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Zwischen unveröffentlichten Gedichten, Briefen und Tagebüchern, die etwas angestaubt und unsortiert in einem Tel Aviver Wohnzimmer in einer Kommode liegen, befindet sich auch ein maschinengeschriebener, einseitiger Text mit dem Titel Ich spreche ungern über mich. Es ist ein Text aus dem Nachlass von Netti Boleslav, einer mittlerweile verstorbenen deutschsprachigen Schriftstellerin Israels. Auf dieser Seite bringt die Schriftstellerin die zermürbende Situation, in der sie sich wie die anderen deutschsprachigen Autor_innen Israels befand, in zwei Sätzen auf den Punkt. Sie schreibt: „Ich dichte in die wüste Zeit. Mein literarisches Feld ist auf einsamer Erde“1.

Die Sätze verweisen auf die katastrophale Zeit, in der diese Schriftsteller_innen lebten und schrieben – auf die Shoah, den Zweiten Weltkrieg, die erzwungenen Migrationen, auf die damit verbundenen Erschütterungen sicher geglaubter Grundsätze, aber auch auf die prekären politischen Zustände und Lebensbedingungen im Nahen Osten. Ebenso beziehen sie sich auf die Umstände der Produktion und (Nicht-)Rezeption der deutschsprachigen Literatur Israels und kennzeichnen den Ort dieser Literatur als einen einsamen, der in keinem Narrativ auftaucht. Die deutschsprachige Literatur Israels war sowohl in den deutschsprachigen Ländern als auch in Israel der Nichtbeachtung ausgesetzt. In Israel fanden sich die Jeckes2 marginalisiert wieder – aufgrund ihrer deutschen Sprache als Sprache der Täter, aber auch aufgrund des Vorwurfes von Seiten des Jischuws3, sie seien weniger – um einen zur Zeit des Nationalsozialismus in Palästina kursierenden Witz zu zitieren – „aus Zionismus“ nach Erez Israel gekommen als vielmehr „aus Deutschland“. Diese Position erschwerte die Literaturproduktion, ihre Publikation und Rezeption deutscher Sprache in Palästina/Israel. In der BRD und der DDR wiederum ging die Rezeption deutschsprachiger Literatur aus offenkundig anderen Gründen gegen Null. In der BRD wurde erst mit der langsamen Auflösung der nationalsozialistischen Kontinuitäten die Literatur des Exils und/oder jüdischer Autor_innen in den 1960er Jahren in verstärktem Maße wahrgenommen. Die Rezeption und Publikation der deutschsprachigen Literatur Israels – die Verfasser_innen wehrten sich gegen die Anwendung des Exilbegriffs auf ihre Literatur – aber blieb weiterhin aus. In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR wiederum spielte zwar die antifaschistische Literatur des Exils eine wichtige Rolle. Die deutschsprachigen jüdisch-israelischen Autor_innen, die in Palästina/Israel eine neue Heimat finden wollten, blieben aber auch hier – sieht

1 Boleslav, o.J.e

2 Zur genaueren Definition des Begriffs „Jecke“ vgl. Kapitel 3.1. über die Rolle der deutschen Sprache in Israel.

3 „Jischuw“ ist eine Bezeichnung für die jüdische Bevölkerung Palästinas vor der Staatsgründung Israels.

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man von Arnold Zweig ab, der bereits 1948 nach Ost-Berlin zurückkehrte und sich selber kaum als israelischen Autor bezeichnet hätte – unbeachtet.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, den Spuren dieser Literatur nachzugehen, sie an ihren Orten sichtbar zu machen. „Sichtbar machen“ bedeutet, ihre Artikulationen wahrzunehmen und in ihre jeweiligen Kontexte einzubetten, die Diskursfäden zurückzuverfolgen, mit denen sie sich an bestimmten Orten, in bestimmten literarischen und politischen Traditionen, zu bestimmten Zeiten und zu verschiedenen Themen und Ideen verbindet. Es bedeutet, die Positionen der Literatur in den jeweiligen politischen, kulturellen und literarischen Feldern zu beleuchten.

Wenn die Literatur deutschsprachiger Schriftsteller_innen Israels bisher, selten genug, Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden ist, so stehen diese für gewöhnlich unter kulturwissenschaftlichen Vorzeichen. Persönliche Erfahrungen, politische Überzeugungen und die Schreibbedingungen der Autorinnen und Autoren Israels dominieren die Analyse. Die Texte selber stehen kaum im Fokus. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass den Texten nicht selten eine mindere literarische Qualität zugesprochen wird. Der deutsche Literaturwissenschaftler Klaus Müller-Salget schreibt in einem Aufsatz über deutschsprachige Schriftsteller_innen in Palästina und Israel:

„Manche Autoren, die Entsetzliches erlebt haben und sich um eine literarische Bewältigung des Erlebten mühen, scheitern bei diesem Versuch, verfallen in Sprach-Klischees und pathetische Rhetorik, in Hilflosigkeiten, die nur zu verständlich sind, die beabsichtigte Wirkung aber konterkarieren. Dass es einem Autor nicht gelingt, ‚Auschwitz‘ in eine ‚angemessene‘ literarische Form zu bringen, ist fast selbstverständlich und jedenfalls nichts, was ein Literaturwissenschaftler, und gar ein deutscher, als Vorwurf formulieren könnte.“4

Zwar spricht Müller-Salget nur über „manche“ der Schriftsteller_innen. Doch er legt nahe – wie auch Aufsätze von Margarita Pazi und Alice Schwarz-Gardos – das Bild einer mittelmäßigen Literatur auf alle der im Verband deutschsprachiger Schriftsteller Israels5 organisierten Autor_innen zu übertragen.

Dies wird vor allem in der geforderten Konsequenz dieser Feststellung sichtbar. So schlägt Margarita Pazi als Vorsitzende des Verbandes deutschsprachiger Schriftsteller Israels eine Bewertung der Literatur nach mehrerlei Maß vor:

„Sicherlich weist die deutschsprachige Lyrik und Prosa in Israel Schwächen und Mängel auf, aber wenn ihre Autoren, aus offensichtlichen Gründen, sowohl wegen der seelischen wie praktischen Umstände, denen sie unterworfen waren, wie auch in der Folge ihrer langen Isoliertheit von den Strömungen der deutschen Kultur- und Literaturentwicklung keine hervorragenden Erfolge verzeichnen konnten – in dem Wechsel und Wandel der literarischen Bewegungen in deutscher Sprache kann ihr Werk nicht allein nach literarischen Maßstäben gemessen werden.“6

4 Müller-Salget, 1986, S. 249

5 Hierzu mehr unter Kapitel 3.2.

6 Pazi, 1981a, S. XX. Auch Müller-Salget schließt sich dieser Annahme an: „Man wird – darauf hat Margarita Pazi schon 1981 in der Einführung zu ihrer Anthologie hingewiesen – nicht umhinkönnen, hier mit mindestens zwei Urteilsmaßstäben zu arbeiten. Die von Theodor W. Adorno formulierte Doppelexistenz des Kunstwerks als ‚fait

Fokus Lyrik

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Zusammenfassend kommt Bernadette Rieder 2008 zu folgender Beurteilung der bisherigen literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit der deutschsprachigen Literatur Israels:

„Die[se] Leseanleitung Pazis scheint eine Art Richtschnur auch für die Forschung geworden zu sein:

Editionen, Autorenportraits und der Darstellung der historischen und der Lebenssituation wird der Vorzug gegeben; Interpretationen gibt es, wenn man von der umfassenden Beschäftigung der Forschung mit den wenigen bekannten AutorInnen absieht, kaum. Das 'Phänomen' interessiert aus literatursoziologischen Gründen, nicht wegen der Qualität oder Eigenart der Texte.“7

Rieders eigentliche Untersuchung bezieht sich trotz dieser Beobachtung schließlich ebenfalls auf autobiografische Texte und nimmt eine Untersuchung aus einer kulturwissenschaftlich geprägten Perspektive vor. Ein genauerer Blick auf die Literatur der deutschsprachigen Schriftsteller_innen Israels lässt aber die Frage aufkommen, ob eine solche Verallgemeinerung von dieser Literatur als solcher minderer Qualität angemessen ist.

Der Frage nach der Qualität der Texte entgegne ich zweierlei. Zum einen werfe ich mit meinem Fokus auf bestimmte Autor_innen sowie auf das Genre der Lyrik die Frage auf, ob die eher abwertende Haltung gegenüber der deutschsprachigen Literatur Israels gerechtfertigt ist – unter der Heranziehung von gesellschaftlich mehr oder weniger konsensualen Qualitätsmaßstäben. Zum anderen begreife ich das Konzept der Qualität von Literatur als Konstruktion, die in ihrem jeweiligen Feld bestimmte Funktionen erfüllt und demnach nicht objektivierbar ist. So möchte ich die Texte vor allem sichtbar und analysierbar machen und die Entscheidung über die literarische Qualität den jeweiligen Leser_innen überlassen, anstatt selber eine Bewertung vorzunehmen. Vielmehr geht es mir in dieser Arbeit um einen Zugang zu den Texten, der ihre Entstehung, ihre Artikulationen, ihre Eingewobenheit in unterschiedliche Diskurse zu unterschiedlichen Zeiten sichtbar macht.

1.1 Fokus Lyrik

Das Korpus der vorliegenden Arbeit ist auf Lyrik beschränkt. Dies hat vor allem den Grund, dass – so wenig es angebracht ist, die deutschsprachige Literatur Israels als eine homogener Formen und Inhalte zu betrachten – ein Spezifikum dieser Literatur ins Auge fällt: Es überwiegen kurze literarische Formen, also Kurzgeschichten, Kurzprosa, Lyrik. Meines Erachtens ist die Genrefrage – welche Genres werden bevorzugt und in welchen Ausprägungen umgesetzt – nicht von der gesellschaftspolitischen Situation, in der die Autor_innen schrieben, zu trennen.

1973 stellt Alice Schwarz noch fest, dass gerade in der Lyrik „ein Schriftdeutsch konserviert werde, das wie die Mücke im Bernstein über Jahrzehnte hin unversehrt blieb“8. Zehn Jahre später bestätigt Schwarz-Gardos zwar erneut die relative Traditionsgebundenheit der deutschsprachigen Literatur im Allgemeinen: „Deutschsprachige israelische Schriftsteller, die es wagen, in dem alten Idiom neue,

social‘ und als autonomes Gebilde tritt hier in besonders problematischer Weise zutage.“ (Müller-Salget, 1986, S. 249f.)

7 Rieder, 2008, S. 38

8 Schwarz, 1973, S. 554

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moderne Töne anzuschlagen, stoßen oft auf wenig Verständnis.“9 Allerdings betont Schwarz-Gardos auch, dass im Gegensatz zum Roman „in der lyrischen und Prosa-Kurzform […] in Israel einiges Bedeutende auch und gerade in deutscher Sprache gelungen“ 10 sei. Den Rückzug der Schriftsteller_innen auf die kurzen Formen wie Lyrik und Aphorismen erklärt sich Schwarz-Gardos unter anderem mit der „Ungeduld des Unsicheren“:

„[…] beide [Formen, Anm. J.P.] ermöglichen es, gleichzeitig sehr persönlich und doch unverbindlich zu sprechen und zu wirken, beides entspricht dem kurzen Atem und der Ungeduld des Unsicheren, sprachlich Unbehausten, seines Echos im eigenen Lande Entbehrenden, nach Händen jenseits der Grenzen Tastenden."11

Ein Blick in die Lyrikbände der deutschsprachigen Autor_innen Israels bestätigt diese These. Gerade in den kurzen Formen scheint es den Schriftsteller_innen am ehesten gelungen zu sein, ästhetische und sprachliche Entwicklungen jenseits einer bernsteinartigen Sprache zu produzieren.

Problematisierungen von Subjekt und Ich-Identität finden hier auch Ausdruck in der literarischen Form. Eine Ausnahme zum Überwiegen von Lyrik stellt hierbei Jenny Aloni dar, wie auch Alice Schwarz-Gardos ausführt:

„Der große deutsche Roman über Israel ist bisher noch nicht geschrieben worden. […] Zu den wenigen Ausnahmen gehört Jenny Aloni, die vor allem in ihrem ersten Roman ‚Zypressen zerbrechen nicht‘, die Anklage gegen die Unwirtlichkeit der abweisenden neuen Heimat nicht scheute."12

Nichtsdestotrotz kann die Lyrik als die Form der Zeiten und der Orte, in denen sich die deutschsprachigen Schriftsteller_innen bewegten und bewegen, verstanden werden.

Dementsprechend habe ich diejenigen Autor_innen für das mögliche Korpus ausgewählt, die auch oder in erster Linie Lyrik verfasst haben.

1.2 Auswahl der Schriftsteller_innen

Im Verband deutschsprachiger Schriftsteller Israels waren im Laufe seiner Existenz 95 Autorinnen und Autoren organisiert. Von diesen habe ich im ersten Schritt diejenigen ausgewählt, deren Lyrik in einer eigenständigen Publikation jenseits der Anthologien veröffentlicht wurde. Da ich die Lyrik in einer Kombination aus literatur- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen analysiere, sind des Weiteren biografische Gemeinsamkeiten zur Vergleichbarkeit notwendig. Entscheidend für die Vergleichbarkeit ist mir nicht nur der Zeitpunkt der Emigration, sondern auch der Zeitpunkt der Immigration nach Palästina. Die ausgewählten Schriftsteller_innen sollten mit der Fünften Alija nach Palästina gekommen sein, also im Zeitraum zwischen 1933 und 1939 und noch vor der Phase der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, der Shoah. Der Fokus soll zudem auf der jüngeren

9 Schwarz-Gardos, 1983a, S. 13

10 Ebd., S. 15

11 Schwarz, 1976, S. 304

12 Schwarz-Gardos, 1983a, S. 14

Forschungsüberblick

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Generation der Fünften Alija liegen, also auf denjenigen, die zum Zeitpunkt der Immigration noch jugendlich oder junge Erwachsene waren, gleichzeitig aber Emigration und Immigration schon bewusst miterlebten. Darüber hinaus sollen die Autorinnen und Autoren auch nach 1945 in Palästina und nach 1948 in Israel geblieben sein. So haben sie das Erleben der Deutschsprachigkeit und des deutschsprachigen Schreibens in Israel gemeinsam.

Da ich meine Untersuchung auf Lyrik konzentriere, fallen Verfasser_innen von Prosa und Dramen aus dem möglichen Korpus. Folgende, aus dem Korpus der 95 aufgelisteten Mitglieder des Verbandes erfüllen die ausgeführten Auswahlkriterien:

Jenny Aloni (*1913), Hanna Blitzer (*1915), Netti Boleslav (*1923), Arie Efrat (*1918), Benno Fruchtmann (*1913), Miriam Michaelis (*1908), Lilit Pavel (*1912), Carl Stern (*1918). In Bezugnahme auf die oben aufgeworfene Qualitätsfrage habe ich diejenigen Autor_innen ausgewählt, die eigenständige Lyrikbände auch jenseits der zwei explizit auf die Schriftsteller_innen des Verbandes ausgerichteten Verlage – der Verlage Boesche und Bleicher – veröffentlicht haben. Dies sind Jenny Aloni, Netti Boleslav und Benno Fruchtmann. Benno Fruchtmann allerdings schrieb in erster Linie Kurzprosa und Kurzgeschichten; die Anzahl seiner Gedichte ist sehr gering, so dass ich mich in dieser Arbeit auf Jenny Aloni und Netti Boleslav konzentriere. Andere deutschsprachige Schriftsteller_innen werden am Rande miteinbezogen.

1.3 Forschungsüberblick

Die Grundlage für die Erforschung der deutschsprachigen Literatur Israels stellen die in der Folge der Gründung des Verbandes deutschsprachiger Schriftsteller Israels sowie der Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger Schriftsteller und Journalisten herausgegebenen Anthologien dar. Mit ihnen ist die Literatur der Autor_innen überhaupt erst einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Anthologien sind jeweils mit einem Vorwort oder mit Aufsätzen versehen, die das Thema deutschsprachige Literatur Israels behandeln.13 Eine weitere frühe Beachtung fand mit dem Schwerpunktthema „Literatur aus Israel in deutscher Sprache“ 1976 in der Zeitschrift Literatur und Kritik statt. 14 Knapp zehn Jahre später, in den 1980er Jahren, verstärkte sich das literaturwissenschaftliche Interesse an der deutschsprachigen Literatur Israels.15 Auf dem siebten Internationalen Germanisten-Kongress in Göttingen 1985 wurden drei Vorträge – von Sigrid Bauschinger, Klaus Müller-Salget sowie Margarita Pazi – zur deutschsprachigen Literatur Israels gehalten.16 In der Folge entstanden Aufsätze in Handbüchern, Sammelbänden und Tagungsbänden,

13 Vgl. Faerber, 1979; Schwarz-Gardos, 1983a; Schwarz-Gardos, 1984b; Pazi, 1989; Pazi, 1996b; Pazi, 1996a

14 Ebner & Henz, 1976

15 Alice Schwarz-Gardos kommentiert in ihrer Autobiografie Von Wien nach Tel Aviv das Interesse deutscher Wissenschaftler_innen: „In diesen Tagen kommen immer häufiger Germanisten und Soziologen aus der Bundesrepublik Deutschland nach Israel, um hier Ermittlungen nicht nur über deutschsprachige

„Exilschriftsteller“, sondern über die Schicksale der aus Deutschland und Österreich ausgewanderten deutschsprachigen Juden anzustellen. Das erinnert immer ein wenig an eine Art Archäologie, denn vieles ist bereits unwiederbringlich verschwunden.“ (Schwarz-Gardos, 1991, S. 167)

16 Bauschinger, 1986; Müller-Salget, 1986; Pazi, 1986

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die die deutschsprachige Literatur Israels überblicksartig behandeln. 17 Eine der wenigen Monographien zu einer Schriftstellerin im deutsch-israelischen Kontext wurde im Jahr 2000 von Brigitta Hamann zu Lola Landaus Leben und Werk herausgegeben. 2008 erschien außerdem die Dissertation von Bernadette Rieder zu Sechs Autobiographien deutschsprachiger SchriftstellerInnen in Israel18. Bio-Bibliographische Überblicke sind in einem 1980 erschienen Band Leben und Werk der deutschsprachigen Schriftsteller in Israel19 von Dov Amir zu finden sowie in dem 2005 erschienenen Überblicksband Nicht das letzte Wort20 von Tilly Zacharow-Boesche.

Jenny Aloni ist in den 1980er Jahren ins Zentrum verstärkten literaturwissenschaftlichen Interesses gerückt. Vorangetrieben wurde dies vor allem von Hartmut Steinecke und Friedrich Kienecker an der Universität Paderborn. Im Jahr 1987 erschien der von ihnen herausgegebene Band Jenny Aloni.

Ausgewählte Werke 1939-1986.21 Es folgten zwei Lesebücher: das Lesebuch „...man müßte einer späteren Generation Bericht geben“22 aus dem Jahr 1997 sowie im Jahr 2000 Ich möchte auf Dauer in keinem anderen Land leben23. Von 1990 bis 1997 sind in Folge die Gesammelten Werke Alonis erschienen24, 2005 wurden die Tagebücher25 veröffentlicht. Die Einleitung zu den Tagebüchern liefert einen umfassenden biografischen Überblick. 2013 erschien darüber hinaus der Briefwechsel zwischen Heinrich Böll und Jenny Aloni.26 Im Umfeld dieser literaturwissenschaftlichen Aufarbeitung von Seiten der Paderborner Universität entstand auch 2003 eine Dissertation von Petra Renneke zu Sprache und Metapher in der Prosa Jenny Alonis.27 Ab Mitte der 1990er Jahre beschäftigten sich auch weitere Literaturwissenschaftler_innen in einzelnen Aufsätzen mit Jenny Aloni.28

Netti Boleslav hat bisher lediglich in den oben genannten überblicksartigen Aufsätzen Erwähnung gefunden. In der Zeitschrift Medaon ist 2013 unter der Rubrik Jüdische Schriftstellerinnen – wieder entdeckt29 ein von mir verfasstes Portrait von Netti Boleslav erschienen. Seit einiger Zeit ist das Feld der deutschsprachigen Literatur Israels erneut ins Interesse jüngerer Wissenschaftler_innen gerückt.

Neben dieser Arbeit zu Jenny Aloni und Netti Boleslav entsteht auch eine Dissertation von Jan Kühne

17 Müller-Salget, 1986; Müller-Salget, 1993; Pazi, 2001; Wallas, 2002; Nieraad, 2006

18 Rieder, 2008. Darin untersucht Rieder die Autobiografien von Max Brod, Lola Landau, Max Zweig, Anna Maria Jokl, Alice Schwarz-Gardos sowie Willy Verkauf-Verlon.

19 Amir, 1980

20 Boesche-Zacharow, 2005

21 Aloni, 1987

22 Aloni, 1997a

23 Aloni, 2000b

24 Aloni, 1990-1997

25 Aloni, 2005

26 Aloni, 2013

27 Renneke, 2003

28 In dem Band Kulturtransfer im Exil erschien ein Artikel von Sabina Becker zu Akkulturation und Enkulturation bei Jenny Aloni und Ilse Losa (Becker, 1995), in dem Sammelband Exil ohne Rückkehr ein Aufsatz von Dorota Huggle zu Jenny Aloni unter dem Titel Tagebuch der Akkulturation (Huggle, 2010), Jochen Engelhorn schrieb über literarische Akkulturation in Alonis Roman Zypressen zerbrechen nicht (Engelhorn, 2010), und von Hartmut Steinecke sind weitere Aufsätze zu Leben und Werk von Jenny Aloni veröffentlicht worden (Steinecke, 1999a;

Steinecke, 1999b; Steinecke, 2000; Steinecke, 2003).

29 Poppe, 2013a

Korpus

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zu Sammy Gronemann. 30 Ebenso widmen sich Sebastian Schirrmeister und Jan Schröder verschiedenen Aspekten der deutschsprachigen Literatur Israels. Was unsere wissenschaftlichen Ansätze meines Erachtens eint, ist der eher textzentrierte Zugang zum Thema und damit auch der Versuch, der moralisch aufgeladenen Annahme, man müsse die Literatur aufgrund der Biografie der Autor_innen nach zweierlei Maß messen, eine andere Herangehensweise entgegenzusetzen.31

1.4 Korpus

Wie bereits erläutert, lege ich den Schwerpunkt meiner Untersuchung auf die Gedichte Jenny Alonis und Netti Boleslavs.

Dabei habe ich die Auswahl der zu analysierenden Gedichte aus den veröffentlichten Gedichtbänden entnommen. Nur in Ausnahmefällen – etwa zu Vergleichszwecken oder dann, wenn die Genese eines Gedichtes erläutert werden soll –, ziehe ich unveröffentlichte Gedichte aus dem Nachlass Boleslavs oder aus dem Jenny Aloni Archiv in Paderborn heran. Dies wird in diesen Fällen explizit bemerkt.

Aloni hat zeit ihres Lebens zwei Gedichtbände veröffentlicht: 1956 erschien ihr erster Gedichtband Gedichte im Aloys Henn Verlag in Ratingen.32 1980 erschien ihr zweiter Gedichtband In den schmalen Stunden der Nacht in Ganei Jehuda im Eigenverlag.33 1995 erschien der siebte Band der von Friedrich Kienecker und Hartmut Steinecke herausgegebenen Gesammelten Werke. Dieser siebte Band der Gesammelten Werke unter dem Titel Gedichte umfasst die beiden bereits erschienenen Gedichtbände sowie eine Großzahl der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Titel. In der vorliegenden Arbeit werde ich der Einfachheit halber aus diesem Band zitieren.

Von Boleslav erschienen ebenfalls zwei Gedichtbände. Ihr erster Band wurde 1965 unter dem Titel Der Weg ist tausend Schlangen weit im Verlag J.P. Peter in Rothenburg o.d.T.34 veröffentlicht. Sieben Jahre später erschien in der Delpschen Verlagsbuchhandlung ihr zweiter Gedichtband: Ein Zeichen nach uns im Sand35.

Genauere Angaben zu den literarischen Tätigkeiten und Veröffentlichungen Alonis und Boleslavs im Zusammenhang mit ihren Biografien finden sich unter Kapitel 4.1.

30 Vgl. dazu auch: Kühne, 2013

31 Die Herangehensweise Kühnes wird in seinen Publikationen sichtbar (Kühne, 2013). Auch Vorträge von Schröder und Schirrmeister stützen diese These. Diese sind noch nicht publiziert.

32 Aloni, 1956

33 Aloni, 1980

34 Boleslav, 1965

35 Boleslav, 1972

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