhen? Dass eine enge Verzahnung zwischen Journalismus und Public Relations

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besteht und durchaus problematische Aspekte mit sich bringt, ist für verschiedene Ressorts (Reise, Motor, Wirtschaft) bekannt (vgl. Strassmann 2003). Aus Furcht vor

„bröckelnden“ Grenzen (Viehöver 2003: 311) zwischen Journalismus und Public Relations stellen Berufsverbände und Verlage Richtlinien zur Sicherung der journalistischen Unabhängigkeit auf (vgl. Springer 2003). Das Netzwerk Recherche gründete sich, um auf mangelnde Rechercheleistungen und -fähigkeiten sowie die Korrumpierbarkeit von JournalistInnen hinzuweisen (vgl. Köpf 2003: 28). Der Deutsche Presserat als Selbstkontrollorgan weist in Ziffer 15 seines Pressekodexes auf die Unvereinbarkeit zwischen der Annahme und Gewährung von Vorteilen jeglicher Art und dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse hin (vgl. Deutscher Presserat 2001: 25).

Neben dem Drängen der Public Relations auf mediale Präsenz und der Expansion im PR-Bereich, beispielsweise auf lokaler Ebene (vgl. Siepmann 2005:

49), sehen sich JournalistInnen in den vergangenen Jahren einem verstärkten wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Stellen werden abgebaut; seit 1993 sank die Zahl der hauptberuflich tätigen JournalistInnen um 5.278 Beschäftigte (vgl. Malik 2005:

2). Die verbleibenden JournalistInnen müssen die Aufgaben der ausgeschiedenen KollegInnen übernehmen, so dass ihnen weniger Zeit für eine Recherche bleibt.

Rechercheintensive Themen werden als Folge vernachlässigt. Soll der eigene Qualitätsanspruch umgesetzt werden, müssen sie Überstunden leisten. Macht sie diese Arbeitssituation empfänglicher für PR-Leistungen? „Der Kampf um Anzeigenkunden, um neue Erlöse verringert den Abstand zwischen Text und Inseraten. Die Gefahr ist groß, dass auf der Schnäppchenjagd ein Gespür für die journalistische Unabhängigkeit abhanden kommt“, meint Leyendecker (2003a: 156), Mitbegründer des Netzwerkes Recherche. Avenarius vermutete bereits 1997, dass vielen JournalistInnen durch den Zeitdruck nichts anderes übrig bleibe, „als auch mal schnell den Waschzettel abzuschreiben. Niemand kann dafür verurteilt werden“, plädierte er (Avenarius 1997: 40).

Die Brisanz des Widerspruchs zwischen journalistischer Unabhängigkeit und PR-Beeinflussung zeigt sich bei einem Blick auf die Ziffer eins des Pressekodexes:

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse“

(Deutscher Presserat 2001: 3). Veröffentlicht der Journalismus PR-Informationen

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unverändert und verzichtet auf eine Nachrecherche, verstößt er dann gegen seine Pflicht zur wahrhaften Unterrichtung der Öffentlichkeit?

Daneben soll die Presse nach Maßgabe des Paragrafen drei der einzelnen Landespressegesetze eine öffentliche Aufgabe erfüllen, indem sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt und Kritik am Zeitgeschehen übt. Gemäß ihrer Informationspflicht sowie der Kritik-, Kommentierungs- und Kontrollfunktion wirkt die Presse aktiv an der Meinungsbildung der BürgerInnen mit (vgl. Branahl 2002: 28). Sie soll Öffentlichkeit schaffen und darüber hinaus die demokratischen Grundeinstellungen und Verhaltensweisen des Einzelnen fördern (vgl. Branahl 1999:

174). Unabdingbare Grundvoraussetzung für die Funktionserfüllung ist die journalistische Unabhängigkeit von wirtschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Einflüssen. Verschiedene Studien haben jedoch belegt, dass der Journalismus von Zwängen vielfältigster Art (zum Beispiel von seinen rechtlichen Grundlagen, der Medienökonomie und der Pressekonzentration) bestimmt wird. Eine umfassende Unabhängigkeit des Journalismus ist deshalb als normatives, in der Praxis nicht vollständig erreichbares Ziel einzuschätzen.

Als entscheidend wird in der Alltagspraxis der Einfluss von Public Relations auf den Journalismus eingeschätzt. Baerns lieferte 1979 erstmals wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beschreibung der PR-Journalismus-Beziehung. Sie hielt fest, dass Public Relations die Themen und den Zeitpunkt der Veröffentlichung beeinflussen, so die Grundaussage der Determinationsthese. Public Relations sind fähig, „die journalistische Recherchekraft zu lähmen und den publizistischen Leistungswillen zuzuschütten“ (Baerns 1983a: 212). JournalistInnen werden zu Gehilfen der Public Relations, die Informationen gegen Publizität tauschen. Treffen die Aussagen der Determinationsthese zu, bestätigen sie den eingangs formulierten Widerspruch und Verdacht, da Journalismus nicht unabhängig seine Funktionen verfolgt, sondern abhängig von PR-Zulieferungen ist.

Die Determinationsthese rief eine kritische Auseinandersetzung hervor.

Zahlreiche Untersuchungen folgten, die sich im methodischen Ansatz unterschieden und verschiedene Einflussfaktoren (Nachrichtenwert, Prädisposition der JournalistInnen) berücksichtigten. Sie konkretisierten die These mehrmals, widerlegten sie aber nie ganz, sondern bestätigten, dass zwischen Journalismus und Public Relations ein Verhältnis der gegenseitigen Anpassung, Orientierung und Beeinflussung bestehe (vgl. Bentele et al. 1997: 240). Trotz einer umfassenden

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Auseinandersetzung mit der These finden sich noch immer Desiderate in der PR-Journalismus-Forschung: Die meisten Untersuchungen erhoben den Niederschlag der Pressearbeit statushoher PR-Akteure in der politischen Berichterstattung von Abonnement- und Qualitätszeitungen (vgl. Raupp 2005: 206). Dies ist ein zentraler Kritikpunkt an der PR-Journalismus-Forschung, den als erster Saffarnia (1993a) formulierte.

Er hinterfragte in seiner Magisterarbeit den Zusammenhang zwischen der Präsenz in den Medien und dem gesellschaftlichen Status. Dazu veränderte er den Betrachtungswinkel. Er analysierte erstmals nicht die Public Relations einer bestimmten Institution und deren Niederschlag in verschiedenen Nachrichtenmedien, sondern berücksichtigte den gesamten Input, der das innenpolitische Ressort der österreichische Tageszeitung KURIER erreichte und verglich diesen mit der Gesamtberichterstattung. Saffarnia ging davon aus, dass alle Informationsquellen prinzipiell dieselbe Chance auf eine Veröffentlichung haben. Sein Ziel war es, Aussagen über die Rechercheleistungen des Journalismus zu treffen. Anders als angenommen, fand er heraus, dass in den Medien eine „kommunikative Chancenungleichheit“ bestehe (Saffarnia 1993a: 421), bei der das Vorkommen vom gesellschaftlichen Status abhänge. Institutionen mit einem hohen Ansehen sind eher präsent als eine Bürgerinitiative, ein Ergebnis, das Möhring acht Jahre später für den Lokaljournalismus in Ostdeutschland bestätigte (vgl. 2001: 164). Die Determinationsthese wertete Saffarnia nur als Beleg für die ausgeprägten kommunikativen Chancen von Elite-Institutionen, nicht aber als ein Anzeichen für die generelle PR-Abhängigkeit des Journalismus (vgl. 1993a: 421). Eine solche Berichterstattung zöge eine Verschiebung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse nach sich. Werden die Funktionen des Journalismus herangezogen – die möglichst umfassende Information der BürgerInnen durch die Berücksichtigung vielfältiger Quellen und Ereignisse zur ungehinderten Meinungsbildung – kann diese Berichterstattung nicht akzeptiert werden.

Neben dem Status der Informationsquelle wird der mögliche Einfluss des Ressorts auf die Publikation von PR-Quellen bislang von der PR-Journalismus-Forschung ausgeblendet. Eine Befragung von rund 1.500 JournalistInnen verschiedener Redaktionsteile innerhalb der Studie JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND

I (JouriD) ergab Mitte der neunziger Jahre, dass der PR-Einfluss auf die Berichterstattung vom Ressort abhängig ist. Lokal-, Sport- und

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WirtschaftsjournalistInnen stehen PR-Quellen offener gegenüber als Redakteure des Politikressorts, die diese Informationsquellen kritischer einschätzen (vgl.

Weischenberg 1997: 7). Es wird vermutet, dass sich diese Einstellungen in der Aufnahme oder Ablehnung von PR-Materialien niederschlagen könnten. Zwar hebt die Forschergruppe um Weischenberg den Zusammenhang hervor, eine weiterführende Auseinandersetzung steht bislang allerdings noch aus. Diese Lücke schließt die folgende Untersuchung.