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1   Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

3.1   Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses in der Medizin

Senatskommission für Klinische Forschung1 einen Mangel an qualifiziertem medi-zinischen Nachwuchs in der Forschung („Clinical Scientist“). Als ein Indikator für diese Entwicklung wird erwähnt, dass die Anzahl der Promotionen in der Medizin rückläufig ist.2

1 DFG (2010), S. 3 f.

2 Die von der DFG angeführten Jahre 2006–2008 lassen auf eine solche Entwicklung nicht schließen, da es beträchtliche Schwankungen in den jährlichen Promotionszahlen gibt.

Betrachtet man die durchschnittliche Anzahl der Promotionen in der Humanmedizin in Zeiträumen von 10 Jahren, zeigen sich rückläufige Werte (1993–2002 durchschnittlich 6896, 2003–2012 durchschnittlich 6473); Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), S.27 f.

Es wird beklagt, dass es eine Abwanderung von High Potentials aus Deutschland ins Ausland gibt, und es werden Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftli-chen Nachwuchses in der Hochschulmedizin gefordert.3

„Der wissenschaftliche Nachwuchs sieht in Deutschland kaum eine Perspektive.

Die Besten streben eine Karriere im Ausland an oder verlassen die universitäre Forschung.“4

Als mögliche Ursache wird vermutet, dass im Studium kaum Anreize für diesen Karriereweg gesetzt werden und die praxisorientierten Modellstudiengänge kaum Zeit für Forschungsprojekte lassen.5

„However, medical training at German universities is oriented towards practical medical work and includes hardly any training for scientific work. The increasing importance of patient-oriented research should not be allowed to further the workload on dedicated young scientists.“6

Auch die Karriereaussichten werden als wenig attraktiv eingeschätzt. Flaschen-hals, mangelnde finanzielle Attraktivität und soziale Absicherung, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten, Reputationsgefälle (Priorität der Versorgung), kulturelle Differenz (unterschiedliche Hierarchiestrukturen in Klinik und Forschung) und lange Abhängigkeit von den leitenden Professoren werden im Fazit eines Werk-stattgespräches der Volkswagenstiftung im September 2013 zum Thema „Clinical Scientist – Neue Karrierewege in der Hochschulmedizin“ genannt.7

Die Senatskommission der DFG „sieht mit Sorge, dass sich immer weniger junge Medizinerinnen und Mediziner für die Wissenschaft entscheiden […]. Die medizi-nischen Fakultäten sollten begabte Studierende für die (klinische) Forschung begeistern und gewinnen und hierfür Freiräume bereitstellen“.8

Dieser Mangel ist jedoch nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. „A decline in the number of physician-scientists has been identified in the USA for at least two decades.”9

Die hier im Überblick wiedergegebene Diskussion relevanter Entscheider/innen im Bereich der Förderung medizinischer Nachwuchsforscher/innen sagt aus, dass der Karriereweg eines „Clinical Scientist“ eine zu wenig gewählte Karriereoption ist. Dies wird einerseits darin begründet, dass nur bei einem Teil der Medizi-ner/innen ein entsprechendes ausgeprägtes wissenschaftliches Interesse vorliegt,10 die Förderung wissenschaftlicher Qualifikation zu wenig Raum im Me-dizinstudium hat und andererseits die Karriereaussichten nicht besonders attraktiv sind. Gleichzeitig bedeutet dieser Karriereweg einen hohen Aufwand an Zusatz-Qualifikation.

Darüber hinaus wird ein Abwandern hochqualifizierter Wissenschaftler/innen ins Ausland beschrieben („Brain Drain“).11

3 Stallmach et al. (2011), S.380; EFI (2014), S.83 ff.

4 Ebenda.

5 Deutsche Gesellschaft für innere Medizin e.V. (2008), S.2 f.

6 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2010), S.16.

7 Gaehtgens (2013), S. 4.

8 DFG (2010), S. 5.

9 Solomon et al. (2003), S.149.

10 Diese Aussage ist durch verschiedene fragebogenbasierte Studien belegbar; siehe bspw. Loos et al. (2014), Schwarzer et al. (2012), Gibis et al. (2012).

11 Böhmer et al. (2008). In dieser Studie wird beschrieben, dass empirische Studien da-rauf hinweisen, dass ein dramatischer „Brain Drain“ nicht vorhanden ist (S.101 f.). In

17 Die beschriebenen Expertenaussagen werden an vielen Stellen nicht durch empi-risch fundierte Quellen verifiziert. Beispielsweise kann ein Mangel an „Clinical Scientists“ nur dann empirisch nachvollziehbar berichtet werden, wenn es einen definierten Bedarf gibt und anhand von Zahlen nachgewiesen werden kann, ob entsprechende Stellen in der klinischen Forschung auch entsprechend besetzt worden sind bzw. sich die Altersstruktur verändert. Entsprechende Zahlen über Bedarf, Veränderungen der Anzahl von „Clinical Scientists“ bzw. Nachwuchswis-senschaftler/innen in der Medizin etc. konnten für Deutschland nicht recherchiert werden.

Etwas anders sieht die Datenlage in den USA aus. Hier gibt es Statistiken, die belegen, dass der Anteil der „Phyisician-Scientists“ im Verhältnis zu den prakti-zierenden Medizinern rückläufig ist, die medizinischen Forscher an Alter durchschnittlich zunehmen und auch die Antragsteller für Drittmittel im Durch-schnitt älter werden.12 Daraus wird ein Nachwuchsmangel abgeleitet. Gleichzeitig erwartet das US Bureau of Labour Statistics einen steigenden Bedarf an „Medical Scientists“ bis zum Jahr 2018 um 13 Prozent.13 Dieser steigende Bedarf wird mit einer höheren Mobilität, wachsender Bevölkerung sowie mit Krankheiten wie Aids, Alzheimer, der Krebsforschung und der steigenden Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika begründet. Diese Feldbedingungen können in Teilen auf Deutschland übertragen werden.

Bezüglich der Karriereforschung zu klinischen Forscher/innen stehen im Wesent-lichen Quellen des Statistischen Bundesamtes14 zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es noch die Statistiken der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, die jedoch nur sehr begrenzt den Fokus „Universitätsmedzin“ be-leuchten. Die meisten Berichte wie beispielsweise der Medizinerreport 2012 des HIS (Hochschul-Informations-System GmbH), der Report des Medizinischen Fa-kultätentags zu „Ausbildungsleistungen der Medizinischen Fakultäten in Deutschland“ oder der „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013“ be-rufen sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Im „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs“ wird auf die nicht befriedigen-de Datenlage hingewiesen. „Zwar gibt es recht befriedigen-detaillierte Statistiken über die an Hochschulen und an Forschungsinstituten beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber es fehlt an empirisch validen und repräsentativen Aus-sagen zur Anzahl Promovierender ebenso wie an einer aussagekräftigen Aufgliederung des wissenschaftlichen Personals nach Qualifikationsniveau.“15 Zu der Frage des „Brain Drain“ liegen empirische Untersuchungen der OECD und die DFG-Studie von Böhmer et al. (2008) vor, die jedoch nicht allein das Feld der Medizin bzw. der Life Sciences betreffen.16

der Studie der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wird auf eine OECD-Studie hingewiesen, die für Deutschland einen Abwanderungsverlust von beson-ders guten Wissenschaftlern belegt. Diese Studie bezieht sich jedoch nicht nur auf die Life Sciences; siehe EFI (2014b), S. 87 f.

12 Rockey (2014), S.1 f.

13 USA Bureau of Labour Statistic (2014).

14 Die relevanten Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes sind in der Literatur-liste aufgeführt.

15 Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2013), S. 22.

16 OECD (2013b).

Um die Ergebnisse der Verbleibstudie einordnen zu können, werde ich auf die oben erwähnten statistischen Quellen zurückgreifen und zusätzlich Ergebnisse von Studien qualitativer Sozialforschung zum Thema hinzuziehen.

Angebote „Academic Year“ bzw. Zusatzqualifikation zum „Clinical Scien-tist“

Bevor das BMEP beschrieben wird, sollen das Angebot an vergleichbaren Pro-grammen kurz betrachtet und die Begriffe „Clinical Scientist“, „wissenschaftliches Potenzial / Begabung“ und „Motivation“ erläutert werden.

Es gibt nur wenige vergleichbare „Academic Year“-Programme. Einige wenden sich direkt an Medizinstudierende, andere sind für verschiedene Studienrichtun-gen offen (siehe Anhang, Tabellen A1 und A 2).17

Zu unterscheiden von den Stipendien in der Studienzeit sind die Förderungen durch die DFG und den WR (Wissenschaftsrat). Diese Förderungen sind projekt-orientiert und richten sich in der Regel an Postgraduierte und Post Docs mit einer schon begonnenen wissenschaftlichen Laufbahn.

Darüber hinaus werden, im Rahmen der Studienreform, mittlerweile auch in Deutschland MD/PhD-Studiengänge angeboten, die eine Ausbildung zum/zur kli-nischen Forscher/in ermöglichen. 19 MD/PhD 20 -Programme verbinden eine medizinische Ausbildung mit einer naturwissenschaftlichen Qualifikation und „sol-len hoch motivierte Studierende der Medizin mit Interesse an der modernen biomedizinischen Forschung“ fördern.21 Der Grundgedanke ist, Studenten/innen schon im Studium Freiraum für Forschung und naturwissenschaftliche Zusatzqua-lifikationen zu geben.

In den USA werden mittlerweile 44 MD/PhD-Programme angeboten.22 Die Stu-diendauer wird mit sieben bis acht Jahren veranschlagt.

Das BMEP ist jedoch nicht mit MD/PhD-Ausbildungsgängen gleichzusetzen, da es sich um ein Fellowship-Programm im Rahmen des Medizinstudiums oder ver-wandter Studiengänge handelt. Ein „Academic Year“ gibt den Teilnehmer/innen die Möglichkeit, eine molekularbiologische Zusatz-Qualifikationen zu erlangen und zu prüfen, ob eine Karriere in der klinischen Forschung ihren Interessen ent-spricht oder eher nicht.

17 Die Tabellen zeigen die in Deutschland angebotenen Austausch- und Förderprogramme für Studierende der Life Sciences. Gesucht wurde mittels Stipendiendatenbanken im Internet; siehe <http://www.stipendien-tipps.de/studium/stipendien/anbieter-von-stipendien/>.

19 Ein solcher Studiengang wird an den Universitäten Aachen, Greifswald, Heidelberg und Würzburg angeboten.

20 MD steht für Medical Doctor, PhD für Philosophy Doctor entspricht in diesem Kontext dem deutschen Dr. rer. nat.

21 Siehe <http://www.uni-greifswald.de/studieren/studienangebot/fachbeschreibungen/

biomedical-science.html>.

22 Siehe <http://www.aamc.org/students/download/121086/data/mdphd_isitrightfor me.pdf>.

19 3.2 Begriffsdefinitionen „Clinical Scientist“, „Potenzial“ und

„Motivation“

Es sollen kurz drei zentrale Begriffe der vorliegenden Arbeit erläutert werden, die mit der Aufgabenstellung des BMEP eng verbunden sind. Wissenschaftlicher Nachwuchs ist im Sinne eines „Clinical Scientist“ gemeint. Potenzialorientierung bezieht sich auf eine fachliche Kompetenz und eine Motivation zu forschen.

Clinical Scientist

„Die Begrifflichkeit, mit der diese berufliche Tätigkeit im Spannungsfeld von Pati-entenversorgung und Forschung belegt wird, ist international uneinheitlich.

„Clinical Scientist“, „Physician Scientist“, „Clinician Scientist“ und „Medical Scien-tist“ werden parallel und weitgehend unterscheidungslos für die unterschiedlichen Formen wissenschaftlichen Engagements verwendet.“23 Ebenso werden synonym die Begrifflichkeiten „Physican-Scientist“ und im Bereich der Psychologie wird auch „Scientist-Practitioner“ verwendet.

In den USA ist „Clinical Scientist“ eine geschützte Berufsbezeichnung. In Deutschland gilt der Begriff als zusätzliche Kompetenz.

„Clinician-scientists have a solid foundation in the scientific process, and may have expertise in the application of discovery science to clinical research and translation into clinical practice.“24

Neben der Forschung und der Patientenversorgung gehört für die Ärzt/innen, die in Universitäten oder akademischen Lehrkrankenhäusern beschäftigt sind, auch noch die Lehre zu ihrem Aufgabenfeld. Dabei steigt durch die neue Approba-tionsordnung die Mehrbelastung in der Lehre, so dass zeitliche Ressourcen für die Forschung knapper werden.25 „Hier einen eigenen Weg zu finden, verlangt vom Nachwuchs eine hohe intrinsische Motivation für klinische Forschung.“26 Letztlich bestimmen die Tätigkeitsfelder Patientenversorgung, Translational Re-search und Lehre den Berufsalltag des „Clinical Scientist“. Dabei kann es sein, dass diese Tätigkeiten parallel ausgeführt werden müssen (in Deutschland eher die Regel) oder zeitlich versetzt sind (Rotationsstellen).

Potenzial

Potenzial und Begabung für wissenschaftliche Forschung werden als wichtige Voraussetzungen für Student/innen gesehen, die eine Karriere als „Clinical Scien-tist“ angehen oder sich bei den oben beschriebenen Stipendienprogrammen bewerben wollen.27

Potenzial bedeutet „Fähigkeit zur Entwicklung“28 im Sinne von „Leistungsfähig-keit“.29 Begabung beschreibt eine besondere Leistungsvoraussetzung auf einem bestimmten Gebiet.30

23 Gaehtgens (2013), S. 2.

24 Siehe <http://www.wehi.edu.au/clinical/become_a_clinician-scientist>.

25 Deutsche Gesellschaft für innere Medizin (2008), S. 2.

26 Hartman et al. (2008), S. 235. Es wird hier auf die Studien von Kroenke (2005) und Rivera et.al. (1998) verwiesen.

27 DFG (2010), Gaehtgens (2013), AAMC (Association of American Medical Colleges) (2014).

28 Siehe <http://de.wikipedia.org/wiki/Potential>.

29 Duden (1974).

„Begabten wird zuerkannt, möglicherweise oder wahrscheinlich Außergewöhnli-ches zu leisten. Ein solAußergewöhnli-ches Potenzial kann sich zusätzlich durch positive Bedingungen entwickeln, z.B. durch gezielte Anregung oder Förderung, das muss aber nicht in jedem Fall so sein.“31

Dass Begabung eine gute Vorausetzung für Exzellenz in einem definierten Be-reich ist, ist sicherlich unstrittig. Entscheidend dabei ist, wie eine Begabung entdeckt und angemessen gefördert wird. Um Begabung zu ermitteln, werden zwei Verfahrenswege eingesetzt: zum einen validierte Testverfahren aus der Eig-nungsdiagnostik und zum anderen Einschätzungen von Expert/innen, die konkrete (bisherige) Handlungsergebnisse sowie biografische Daten der begut-achteten Personen einbeziehen und ggfs. ergänzende Interviews führen. Beide Verfahrenswege können auch verbunden werden.

Bezogen auf geförderte „Academic Year“-Programme einschließlich des BMEP wird in der Regel der zweite Weg beschritten. Es werden vorherige Forschungen und Publikationen einbezogen, die Qualität des Konzepts des Forschungsprojek-tes ist oft Bestandteil der Auswahl, Noten werden als Indikator verwendet, Interviews werden durchgeführt und die Auswahl findet in der Regel durch ein Gremium von Expert/innen statt. Das BMEP unterscheidet sich von anderen Pro-grammen dadurch, dass Noten eine geringere Bedeutung bei der Auswahl zugemessen wird.

Motivation

In der Motivationsforschung sind unterschiedliche Modelle zu finden. Diese zu beschreiben würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Gemeinsam ist den ein-bezogenen Modellen, dass zwischen intrinsischen und extrinsischen Motivations-faktoren unterschieden wird.

Conrad definiert Motivation als „individuellen Antriebs- und Entscheidungsprozess zwischen unterschiedlichen Strebungen [...], der mit willentlichen Regulations-vorgängen in der Realisationsphase verbunden ist.“32 Dem individuellen Antrieb werden dabei Grundmotive zugeordnet:

• das Leistungsmotiv (Bedürfnis, Schwieriges zu bewältigen, einen hohen Standard zu erreichen),

• das Machtmotiv (Bedürfnis nach Einfluss, Kontrolle und Prestige),

• das Anschlussmotiv (Bedürfnis, positive und gute Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu erhalten).

Die Grundmotive werden in einer frühkindlichen Phase ausgebildet und es gibt verschiedene Testmethoden, die Ausprägung dieser Motive zu bestimmen.33

Forschung wird den Leistungsmotiven zugeordnet. Bei den Leistungsmotiven wird zwischen drei Quellen intrinsischer Anreize unterschieden:

„Sie können dem Vollzug einer Tätigkeit entstammen, sie können sich aus dem Inhalt der Tätigkeit selbst ergeben

und sie können aus den subjektiv erlebten Ergebnissen des Tuns hervorgehen.“34

30 Siehe <http://de.wikipedia.org/wiki/Begabung>.

31 Siehe <http://www.bildung-und-begabung.de/begabungslotse/informationen-fuer-lehrer-eltern-schueler/muetter-und-vaeter/was-ist-begabung>

32 Conrad (2007), S. 5.

33 Der TAT (Thematischer Accerpitionstest) von Murray / Morgan (1943) wurde u.a. von Heckhausen (1963) von Westen (1991) weiterentwickelt.

21 Die Tätigkeit an sich, z.B. wissenschaftlich zu forschen, kann Motivation und An-reiz an sich erzeugen.

Intrinsische Motivation ist selbstbestimmt, während die Situationsbedingungen – ziemlich bis gar nicht selbstbestimmt – motivierend oder auch demotivierend sein können.

Ryan und Decci35 haben die intrinsische und extrinsische Motivation in ein Konti-nuum von selbst bestimmtem zu fremd bestimmtem Verhalten (self-determination behaviour) eingeordnet, mit intrinsischer Motivation auf der einen Seite, verschiedenen Ausprägungen extrinsischer Motivation in der Mitte und Amotivation am anderen Ende der Skala. In ihrer Definition „the term extrinsic motivation refers to performance of an activity in order to attain some seperable outcome and, thus, contrasts with intrinsic motivation, which refers to doing ac-tivity itself.“36

Zielerreichung kann durch vorhandene Anreize (rewards) oder durch Vermeidung von Bestrafungen (punishment) forciert werden.

34 Conrad (2007), S. 15.

35 Deci et al. (2002), Ryan et al. (2000a).

36 Ryan et al. (2000b), S. 71.

4 Vorgehensweise

4.1 Untersuchte Gruppe

Die vorliegende Arbeit betrachtet den Karriereverbleib und das Selbsterleben der Teilnehmer/innen von 30 Jahrgängen des Austauschprogramms Science Exchan-ge Program (BMEP). Die untersuchte Gruppe (n=675) verbindet die Teilnahme an dem Programm. Diese Gruppe beinhaltet alle BMEP-Teilnehmer/innen am Academic Year Programm der Jahrgänge 1979/1980 bis 2009/2010; nicht unter-sucht werden Teilnehmer/innen an anderen Programmen des BMEP.

Es handelt sich um eine Rückschau. Eine wissenschaftliche Evaluation ist nicht implizierter Bestandteil des BMEP-Programms, d.h. es sind keine Zielkriterien für (akademische) Karrieren in den Life Sciences oder Erfolgskriterien für For-schungserfolge im Vorfeld definiert worden.

Im Rahmen dieser Arbeit werden der Erfolg und die Wirksamkeit des Programms an den Programmzielen des BMEP und an den Karrieren der Teilnehmer/innen gemessen. Dazu wurden entsprechende Messwerkzeuge (Verbleibstudie, Frage-bogen) erstellt und Erfolgskriterien beschrieben. Da eine direkte Vergleichsgruppe fehlt, werden Unterschiede bezüglich der Gesamtpopulation der Mediziner/innen aufgezeigt.

4.2 Biomedical Sciences Exchange Program (BMEP)

Das Biomedical Sciences Exchange Program (BMEP) wurde 1979 von Prof. John Boylan, University of Connecticut Medical School, Farmington, und Prof. Hilmar Stolte, Medizinische Hochschule Hannover, gegründet.

Das Programm ist Teil des Angebotes der International Academy of Life Sciences (IALS) und wird im Rahmen einer Public-Private-Partnership-Kooperation ge-meinsam mit der Gesellschaft für Technologietransfer und Innovation Biomedizin mbH aus Bad Oeynhausen (GBM) umgesetzt. Aktuell wird das Programm maß-geblich durch den DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) und durch B. Braun, Melsungen, gefördert.

Die IALS ist aus dem Netzwerk der BMEP-Alumni entstanden. Es handelt sich um eine Non-Profit-Organisation, die durch die IALS-Members (im Wesentlichen BMEP-Alumni) und ein transatlantisches Universitätsnetzwerk finanziert wird.37 Die IALS versteht sich dabei als „the place people come to for education, training and research in key issues of the life sciences. As an international membership organization, the IALS provides a compass through innovative integration across the disciplines of the Life Sciences, law, management and technology.“38

Obwohl im überwiegenden Teil Medizinerinnen und Mediziner (95 Prozent) Teil-nehmer/innen des IALS sind, wird von „Life Sciences“ gesprochen, da sich das Programm ebenso an Biomediziner/innen richtet. Das BMEP versteht Medizin als eine Disziplin der „Life Sciences“.

37 Siehe <http://www.lifesciences.net>.

38 Siehe <http://www.lifesciences.net/index.html>.

23 4.2.1 Programmziele des BMEP

„To foster academic careers in Biomedicine“39 ist das zentrale Anliegen des Pro-gramms. „Biomedicine“ ist ein Hinweis darauf, dass vor allen Studentinnen und Studenten angesprochen werden sollen, die eine Zusatzqualifikation im Bereich naturwissenschaftlicher Forschung erwerben möchten und „a clear idea (of rese-arch) and (background) knowledge“ 40 mitbringen. Das BMEP sieht seine Verantwortung darin, vorhandenes Potenzial und Motivation für wissenschaftliche Forschung im Bereich der Life Sciences zu begleiten und zu fördern.

Im Programmheft zur „30 Years BMEP“-Feier heißt es: „Our mission is to contin-ue to foster new generations of outstanding doctors and researchers on the leading edge of transdiciplinary biomedical developments.“41

Im aktuellen Sachbericht und Verwendungsnachweis an den DAAD heißt es:

„Das BMEP leistet [...] einen Beitrag zur Förderung von Karrieren in der Medizin durch Zusatzqualifikation im Bereich Molekulare Medizin, Bio- und Gentechnolo-gie, bildgebende Verfahren und Telemedizin etc. Häufig ist hiermit der Beginn einer Karriere als „Clinical Scientist“ gegeben.“ 42

4.2.2 Aktuelles Angebot BMEP a) Academic Year Program

Das Academic Year Program ist eine Kombination aus wissenschaftlichem (bio-medizinischem) und klinischem Training. Die zumeist deutschen Teilnehmer/innen werden an eine etablierte forschende universitäre Einrichtung meist in den USA vermittelt, bzw. können selbst Institutionen vorschlagen. Die Gastuniversität stellt einen Tutor/in pro Teilnehmer/in zur Verfügung, die/der Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner der Student/innen ist.

Das Programm wendet sich an Student/innen der Medizin und verwandter Diszip-linen (Biologie, Biochemie etc.), die kurz vor dem Abschluss ihres Studiums stehen. In der Programmankündigung auf der IALS-Webseite werden keine for-malen Voraussetzungen beschrieben, es wird von „Advanced Students“

gesprochen.

Das Academic Year Progamm wird kontinuierlich seit 1979 durchgeführt und ist der zentrale Gegenstand dieser Untersuchung.

Mittelweile wird ein Zusatzprogramm für Alumni angeboten.

b) IALS Global Fellowship Life Sciences

„This program is designed to support the "add-on" qualifications of advanced special students in the biomedical sciences, including medicine, biology, chemis-try, physics, psychology, the health sciences, etc., by providing unique and challenging learning environments and experience in institutions in Germany, Russia, The Netherlands, Australia, the U.S., Canada, and more.“43

Dieses Programm wird seit 2008 durchgeführt und von B. Braun, Melsungen, gefördert.

39 Mission Statement BMEP auf der Webseite der IALS

<http://www.lifesciences.net/programs/bmep.html>.

40 IALS et al. (2011), S. 7.

41 IALS (2010), Programmheft „30 Years BMEP“, S. 3.

42 IALS (2014), Sachbericht-und Verwendungsnachweis zum Projekt 56875527, S. 1.

43 Siehe < http://www.lifesciences.net/fellowships/bbraun/>. Dieses Zitat zeigt deutlich die interdisziplinäre Ausrichtung der BMEP Fellowship-Programme.

4.2.3 Historischer Hintergrund

Das BMEP-Programm sieht sich in einer langen Tradition des wissenschaftlichen und methodischen Austausches zwischen der amerikanischen und der europäi-schen Medizin. Im 19. Jahrhundert war die amerikanische Medizin „narrowly practical, highly commercialized, and lacked standards.“44

Mitte des 19.Jahrhunderts etablierten sich in Deutschland physiologische Labore, und die deutschen Universitäten erarbeiteten sich eine führende Position im Be-reich der wissenschaftlichen Ausbildung in der Medizin. Zu dieser Zeit kamen viele Medizinstudenten aus den USA nach Deutschland, um sich hier ausbilden zu lassen.

In die USA zurückgekehrt, versuchten diese, gegen viele Widerstände deutsche Standards und eine „Scientific Medicine“ in Amerika zu etablieren. Erst die Erfol-ge von Robert Koch und Louis Pasteur führten zu einem Umdenken in den USA.

Die John Hopkins University School of Medicine, gegründet 1893, entwickelte als erste amerikanische Hochschule einen transatlantischen Ansatz, der dem

Die John Hopkins University School of Medicine, gegründet 1893, entwickelte als erste amerikanische Hochschule einen transatlantischen Ansatz, der dem