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Eingriffsregelung nach dem Baugesetzbuch

Im Dokument 41 04 (Seite 137-148)

B Instrumente und Methoden der kommunalen Planung

B. Die Stadtlandschaft ist geprägt durch die Art der Bebauung und die Ausstattung mit wohnungsnahen Freiräumen

12. Industrie- und Gewerbestandorte, großflächige Gleisanlagen, ehemalige militärische Anlagen: große unzugängliche Betriebsflächen mit Barrierewirkung, Ruderalisierung bei Nutzungsaufgabe, Brachen sind

2.2.3 Eingriffsregelung nach dem Baugesetzbuch

Eingriffe sind nach § 18 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbin-dung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Der Ver-ursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen (Vermeidungsgebot § 19 Abs. 1 BNatSchG) sowie unvermeidbare Beeinträchtigungen innerhalb einer bestimmten Frist vorrangig auszugleichen oder in sonstiger Weise zu kompensieren (Ersatzmaßnahmen) (§ 19 Abs. 2 BNatSchG). Damit hat die Vermei-dung von Eingriffen eindeutigen Vorrang gegenüber einem Ausgleich. Ein Eingriff ist dann vermeidbar, „wenn kein Bedarf für das mit dem Eingriff verfolgte Ziel besteht, der Eingriff das verfolgte Ziel nicht erreichen kann oder aber das mit dem Eingriff verfolgte Ziel auch auf andere, naturschonendere Weise erreicht werden kann.“ (Franz 2000, S. 355)

Zu Eingriffen gehören eingeschränkt auch bauliche Maßnahmen, wie sie im Rahmen der Innenentwicklung durchgeführt werden. Für solche Eingriffe in Natur und Land-schaft, die aufgrund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bau-leitplänen oder Ergänzungssatzungen zu erwarten sind, ist über Vermeidung, Aus-gleich und Ersatz nach den Vorschriften des BauGB zu entscheiden (§ 21 Abs. 1 BNatSchG).

Im Hinblick auf eine qualitative Innenentwicklung ergeben sich im Rahmen der Ein-griffsregelung folgende Aspekte:

• Durch einen teilweisen Verzicht auf die Erforderlichkeit von Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen bei Vorhaben der Innenentwicklung wird eine bauliche Verdichtung z. T. begüns-tigt.

• Durch die Möglichkeit der räumlichen und zeitlichen Entkoppelung von Eingriff und Aus-gleich können auch solche Vorhaben im besiedelten Bereich realisiert werden, bei denen keine ausreichenden Ausgleichsflächen im Vorhabengebiet vorhanden sind, und die bisher aus einem Mangel an Ausgleichsflächen nicht realisiert werden konnten. Diese Entkoppe-lung birgt aber auch die Gefahr, durch Nachverdichtung die Grenzen der Belastbarkeit von Natur und Landschaft im Innenbereich zu überschreiten.

• Mit Hilfe der Ansätze von Flächenpool und Ökokonto können freiraumbezogene Kompen-sationsmaßnahmen auf der Grundlage eines gesamtgemeindlichen Konzepts realisiert werden.

Erforderlichkeit des Ausgleichs von Maßnahmen der Innenentwicklung

Während die Pflicht zur Vermeidung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bei jeder baulichen Maßnahme besteht, ist die Verpflichtung zum Ausgleich unver-meidbarer Beeinträchtigungen im Siedlungsbereich eingeschränkt, so dass durch die Vorschriften zur Eingriffsregelung Vorhaben im besiedelten Bereich zum Teil begüns-tigt werden:

Einschränkung der Eingriffsregelung für Vorhaben im besiedelten Bereich: Auf Vorhaben im beplanten Bereich (§ 30 BauGB) findet die Eingriffsregelung nur insoweit Anwendung, wie Kompensationsmaßnahmen in bereits bestehenden Plänen festgesetzt sind. Auf Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) findet die Eingriffsregelung keine Anwendung (§ 21 Abs. 2 BNatSchG; siehe auch Köppel et al. 1998, S. 330).

94 2.2 Planungsinstrumente des Natur- und Umweltschutzes

Verpflichtung zur Anwendung der Eingriffsregelung bei der Überplanung des besiedelten Bereichs: Kommt es zur Aufstellung eines Bebauungsplanes im bisher unbeplanten Innen-bereich nach § 34 BauGB oder zu einer Überplanung von Gebieten mit bestehenden Be-bauungsplänen nach § 30 BauGB, besteht die Verpflichtung zur Anwendung der Eingriffs-regelung (§ 21 Abs.1 BNatSchG i. V. m. § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB).

Privilegierung von Altbaurechten: Ein Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren (§ 1a Abs. 3 S.

4 BauGB). Demnach sind bei Maßnahmen der Nachverdichtung und des Flächenrecycling nur solche Maßnahmen ausgleichspflichtig, die nach dem bisherigen Planungsrecht noch nicht zulässig waren. Mit der Privilegierung bestehender Baurechte wird die bauliche Nut-zung im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) erleichtert. Damit wird dem grundsätzli-chen Anliegen des Gesetzes Rechnung getragen, die weitere bauliche Inanspruchnahme des Außenbereiches zu begrenzen (Uechtritz 2001, S. 376; s. hierzu auch Reese 2000, S.

294). Das Vermeidungsgebot gilt allerdings uneingeschränkt auch für den besiedelten Be-reich (Kukk 2001, S. 181; s. hierzu auch Reese 2000, S. 296).

Nutzbarkeit der Eingriffsregelung für eine qualitative Innenentwicklung

Das Vermeidungsgebot der Eingriffsregelung lenkt die Bauleitplanung – ebenso wie die Bodenschutzklausel (§ 1a Abs. 1 BauGB)113 – tendenziell in Richtung auf die gegen-über einer Freiflächeninanspruchnahme vorrangige Innenentwicklung. Die Entwicklung des bereits besiedelten Bereiches genießt aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrund-satzes und des Abwägungsvorbehaltes zwar keinen absoluten Vorrang, sie ist jedoch dann zu bevorzugen, „wenn das Vorhaben im Siedlungsraum mit geringeren Beein-trächtigungen für Natur und Landschaft durchführbar ist“ (Franz 2000, S. 362).114 Dem-entsprechend sind der Status quo und die vorhabenbedingten Auswirken auf Natur und Landschaft am geplanten Standort sowie an möglichen Alternativstandorten verglei-chend zu ermitteln (Franz 2000, S. 362).

Mit der Notwendigkeit zum Vergleich der Eingriffsintensität und der Ausgleichbarkeit verschiedener Planungsalternativen wird der Flächennutzungsplan zur zentralen Ebe-ne, um die Ziele und Grundsätze von Naturschutz und Landschaftspflege zu verwirkli-chen. Insbesondere auf dieser Ebene „können Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch die Wahl der umweltverträglichsten Standorte für die künftige städte-bauliche Entwicklung vermieden werden“ (Köppel et al. 1998, S. 333).115

Seit der Novelle durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 besteht eine hohe Flexibilität hinsichtlich des Ausgleichs nicht vermeidbarer Beeinträchtigungen. Dies stärkt zum einen die Notwendigkeit, unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen, da die Möglichkeit des „Wegwägens“ den Gemeinden auch durch die Vielfalt gleich-rangiger Kompensationsmöglichkeiten, aus denen sie auswählen können, deutlich er-schwert wurde (Schink 2001, S. 165; Köppel et al. 1998, S. 347). Zum anderen wirkt

113Zur Bodenschutzklausel siehe auch B. 2.1.1.2.

114Schink 2001 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass das Vermeidungsgebot tendenziell geeig-net ist, „eine Entscheidung zugunsten einer vorrangigen Innenentwicklung und Nachverdichtung zu beeinflussen“ (Schink 2001, S. 164).

115Siehe hierzu auch das Kapitel B.2.2.1.1 zum Landschaftsplan.

sich vor allem die räumliche (und zeitliche) Flexibilisierung von Eingriff und Ausgleich116 positiv auf die Möglichkeiten zur Innenentwicklung aus.

So können Maßnahmen der Nachverdichtung und des Flächenrecycling – mit dem Ziel vorhandene Infrastrukturen möglichst effizient zu nutzen und an innerstädtischen Standorten eine flächensparende Bauweise umzusetzen – auch dann durchgeführt werden, wenn am Ort des Eingriffs keine Flächen für Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung stehen (Schink 2001, S. 165). Weiterhin können v. a. mit Hilfe von Flächen-pool und Ökokonto, die im Folgenden detaillierter dargestellt werden, gemeindliche und übergemeindliche Konzepte des Natur- und Landschaftsschutzes umgesetzt werden, da diese die koordinierte Ausweisung von Ausgleichsmaßnahmen auf der Grundlage einer qualifizierten Landschaftsplanung ermöglichen. Somit kann die Verpflichtung zur Durchführung der Eingriffsregelung dazu beitragen, die Freiraumqualitäten in einer Gemeinde zu verbessern.

Flächenpool: Gemeinden können den Ausgleich der zu erwartenden Beeinträchtigungen in Natur und Landschaft auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs durchführen, sofern dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist (§ 1a Abs. 3 S. 2 BauGB). Diese räumliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich ermöglicht der Gemein-de, auf der Grundlage gesamträumlicher städtebaulicher (z. B. Flächennutzungsplan) und landschaftsplanerischer (z. B. Landschaftsplan) Konzepte, systematisch Flächenpools zu entwickeln. Diese Flächenpools enthalten eine Auswahl von Flächen, auf denen im Falle eines Vorhabens Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden können. Sinn eines Flä-chenpools ist also die Bevorratung von Flächen zum Ausgleich und die räumliche Bünde-lung von Ausgleichsmaßnahmen an aus städtebaulicher und landschaftsplanerischer Sicht sinnvollen Standorten. Die Vorteile von Flächenpoolkonzepten bestehen in der Möglichkeit, den Ausgleich entsprechend eines fachlich begründeten Gesamtkonzeptes durchzuführen, der Reduzierung der Kosten durch geringere Preise für den Ankauf der Flächen und in der Beschleunigung und Entlastung von Bebauungsplanverfahren. Der Flächenpool bietet die Möglichkeit, Gesamtlösungen für das Gemeinde- oder Verbandsgebiet zu entwickeln und zu realisieren (Schäfer 2000a, S. 61).

Öko-Konto: Die Durchführung von Maßnahmen zum Ausgleich kann zeitlich vorgezogen werden (§ 135a BauGB). Maßnahmen zum Ausgleich werden dabei im Vorgriff auf den Eingriff umgesetzt und dann durch vertragliche Regelungen und durch Kostenerstattungs-beträge nach und nach refinanziert. Dies setzt allerdings voraus, dass die Konto-Flächen konkreten Eingriffen zugeordnet sind (Schäfer 2000, S. 64). Vorteile des Öko-Kontos bestehen in der Möglichkeit zur Kostensenkung durch den frühzeitigen Erwerb von Ausgleichsflächen unabhängig von der Durchführung eines Vorhabens sowie in der Mög-lichkeit, die natürliche Sukzession für die Haben-Seite des Öko-Kontos arbeiten zu lassen.

Dadurch wird der Zeitverzug zwischen der Aufwertung und der tatsächlichen Wahrnehmung der Lebensraumfunktion verringert. Auch wenn das Öko-Konto zu verringerten Gesamtauf-wendungen führt, kann die Notwendigkeit zur Vorfinanzierung des Grunderwerbs und der Durchführung der Maßnahmen bis zur Schaffung des Baurechts bei den zugeordneten Ein-griffen die Umsetzung einer Öko-Konto-Lösung verhindern (Hinzen, Bunzel 2000, S. 127, Schäfer 2000a, S. 64). Nachteile ergeben sich weiterhin aus der möglichen Rechtfertigung von Eingriffen aus dem Vorhandensein bereits durchgeführter Maßnahmen des Naturschut-zes und der Landschaftspflege und der funktionalen Entkoppelung zwischen

116Die räumliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich ergibt sich aus § 1a Abs. 3 S. 2 BauGB, § 5 Abs. 2 a und § 9 Abs. 1 BauGB. Die zeitliche Entkoppelung ergibt sich aus § 135a Abs. 2 S. 2 BauGB.

96 2.2 Planungsinstrumente des Natur- und Umweltschutzes

stand und Ausgleichsmaßnahme.117 Da die Bevorratung von Flächen zum Ausgleich im Rahmen eines Flächenpools die Grundlage für die Konzeption eines Öko-Kontos darstellt, sollten beide Maßnahmen miteinander kombiniert werden (Schäfer 2000a, S. 64).

Die räumliche und zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich birgt allerdings auch Gefahren einer zu starken Verdichtung im Rahmen der Innenentwicklung und einer damit einhergehenden Freiraumknappheit. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob eine zumindest teilweise Kompensation des Eingriffs vor Ort einer räumlichen Entkoppelung vorzuziehen ist, um damit Freiraumqualitäten im besiedelten Bereich zu sichern.118 Beispiel „Öko-Konto Verbandsgemeinde Göllheim“

Das Öko-Konto für die Verbandsgemeinde Göllheim119 wurde zur frühzeitigen Siche-rung notwendiger Ausgleichsflächen und zur Verfahrensvereinfachung in der verbindli-chen Bauleitplanung entwickelt. Zudem soll es die im BauGB gebotene Vereinbarkeit der Ausgleichsmaßnahmen am anderen Ort mit den Zielen des Naturschutzes (§ 1a BauGB) sicherstellen.

Für die Entwicklung der Gemeinde besonders wirksam ist die durch das Flächenka-taster und das Flächenmanagement bewirkte Baulandmobilisierung im Rahmen von Ankäufen und Flächentausch, die sich v.a. auf den Innenbereich mit ihren Baulücken, Brachen etc. konzentriert. Somit können zum einen Bauvorhaben verstärkt in den be-siedelten Bereich gelenkt und zum anderen auch Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt-, Aufenthalts- und Lebensqualität im Siedlungsbereich realisiert werden.

Bereits 1991 begann die Verbandsgemeinde mit dem Aufbau eines Flächenpools nach dem Landespflegegesetz Rheinland-Pfalz. Darauf aufbauend wurde im Rahmen der Fortschreibung des Flächennutzungsplans durch eine ergänzende Studie ein Konzept für ein Öko-Konto entwickelt. Die parallel im Landschaftsplan erarbeitete schutzgutbe-zogene Bestandserfassung und -bewertung bildet die Grundlage für die Benennung von Räumen mit besonderer Entwicklungsfähigkeit und Entwicklungspriorität. Die Ent-wicklungsbereiche sind z. T. im Landschaftsplan schon als Ausgleichsflächen nach dem Landespflegegesetz gekennzeichnet (http://www.goellheim.de/agenda/oekokont.

htm am 22.03.02).

Die zu erwartenden Eingriffe und mögliche Öko-Konto-Flächen wurden für jede Ge-meinde einzeln betrachtet. Hierbei bildet die Festlegung von Entwicklungszielen und spezifischen Leitbildern für die jeweiligen Ortsgemeinden die Grundlage für eine zielge-richtete und koordinierte Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen (Schäfer 2000b, S. 47, 49).

117Trotz der Möglichkeit eines vorgezogenen Ausgleichs, sind Eingriffstatbestände weiterhin im Sinne der

§§ 18, 19, 20 BNatSchG zu bewerten und kritisch zu beurteilen. Der Ausgleich muss auch weiterhin mit den Eingriffsfolgen begründbar sein und einen funktionalen Zusammenhang aufweisen (Breuer 2001, S. 114 f.).

118Eine Entscheidungsgrundlage können zum Beispiel Freiarumversorgungsanalysen bieten (siehe Ab-schnitt B.2.2.4).

119Die Verbandsgemeinde Göllheim liegt zwischen Mainz, Mannheim und Kaiserslautern und besteht aus 15 Ortsgemeinden mit insgesamt 12.000 Einwohnern auf einer Fläche von ca. 8000 ha (http://www.

goellheim.de/agenda/landsch.htm am 22.03.02).

Die Öko-Konto-Flächen sind als Flächen nach § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB im Flächen-nutzungsplan120 dargestellt und den Eingriffsflächen nach räumlich-funktionalen Krite-rien zugeordnet. In den aus dem Landschaftsplan abgeleiteten „Schwerpunkträumen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Land-schaft“ werden getrennt für alle Gemarkungen Öko-Konto-Zonen abgegrenzt (http://www.goellheim.de/agenda/oekokont.htm am 22.03.02). In der Verbandsgemein-de Göllheim wurVerbandsgemein-den hierbei vor allem die OrtsränVerbandsgemein-der, die Hangkanten Verbandsgemein-der Weinbauflä-chen und die Gewässerrandstreifen berücksichtigt (Schäfer 2000b, S. 48).

Die Bewertung des Eingriffs und der Ausgleichsflächen wurde unter fachlichen (Er-schließung, Versorgung) und politischen (Eigentum, Bürgerwunsch) Gesichtspunkten vorgenommen. Dabei wird ein quantitativer Ansatz verfolgt, der von einem Ausgleichs-bedarf aufgrund der zulässigen Bodenversiegelung in Abhängigkeit zur Grundflächen-zahl ausgeht. Weiterhin werden Empfindlichkeit, Beeinträchtigungsrisiko und Zielprio-ritäten berücksichtigt (Schäfer 2000b, S. 48). Die zum Ausgleich eines Eingriffs erfor-derliche Flächengröße errechnet sich aus dem ökologischen Wert vor der Maßnahme und dem zum Zeitpunkt der Ausbuchung. Die Einschätzung der Umwelterheblichkeit der Eingriffe wird mit Hilfe eines Formblattes durchgeführt. Das Ein- uns Ausbuchungs-verfahren erfolgt durch ein beim Landkreis geführtes Flächenkataster (Schäfer 2000b, S. 48).

Die Ortsgemeinden sind Eigentümer aller erforderlichen Grundstücke bevor ein Be-bauungsplan beschlossen wird. Die zur Realisierung des Öko-Kontos notwendigen Flächentausche und -ankäufe ließen sich auf der Grundlage eines gemeindlichen Flä-chenmanagements zum Teil auf freiwilliger Basis aber auch im Rahmen größerer Bo-denordnungsverfahren realisieren. Neben den Grunderwerbs-, Vermessungs- und Pla-nungskosten und dem Erschließungsaufwand gehen auch die Kosten für landschafts-pflegerische Kompensationsmaßnahmen in die Kalkulation des Baulandpreises ein.

Die Beschaffung von Öko-Konto-Flächen ist somit verursacherorientiert und geht nicht zu Lasten der Gemeindehaushalte (http://www.goellheim.de/agenda/oekokont.htm am 22.03.02).

Die Maßnahmen werden im Rahmen privatwirtschaftlicher Verträge durchgeführt, die Pflege wird durch Naturschutzverbände, Bachpatenschaften oder Vereinbarungen mit örtlichen Landwirten gesichert.

Die Planung im Rahmen des Ökokontos der Gemeinde Göllheim ist beispielhaft für die Durchführung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung:

• Das Zusammenwirken von Landschaftsplan und Flächennutzungsplan bildet eine fachlich fundierte und rechtlich abgesicherte Basis zur Realisierung des Öko-Kontos. Der Land-schaftsplan als Beitrag zur Bauleitplanung und naturschutzfachliches Instrument bildet eine wichtige Grundlage für die Durchführung der Eingriffsregelung.

• Die abgestimmte und zielgerichtete Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen – insbeson-dere größerer zusammenhängender Vorhaben – fördert die Ausnutzung von Synergieef-fekten von Maßnahmen im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege und ver-ringert durch die vorlaufende Realisierung von Maßnahmen den Zeitverzug zwischen Ein-griff und Kompensation.

120Nach der Fertigstellung des Landschaftsplans erfolgte 1995 der Beschluss zu einer vollständigen In-tegration in den Flächennutzungsplan (http://www.goellheim.de/agenda/ landsch.htm am 22.03.02).

98 2.2 Planungsinstrumente des Natur- und Umweltschutzes

Durch ein vorrausschauendes und abgestimmtes Flächenmanagement im Rahmen der Führung des Öko-Kontos wird die Mobilisierung von Bauland im Siedlungsraum bei gleichzeitigem Schutz der Natur- und Freiraumfunktionen des Außenbereichs geför-dert.

2.2.4 Freiraumversorgungsanalyse

Die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit wohnstand-ortnahen Freiräumen zählt zu den klassischen Anliegen der Stadt- und Landschafts-planung. Analysen der Freiraumversorgung von Großstädten und die Ableitung von Richtwerten haben lange Tradition in der Städtebaudiskussion (so bereits bei Arminius 1874 oder Wagner 1915). Die heutigen Einsatzgebiete quantitativer Freiraumuntersu-chungen liegen im planungspraktischen Bereich (z. B. Senatsverwaltung für Stadtent-wicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin 1996; Nohl, Zekom 1995; Hanisch 1995; Stadt Münster 2000) und im Kontext der Stadtforschung (z. B. Gälzer 1987; Sin-ger 1995; Einig, Gössel, Siedentop 1997; Gössel, Siedentop 2000). Freiraumversor-gungsanalysen dienen der Feststellung

• in welchen Bereichen der Stadt die Bevölkerung mit unterschiedlichen Freiräumen (Grün-anlagen, Sportflächen, Spielflächen) versorgt, unterversorgt oder nicht versorgt ist und

• welche Freiräume hinsichtlich ihrer natürlichen und infrastrukturellen Ausstattung den Be-dürfnissen der Bevölkerung entsprechen oder nicht entsprechen (Ermer, Hoff, Mohrmann 1996, S. 152).

Aus den dabei gewonnenen Ergebnissen sind zum einen konkrete Hinweise für frei-raumplanerische Maßnahmen abzuleiten, zum anderen kann die Einschätzung der ökologischen und sozialen Vertretbarkeit von Innenentwicklungsmaßnahmen (wie Nachverdichtungen) differenzierter eingeschätzt werden (Hanisch 1995, S. 16). Frei-raumversorgungsanalysen können insofern auch als ein Bestandteil der Baulandpo-tenzialanalyse angesehen werden (siehe Kapitel B.2.1.3).

Ob ein Wohnquartier als „freiraumversorgt“ anzusehen ist, hängt von zahlreichen Fak-toren ab. In erster Linie ist das Angebot erholungsgeeigneter Freiräume im fußläufigen Einzugsbereich um den Wohnstandort entscheidend. Neben der quantitativen Verfüg-barkeit sind auch qualitative Merkmale der Grünflächen bedeutsam. Als wichtigste Faktoren gelten die Größe der Freiräume, die Zugänglichkeit, die Vielfältigkeit ihrer Ausstattung und Gestaltung, das damit verbundene Aneignungs- und Erlebnispotenzi-al, aber auch die Immissionsbelastung durch angrenzende Störquellen (vor allem Ver-kehrsinfrastrukturen) (Hanisch 1995; Nohl, Zekom 1995; Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin 1996). Neben solchen angebotsbe-zogenen Größen muss die Nachfrage nach öffentlichen Freiräumen berücksichtigt werden. Diese steigt mit der Dichte der baulichen Nutzung. In Quartieren mit geringer baulicher Dichte werden quantitative/qualitative Freiraumdefizite durch die hier höhere Verfügbarkeit privater Grünflächen in der Regel kompensiert (Hanisch 1995, S. 16). In dicht bebauten Wohngebieten hingegen bieten öffentliche Grünflächen zumeist die einzige Möglichkeit der wohnungsnahen Erholung. Die quartiersbezogene Freiraum-versorgung steht somit in Bezug zur Verfügbarkeit wohnstandortnaher Grünflächen als auch zum Verdichtungsgrad der Bebauung. In der Freiraumversorgungsanalyse muss daher die umgebungsbezogene Freiraumverfügbarkeit eines jeden Wohnstandorts in Abhängigkeit der dichteabhängigen Freiraumnachfrage bewertet werden.

Räumlicher Bezug von Versorgungsanalysen: In den meisten der in der stadtplaneri-schen Praxis eingesetzten und in der wissenschaftlichen Literatur dokumentierten Un-tersuchungen erfolgt die Analyse der städtischen Freiraumversorgung mit einem rein statistischen Ansatz. Die Versorgungssituation der Bevölkerung wird mit statistischen Kennwerten (wie z. B. die Freifläche je Einwohner) für das gesamte Stadtgebiet oder statistische Bezirke abgebildet. Ein entscheidender Nachteil einer auf administrative Gebietseinheiten bezogenen Versorgungsbilanz besteht jedoch in der weitgehenden Ausblendung von Nachbarschafts- und Erreichbarkeitsrelationen. Die räumliche Zu-ordnung der Wohngebiete zu unbebauten Flächen kann nur äußerst eingeschränkt berücksichtigt werden. Die Willkür administrativer Grenzen kann zu erheblichen Fehl-schlüssen zur Versorgungssituation eines Quartiers führen. Modernere Ansätze setzen daher auf eine stärker erreichbarkeitsorientierte Analyse, die Lageeigenschaften des Freiraums in den Bilanzrahmen einstellt.121 Gössel u. Siedentop (2000) berechnen das Freiraumpotenzial für einen definierten Umgebungsraum jedes potenziellen Wohn-standortes (Abbildung B. 7). Dies erfolgt über eine rasterbasierte Nachbarschaftsana-lyse mit Hilfe eines Geographischen Informationssystems. Beide Ansätze setzen je-doch hochauflösende Daten zur Bevölkerungsverteilung voraus (Baublockebene), um zu befriedigenden Ergebnissen zu führen.

Die weite Verbreitung von Geographischen Informationssystemen und die Verfügbar-keit digitaler Daten zur Realnutzung lässt die Anwendung solcher Analysetechniken in der Planungsverwaltung heute bereits zu.

Abbildung B. 7: Bilanzierung der wohnstandortnahen Freiraumversorgung am Beispiel der Stadt Dresden (Gössel, Siedentop 2000, S. 191)

121Siehe hierzu auch das im Folgenden dargestellte Beispiel.

100 2.2 Planungsinstrumente des Natur- und Umweltschutzes

Einsatz von Zielwerten für die Freiraumversorgung: Eine transparente Bewertung der in Freiraumversorgungsanalysen ermittelten Versorgungsgrade – zumeist berechnet als Quadratmeter Freiraum je Einwohner – bedarf definierter Ziel- bzw. Richtwerte. Erst die Gegenüberstellung von realen Versorgungsniveaus und politisch definierten Ziel-werten erlaubt eine Bewertung des stadtplanerischen Handlungsbedarfs in den einzel-nen städtischen Quartieren. In der städtebaulichen und landschaftsplanerischen Lite-ratur wie auch in der kommunalen Planungspraxis finden sich zahlreiche Richtwertkon-zepte (Tabellen B. 10, B. 11). Häufig werden dabei verschiedene räumliche Versor-gungsebenen (z. B. Wohngebiet, Stadtteil, Gesamtstadt) und Entfernungstoleranzen unterschieden, denn die Nachfrage nach Freiräumen unterliegt ganz unterschiedlichen Intentionen. Der kurze Gang in der Nachbarschaft stellt andere Anforderungen an die Freiraumerreichbarkeit, -größe und -ausstattung als ein ausgedehnter Spaziergang im städtischen Naherholungsgebiet. Entsprechend variiert der angestrebte Versorgungs-wert von etwa 4 m2 Freiraum je Einwohner im unmittelbaren Wohnumfeld (Nohl, Zekom 1995, S.14 ff.) bis zu 100 m2 Naherholungsfläche je Einwohner bezogen auf die ge-samte Stadt und ihr engeres Umfeld (Konferenz der Gartenbauamtsleiter beim Deut-schen Städtetag 1973, zit. n. Ermer, Hoff, Mohrmann 1996, S. 151 f.).

Tabelle B. 10: Richtwerte für die Freiraumversorgung (Nohl, Zekom 1995, S. 14 ff.)

Versorgungsebene Einzugsbereich

(Luftlinie) Flächengröße Richtwert

Nachbarschaft 250 Meter 0,2-1,5 ha 4 m2 / Einwohner

Wohngebiet 500 Meter 1,0-10 ha 6 m2 / Einwohner

Stadtteil 1000 Meter 7,0-40 ha 7 m2 / Einwohner

Gesamtstadt 2000 Meter über 40 ha 8 m2 / Einwohner

Tabelle B. 11: Richtwerte für die Freiraumversorgung nach Konferenz der Gartenbauamtsleiter beim Deutschen Städtetag 1973 (verändert und zit. n. Ermer, Hoff, Mohrmann

Tabelle B. 11: Richtwerte für die Freiraumversorgung nach Konferenz der Gartenbauamtsleiter beim Deutschen Städtetag 1973 (verändert und zit. n. Ermer, Hoff, Mohrmann

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