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E NERGIESTRATEGIE DER R USSISCHEN F ÖDERATION BIS 2020

G. Die Energieeffizienz im russischen Recht – Analyse der rechtlichen

II. R ECHTLICHE E NTWICKLUNG DER J AHRE 1999 BIS 2005

5. E NERGIESTRATEGIE DER R USSISCHEN F ÖDERATION BIS 2020

Die russische Regierung hatte bereits im Jahre 2000 die grundlegenden Bestimmungen zur Energiestrategie bis 2020738 bewilligt, die durch eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der st tlic en Einric tung „Institut der Energiestr tegie“ ( U IES) und denen eines Sachverständigenrats beim Energieministerium vorbereitet worden waren.739 Erst im August 2003 wurde die Strategie jedoch durch den Regierungserlass Nr. 1234-r vom 28.08.2003 endgültig genehmigt und beschlossen.740 Sie sollte die Energiestrategie 2010 aus dem Jahre 1995 ersetzen und als Leitlinie der russischen Energiepolitik dienen741 – ein rechtlich verpflichtender Charakter kam auch ihr nicht zu. Es wurde verbreitet als erforderlich angesehen, die perspektivische Rolle sowie die Stellung des Brennstoff- und Energiesektors in den unterschiedlichen Etappen der wirtschaftlichen Entwicklung neu zu bewerten.742 Grundsätzlicher Zweck der Energiestrategie sollte dabei sein, einen soliden rechtlichen Rahmen für den Energiekomplex sowie legislative Unterstützung für die angestrebten Reformen zu schaffen.743

a) Inhalt

Die Energiestr tegie betonte eing ngs, d ss eine effiziente Nutzung („ ффективное ис оль ование”) der Energie die notwendige Vor ussetzung f r eine n c ltige

738 Bezrukikh, Kopylov, in: Säcker, Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, S. 719, Rn. 33 unter Verweis auf das Sitzungsprotokoll der russischen Regierung Nr. 39 vom

23.11.2000.

739 vgl. die Auführungen zur Geschichte des GU IES:

http://www.energystrategy.ru/ab_ins/about.htm.

740 Fredholm, The Russian Energy Strategy & Energy Policy, S. 3.

741 Lakhno, Energie, Energiewirtschaft und Recht, in: Energierecht 1/2006, S. 2, 11.

742 Bezrukikh, Kopylov, in: Säcker, Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, S. 719, Rn. 33; vgl. auch zur östlichen Ausrichtung der Energiestrategie: Eder, Andrews-Speed, Korz ub ev, Russi ’s evolving energy olicy for its e stern regions, in: Journ l of World Energy Law & Business, 2009, S. 219, 227.

743 L k no, Leg l s ects of Russi ’s new energy str tegy.

171 Entwicklung der Wirtschaft, das Wohlergehen der Bevölkerung und die Erhöhung des Lebensstandards darstelle.744

Dementsprechend zeigte die Strategie als Ziel der Energiepolitik auf, die (maximal) effiziente Nutzung der natürlichen Brennstoff- und Energieressourcen („максимально ффективное ис оль ование риро н х то ливно- нер етических ресурсов”) zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums und der Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.745 Prioritär wurde die vollständige und zuverlässige Bereitstellung von Energie für die Bevölkerung und die Wirtschaft zu einem erschwinglichen, aber auch zur Energieeinsparung anregenden, Preis, die Risikominderung und Prävention von Krisen in der Stromversorgung des Landes, die Senkung der Produktion und Nutzung von Energieressourcen durch die Rationalisierung des Verbr uc s („ра ионали а ия отребления”) und die Verwendung energies render Technologien, die Reduzierung der Verluste bei der Gewinnung, der Verarbeitung, dem Transport und Vertrieb der Energieressourcen eingestuft. Als weitere Priorität galt zudem das Erreichen einer finanziellen Stabilität sowie einer Effizienz des Potenzials des Energiesektors („ ффективность ис оль ования отен иала нер етическо о сектора”) sowie des Produktivitätswachstums im Dienste einer sozioökonomischen Entwicklung. Die Auswirkungen der Energiewirtschaft auf die Umwelt sollten durch den Einsatz von wirtschaftlichen Anreizen, die Einführung neuer Technologien sowie die Verbesserung der Struktur der Gewinnung und Verarbeitung, des Transports, Verkaufs und Konsums von Produkten reduziert werden.746

Punkt II. der Energiestrategie benannte die hauptsächlichen Faktoren, die bei der Entwicklung des Energie- und Brennstoffsektors im ersten Quartal des 21. Jahrhunderts eine Rolle spielen sollten. Genannt wurde zunächst die gesteigerte Nachfrage nach Energieressourcen aufgrund des Wachstums der nationalen Wirtschaft, ihrer Energieintensität und Energiepreise, der flächendeckende Einsatz von ressourcen- und energies renden Tec nologien („ресурсо- и

744 vgl. die Zusammenfassung der Strategie in englischer Sprache: Energy Charter Secretariat, Russian Federation, Review of the investment climate, S. 17 f., abrufbar unter

http://www.encharter.org/fileadmin/user_upload/document/Investment_-_Russia_-_2004_-_ENG.pdf.

745 The summary of the Energy Strategy of Russia for the period of up to 2020

http://ec.europa.eu/energy/russia/events/doc/2003_strategy_2020_en.pdf, S. 2; vgl. auch Energy Charter Secretariat, Russian Federation, Review of the investment climate, S. 17 f., abrufbar unter http://www.encharter.org/fileadmin/user_upload/document/Investment_-_Russia_-_2004_-_ENG.pdf.

746 vgl. Punkt I. der Energiestr tegie zu den „Zielen und Prioritäten der Energiestr tegie Russlands bis 2020, http://www.minprom.gov.ru/docs/strateg/1.

172 нер осбере ающих техноло и ”)747 im Energiesektor und anderen Sektoren der Wirtschaft. Auch die Situation der weltweiten Wirtschafts- und Energiekonjunktur sowie die Integration in den globalen Energiebereich, die nachhaltige Entwicklung von Bodenschätzen und letztlich die Schaffung eines günstigen Investitionsklimas im Hinblick auf die Verbesserung der Steuer-, Preis- und Zollbestimmungen fand Beachtung. Zudem sollten wirtschaftliche Anreize geschaffen werden, um die Auswirkungen des Energieverbrauchs auf die Umwelt zu verringern. Das Ziel, einen verbesserten Energie- und Brennstoffsektor zu schaffen, müsse strengen Anforderungen an die Auswahl der Maßnahmen staatlicher Regulierung und an die gegenseitige Verantwortung aller Akteure unterliegen.748

Punkt IV. der Energiestrategie behandelte die Grundzüge der staatlichen Energiepolitik. Als langfristige strategische Leitlinien der staatlichen Energiepolitik galten demzufolge die Energie- und Umweltsic er eit („ нер етическая и коло ическая бе о асность”) sowie die Energieeffizienz und die Effizienz des St ts us ltes („ нер етическая и бю жетная ффективность”). Die „Energiesic er eit“ wurde d bei ls wic tiger Best ndteil der nationalen Sicherheit Russlands gewertet, welche wiederum eines der wichtigsten Ziele der Energiepolitik darstelle.749 Als bedeutsamste Grundsätze der Sicherheit der Energieversorgung wurden u.a. genannt: die Garantie und Zuverlässigkeit der Energieversorgung, die Kontrolle durch den Staat, die Diversifizierung der Kraftstoffe, die Beachtung der Anforderungen zur ökologischen Sicherheit und die Vermeidung einer irrationellen Energienutzung („нера иональное ис оль ование нер оресурсов”) unter Be c tung der Politik der Energieeffizienz („ олитика нер етическо ффективности”).

Auffällig ist, d ss die kologisc e Sic er eit („ коло ическая бе о асность нер етики”) sowohl als Teil der Energiesicherheit, als auch als eigenständiges Element der staatlichen Grundlagen erscheint. Für ihre Umsetzung war u.a. vorgesehen, wirtschaftliche Anreize für die Nutzung von sowo l oc kologisc en Produkten („в соко коло ичное

747 Angesichts der von GOST R 52106-200 „Ressourceneins rung. Allgemeine

Bestimmungen” vorgenommenen Subsumierung der Energierressourcen unter den Begriff der

„Ressourcen“ ersc ließt sic die von der Energiestr tegie vorgenommene terminologisc e Trennung nicht; vgl. dazu die Ausführungen unter G. II. 1 f).

748 vgl. Punkt II. der Energiestr tegie zu den „Problemen und grundlegenden F ktoren der Entwicklung des Energie- und Wärmesektors".

749 vgl. Punkt V. 1. der Energiestr tegie zu den „ rundl gen der st tlic en Energie olitik“;

vgl. auch Energy Charter Secretariat, Russian Federation, Review of the investment climate, S. 19, abrufbar unter:

http://www.encharter.org/fileadmin/user_upload/document/Investment_-_Russia_-_2004_-_ENG.pdf.

173 рои во ство”) ls uc kologischen, abfallarmen Technologien sowie eine strenge Einhaltung der Umweltanforderungen gegenüber Unternehmen zu etablieren.

Als zweiter Punkt der st tlic en rundl gen wurde die „Energieeffizienz” selbst gen nnt.

Der Grad der Energieeffizienz wurde als Faktor der langfristigen Perspektive, nicht nur in Bezug auf den Energiesektor, sondern auch auf die Wirtschaft der gesamten Russischen Föderation eingestuft und die Steigerung der Energieeffizienz, die durch ein Bündel von stimulierenden Maßnahmen sichergestellt werden sollte, als Ziel der staatlichen Politik erkannt. Erreicht werden sollte die Umstrukturierung der russischen Wirtschaft zugunsten weniger energieintensiver Produkte und Dienstleistungen und die Realisierung des Potenzials der technologischen Energieeins rung („техноло ическое нер осбережение”). Ein System von rechtlichen, administrativen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Steigerung des effizienten Gebrauchs von Energie sollte daher auf eine Änderung der bestehenden Normen, Regeln und Verordnungen in Bezug auf eine Verschärfung der Anforderungen an die Energieeins rung in Übereinstimmung mit dem F der lgesetz „Über die tec nisc e Regulierung” usgeric tet sein. Zudem sollte eine regelmäßige Überw c ung des „r tionellen und effizienten Verbr uc s“ der Energieunternehmen erfolgen. Angestrebt wurde zudem eine Popularisierung der effizienten Energienutzung in der Bevölkerung durch die Aufbereitung von Datenbanken mit Informationen zu energiesparenden Maßnahmen und Technologien sowie eine Propaganda der Energieeinsparung in den Medien. Letztlich wurde hervorgehoben, dass Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur effizienten Nutzung von Energie ein verbindlicher Teil der regionalen sozio-ökonomischen Entwicklung der Regionen und der regionalen Energieprogramme sein sollten. Die staatliche Grundlage der Energieeffizienz wurde mit der staatshaushaltsorientierten Effizienz der Energiewirtschaft („бю жетная ффективность нер етики”) in eine Sinnein eit gesetzt. Hier st nden u. . die staatliche Investitionspolitik in der Energiewirtschaft und die Kooperation mit führenden ausländischen Unternehmen bei der Organisation von Joint Ventures im Vordergrund.

Punkt IV . s zur „Entwicklung der inländisc en Energiemärkte“ u. . die Einf rung von Steuervergünstigungen für die energieeffiziente Produktion und Entwicklung sowie die effiziente Nutzung der Energieressourcen vor. Die „Sozi l olitik in der Energiewirtsc ft”

nach Punkt IV 6. 6. wurde als eine der wichtigsten Aufgaben der staatlichen Energiepolitik charakterisiert. Die garantierte Bereitstellung von Energieressourcen gegenüber der Bevölkerung zu einem angemessenen Preis sollte durch eine Vielzahl von Maßnahmen

174 erreicht werden – die Steigerung der Energieeffizienz fand in diesem Zusammenhang jedoch keine Erwähnung. Bei der Energieaußenpolitik wurde die Effizienz der Energienutzung hingegen neben der Integration Russlands in die internationale Zusammenarbeit bei der Erschließung von Energieressourcen und der Entwicklung neuer Energiemärkte als wichtigster Bereich der Energiepolitik deklariert.

Die ufgezeigten „Pers ektiven des Wärme- und Energiekom lexes” zeic neten sic d durc us, d ss sowo l die Begriffe der „r tionellen Nutzung“ der beste enden s-/ und Ölreserven ls uc diejenigen der „Ressourcen-“ und „Energieeins rung“ er rtert wurden, Überlegungen zur Energieeffizienz selbst aber nicht erfolgten. Auch die wesentlichen rundl gen der Politik zu den „erneuerb ren Energien und lok len Brennstoffen” wurden von der Strategie aufgegriffen. Die strategischen Ziele für erneuerbare Energien und lokale Brennstoffe wurden primär in der Reduzierung des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Energieressourcen und der Reduzierung der Umweltbelastung des Brennstoff- und Energiesektors angesehen. Die allgemeinen Bereiche der Energiepolitik sollten sich in die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparungspolitik und die Lösung sozialer Fr gen („ ов шение нер о ффективности, рове ение активно нер осбере ающе олитики, а также решение со иальн х роблем”) untergliedern.

b) Bewertung

Die Energiestrategie 2020 beinhaltete, im Gegensatz zur vorherigen Energiestrategie 2010, ein komplexes Regelungswerk mit detaillierten Szenarien und Entwicklungsprognosen zur Entwicklung der Energiewirtschaft sowie der sozioökonomischen Entwicklung und ging über eine rein technische Darstellung hinaus.750 Insgesamt wurde die Energiepolitik als eng mit der nationalen Sicherheit verknüpftes Element dargestellt.751 Dabei thematisierte die Energiestrategie die Steigerung der Energieeffizienz als eigenständiges Ziel mit zentraler Bedeutung, indem sie neben der Energie- und Umweltsicherheit und der Effizienz des St ts us lts ls l ngfristiges str tegisc es Leitziel dekl riert wurde. Die „effiziente Nutzung der Energieressourcen” w r deutlic uf die gesellsc ftlic en Bed rfnisse, uf d s Wohlergehen und den Lebensstandard fokussiert. Die Begrifflichkeiten der

750 Bushuev, Saenko, Gromov, Russlands Energiestrategie 2030.

751 Hobér, Journal of Eurasian Law, Vol. 1, No. 2-3 (2008), S. 213, 259; vgl. auch Energy Charter Secretariat, Russian Federation, Review of the investment climate, S. 19, abrufbar unter http://www.encharter.org/fileadmin/user_upload/document/Investment_-_Russia_-_2004_-_ENG.pdf.

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„Energieeins rung” und der „Energieeffizienz”, ber uc der „R tion lisierung” der Ressourcen wurden verwendet, ohne dass eine klare Abgrenzung erfolgte. Auffällig war zudem, d ss der Punkt der „ kologisc en Energiesic er eit” keine ex lizite Verkn fung zwischen dem Umweltschutz und der Steigerung der Energieeffizienz herstellte. Zwar wurde angenommen, dass durch rigide ökologische Anforderungen an den Brennstoff- und Energie-Komplex und die wirtschaftliche Förderung von hochökologischen Produktionen und Technologien eine Limitierung der Umweltbelastung erreicht werden könne752, eine direkte Erwähnung der Energieeffizienz bzw. ihrer möglichen ökologischen Auswirkungen erfolgte jedoch nicht. Die Erhöhung der Effizienz der Energienutzung wurde vielmehr als notwendig angesehen, um eine optimale wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen. Ein stark stromverbrauchendes Wachstum, so wurde dargestellt, könne nicht nur eine technologische Rückständigkeit und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft, sondern auch ein Wachstum der internen Nachfrage nach Energieressourcen zur Folge haben.753

Letztlich warf die Energiestrategie in Bezug auf die Einstufung und Kategorisierung der Energieeffizienz einige Unklarheiten auf: Als allgemeine Bereiche der Energiepolitik wurden die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparungspolitik und die Lösung sozialer Fragen aufgezeigt. Inwiefern sich diese Kategorisierung neben die gleichzeitig aufgezeigten strategischen Ziele der Energieeffizienz, der Energie- und Umweltsicherheit und der Effizienz des Staatshaushalts einfügen sollten, blieb weiterhin offen. Eine klare Ausrichtung konnte der Strategie daher nicht entnommen werden.

Insgesamt erwiesen sich die Annahmen der Energiestrategie bezogen auf den Zeitraum von 2000-2004 als zu konservativ und unterschätzten das reale Energieeffizienz-Potential Russlands.754 Schätzungen für 2006 zeigten dabei, dass sich das BIP-Wachstum bis 2006 erheblich höher erwies (43,9% gegenüber 2000) als von der Strategie prognostiziert (33,9%)755 – auch der Energieverbrauch betrug weniger als die Prognosen für 2005 annahmen. Die Energieintensität sank damit auf 23,3% im Vergleich zum Jahr 2000 und unterbot damit die von der Strategie angenommenen 17,7 %.756 Dieser Erfolg war vor allem

752 The Summary of the Energy Strategy of Russia for the period of up to 2020.

753 a.a.O., S. 7.

754 Opitz, Russian analytical digest 23/2007, S. 5.

755 Russlands BIP-Wachstum von 1998-2008 betrug im Durchschnitt etwa 7 % pro Jahr; vgl.

Hanson, Journal of Communist Studies and Transition Politics 2011, 27: 3-4, S. 456.

756 Opitz, Russian analytical digest 23/2007, S. 5.

176 das Ergebnis eines schnelleren Strukturwandels des BIP, bei dem der Anteil der niedrigenergieintensiven Sektoren deutlich schneller als andere Sektoren erhöht wurde.757