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Powell und Rosner (2005) berichten eine PTBS-Prävalenz von 25% bei ihrer bosnischen Stichprobe. Hauptziel dieser Studie war die Prüfung der Reliabilität und der diskriminanten und konvergenten Validität der bosnischen Version der PTDS (Posttraumatic Stress Diagnostic Scale). Die Autoren berichten von einer hohen Reliabilität, die anhand einer hohen internen Konsistenz (siehe Tabelle 03) nachgewiesen wurde. Die Hauptkomponenten, die sich durch eine exploratorische Faktorenanalyse ergaben, sind weitgehend konsistent mit den DSM-IV Subskalen. Die Konstruktvalidität der PTDS wurde durch angemessene Korrelationen mit anderen relevanten Maßen der Traumapsychopathologie (siehe Tabelle 03) unterstützt. Die Autoren erwähnen, dass zum Standard-Vorgehen bei der Validierung von Instrumenten, wie der PTDS, der Vergleich des zu validierenden Instruments mit einem klinischen Interview gehört. Dies ist hier jedoch nicht geschehen.

290 nepalesische Binnenflüchtlinge und deren traumatische Erlebnisse, Leidenssymptomatik und damit in Beziehung stehende Faktoren waren der Gegenstand einer Untersuchung von Thapa und Hauff (2005). Innerhalb dieser Studie wurde eine PTBS-Prävalenz von 53,4%

gefunden. Die HSCL-25 lieferte unter Verwendung des cutoff-scores von 1,75 hohe Werte für Angst- (80,7%) und Depressionssymptomatik (80,3%). Anhand einer multivariaten logistischen Regression fanden die Autoren 4 unabhängig mit PTBS assoziierte Variablen.

Mehr als 3 traumatische Ereignisse erlebt zu haben und bei der Ankunft im Flüchtlingslager ein ausserordentlich elendes und unglückliches Gefühl gehabt zu haben, waren signifikante Prädiktoren einer PTBS. Auch hier zeigt sich also ein Hinweis auf einen „Dosis-Effekt“. Als unabhängige protektive Faktoren erwiesen sich Angehöriger einer niedrigen Kaste zu sein und eine schnelle (innerhalb einer Woche) Evakuierung aus Krisengebieten.

Thapa und Hauff (2005) berichten über eine Reliabilitätsprüfung und Validierung ihrer Untersuchungsinstrumente. Sie fanden gute innere Konsistenzen der HSCL-25 und validierten die HSCL-25 und die PCL-C (PTSD-Checklist Civilian Version) an einer Subgruppe von 25 Binnenflüchtlingen anhand von 3 äquivalenten Sektionen des CIDI. Sie prüften ebenso die Übereinstimmung zwischen ihren Prävalenzangaben und den Angaben zu nepalesischen Konzepten von Angst, Depression und PTBS. Diese Übereinstimmungen erwiesen sich als unbefriedigend (siehe Tabelle 03).

Theorie 33 Nelson et al. (2004) untersuchten nicht-akute Patienten in serbischen Unfallambulanzen. Sie fanden Prävalenzen von 13% für PTBS und 49% für Depression. Komorbid traten beide Störungen bei 11,9% der Stichprobe auf. Multivariate logistische Regressionsmodelle lieferten 2 unabhängige Prädiktoren für PTBS. Diese waren das Wohnen im abgelegenen Laplje Selo und die Tatsache länger als 30 Tage Flüchtling gewesen zu sein.

Die Autoren erwähnen zwar, dass die HTQ und die CES-D vielfach in internationaler Forschung verwendet wurden, berichten jedoch nicht über die Reliabilität und Validität dieser Skalen.

Um den mentalen Gesundheitszustand der Afghanen zu schätzen, untersuchten Cardozo et al.

(2004) eine repräsentative Stichprobe der Zivilbevölkerung aus verschiedenen Teilen des Landes. Gesunde und behinderte Befragte unterschieden sich nicht signifikant in der Prävalenz von PTBS (42%) und Depressionssymptomatik (68% versus 72%), jedoch im Auftreten von Angstsymptomatik (72% versus 85%). Ein multivariates Regressionsmodell lieferte weibliches Geschlecht, mentale Störungen in der Vergangenheit gehabt zu haben und den fehlenden Fokus auf die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse (Einkommen, Wohnung und Nahrung) als unabhängige Prädiktoren für die Entwicklung einer PTBS bei gesunden Afghanen. In dieser Studie konnte kein „Dosis-Effekt“ nachgewiesen werden. In einer anderen, in einem östlichen Teil Afghanistans durchgeführten Studie fand sich dieser jedoch (Scholte et al., 2004).

Die Autoren dieser Studie weisen selbst auf die fehlende Reliabilitätsprüfung und Validierung der von ihnen verwandten Instrumente hin und erwähnen, dass sich daher die berichteten Zahlen nicht notwendigerweise mit den Zahlen einer strukturierten klinischen Erhebung in dieser Population decken.

Dyregrov et al. (2002) und Thabet und Vostanis (1999) untersuchten Kinder und Jugendliche in Konfliktgebieten anhand von Längsschnittstudien. Die ersten Erhebungen fanden in beiden Studien 6 Monate nach Ende der jeweiligen Konflikte im Irak bzw. im Gazastreifen statt.

Dyregrov et al. (2002) berichten anhand der IES (Impact of Event Scale) eine sehr hohe PTBS Prävalenzrate von 84% zum ersten Erhebungszeitpunkt, ein Jahr später stieg die Rate auf 88%, ein weiteres Jahr später fiel die Rate auf immer noch sehr hohe 78%. Die erhöhte Prävalenz zum zweiten Messzeitpunkt erklären sich die Autoren mit einer so genannten

„Jahrestagsreaktion“, d.h. übertriebene Prävalenzzahlen, da das Ereignis, das alle Kinder und

Jugendlichen erlebt hatten (Bombardement des Lagers) genau vor einem Jahr stattgefunden hatte und daher vermehrt darüber geredet und in den Medien berichtet wurde.

Dyregrov et al. (2002) berichten mäßige bis niedrige innere Konsistenzen der IES (siehe Tabelle 03), welche auch durch eine Kürzung der Skala nicht wesentlich verbessert werden konnten. Von einer Validitätsprüfung der IES wurde in dieser Publikation nicht berichtet.

Thabet und Vostanis (1999) erhoben die PTBS-Prävalenz anhand der CPTS-RI (Child Post Traumatic Stress Reaction Index) und berichten verglichen mit Dyregrov et al. (2002) eine niedrigere Prävalenz von 41% und einen viel stärkeren Rückgang der PTBS-Raten auf 10%

bei der zweiten Erhebung ein Jahr nach der Ersterhebung (Thabet & Vostanis, 2000). Die Kinder in dieser Studie erlebten jedoch nicht alle dasselbe Ereignis und zeigten insgesamt weniger Traumaexposition, was die Unterschiede in den Prävalenzraten teilweise erklären könnte. Die Autoren fanden anhand hierarchischer logistischer Regression Evidenz für den

„Dosis-Effekt“. Die Anzahl der erlebten traumatischen Ereignisse sagte das Bestehen einer PTBS voraus.

Thabet und Vostanis (1999) berichten nicht von eigenen Reliabilitäts- und Validitätsprüfungen der von ihnen verwandten arabischen Versionen der Skalen. Sie zitieren lediglich die Entwickler der Skalen, die diesen hohe Sensitivität und Spezifität bzw. Validität bescheinigen. Sie erwähnen auch, dass ein klinisches Interview zusätzlich zum CPTSD-RI zum Stellen und Absichern von Diagnosen notwendig gewesen wäre.

De Jong et al. (2001) berichten in ihrer Publikation Prävalenzraten und Risikofaktoren der PTBS aus 4 verschiedenen Ländern bei Populationen, die zuvor Konflikten und Gewalt ausgesetzt waren. In allen Ländern kamen dieselben Methoden zur Anwendung. Es ergaben sich Prävalenzraten von 37,4% in Algerien, 28,4% in Kambodscha, 17,8% bei palästinensischen Flüchtlingen im Gazastreifen und 15,8% bei eritreischen Flüchtlingen in Äthiopien. Das Erleben eines konfliktbezogenen Traumas nach Erreichen eines Alters von 12 Jahren war der einzige unabhängige Risikofaktor für eine PTBS in allen 4 Stichproben. Das Erleben von Folter erwies sich als unabhängiger Risikofaktor in allen Stichproben, ausgenommen Kambodscha. Andere erhobene Risikofaktoren waren beispielsweise das Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose oder Krankheit, schlechte Lebensbedingungen und Alltagsschwierigkeiten. Diese galten in einigen Stichproben als unabhängige Risikofaktoren, in anderen nicht. Das Erleben eines traumatischen Ereignisses scheint also ein universeller Faktor für die Entstehung einer PTBS zu sein, weitere Risikofaktoren in Zusammenhang mit PTBS scheinen je nach Kontext und/oder Population zu variieren.

Theorie 35 De Jong et al. (2001) erwähnen, dass ein Vergleich der durch Laien angewandten CIDI-Versionen mit unabhängigen Experteninterviews zur Validierung der Instrumente notwendig gewesen wäre, wiesen die Reliabilität und Validität ihrer CIDI-Versionen jedoch nicht selbst nach, sondern berufen sich auf andere Autoren (siehe Tabelle 03).

2.4.3.1 Zusammenfassung

Wie schon bei den Studien zu Flüchtlingen in Nachbarländern von Krisenregionen, ergaben sich auch hier große Schwankungen in den PTBS-Prävalenzraten (zwischen 13% und 84%).

Fokussiert man diejenigen Studien, die erwachsene Stichproben untersuchten, so bewegen sich die Prävalenzraten der PTBS bei Opfern organisierter Gewalt, die im eigenen Land untersucht wurden, weitgehend auf ähnlichem Niveau (zwischen 13% und 53%) wie die Raten der Gewaltopfer in Nachbarländern von Krisenregionen (zwischen 3% und 48%).

In einigen Studien fanden sich Evidenzen für die Existenz des „Dosis-Effekts“ (Scholte et al., 2004; Thabet & Vostanis, 1999; Thapa & Hauff, 2005). Die meisten der angeführten Studien benannten weitere unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS, wie beispielsweise weibliches Geschlecht, schlechte Lebensbedingungen, vorhandene psychiatrische Diagnosen. Diese fielen jedoch je nach Studie unterschiedlich aus.

Lediglich Powell und Rosner (2005) und Thapa und Hauff (2005) berichten über eine hinreichende Reliabilitäts- und Validitätsprüfung der von ihnen angewandten Untersuchungsinstrumente.

Nelson et al. (2004) erwähnen, dass sie Instrumente verwandten, die schon vielfach in internationalen Studien zur Anwendung gekommen waren. Cardozo et al. (2004) weisen in ihrer Publikation auf die fehlende Validierung und Reliabilitätsprüfung ihrer Instrumente hin.

Dyregrov et al. (2002) geben die Reliabilität der von ihnen angepassten Version der IES an, von einer Validierung des Instruments wird jedoch nicht berichtet. Thabet und Vostanis (1999 und 2000) zitieren in ihren Publikationen andere Autoren, die den von ihnen benutzten Instrumenten gute psychometrische Eigenschaften bescheinigen. Die arabischen Versionen der Skalen wurden jedoch nicht auf ihre Reliabilität und Validität hin untersucht. De Jong et al. (2001) benutzten in ihrer Untersuchung von 4 großen Stichproben in unterschiedlichen Ländern ein international vielfach bewährtes Instrument, das Composite International Diagnostic Interview, dennoch wäre eine Validierung der übersetzten CIDI-Versionen durch

Experteninterviews notwendig gewesen, um bei den gefundenen PTBS-Prävalenzen tatsächlich von Diagnosen sprechen zu können.

Studie Jahr Stichprobe Land Selektion Verfahren Validität / Reliabilität PTBS Major

(Demographie / Ereignisfragebogen / PTDS1 / IES2 / SCL-903 / BDI4);

innere Konsistenz der bosnischen Version der PTDS:α=0,93;

Korrelationen zwischen den Gesamtscores der PTDS und IES (Spearmans rho=0,71), BDI (Spearmans rho=0,62) und SCL-90 (Spearmans rho=0,57) sind signifikant;

25% in der

Innere Konsistenzen: HSCL-Angst und HSCL-Depr.: α=0,89;

Validierung von HSCL-25 und PCL-C in Subgruppe (n=25); Übereinstimmung mit CIDI-Rating (HSCL-Angst:

Sensitivität=0.77; Spezifität=0,58; HSCL-Depr.: Sens.=0,87, Spez.=0,60; PCL-C:

Sens.=0,80; Spez.=0,80) und nepalesischen Konzepten für Angst, Depression und Traumasymptomatik (HSCL-Angst:

κ=0,61; HSCL-Depr.: κ=0,55; PCL-C:

κ=0,40);

Serbien Patientenstichproben nach definierten Kriterien;

Fragebogen teilweise in Interviewform (Demographie / medizinische Fragen / HTQ5 / CES-D9); Haushalten aus jedem Dorf;

Strukturiertes Interview (Demographie / MOS-SF-3610 / HSCL-256 (HSCL-Angst und HSCL-Depression cutoff-score ≥1,75) / HTQ5); standardisierte Fragen zu Coping-Mechanismen, Substanzmissbrauch, Gefühle der Rache und (ehemals) vorhandene Diagnosen psychischer Störungen;

1PTDS = Posttraumatic Stress Diagnostic Scale, 2IES = Impact of Event Scale, 3SCL-90 = Symptom Checklist 90, 4BDI = Beck Depression Inventory, 5HTQ = Harvard Trauma Questionnaire, 6HSCL-25 = Hopkins Symptom Checklist-25, 7PCL-C = PTSD-Checklist Civilian Version, 8CIDI = Composite International Diagnostic Interview, 9CES-D = Center for Epidemiologic Studies Depression Scale, 10MOS-SF-36 = Medical Outcomes Study Short Form-36

Tabelle 03: Epidemiologische Untersuchungen von Opfern von Gewalt im eigenen Land

Studie Jahr Stichprobe Land Selektion Verfahren Validität / Reliabilität PTBS Major Depression

Dyregrov 2002 214 irakische Kinder und

Jugendliche; Irak Gelegenheitsstichprobe um das Lager “Al Ameriyah” in Bagdad und aus Basra;

Semistrukturiertes Interview (War Trauma Questionnaire / CBI2 / PTSRC3 / IES4: PTBS Diagnose nach cutoff-score ≥ 17);

Innere Konsistenz der

Algerien: einfache Zufallsauswahl aus Bevölkerungslisten der Regierung;

Kambodscha: mehrstufige Zufallsauswahl aus Adresslisten der Regierung in 3 ausgewählten Gebieten; Äthiopien:

einfache Zufallsauswahl von Flüchtlingen aus Registrierungslisten; Israel:

mehrstufige Zufallsauswahl aus 3 Flüchtlingslagern, 2 Wiederansied-lungsgebieten und 3 Städten;

Interview (Demographie / Life Events and Social History Questionnaire / CIDI5);

Validität und Reliabilität des, durch Laien angewandten CIDI wurden gezeigt (Peters et al., 1996;

Andrews und Peters, 1998);

37%

Thabet 1999 239 palästinensische

Kinder des Gazastreifens; Israel Geschichtete Zufallsauswahl aus den Grundschulen des Gazastreifens;

Fragebogen und Interview (Demographie / Rutter Scales A2 / Rutter Scales B2 / Gaza Traumatic Event Checklist / CPTSD-RI6: PTBS Diagnose nach cutoff-score ≥ 25);

Pynoos (1987) berichtet für den CPTSD-RI eine Interraterreliabilität von κ=0,87; keine Angaben zur arabischen Version;

1HSCL-25 = Hopkins Symptom Checklist-25, 2CBI = Child Behavior Inventory, 3PTSRC = Posttraumatic Stress Reactions Checklist, 4IES = Impact of Event Scale, 5CIDI = Composite International Diagnostic Interview, 9CPTSD-RI = Child Post Traumatic Stress Reaction Index

Tabelle 03: Epidemiologische Untersuchungen von Opfern von Gewalt im eigenen Land (Fortsetzung)

Theorie 39 2.5 Allgemeine methodische Probleme bei epidemiologischen

Untersuchungen von Flüchtlingspopulationen

Die meisten der hier besprochenen epidemiologischen Untersuchungen in Flüchtlingspopulationen sind Querschnittstudien, d.h. es besteht die Einschränkung, dass mit den erhobenen Daten keine Aussagen über Kausalitäten gemacht werden können. Es kann beispielsweise durch Querschnittsstudien nicht letztlich geklärt werden, ob PTBS-, Depressions- und Angstsymptomatik eine Person arbeitsunfähig machen, oder ob die Tatsache keine Arbeit zu haben bzw. nicht arbeiten zu dürfen, die Symptomatik verstärkt. Um auch Aussagen über Kausalitäten treffen zu können, müssten Längsschnittstudien durchgeführt werden.

Alle hier erwähnten Studien erfassen sämtliche Informationen zu erlebten traumatischen Ereignissen, Migrationsgeschichte, etc. retrospektiv und gleichzeitig mit psychiatrischen Symptomen. Die Validität der Untersuchungen ist daher durch möglicherweise verzerrte Erinnerungen der Flüchtlinge limitiert. Außerdem waren alle Studien weitgehend auf die Auskünfte der Flüchtlinge über die eigene Person angewiesen. Es wurden keine objektiven, z.B. physiologischen Maße erhoben, was die Güte der Daten zusätzlich negativ beeinflussen könnte (Bhui et al., 2003; de Jong et al., 2001; Marshall et al., 2005).

Sprachbarrieren, die Erwartung durch dramatisierende Erzählungen Hilfe zu bekommen, die Befürchtung einer Vertraulichkeitsverletzung durch die Forscher und Angst vor negativen Folgen einer Untersuchungsteilnahme können zu weiteren Verzerrungen der Daten führen.

Stichprobengröße und unterschiedliche Stichprobenauswahl stellen weitere Faktoren dar, die die Ergebnisse von epidemiologischen Studien beeinflussen können und daher bei Interpretationen von Resultaten beachtet werden müssen. Fazel et al. (2005) berichten, dass Studien, die eine größere Anzahl von Flüchtlingen untersuchten, tendenziell niedrigere PTBS- und Depressionsprävalenzen finden, als Studien, die eine geringe Anzahl von Flüchtlingen befragten.

Auch die Stichprobenauswahl kann nicht intendierte Einflüsse auf die Ergebnisse haben.

Gelegenheitsstichproben, z.B. Stichproben von Patienten, oder die Auswahl von Besuchern von Beratungszentren für Flüchtlinge (Favaro et al., 1999; Hermansson et al., 2002; Kinzie et al., 1990; Lavik et al., 1996) führen tendenziell zu höheren Prävalenzraten, da durch dieses Vorgehen eher hoch belastete Flüchtlinge selektiert werden. Im Flüchtlingskontext besteht

jedoch auch bei einer möglichst randomisierten Auswahl der Befragten die Gefahr, dass gefundene Ergebnisse nicht repräsentativ für die jeweiligen Flüchtlingspopulationen sind, da beispielsweise besonders mobile, oder illegale Flüchtlinge nicht in Untersuchungen aufgenommen werden können.

Ein weiterer Grund für Schwankungen der PTBS-Prävalenzangaben in Flüchtlingsstudien könnte formaler Natur sein. Nach Einführung des DSM-IV im Jahre 1994 kam es aufgrund definitorischer Unterschiede zu früheren DSM Versionen beim Stressorkriterium zu einem 20%igen Zuwachs von Ereignissen, die als traumatisierend gelten können (Breslau, 2002).

Folglich nahmen auch die in Studien gefundenen PTBS-Prävalenzraten zu, wenn die PTBS nach DSM-IV Kriterien diagnostiziert wurde (Breslau & Kessler, 2001).

Wie aus obiger Besprechung verschiedener Studien ersichtlich wird (siehe Tabellen 01 bis 03), sind eine Vielzahl von verschiedenen Instrumenten zur Untersuchung von PTBS-, Depressions- und Angstsymptomatik bei Flüchtlingen im Umlauf, was nicht nur zu Schwankungen in Prävalenzangaben führt, sondern zusätzlich auch die Vergleichbarkeit der Studienergebnisse erschwert. Da die Erforschung der PTBS bei Flüchtlingen in unterschiedlichsten Settings stattfindet und mit Menschen aus verschiedensten Kulturen zu tun hat, hat sich bis heute kein universell, über verschiedene Sprachen und Kulturen hinweg reliables und valides Untersuchungsinstrument zur Erfassung der PTBS bewährt.

Selbst wenn standardisierte klinische Interviews, wie CIDI oder SCID, angewandt werden, ist das richtige Beurteilen psychiatrischer Diagnosen, speziell im nicht westlichen Flüchtlingskontext schwierig, da die Validität der in westlichen Populationen entwickelten psychiatrischen Maße in nicht westlichen Kontexten eingeschränkt ist (Bracken, Giller, &

Summerfield, 1995; de Jong, Komproe, & Van Ommeren, 2003). In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass nur strukturierte klinische Interviews psychiatrische Diagnosen liefern können. Screeninginstrumente wie der weit verbreitete HTQ und die HSCL-25 liefern keine echten Diagnosen von PTBS oder Depression, sondern geben Symptomlevel an (Scholte et al., 2004; Thapa & Hauff, 2005). Zu welchem Ausmaß die von Flüchtlingen, anhand des HTQ oder der HSCL-25 selbst berichteten Symptome von PTBS, Depression oder Angst mit klinischen Diagnosen übereinstimmen, muss mit Hilfe einer Validierung an klinischen Instrumenten bestimmt werden.

Theorie 41 Gewöhnlich wurden die Instrumente, die zur Untersuchung des mentalen Gesundheitszustands von Flüchtlingen in verschiedenen Umgebungen eingesetzt werden in der westlichen Welt entwickelt. Das hat zur Folge, dass die Reliabilität, Validität und kulturelle Sensitivität dieser Untersuchungsinstrumente für den Einsatz in nicht westlichen Flüchtlingspopulationen erst zu prüfen ist. Selbst wenn sich Instrumente schon in anderen Kulturen bewährt haben sollten, sind Schätzungen der Natur und Prävalenzen mentaler Störungen mit Vorsicht zu interpretieren, da die Umwelten der Flüchtlinge oftmals dramatisch variieren und von dem Umfeld abweichen, in welchem bestimmte Instrumente entwickelt und validiert wurden (Bolton & Betancourt, 2004; Cardozo et al., 2004; Nelson et al., 2004;

Scholte et al., 2004). Beispielsweise haben sich der HTQ, oder die HSCL-25 in vielen Kontexten bewährt (siehe Tabellen 01 bis 03), es ist dennoch möglich, dass die diagnostischen cutoff-Werte dieser Instrumente von Studie zu Studie neu angepasst werden müssten (Drozdek et al., 2003).

Trotz der geforderten Notwendigkeit jedes neue, erweiterte, übersetzte oder revidierte Instrument für jedes neue Setting zu validieren (Mollica et al., 1992), um eine Verzerrung der Ergebnisse durch kulturspezifische Charakteristika zu kontrollieren, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Von 21 der oben besprochenen Studien an Flüchtlingen in verschiedenen Umwelten, berichten lediglich 4 Studien (Bhui et al., 2003; Mollica et al., 1998a; Powell &

Rosner, 2005; Thapa & Hauff, 2005) von eigenen Validitätsprüfungen. Die restlichen 17 Studien erwähnen Themen der Reliabilität und Validität entweder überhaupt nicht, oder zitieren andere Autoren, welche sich mit den psychometrischen Eigenschaften bestimmter Instrumente in ähnlichen Settings befasst haben. Aufgrund der fehlenden Validierungsstudien ist die Aussagekraft all dieser Studien über die Verbreitung von PTBS stark eingeschränkt.

Eine Schlüsselrolle bei der Sicherstellung der Güte von in Flüchtlingspopulationen erhobenen Daten kommt der Instrumentenübersetzung zu. Bei der Übersetzung von Untersuchungsinstrumenten geht es nicht primär um eine möglichst wortgetreue Wiedergabe des Originalinstruments. Vielmehr müssen die in der jeweiligen Zielpopulation vorhandenen Konzepte von psychischem Befinden, psychischer Störung und wie sich diese äußern mit einbezogen werden. Um die Angaben von befragten Flüchtlingen später angemessen einordnen und interpretieren zu können, müssen nach dem Übersetzungsprozess technisch, semantisch, inhaltlich und konzeptuell äquivalente Instrumente vorliegen (Flaherty et al., 1988; Sperber, Devellis, & Boehlecke, 1994).

Eine viel versprechende Möglichkeit der Gültigkeitsprüfung erlangter Ergebnisse im Flüchtlingskontext ist der Vergleich der gefundenen Prävalenzraten mit indigenen Konzepten für PTBS, Angst oder Depression. Obwohl psychiatrische Diagnosen und indigene Erklärungen von mentalen Störungen oft für divergent gehalten werden, zeigen empirische Daten, dass einheimische Erklärungen von mentalen Störungen mit psychiatrischen Klassifikationen korrelieren (Beiser & Hou, 2001). Skalen und Maße, die im Flüchtlingskontext angewandt werden, müssen daher kontinuierlich evaluiert werden, um höchstmögliche Kompatibilität mit indigenen Erklärungsmodellen und Wahrnehmungen zu erreichen. In ihrer Studie zeigen Thapa et al. (2005), dass die nepalesischen Konzepte für Angst, Depression und PTBS und die durch Skalen gemessenen Konzepte durchaus eine gemeinsame Basis haben, auch wenn die Übereinstimmungswerte nicht als voll zufriedenstellend gelten können. Eine größere Übereinstimmung hätte sich in dieser Studie möglicherweise gezeigt, wenn die indigenen Konzepte sorgfältiger, beispielsweise anhand von mehreren beschreibenden Items, erhoben worden wären.

In den folgenden Fragestellungen wird auf die hier, für epidemiologische Untersuchungen als zentral herausgearbeiteten Aspekte, die Überprüfung der Reliabilität und Validität der PTBS-, Depressions- und Angstsymptomatikerfassung anhand der PDS (Posttraumatic Diagnostic Scale) und der HSCL-25 (Hopkins Symptom Checklist-25) und die Gültigkeit des PTBS-Konzeptes bei der somalischen und ruandischen Flüchtlingspopulation im ugandischen Lager Nakivale eingegangen.

Theorie 43 2.6 Fragestellungen und Hypothesen

Ein Forschungsanliegen der internationalen Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Universitäten Konstanz (Deutschland), Mbarara (Uganda), Leiden (Niederlande) und der NGO vivo international e.V. (Italien) war die Untersuchung von psychischen Folgen extrem belastender Erfahrungen bei somalischen und ruandischen Flüchtlingspopulationen in Uganda. Daher wurden sowohl die Prävalenz der PTBS, als auch Angst- und Depressionssymptomatik erhoben. Beeinträchtigungen im Funktionsniveau, körperliche Beschwerden, und ökonomische Daten wurden zusätzlich erfasst, da diese Parameter auf psychische Belastungen reagieren.

Ein weiteres Anliegen war die Evaluation der Narrativen Expositionstherapie (NET), welche als Kurzzeittherapie zur Behandlung von PTBS in Konstanz entwickelt wurde. Diese, schon von klinischen Psychologen im afrikanischen Kulturkreis eingesetzt, erwies sich als effektiv (Neuner et al., 2004b), wurde bis dato jedoch nicht für oben genannte Populationen und durch trainierte Laien angewandt, evaluiert.

Eine Pilotstudie sollte die therapeutischen Möglichkeiten der Narrativen Expositionstherapie bei Kindern und Jugendlichen untersuchen. Die NET wurde zu diesem Zweck von klinischen Experten in einer leicht modifizierten, kindgerechten Form an einer kleinen Stichprobe von somalischen Flüchtlingskindern durchgeführt und evaluiert (Onyut et al., 2005).

Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Validität und Reliabilität der Erfassung der PTBS

Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Validität und Reliabilität der Erfassung der PTBS