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Epidemiologische Untersuchungen von Flüchtlingspopulationen in Nachbarländern von Krisengebieten

In einer groß angelegten Studie zur Erfassung traumatischer Ereignisse und Symptomatik untersuchten Karunakara et al. (2004) Stichproben der nordugandischen Bevölkerung, der sudanesischen Bevölkerung und sudanesischer Flüchtlinge in Norduganda. Die Prävalenz der PTBS wurde auf 48% für die sudanesische Bevölkerung, 46% für sudanesische Flüchtlinge und 18% für die ugandische Bevölkerung geschätzt. Die drei untersuchten Bevölkerungsgruppen unterschieden sich signifikant im Erleben traumatischer Ereignisse, wobei die Gruppe der sudanesischen Flüchtlinge am stärksten betroffen war. Ein multiples logistisches Regressionsmodell lieferte unabhängige Prädiktoren für die Entwicklung einer PTBS. Die Wahrscheinlichkeit PTBS zu entwickeln nahm demnach mit dem Alter zu. Frauen waren gefährdeter als Männer. Bildung, eine Art von Arbeitsverhältnis, größerer Besitz und die Erfahrung der Migration zeigten sich als protektive Faktoren. Es wurde zudem der so genannte „Dosis-Effekt“ nachgewiesen, ein deutlich positiver Einfluss erhöhter traumatischer Exposition (allgemein und im letzten Jahr erlebt) auf die Entwicklung einer PTBS.

Karunakara et al. (2004) untersuchten ihre Stichproben mit der PDS (Posttraumatic Diagnostic Scale), welche in die lokalen Sprachen übersetzt wurde, berichten in dieser Veröffentlichung jedoch nicht von der Reliabilität und Validität der neuen PDS-Versionen in diesen Populationen.

Crescenzi et al. (2002) untersuchten die Auswirkungen von traumatischen Erfahrungen auf die mentale Gesundheit von neu in Indien ankommenden Flüchtlingen. 76 Flüchtlinge hatten neben anderen traumatisierenden Ereignissen Haft und Folter erlebt, 74 Flüchtlinge waren in der Vergangenheit nicht inhaftiert.

Die Gruppe der ehemals inhaftierten Flüchtlinge berichtete eine signifikant höhere Anzahl von traumatischen Erlebnissen (durchschnittlich 11,5 versus 4,5) und signifikant höhere Angstwerte. Es ergab sich kein Unterschied zwischen den Gruppen was Depressionssymptomatik und somatische Beschwerden betraf. Bei ehemals Inhaftierten wurde eine PTBS-Prävalenz von 20% gefunden.

Crescenzi et al. (2002) betonen, dass ein HSCL-25 cutoff-score von 1,75 für tibetische Stichproben nicht validiert ist, geben aber dennoch an, dass nach diesem cutoff-score 63%

bzw. 57% ihrer Gesamtstichprobe in den Bereich von Angst- bzw. depressiven Störungen

Theorie 29 fallen würden. Die innere Konsistenz jedes Instruments wurde von den Autoren anhand von Cronbachs Alpha (siehe Tabelle 02) angegeben und galt als zufriedenstellend.

Bei dieser Studie wurde zwar auf eine hohe Qualität der Übersetzung geachtet (Übersetzungs-Rückübersetzungs-Verfahren und Diskussionen in „Focus Groups“), jedoch keine eigene Validierung der Instrumente durchgeführt. Crescenzi et al. (2002) zitieren lediglich die Validierung der indochinesischen Versionen der HSCL-25 und des HTQ (Harvard Trauma Questionnaire) in indochinesischen Flüchtlingspopulationen der USA durch Mollica et al.

(1987,1992).

Shresta et al. (1998) befragten 526 gefolterte und 526 nicht gefolterte bhutanesische Flüchtlinge in Nepal, um den Einfluss von Folter auf die Flüchtlinge zu untersuchen.

Sie fanden mit 14% versus 3% eine signifikant höhere Prävalenz der PTBS bei gefolterten Flüchtlingen vor. Dasselbe Bild ergab sich für Depressions- und Angstsymptomatik (25%

versus 14% Depressions-, 43% versus 34% Angstsymptomatik). Innerhalb der Gruppe der gefolterten Flüchtlinge lieferten multivariate logistische Regressionsanalysen die Anzahl der erlebten Foltertechniken als einzigen Prädiktor für das Entwickeln von PTBS und Depressionssymptomatik, was abermals auf einen „Dosis-Effekt“ hinweist. Weibliches Geschlecht erwies sich als Risikofaktor für Angstsymptomatik und das Praktizieren buddhistischer Religion wirkte protektiv gegen Angst und Depression. Gefolterte Flüchtlinge berichteten signifikant mehr medizinische Beschwerden als nicht gefolterte Landsleute.

Shresta et al. (1998) konnten gute innere Konsistenzen für die drei verwandten Skalen nachweisen (siehe Tabelle 02).

Wie eben in der Studie von Crescenzi et al. (2002) beschrieben, weisen auch Shresta et al.

(1998) auf die fehlende Validierung des HSCL-25 cutoff-score von 1,75 für ihre Stichprobe hin, verwenden ihn aber dennoch unter dem Vorbehalt, dass ihre Ergebnisse nicht mit Diagnosen gleichzusetzen sind.

Mollica et al. (1993) erfassten 993 kambodschanische Flüchtlinge in Thailand, um Auswirkungen traumatischer Erlebnisse auf ihren funktionellen und mentalen Gesundheitsstatus zu untersuchen. Es ergaben sich Prävalenzen von 55% für Depression und 15% für PTBS. Die Mehrheit der befragten Flüchtlinge klagte über einen schlechten gesundheitlichen Allgemeinzustand.

In dieser Studie wurden nach Möglichkeit Instrumente verwendet, die für die kambodschanische Bevölkerung in der Vergangenheit validiert worden waren. Mollica et al.

(1993) zitieren hier die eigene Validierung der indochinesischen Versionen der HSCL-25 und des HTQ an Flüchtlingen in den USA (Mollica et al. 1987, 1992), merken jedoch an, dass der cutoff-score von 1,75 möglicherweise für kambodschanische Lagerpopulationen angepasst werden müsste.

2.4.2.1 Zusammenfassung

An den hier angeführten Studien, die Flüchtlinge in Nachbarländern von Krisenregionen untersuchten wird deutlich, dass sich große Schwankungen von PTBS- (zwischen 3% und 48%) und Depressionsprävalenzraten (zwischen 14% und 57%) in der Literatur finden lassen.

Bis auf Karunakara et al. (2004) haben alle Studien die HSCL-25 zur Erfassung von Angst und Depression und die Hälfte der Studien den HTQ zur Erfassung von PTBS verwendet.

Lediglich 2 Studien berichten von einer Reliabilitätsprüfung ihrer Untersuchungsinstrumente und wiesen diese zufriedenstellend nach.

Alle Studien, die die HSCL-25 anwandten bemerken, dass die Prävalenzangaben aufgrund des cutoff-scores von 1,75 nicht mit Angststörungs- und Depressionsdiagnosen gleichzusetzen sind und dieser womöglich angepasst werden müsste.

Dennoch wurde in keiner der hier zitierten Studien eine eigene Validierung der Instrumente berichtet. Im Falle der HSCL-25 und des HTQ wurde lediglich auf die in Amerika nachgewiesene Validität dieser Instrumente für Flüchtlinge aus dem indochinesischen Raum verwiesen. Es kann jedoch nicht ohne weiteres von der Gültigkeit eines Untersuchungsinstruments für Flüchtlingspopulationen in industrialisierten Ländern auf die Gültigkeit dieses Instruments für Flüchtlinge in Entwicklungsländern geschlossen werden, da sich diese in nicht vergleichbaren Umfeldern befinden.

Studie Jahr Stichprobe Herkunft Exil Selektion Verfahren Validität / Reliabilität PTBS Major Depression

Sudan Uganda Mehrstufige Auswahl, teilweise zufällig;

Interview (Demographie /

Ereignisfragebogen / PDS1); Nicht erwähnt;

48% der HSCL-252 (Angst und HSCL-Depression cutoff-score

≥1,75) / HTQ3));

HSCL-25 und HTQ in Indochinesischer Population Amerikas von Mollica (1987,1992) als valide und reliabel befunden;

Innere Konsistenzen: HSCL-25 (α=0,83 für Angstskala bzw. α=0,79 für Depressionsskala) / HTQ (α=0,86) in dieser Studie;

20% der ehemals und physische Gesundheit / Fragen zu PTBS Kriterien nach DSM-III-R / HSCL-252 (Angst und HSCL-Depression cutoff-score

≥1,75));

Keine Validierung erwähnt;

Innere Konsistenzen von HSCL-25 (α=0,87 für Angstskala bzw. α=0,87 für Depressionsskala) / DSM-III-R PTBS-Items (α=0,88);

Mollica 1993 993 Flüchtlinge; Kambodscha Thailand HSCL-252 (HSCL-Angst und HSCL-Depression cutoff-score ≥1,75));

Indochinesische Versionen des HSCL-25 und des HTQ wurden in Amerika validiert (Mollica, 1987 und 1992);

15% 55%

1PDS = Posttraumatic Stress Diagnostic Scale, 2HSCL-25 = Hopkins Symptom Checklist-25, 3HTQ = Harvard Trauma Questionnaire, 4MOS = Medical Outcomes Study Tabelle 02: Epidemiologische Untersuchungen in Nachbarländern von Krisengebieten