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Der Einzelhandel sammelt permanent und fleißig Daten. Ob es sich dabei um Marketing, Sortimentsgestaltung, Einkauf, Logistik, Zahlungsverfahren oder Inkasso handelt, alles ist für den Handel wichtig. Je mehr Wissen und Information über das unbekannte Wesen „Kunde“ verfügbar ist, desto effizienter lassen sich die Geschäftsprozesse steuern und Absätze steigern. Der Informationsvorsprung wird zum Wettbewerbsvorteil, intelligentes Datenmanagement wird der Erfolgsfaktor für Handelsunternehmen.305 Eine absolut effiziente Lösung, den Informationsvorsprung auszubauen, ist der Einsatz der RFID-Technologie. Die Frage aber ist, ob der Kunde das auch will. Wie beurteilt der Konsument neue Anwendungen, die durch den Einsatz von RFID im Lebensmitteleinzelhandel möglich werden? Welche Ängste verbindet der Käufer mit der RFID-Technologie?

304 vgl. Gritsch [RFID im Einzelhandel 2006], S. 85

305 vgl. Bender [Den Kunden erkennen 2006], S.20

6.1.1 Verbraucherängste durch RFID

Durch die RFID-Technologie ist es möglich, das Kundenverhalten der Konsumenten zu analysieren.306 Sarah Spiekermann vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Humboldt-Universität in Berlin hat eine Studie durchgeführt, in der sie die Ängste der Verbraucher in Bezug auf RFID analysiert hat. Die Kunden fürchten vor allem Bewegungs- und Kundenprofile.

6.1.1.1 Kundenprofile

Es können personenbezogene Daten, beispielsweise von Kundenkarten, mit den weltweit eindeutigen Seriennummern der gekauften Produkte verknüpft werden und ohne Einwilligung des Konsumenten dazu benützt werden, Konsumentenprofile zu erstellen. Aber wenn man sich die heutige Praxis näher betrachtet, so ist durch die Nutzung von Scannerdaten und den Einsatz von Kundenkarten die Erstellung von Profilen mit Einverständnis des Kunden bereits an der Tagesordnung. Außerdem befürchten Verbraucherschützer vor allem, dass Personen ohne ihr Wissen von versteckten Lesegeräten ausspioniert und über die in den Datenbanken gespeicherten Informationen identifiziert werden könnten. Diesem Thema hat sich auch die Organisation EPCglobal angenommen. Sie fordert von den Herstellern und Händlern, dass sie die Konsumenten über die Kennzeichnung eines Produktes mit einem Transponder informieren und ihnen überdies auch die Wahlmöglichkeit geben sollten, was mit dem Transponder nach dem Kauf geschehen soll, beispielsweise eine Deaktivierung. Weiters wird gefordert, dass dem Verbraucher leicht zugängliche Informationen über RFID zur Verfügung gestellt werden, und überdies die im Zusammenhang mit RFID entstandenen Daten unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu speichern und weiterzuverarbeiten.307

6.1.1.2 Bewegungsprofile

Befürchtet wird auch, dass Bewegungsprofile des Kunden erstellt werden. Der Aufenthaltsort der Kunden, dessen Waren mit angebrachten RFID-Tags ausgestattet

306 vgl. Buser [Context-Based Recommender Systems in Conventional Grocery 2007], S. 168

307 vgl. Kaapke, Bald [Marketingpotenziale von RFID im Konsumgütereinzelhandel 2005], S. 48

sind, kann so geortet werden. Die Zuordnung kann beim Kauf durch eine Kundenkarte oder ein elektronisches Zahlungsmittel erfolgen.308 Ein vorstellbarer Ablauf wäre folgender: Wenn ein Kunde beispielsweise eine Jeans mit eingearbeitetem RFID-Chip trägt, kann er oder sie bereits beim Betreten des Supermarktes identifiziert werden. Dem Kunden können dann auf Monitoren anhand seines Profils individuelle Angebote gemacht werden, während er oder sie durch den Markt geht.309 Die folgende Abbildung zeigt die möglichen Verletzungen der Privatsphäre durch den RFID-Einsatz.

Abbildung 33: Bedrohungen für den Kunden310

Außerdem haben Konsumenten Angst, sie könnten identifiziert werden, sobald sie etwas weggeworfen haben und so möglicherweise in kriminelle Handlungen verstrickt werden. Sie möchten sich auch nicht permanent Fehlverhalten signalisieren lassen, wenn z.B. die Mülltonne lautstark mahnt, dass eine Batterie in ihr gelandet ist. Und weiters sorgen sie sich darum, dass Nachbarn, Diebe oder Hacker die Technologie missbrauchen.311 Eine weitere Angst, die der Kunde erkennen lässt ist, durch Unsichtbarkeit und Unbemerkbarkeit der Technologie keine Kontrolle mehr darüber zu haben, was mit den eigenen Objekten passiert bzw. wann

308 vgl. Safai [RFID und Datenschutz 2006], S. 134

309 vgl. Winterbauer [Persönlicher denn je 2005], S. 62

310 Quelle: Safai [RFID und Datenschutz 2006], S. 134

311 vgl. Lütge [Die Allesscanner 2005], S. 4

und ob man ausgelesen wird oder es werden kann.312 Dass diese Ängste nicht unbegründet sind, zeigt der nächste Punkt.

6.1.2 Negativbeispiele durch den RFID-Einsatz

6.1.2.1 Preisdiskriminierung

Wenn eine alleinerziehende Mutter mit niedrigem Einkommen und ohne Auto im Supermarkt um die Ecke einkauft, kann man einen höheren Preis verlangen als beispielsweise ein Single mit Auto und höherem Einkommen, der in Einkaufszentren außerhalb der Stadt einkauft. Wenn die persönlichen Kundenverhältnisse bekannt sind, weiß man auch, dass diese Mutter nicht genügend Zeit hat, um ihre Einkäufe in der Stadt zu erledigen, und verlangt so einfach einen höheren Preis.313

6.1.2.2 Bußgeldbescheid

Ein bekanntes Beispiel ist, dass der Kunde einen Bußgeldbescheid erhält, weil im öffentlichen Stadtpark die Verpackung eines Lebensmittels, das er zuvor in einem Supermarkt gekauft hatte, gefunden wurde. Möglicherweise aber hat er dieses Produkt vorher an ein Kind verschenkt, da es sich z.B. um einen Schokoriegel handelt und Kinder Schokolade sicher gern mögen. Dieser Aspekt spielt aber bei der Sanktionierung keine Rolle mehr.314

6.1.2.3 Lückenlose Erfassung des individuellen Handelns

Wenn ein Konsument beispielsweise ein Kleidungsstück trägt, in dem sich ein integrierter RFID-Chip befindet, dann kann dieses Kleidungsstück, beispielsweise eine Jeans oder eine Jacke, mit der Person identifiziert werden. Das führt dann dazu,

312 vgl. Berthold, Günther, Spiekermann [RFID: Verbraucherängste und Verbraucherschutz o.J.], S. 4., URL:

http://www.taucis.hu-berlin.de/_download/rfid.pdf, 14.08.2008

313 vgl. o.V. [Bedenken und Kritik, o.J.], o.S., URL: http://www.rfid-basis.de/bedenken_und_kritik.html, 25.08.2008

314 vgl. o.V. [Bedenken und Kritik, o.J.], o.S., URL: http://www.rfid-basis.de/bedenken_und_kritik.html, 25.08.2008

dass alle Handlungen dieser Person nachvollzogen und verfolgt werden können, ohne dass es einer ausdrücklichen Zustimmung dieser Person bedarf.315

Diese einige wenige ausgewählten Beispiele zeigen die Gefahren, die sich durch RFID ergeben können. Umso wichtiger ist es in dem Zusammenhang die Akzeptanz der Konsumenten in Bezug auf die Technologie zu analysieren.316