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3.2 Vom Ereignis zur Nachricht

3.2.3 Einfluss des Ressorts auf den Umgang mit Informationsquellen

Ressorts dienen – ihrem historischen Ursprung nach – der Gliederung des Stoffes und der Ordnung der die Redaktion erreichenden Themenfülle: „Je mehr einkommt, desto dringender wird der Bedarf, die Informationen zu strukturieren, unter Gesichtspunkten zusammenzufassen“ erklärt Blöbaum (1994: 205) den Ursprung von Ressorts. Ihr Zweck besteht in der Ordnung von eingehenden Informationen, die einem Ressort zugewiesen und von den dort tätigen JournalistInnen wiederum ausgewählt, anschließend verarbeitet, ergänzt und veröffentlicht werden. Ressorts ermöglichen – in einer systemtheoretischen Formulierung – JournalistInnen „das Erbringen spezifischer Leistungen aufgrund entsprechender journalistischer Entscheidungsprogramme“ (Jarren/ Donges 2002: 184).155 Ressorts können nach räumlichen (lokale und regionale Berichterstattung) und sachlichen Kriterien (Wirtschaft, Kultur, Mode, Reise, Motor) gebildet werden. Zu den klassischen und ursprünglichen Ressorts einer Tageszeitung gehören die politischen Nachrichten – getrennt in Innen- und Außenpolitik. Eingehende Informationen werden außerdem von Beginn an nach den Bereichen Wirtschaft und Handel sowie Kultur (Feuilleton) kategorisiert. Feste Bestandteile sind bis heute das Sport- und das Lokalressort (vgl.

Mast 1998: 347). Blöbaum nennt außerdem die Ressorts Beilagen, Vermischtes und Anzeigen (vgl. 1994: 212-218). Pürer fügt noch die Ressorts Chronik, Wissenschaft/

Umwelt, Recht/ Gericht hinzu (vgl. 2003: 187). Die Untersuchung JOURNALISMUS IN

DEUTSCHLAND II fand „Exoten“ unter den Ressorts, wie „Ernährung, Garten, Küche, Natur, Sex, Tourismus oder Hobby“ (Weischenberg 2005a: 54). Ob diese Ressorts in einem speziellen Medientyp zu finden sind (beispielsweise einer Zeitschrift), darüber gibt Weischenberg keine Auskunft.

Diese Untergliederung und Zuweisung von Informationen an spezifische Arbeitsbereiche betreffen die in dem jeweiligen Ressort arbeitenden JournalistInnen, die über eine Veröffentlichung der Informationen entscheiden. In der Kommunikationswissenschaft wird die Auffassung vertreten, dass die JournalistInnen in der Informationsselektion unter anderem von dem Bild, das sie von dem Ressort, in dem sie arbeiten, haben und der Vorstellung ihrer eigenen Berufsrolle (Rollenselbstbild, Selbstverständnis) beeinflusst werden. Wenn dieser Einfluss besteht, dann könnte auch ein Zusammenhang zwischen der Auswahl von

155 Vgl. Rühl (1969).

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und dem Umgang mit PR-Materialien auf der einen und dem Ressort auf der anderen Seite existieren. Den Stand der Forschung, die sich mit dieser Beziehung in der Regel am Rande größerer Forschungsprojekte auseinandergesetzt hat, zeigt das folgende Kapitel auf.

Ressortspezifische Selektion von Public Relations

Bereits Baerns (1979) hielt als ein Ergebnis ihrer Untersuchung zur PR-Arbeit eines Essener Großunternehmens fest, dass bei der Übernahme von PR-Material ressortspezifische Unterschiede bestehen: RedakteurInnen des Lokalressorts veröffentlichten mehr als zwei Drittel der eingegangenen PR-Informationen, an zweiter Stelle folgte das Wirtschaftsressort, knapp dahinter an dritter Stelle das Politikressort. Lediglich zwischen einem und neun Prozent des PR-Materials wurden im Bereich Vermischtes publiziert (vgl. Baerns 1979: 310-311).

Weiterführende Erkenntnisse lieferte der erste Teil der Studie JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND der Forschergruppe um Weischenberg et al. (1993).156 Auf den ersten Blick scheinen ihre Ergebnisse im Widerspruch zu den Ergebnissen früherer Determinationsstudien zu stehen, nach denen Public Relations die Berichterstattung beeinflussen: Nur 16 Prozent der insgesamt 1.498 persönlich befragten JournalistInnen schätzten den PR-Einfluss auf ihre Arbeit als eher groß oder sehr groß ein (vgl. Weischenberg 1994b: 37 sowie Weischenberg/ Scholl 2002: 495).157

Beim genaueren Blick zeigen sich ressortspezifische Unterschiede, die sich für Weischenberg aus der für eine eigenständige Recherche zur Verfügung stehenden Zeit, dem Rollenselbstbild, dem Medientyp, dem Arbeitsbereich, der Berufserfahrung, der hierarchischen Position und der politischen Überzeugung erklären. Eine weitere Ursache für eine unterschiedliche Beurteilung von PR-Quellen kann auch im inhaltlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit liegen. JournalistInnen des Lokalressorts wiesen Public Relations am häufigsten einen mittleren bis großen Einfluss zu (63,5 Prozent), gefolgt von den RedakteurInnen des Sports (63,1

156 Befunde der Nachfolgeuntersuchung stehen trotz Nachfrage noch nicht zur Verfügung. Die komplette Auswertung und Veröffentlichung wird laut Malik (2005) für das Frühjahr 2006 erwartet. Lediglich ein erster Hinweis, dass „die Relevanz von Public Relations“

(Weischenberg 2005a: 54) für den Journalismus zugenommen habe, war zu finden.

157 Diese Ergebnisse sind unter Umständen auf den Anspruch der Unabhängigkeit als berufsethisches Ziel sowie auf mögliche Fehlerquellen in der Befragung (soziale Erwünschtheit, Befragungseffekte) zurückzuführen (vgl. Diekmann 2000: 268).

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Prozent), der Wirtschaft (49,9 Prozent), des Feuilletons und der Unterhaltung (jeweils 46,7 Prozent). Wenig mehr als ein Drittel der JournalistInnen des Politikressorts (34,1 Prozent) stimmten der Frage zu (vgl. Weischenberg 1995: 212-213).158

TAB.10:Beurteilung des PR-Einflusses

Ressort Zuweisung eines mittleren bis sehr großen PR-Einflusses (in %)

Politik 34,1 QUELLE:Weischenberg(1995: 213).

Auffällig ist, dass die befragten JournalistInnen insgesamt Pressemitteilungen positiv bewerten. Die Forschergruppe fand heraus, dass mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung waren, dass Pressemitteilungen notwendige Informationen bereitstellen und Anregungen für neue Themen bieten. Sie sparen Zeit beim Recherchieren und sind zuverlässig. „Dementsprechend bewerteten auch nur 7,6 Prozent Pressemitteilungen als überflüssig“, fassten Weischenberg et al. zusammen (1994:

164).

TAB.11:Bewertung von Pressemitteilungen Pressemitteilungen …

Mittelwert

(1 = stimme voll und ganz zu, 5 = stimme überhaupt nicht zu)

stellen notwendige Informationen bereit 2,43 bieten Anregungen für neue Themen 2,47

sparen Zeit beim Recherchieren 2,62

sind zuverlässig 2,64

gibt es zu viele 2,67

sind gut aufbereitet 2,94

verführen zu unkritischer Berichterstattung 3,13 ersetzen zunehmend Beiträge von Journalisten 3,31

sind überflüssig 3,75

QUELLE: Weischenberg et al.(1994:164).

Differenziert nach dem Ressort ergab sich wiederum ein anderes Bild: Besonders Sport-, Lokal- und WirtschaftsjournalistInnen neigten zu positiven Beschreibungen.

Sie empfanden Pressemiteilungen in der Mehrzahl als zuverlässig, gut aufbereitet

158 Weischenberg meint zu diesem Ergebnis: „Wer – wie zum Beispiel viele Nachrichtenredakteure – kaum direkt mit PR in Berührung kommt, kann sich ein kühleres Verhältnis zur anderen Seite leisten“ (2000: 121).

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und Zeit sparend. Mehr als die Hälfte der Befragten fanden das PR-Material als notwendig. RedakteurInnen des politischen Ressorts äußerten sich hingegen zurückhaltend, obwohl etwas mehr als 50 Prozent der JournalistInnen der Meinung waren, dass Pressemitteilungen Anregungen bieten. Pressemitteilungen wurden von nur zwölf Prozent der Befragten als überflüssig eingeschätzt. Eine Mittelrolle nahmen die JournalistInnen des Feuilletons ein, die sich sowohl positiv (Zeitersparnis, Angebot von Anregungen und Notwendigkeit von Presseinformationen) als auch negativ (keine gute Aufbereitung) über PR-Material äußerten.

TAB.12:Bewertung von Pressemitteilungen nach Ressort (in Prozent) Pressemitteilungen PJ*

Berichterstattung 36,7 34,5 38,8 22,8 32,6

LEGENDE: * PJ = Politik-, WJ = Wirtschafts-, KJ = Kultur-, SJ = Sport-, LJ = LokaljournalistInnen.

QUELLE: Löffelholz (1997: 199).

Anhand ihrer Ergebnisse arbeitete die Forschergruppe vier journalistische PR-Rollen heraus: die PR-Pragmatiker unter den JournalistInnen, die Public Relations positiv beurteilen, die PR-Skeptiker, die Public Relations skeptisch-distanziert bewerten, die PR-Kritiker, die noch deutlicher als die Skeptiker Public Relations kritisieren und schließlich die PR-Antikritiker, die Public Relations positiv gegenüberstehen und sie gegenüber Kritikern in Schutz nehmen (vgl. Weischenberg 1997: 7). Nach Ressorts aufgeschlüsselt, arbeiteten in der Politik und im Feuilleton überwiegend PR-Kritiker, in der Wirtschaft und im Sport dominierten hingegen die PR-Pragmatiker. In dem Unterhaltungsressort ließen sich die meisten JournalistInnen den PR-Antikritikern zuordnen, was die oben aufgezeigten Befunde bestätigt, wonach JournalistInnen des Sport- und Lokalressorts und zum Teil auch des Wirtschaftsressorts eher die positiven Aspekte in Public Relations für ihre eigene Arbeit sehen, RedakteurInnen des Politikteils sich tendenziell negativ über PR-Materialien und deren potenziellem Einfluss auf ihre Tätigkeit äußern.

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TAB.13:PR-Rollen von JournalistInnen nach Ressort (in Prozent) Ressort

Ebenfalls mit der Einschätzung von PR setzte sich eine Befragung auseinander, die Bentele und Seidenglanz durchführten (2004). Ihre Ergebnisse stehen im Gegensatz zur ersten JouriD-Studie, da die Mehrzahl der befragten PrintjournalistInnen Public Relations als überhaupt nicht wichtig bzw. nicht wichtig einstufen. SportjournalistInnen verhalten sich am kritischsten gegenüber PR-Quellen (zum Vergleich: innerhalb der JouriD-Studie weisen sie Public Relations einen großen bis mittelgroßen Einfluss zu und bewerten das PR-Material positiver als KollegInnen anderer Ressorts). Die Kommunikationswissenschaftler fragten nach dem Anteil, den PR-Material an der Berichterstattung einnehme. JournalistInnen aus den Ressorts Wirtschaft, Politik bzw. Aktuelles schätzten, dass 36 Prozent der Beiträge auf Public Relations zurückgehen, LokaljournalistInnen gingen davon aus, dass 25 Prozent der Berichterstattung PR-induziert seien. „Den geringsten PR-Anteil wollen Sportjournalisten ausgemacht haben, sie schätzen, dass nur etwa 20 Prozent der Zeitungsartikel auf PR-Initiative zurückgehen“ (Bentele/ Seidenglanz 2004: 62).

Ihre Ergebnisse erklärten Bentele und Seidenglanz mit der Rolle der Nachrichtenagenturen im Printjournalismus. In hohem Maße werde Agenturmaterial übernommen, „das von Journalisten in Redaktionen häufig – obwohl PR-induziert – als genuin journalistische Leistung von Kollegen wahrgenommen wird“ (ebd.: 55).

Da ihnen der Zusammenhang zwischen Agenturmaterial und PR-Quellen nicht bewusst sei, würden die JournalistInnen den tatsächlich vorhandenen PR-Einfluss oft unterschätzen.

JournalistInnen als Kritiker oder Informationsvermittler?

Aufschlüsse darüber, wie JournalistInnen Informationen selektieren, kann auch ihre Berufsauffassung geben, da sie als Gatekeeper neben den Nachrichtenfaktoren auch

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nach ihren subjektiven Einschätzungen und Erwartungen auswählen. Ein Journalist, der sich beispielsweise als Kritiker und Kontrolleur des gesellschaftlichen Lebens versteht,159 wird eher recherchieren, Hintergrundinformationen veröffentlichen oder offizielle Stellungnahmen hinterfragen, um so den RezipientInnen eine zweite, möglicherweise gegenteilige Sichtweise zu vermitteln und sie über alle vertretenen Standpunkte zu unterrichten.160

Erkenntnisse zum Rollenselbstverständnis der JournalistInnen lieferte u. a.

die Münsteraner Erhebung von Weischenberg et al. Die größte Zustimmung fanden Rollen, die dem Informationsjournalismus zuzurechnen sind: Die meisten JournalistInnen wollen nicht Kritiker und Kontrolleur sein, sondern die RezipientInnen neutral, präzise und möglichst schnell informieren, komplexe Sachverhalte erklären und die Realität so abbilden, wie sie ist.161 Erst an fünfter Stelle kommt die Vorstellung vom Journalisten als Kritiker von Missständen. Etwas mehr als 60 Prozent könnten sich vorstellen, Nachrichten zu veröffentlichen, deren faktischer Gehalt nicht bestätigt ist. Die weiteren Rollenbeschreibungen, die die Forschergruppe den Befragten zur Auswahl stellten, hatten einerseits die Orientierungsfunktion zum Inhalt, andererseits zielen sie auf die Beziehung zwischen JournalistInnen und RezipientInnen. Allen Vorgaben stimmten die Befragten seltener zu als den Rollenbeschreibungen, die mit dem Informationsjournalismus in Zusammenhang stehen (vgl. Weischenberg 1995: 438-447).

Wird nun der Zusammenhang zwischen der Rollenbeschreibung und der Nutzung von PR-Material hergestellt, ergibt sich folgende Vermutung: Ein Journalist, der seine Aufgabe in der schnellen Information seiner RezipientInnen sieht, wird eher geneigt sein, seine Informationen auch aus PR-Materialen zu beziehen, ohne deren faktischen Gehalt und die Richtigkeit der Aussagen zu überprüfen. Die Frage nach einem unabhängigen Berufsbild stellte die JouriD-Studie nicht, was angesichts der gesetzlichen und moralischen Verpflichtung zur Unabhängigkeit des Journalismus zu kritisieren ist. Lediglich die Rolle des

159 Diese Aussage kann nur tendenzielle Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen, da Weischenberg et al. zu Recht darauf hinweisen, dass das Rollenselbstverständnis „jedoch nicht identisch mit der tatsächlich ausgefüllten Rolle oder sogar mit dem konkreten Handeln innerhalb dieser Rolle sein muss“ (1994: 160). Vgl. auch Weischenberg (2003: 167).

160 Vgl. zur Handlungsrelevanz von Berufsrollen Scholl (2003: 328-332).

161 Interessant sind diese Aussagen in Zusammenhang mit der öffentlichen Aufgabe der Presse.

Die Landespressegesetze nennen alle drei Funktionen – Information, Kritik und Kontrolle sowie Meinungsbildung – gleichrangig. Eine Abstufung, welches Rollenselbstbild sie für sich am besten finden, treffen erst die JournalistInnen selbst.

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Journalisten als „Gegenpart zur Wirtschaft“ (Weischenberg 1995: 444) – andere Bereiche wie Politik oder Gesellschaft standen nicht zur Wahl – kam in der Befragung vor und fand geringe Zustimmung. Dies legt die Vermutung nahe, dass die JournalistInnen nicht so unabhängig ihrer Informationsfunktion nachkommen, wie sie vielleicht möchten oder wie sie ihre Rolle im Journalismus sehen.

Diese Ergebnisse bestätigte eine Umfrage unter ostdeutschen WirtschaftsjournalistInnen (1996). Knapp 100 Prozent der Befragten gaben an, dass für sie ein Journalist in erster Linie komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln müsse, wobei er die Realität abbilden und das Publikum möglichst präzise und neutral informieren solle. Die Rolle des Kritikers halten 76 Prozent für bedeutend.

Dem Rollenbild des Setzers von wirtschaftspolitischen Themen oder Gegenparts zur Wirtschaft stimmten die JournalistInnen nur teilweise zu. Auf Ablehnung stieß einheitlich die Formulierung „mich als Partner von Wirtschaftsunternehmen, -verbänden, etc. verstehen“, was Bentele und Liebert(1996: 28) zu der Überzeugung brachte, dass die Befragten den Öffentlichkeitsarbeitern zwar einen Platz im

„kommunikativen Konzert“ einräumen, ihnen aber „keine allzu große Bedeutung zugestehen“ (ebd.). Innerhalb der ersten JouriD-Studie fiel die Bewertung der PR-Materialien durch die WirtschaftsjournalistInnen nicht eindeutig aus, da knapp 50 Prozent der Befragten Public Relations einen großen bis sehr großen Einfluss auf ihre Arbeit zuschrieben. Dennoch kann anhand der Befunde von Bentele und Liebert vermutet werden, dass die WirtschaftsjournalistInnen aufgrund ihrer kritischeren Einschätzung von PR-Material dieses seltener als Grundlage für eine eigene Berichterstattung nehmen.162

Zusammenfassung: Selektionskriterium Ressort

Die vorangegangenen Schilderungen zeigen zweierlei: Eine allgemeingültige Aussage, wie JournalistInnen eines bestimmten Ressorts PR-Material einschätzen, kann aufgrund des bisherigen Kenntnisstands nicht getroffen werden. Es wird jedoch deutlich, dass durchaus ressortspezifische Unterschiede in der Einschätzung und Wahrnehmung von Public Relations bestehen, wobei beide Faktoren in Verbindung

162 Wiederum sei an dieser Stelle auf mögliche Fehlerquellen der Befragung und den Anspruch der journalistischen Unabhängigkeit verwiesen, was die WirtschaftsjournalistInnen vielleicht zu einer zaghafteren Einschätzung von PR-Materialien veranlasste.

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zu sehen sind. Jemand, der PR-Quellen positiv bewertet, wird eher geneigt sein, das Material wahrzunehmen und zu veröffentlichen und schreibt ihm einen großen Einfluss zu. JournalistInnen hingegen, die von vornherein eine negative Grundeinstellung PR-Quellen gegenüber besitzen, werden diese Informationen seltener oder gar nicht wahrnehmen, der PR-Einfluss auf ihre Arbeit wäre dann gering.

Auf die Gesamtheit der JournalistInnen bezogen, wird Public Relations ein verschwindend geringer Einfluss auf die Arbeit bei einer dennoch durchschnittlich positiven Einschätzung zugeschrieben. Immer dann, wenn jedoch nach Ressorts unterschieden wurde, zeigten sich signifikante Unterschiede. So sahen RedakteurInnen des Lokal- und Sportressorts einen großen Einfluss von PR-Leistungen auf ihre Arbeit und bewerteten das ausgesandte Material positiv.

PolitikjournalistInnen hingegen schätzten Public Relations negativ und mit geringem Einfluss ein.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass der Faktor Ressort Einfluss auf die Art und Weise der journalistischen Berichterstattung und damit die Aufnahme oder Ablehnung von PR-Material ausüben kann. Im Lokal- und Sportressort würde demnach eher PR-Material veröffentlicht und damit weniger selbst recherchiert als innerhalb des Politik- oder Feuilletonteils, wo ein gänzlich selbstständiges Vorgehen der JournalistInnen von der Ideenfindung über die Informationssammlung bis zur Veröffentlichung überwiegen müsste.

Vom bisherigen Kenntnisstand aus muss dies eine Vermutung bleiben, da genauere Studien zum Umgang mit Public Relations im Vergleich verschiedener Ressorts bislang fehlen. Auch die erste JouriD-Studie kann an dieser Stelle nicht weiterhelfen. Sie basiert auf der Selbsteinschätzung von knapp 1500 JournalistInnen.

Interessant ist es vielmehr, welches PR-Material eine Zeitung insgesamt erreicht, auf welche Ressorts es aufgeteilt und schließlich welcher Teil des Inputs in welcher Form (beispielsweise ohne Bearbeitung, Kritik und Kommentar, in gekürzter Form oder als Anlass für eine eigene Recherche) veröffentlicht wird. Über eine solche Inhaltsanalyse könnten Rückschlüsse auf die Einstellungen der JournalistInnen zu PR-Materialien in Abhängigkeit vom Ressort getroffen werden, ein Ziel der Untersuchung, die diese Lücke schließen will.

Bevor sich die empirische Fallstudie mit der Informationsentstehung, -verarbeitung und -veröffentlichung am Beispiel der THÜRINGER ALLGEMEINE

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auseinandersetzt, soll ein Zwischenfazit die gewonnenen Erkenntnisse zur möglichen Beeinflussung der journalistischen Aussagenproduktion durch den Status der Informationsquelle und das Ressort, in dem die JournalistInnen tätig sind, zusammenfassen und daraus die Hypothesen der Fallstudie ableiten.