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IV. Problematik der Entgeltlichkeit

4. Entgeltlichkeit im Anfechtungsrecht

Zur Beurteilung der unbenannten Zuwendung auf dem Gebiet des Anfechtungsrechts als entgeltlich beziehungsweise unentgeltlich bedarf es einer genaueren Untersuchung des insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs.

In seiner Entscheidung vom 15. 4. 1964 nahm der BGH noch an, daß eine unentgeltli-che Zuwendung nicht vorliege, wenn der spätere Gemeinschuldner für seine Leistung etwas erhalte, was ein Ausgleich für seine Leistung sei, oder jedenfalls nach dem Willen der Beteiligten sein solle.327 Die bedeutsame subjektive Komponente dieses Entgeltlich-keitsverständnisses bestätigte er auch später noch einmal, indem er ausführte, daß sich die Frage der Entgeltlichkeit anerkanntermaßen neben der objektiven Gestaltung we-sentlich danach richte, inwieweit die Beteiligten - im Rahmen eines angemessenen Be-wertungsspielraumes - den Gegenwert als Entgelt ansähen, wie sie also Leistung und Gegenleistung bewerteten.328

326 BFHE 173, 432 ff., 432.

327 BGHZ 41, 298 ff., 300.

328 BGHZ 71, 61 ff., 66 mit Verweis auf BGH, WM 71, 1435, 1436. Selbst in dieser Entscheidung, in der den subjektiven Wertvorstellungen der Vertragsparteien hinsichtlich der Frage der Unentgelt-lichkeit offensichtlich noch eine entscheidende Bedeutung beigemessen wurde, hat der BGH aller-dings die Entgeltlichkeit einer unbenannte Zuwendung im Ergebnis abgelehnt: Hier erkannte er näm-lich zwar an, daß die Frage der Entgeltnäm-lichkeit sich neben der objektiven Gestaltung wesentnäm-lich da-nach richte, inwieweit die Beteiligten im Rahmen des angemessenen Bewertungsspielraumes den

Diesem subjektiven Entgeltlichkeitsverständnis tritt der BGH in seiner Entscheidung vom 28. 2. 1991 grundlegend entgegen: Entscheidend für die Annahme der Entgeltlich-keit oder UnentgeltlichEntgeltlich-keit im Sinne der Anfechtungsvorschriften sei entgegen seinen früheren Aussagen allein, ob aufgrund oder wegen der Verfügung des Schuldners als Gegenleistung dafür ein nach dem objektiven Sachverhalt zu beurteilender Gegenwert in sein Vermögen gelangt sei.329 Das ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der

§§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AnfG.330

Anfechtbar seien nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht nur Schenkungen, die nach § 516 I BGB eine Einigung über die Unentgeltlichkeit voraussetzen, sondern gerade auch sonstige unentgeltliche Verfügungen, bei denen eine Einigung über die Unentgeltlich-keit nicht vorliege.331

Gegenwert als Entgelt bewerteten. In dem zur Entscheidung vorgelegten Falle war er jedoch der Auffassung, es könne davon, daß die Parteien ihre beiderseitigen Beiträge zum Hausbau subjektiv höher bewertet hätten, als sie objektiv wert gewesen seien, keine Rede sein. Es sei ihnen nämlich darum gegangen, durch „erhöhte“ Zuwendungen des Gemeinschuldners der Beklagten einen Aus-gleich dafür zu schaffen, daß ihre Erwerbsmöglichkeiten durch die Ehe auf den Haushalt beschränkt gewesen seien. Der Gemeinschuldner habe folglich der Beklagten etwas zuwenden wollen, was über ihre, zum Hausbau objektiv erbrachte Leistung hinausgegangen sei. Eine Unentgeltlichkeit dieser Erhöhungen im Sinne von § 32 KO ließe sich jedoch nach Ansicht des BGH nur annehmen, wenn der Gemeinschuldner zu dem Ausgleich verpflichtet gewesen wäre oder wenigstens eine solche Ver-pflichtung angenommen hätte.

329 BGHZ 113, 393 ff., 396.

330 BGHZ 113, 393 ff., 396. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AnfG wurden durch das neue Anfechtungsgesetz von 1999 geändert. Die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Zuwendungen wurde nunmehr in § 4 Abs. 1 und 2 niedergelegt und entspricht nach ihrem Inhalt der Neuregelung des § 134 InsO für den Bereich der Insolvenzanfechtung. Vgl. Hess/ Weis, das neue Anfechtungsrecht, Rdnr. 917. Materiell hat sich die Vorschrift dahingehend verändert, daß unentgeltliche Verfügungen an Ehegatten denen an son-stige Dritte gleichgestellt wurden (nur bei entgeltlichen Rechtsgeschäften besteht noch die Unter-scheidung zwischen „nahestehenden Personen im Sinne von § 138 InsO und Dritten, vgl. § 3 Abs. 2 AnfG 1999). Deutlich verschärft wurde die Vorschrift hinsichtlich der Anfechtungsfrist, die nun-mehr anstelle von zwei Jahren auf vier Jahre verdoppelt wurde. Dies entspricht der Zielsetzung des neuen Anfechtungsrechts, der Massearmut der Verfahren entgegenzuwirken, indem durch eine Ver-schärfung des Anfechtungsrechts Vermögensverschiebungen im Vorfeld der Insolvenz vermindert werden sollen. Ferner wurde durch die Reform das Anfechtungsrecht innerhalb (Regelungsbereich der InsO) und außerhalb (Regelungsbereich des AnfG) der Insolvenz umfassend neu geregelt und diese Rechtsmaterien erstmals aufeinander abgestimmt, vgl. Hess/ Weis, Das neue Anfechtungs-recht, S. V.

Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AnfG332 verfolge ebenso wie § 32 KO333 den Zweck, die Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners innerhalb bestimmter Zeiträume zu schützen; das Interesse des unentgeltlich Begünstigten, das Empfangene zu behalten, solle dem Recht des Gläubigers auf Befriedigung seiner vollstreckbaren Forderung weichen.334

Der dargestellte Zweck gebietet nach Ansicht des BGH eine weite Auslegung des Be-griffs der Unentgeltlichkeit.335 Aus diesem Grunde dürften nicht die subjektiven Vorstel-lungen und Absichten des Schuldners und seines Vertragspartners entscheidend sein, selbst wenn diese ausdrücklich erklärt worden seien, sondern die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers. Ande-renfalls könnten die Beteiligten allein dadurch, daß sie einer für den Schuldner objektiv wertlosen Leistung in ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen einen subjektiven Wert beimessen, den Zweck des Gesetzes vereiteln.336

Aus dieser anfechtungsrechtlichen Grundsatzentscheidung des BGH ergibt sich ein streng objektiv zu verstehender Unentgeltlichkeitsbegriff im Rahmen des Anfechtungs-rechts. Entscheidend kommt es der Rechtsprechung hier darauf an, ob das Vermögen des Schuldners durch eine Zuwendung gemindert wurde, weil keine die Vermögenshin-gabe ausgleichende Gegenleistung erbracht wurde.

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß unbenannte Zuwendungen gegenüber an-fechtungs- und insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften nur dann von der Rechtsprechung als entgeltlich anerkannt werden, wenn ihnen eine objektiv meßbare, wenigstens annähernd materiell gleichwertige Gegenleistung zugrundeliegt. Aus den

331 BGHZ 113, 393 ff., 396 mit Verweis auf BGHZ 71, 61 ff., 69.

332 Entspricht dem Regelungsbereich des heutigen § 4 Abs. 1 und 2 AnfG 1999, vgl. oben Fn. 330.

333 Dem Regelungsbereich des § 32 KO entspricht seit der Anfechtungsrechtsreform der § 134 InsO. Im Unterschied zu § 32 KO wird in § 134 InsO nicht mehr zwischen Ehegatten und Dritten unterschie-den, der Umstand der engen Verwandtschaft wirkt sich nur noch im Rahmen entgeltlicher Verfü-gungen unter einander Nahestehenden aus (vgl. § 133 Abs. 2 InsO i. V. m. § 138 InsO). Die Anfech-tungsfrist wurde ebenso wie im Anfechtungsrecht von zwei Jahren auf vier Jahre angehoben, vgl.

schon oben, Fn. 330.

334 BGHZ 113, 393 ff., 396.

335 BGHZ 113, 393 ff., 396 mit Verweis auf WM 1975, 1182, 1184.

Ausführungen des BGH wird deutlich, daß bei einer unbenannten Zuwendung grund-sätzlich davon auszugehen ist, daß diese unentgeltlich im anfechtungsrechtlichen Sinne dieses Begriffs erfolgte und daher von den Gläubigern des zuwendenden Ehegatten in-nerhalb der Anfechtungsfristen und unter den Anfechtungsvoraussetzungen für unent-geltliche Verfügungen (§ 4 Abs. 1 AnfG und § 134 I InsO) angefochten werden kann.

Wann im Einzelfall trotz dieses engen Entgeltlichkeitsverständnisses auch unbenannte Zuwendungen als entgeltlich anzusehen sind, ist im folgenden anhand von Fallgruppen zu untersuchen.337

C. „Unbenannte“ Zuwendungen aus Sicht der Literatur

Die bisherigen Ausführungen haben sich aufgrund des vertragsgestaltenden Schwer-punktes der vorliegenden Arbeit auf die hierfür maßgebliche Einordnung des Instituts der unbenannten Zuwendung durch die Rechtsprechung beschränkt. Um die einführende Darstellung des Instituts abzurunden, soll nunmehr aber auch ein Abriß des Meinungs-standes in der Literatur gegeben werden, wobei sich die Ausführungen hier auf die we-sentlichen Kritikpunkte beschränken.338