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IV. Problematik der Entgeltlichkeit

2. Entgeltlichkeit im Erbrecht

Auf dem Gebiet des Erbrechts hingegen hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zur unbenannten Zuwendung deutlich zugunsten der Schutzinteressen von Vertragser-ben und Pflichtteilsberechtigten entwickelt.

276 BGHZ 116, 167 ff., 173, mit Verweis auf Jaeger, DNotZ 1991, 431 ff., 436, Fn. 27.

277 Mühl/ Teichmann in Soergel, § 516 Rdnr. 6.

278 Mühl/ Teichmann in Soergel, § 516 Rdnr. 11.

279 Mühl/ Teichmann in Soergel, § 516 Rdnr. 11 mit Verweis auf BGH, DNotZ 1993, 521 ff., 522.

280 Mühl/ Teichmann in Soergel, § 516 Rdnr. 11.

In seiner Grundsatzentscheidung vom 27. 11. 1991 hebt der IV. Senat hervor, daß seit langem Versuche zu beobachten seien, die Grenzen zu verschieben, die das Pflichtteils-recht zum Schutz von Ehe und Familie einerseits oder ein Erbvertrag andererseits der Testierfreiheit des Erblassers setzt.281 So werde auch die von der Rechtsprechung ent-wickelte Rechtsfigur der unbenannten Zuwendung als ein gangbarer Weg angesehen und genutzt, um Vermögen zum Nachteil von Vertragserben oder von Pflichtteilsbe-rechtigten „am Nachlaß vorbei“ an solche Personen weiterzuleiten, die dem Erblasser genehmer seien.282 Diese Rechtsfolge sei jedoch von den berechtigten Interessen, zu deren Wahrung die unbenannte Zuwendung genutzt werde, nicht gedeckt.283 Diese Um-stände nötigten dazu, die Fälle der unbenannten Zuwendung im Erbrecht wie eine Schenkung zu behandeln.284 Das bedeute, daß die §§ 2287, 2325 BGB nicht nur auf (echte) Schenkungen, sondern im Grundsatz auch auf unbenannte Zuwendungen an-wendbar seien.285

Der BGH betont in dieser Grundsatzentscheidung auch mit Nachdruck die besondere familienrechtliche Funktion der unbenannten Zuwendung, indem er angibt, diese habe sich zu einer eigenen Rechtsfigur verselbständigt, mit deren Hilfe Streitigkeiten ent-schieden werden, in denen es um die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen unter Ehegatten gehe, nachdem die Ehe gescheitert sei.286 Auch in dieser Hervorhebung der speziell familienrechtlichen Bedeutung des Instituts liegt eine Rechtfertigung seiner unterschiedlichen Beurteilung außerhalb des Familienrechts.

Um den bedrohten Schutzinteressen von Vertragserben und Pflichtteilsberechtigten ge-recht zu werden und die Gleichstellung von Schenkungen und unbenannten Zuwendun-gen auf dem Gebiet des Erbrechts dogmatisch zu untermauern, wählt die höchstrichter-liche Rechtsprechung folgenden Begründungsansatz:

281 BGHZ 116, 167 ff., 174.

282 BGHZ 116, 167 ff., 175.

283 BGHZ 116, 167 ff., 175.

284 BGHZ 116, 167 ff., 175.

285 BGHZ 116, 167 ff., 175.

286 BGHZ 116, 167 ff., 170.

Unbenannte Zuwendungen seien in der Regel objektiv unentgeltlich, im Erbrecht seien sie daher grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln:287 Unentgeltlich sei der Er-werb eines zugewendeten Gegenstandes nämlich dann, wenn er nicht rechtlich abhängig sei von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers.288 Dabei kämen als rechtliche Abhängigkeiten, welche die Unentgeltlichkeit ausschließen und Entgelt-lichkeit begründen könnten, Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Ver-trages als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechts-zwecks in Betracht.289 Mit dem Festhalten an dieser Definition will der BGH zugleich einer möglichen Aufweichung des vorwiegend ökonomischen Begriffs der Unentgelt-lichkeit entgegentreten.290 Dieser Definition entsprechende Gegenleistungen lägen aber bei einer unbenannten Zuwendung in der Ehe in der Regel nicht vor.291 Die Ehe selbst gebe nämlich im allgemeinen keinen Anspruch auf derartige Vermögensverschiebun-gen; dies gelte sowohl für den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (...) als auch für die Fälle der Gütertrennung und der Gütergemeinschaft.292

Aus der ausgeführten Argumentation zieht der BGH das Resümee, daß bei unbenannten Zuwendungen mangels objektiver Entgeltlichkeit im Regelfalle eine unentgeltliche Lei-stung vorliege. Zur weiteren Fundierung dieser Auffassung wird für die Qualifizierung der unbenannten Zuwendung als unentgeltlich und ihre Behandlung als Schenkung ein historisches Auslegungsargument ins Feld geführt:

Vor der Einführung dieser neuen Rechtsfigur sei nämlich eine Zuwendung unter Ehe-gatten im allgemeinen als Schenkung im Sinne von § 516 BGB angesehen worden und sei daher in den Anwendungsbereich der §§ 2287, 2288 Abs. II Satz 2, 2325 BGB ge-fallen.293 Das habe dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprochen, denn diesem sei die Vorstellung einer die Schenkung verdrängenden unbenannten Zuwendung nicht

287 BGHZ 116, 167 ff., 170.

288 BGHZ 116, 167 ff., 170.

289 BGHZ 116, 167 ff., 170.

290 BGHZ 116, 167 ff., 170.

291 BGHZ 116, 167 ff., 171.

292 BGHZ 116, 167 ff., 171.

293 BGHZ 116, 167 ff., 174. Als Beleg für dieses von seiten des BGH angebrachten Arguments kann auf die rechtshistorischen Ausführungen (oben S. 12-20) verwiesen werden.

geläufig gewesen.294 Nach Ansicht des BGH würde es daher den Regelungsplan des Gesetzgebers verfehlen, unbenannte Zuwendungen nur deshalb aus dem Anwendungs-bereich der genannten Vorschriften auszunehmen, weil sie aus Gründen, die lediglich im Bereich der Ehegatten liegen, in deren Innenverhältnis zueinander nicht mehr als Schenkung behandelt werden.295

Jedoch erkennt auch der BGH Ausnahmen von der regelmäßigen Unentgeltlichkeit der Ehegattenzuwendung an: So stimmt er beispielsweise einer vorangehenden Entschei-dung des IV. Senats296 zu, in welcher dieser die Annahme der Entgeltlichkeit einer Lei-stung angenommen hatte, soweit sich diese im Rahmen der, mit Rücksicht auf die Ein-kommensverhältnisse des Klägers einerseits und die Art und Dauer der geleisteten Ar-beit andererseits, angemessenen Alterssicherung halte.297 Da nämlich Ehegatten einan-der nicht nur gemäß § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 1578 Abs. 3 BGB bei Trennung und nach der Scheidung, sondern gemäß § 1360 BGB auch in intakter Ehe Vorsorgeun-terhalt für den Fall des Alters schulden298, könne es sein, daß eine unbenannte oder sogar ausdrücklich zur Alterssicherung bestimmte Zuwendung einem solchen Anspruch ob-jektiv entspreche.299 Es liege auf der Hand, daß es sich in einem solchen Fall im Umfang des begründeten Unterhaltsanspruchs nicht um eine Schenkung handeln könne. Dem-entsprechend könne auch eine unbenannte Zuwendung, durch welche langjährige Dien-ste nachträglich vergütet werden, die ein Ehegatte dem anderen vor und nach der Ehe-schließung geleistet habe, im Rahmen des objektiv Angemessenen als entgeltlich anzu-sehen sein.300

Es zeigt sich also zusammenfassend, daß nach Auffassung des BGH unbenannte Zu-wendungen im Erbrecht grundsätzlich Schenkungen gleichgestellt werden müssen, so-weit ihnen nicht eine konkrete auch objektiv meßbare Gegenleistung gegenübersteht, die dem Zuwendungsempfänger einen Anspruch auf die Zuwendung einräumt. Damit

294 BGHZ 116, 167 ff., 174.

295 BGHZ 116, 167 ff., 174.

296 BGH, JR 1972, 244 ff., 244 mit Verweis auf BGH, NJW 1966, 542.

297 BGHZ 116, 167 ff., 173.

298 Hier verweist der BGH auf BGHZ 32, 246 ff., 248 f.; BGHZ 74, 38 ff., 46; BGH, NJW 87, 3131 f.

299 BGHZ 116, 167 ff., 173.

300 BGHZ 116, 167 ff., 173 mit Verweis auf BGH, FamRZ 1989, 732 ff. u. BGH, NJW 1990, 703 f.

ist klargestellt, daß der BGH die Frage, ob dem Vermögen des Zuwendenden für die Leistung ein kompensierender Gegenwert zugeführt wurde, der er im Innenverhältnis der Ehegatten keinerlei Bedeutung beimißt301, im Zusammenhang mit der Konsistenz gegenüber erbrechtlichen Schutzvorschriften sehr wohl für entscheidend wichtig erach-tet. Worin im einzelnen eine anspruchsbegründende Gegenleistung gesehen werden kann, soll erst später anhand einer fallgruppenorientierten Darstellung eingehend erör-tert werden.302