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In diesem Abschnitt der Arbeit werden die in der Einführung aufgestellten Hypothesen zu den Ergebnissen der Untersuchung in Bezug gesetzt, um im Anschluss daran angenommen oder verworfen zu werden.

1. Bei Alkoholabhängigen finden sich weniger komorbide psychische Erkrankungen als bei Internetabhängigen, insbesondere weniger depressive Störungen.

In der Voruntersuchung (Putzig 2010) war bei allen internetabhängigen Studienteilnehmern mindestens eine komorbide psychische Störung diagnostiziert worden. Es stellt sich nun die Frage, ob dies bei alkoholabhängigen Probanden gleichermaßen der Fall ist. Zur Überprüfung der ersten Hypothese soll zunächst ein Blick auf die psychiatrische Anamnese der Probanden geworfen werden (Tab. 3.2.1). Hierbei zeigt sich in beiden Patientengruppen ein breites Spektrum an bekannten psychischen Vorerkrankungen.

Depressive Störungen dominieren in beiden Gruppen, wobei sie in der Gruppe der Alkoholabhängigen seltener vorbeschrieben sind. Die Angaben der Probanden sind jedoch teilweise unvollständig. Daher ist eine Interpretation dieser Ergebnisse schwierig. Sie können lediglich eine erste Tendenz aufzeigen, die durch die Ergebnisse der psychometrischen Untersuchungen bekräftigt werden müssen.

Bei Betrachtung der Ergebnisse des SKID-Interviews (Tab.3.5.1) zeigt sich bei 44 % der alkoholabhängigen Probanden eine weitere psychische Erkrankung. Ein Anteil in ähnlicher Höhe ist auch in der Literatur beschrieben (Grant et al. 2004, Regier et al. 1990). In der Gruppe der Internetabhängigen hingegen wiesen alle Probanden mindestens eine psychische Störung auf. Dieses Studienergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen anderer Autoren (Kratzer, Hegerl 2008, Black, Belsare & Schlosser 1999, Shapira et al. 2000).

Auch die im Rahmen des SKID-Interviews ermittelte Einteilung hinsichtlich der globalen Leistungsfähigkeit der Untersuchungspersonen zeigt eine stärkere Einschränkung der Internetabhängigen im Vergleich zu den Alkoholabhängigen.

Einen weiteren Hinweis auf eine stärkere psychische Belastung von Internetabhängigen im Vergleich zu Alkoholabhängigen soll die Untersuchung auf das Vorliegen von Persönlichkeitsstörungen in beiden Versuchsgruppen liefern. In der Gruppe der Alkoholabhängigen weisen 24 % der Probanden eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur auf und 4 % erfüllen die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung. Bei den Internetabhängigen besteht bei 48 % der Probanden eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur und bei 36 % eine Persönlichkeitsstörung. Allerdings weisen die Werte des SKID-II-Fragebogens (Tab.3.5.4) nur in einer einzigen Subskala (schizoide Persönlichkeitsstörung) signifikante Unterschiede zwischen den Alkohol- und Internetabhängigen auf. In der Literatur finden sich ebenfalls Angaben, die vermuten lassen, dass

Persönlichkeitsstörungen sowohl bei Internetabhängigen (Black, Belsare & Schlosser 1999) als auch bei Alkoholabhängigen (Driessen 1999, Nace, Davis & Gaspari 1991, Rounsaville et al. 1998, DeJong et al.

1993) verstärkt vorliegen. Allerdings ist auch hierbei die Schwankungsbreite bezüglich der Prävalenz enorm.

Im Rahmen dieser Untersuchung lässt sich demnach nur die Tendenz erkennen, dass bei Internetabhängigen im Vergleich zu Alkoholabhängigen häufiger Störungen der Persönlichkeitsstruktur vorliegen.

Ein Überblick über die psychische Belastung der Probanden mit der SCL-90-R (Tab. 3.5.8) zeigt zwar eine eindeutig stärkere Ausprägung der Beschwerden in den Versuchsgruppen gegenüber den gesunden Kontrollprobanden. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit der bestehenden Literatur (Mercier et al. 1992).

Jedoch besteht kein signifikanter Unterschied zwischen den Alkoholabhängigen und den Internetabhängigen.

Die Gesamtbelastung und die Anzahl der Symptome der alkohol- und internetabhängigen Probanden ist ähnlich hoch (Tab. 3.5.9), allerdings ist die Verteilung auf die verschiedenen Problembereiche unterschiedlich (Abb. 3.5.2).

Es ist bekannt, dass Menschen mit einem starken Kohärenzsinn im Sinne Antonovskys (Antonovsky 1993) beispielsweise deutlich seltener einen problematischen Alkoholkonsum mit all seinen negativen Folgeerscheinungen entwickeln als Personen mit schwachem Kohärenzsinn (Midanik et al. 1992, Tobamidanik, Zabkiewicz 2009). Im Rahmen dieser Untersuchung zeigt sich, dass die Gruppe der Internetabhängigen über einen noch schwächeren Kohärenzsinn verfügt als die Gruppe der Alkoholabhängigen (Tab. 3.5.10). Dies deutet im Sinne der Hypothese auf die labile psychische Konstitution der Internetabhängigen hin.

Ein Zusammenhang zwischen ADHS und sowohl Alkohol- als auch Internetabhängigkeit wird seit längerem postuliert (Ko et al. 2008, Cao et al. 2007, Ohlmeier et al. 2007, Ohlmeier et al. 2008, Yoo et al. 2004, Chan, Rabinowitz 2006, Yen et al. 2008b). Die Überprüfung auf das Vorliegen von ADHS im Kindesalter mittels DSM-IV Symptomliste (Tab. 3.5.15) im Rahmen dieser Arbeit lässt diese Schlussfolgerung ebenfalls zu.

Allerdings erscheinen die internetabhängigen Probanden in der Kindheit stärker von ADHS betroffen gewesen zu sein. Im Erwachsenenalter finden sich bei der Betrachtung der CAARS (Tab. 3.5.16) keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich eines Fortbestehens von ADHS-Symptomen zwischen den alkohol- und internetabhängigen Studienteilnehmern mehr. Der signifikante Unterschied zwischen den abhängigen Probanden und der Kontrollgruppe besteht jedoch weiterhin.

Weiterhin soll auch die zweite Aussage der Hypothese, dass Alkoholabhängige weniger an depressiven Störungen leiden, anhand der Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen dieser Studie überprüft werden.

So weisen im Rahmen des SKID-Interviews (Tab. 3.5.1) 36 % der Alkoholabhängigen eine depressive Störung auf. Damit liegen die alkoholabhängigen Probanden dieser Untersuchung schon über dem in der Literatur beschriebenen Anteil von akut depressiv erkrankten Probanden zwischen 6,8 % und 23 % (Driessen 1999, Hesselbrock, Meyer & Keener 1985, Grant et al. 2004). In der Gruppe der Internetabhängigen liegt der

Anteil der depressiven Probanden hingegen mit 76 % noch deutlich höher und liegt damit auch am oberen Rand des Spektrums zwischen 33 % und 70 %, das in der Literatur für Medienabhängige beschrieben wird (Kratzer, Hegerl 2008, Black, Belsare & Schlosser 1999, Shapira et al. 2000) . Der Summenwert des Selbstbeurteilungsinstruments BDI (Tab. 3.5.5) unterscheidet sich zwischen der Gruppe der Alkoholabhängigen und der Gruppe der Internetabhängigen zwar nicht signifikant, dennoch ist die Belastung der Internetabhängigen tendenziell höher. Werden die BDI-Summenwerte der Probanden nach Stärke der Belastung gruppiert (Tab. 3.5.6), zeigt sich bei 64 % der Alkoholabhängigen eine depressive Störung. In der Gruppe der Internetabhängigen hingegen liegt bei 83,3 % der Probanden eine depressive Störung vor. Zudem weisen die Internetabhängigen tendenziell schwerere Formen der depressiven Störung auf, als die Alkoholabhängigen.

Die Fremdbeurteilung der depressiven Symptomatik mittels HAMD (Tab. 3.5.7) konnte nur in der Gruppe der Alkoholabhängigen durchgeführt werden. Sie bestätigt die mittels SKID und BDI gewonnene Einschätzung. Hier weisen 52 % der alkoholabhängigen Probanden zum Zeitpunkt der Befragung eine leichte bis mittelgradige Depression auf.

Bei der Analyse der aufgeführten Ergebnisse zeigen sich demnach zwar psychometrische Ähnlichkeiten zwischen den Internet- und Alkoholabhängigen, die auf eine phänomenologische Schnittmenge hindeuten.

Da in der Gruppe der alkoholabhängigen Probanden jedoch ein signifikant geringerer Anteil an psychischen Begleiterkrankungen nachgewiesen werden konnte und außerdem eine höhere Prävalenz für depressive Störungen bei internetabhängigen Probanden bestätigt werden konnte, kann die erste Hypothese als zutreffend angenommen werden. Die signifikanten Unterschiede der Gruppe der Alkoholabhängigen im Vergleich zu der gesunden Kontrollgruppe zeigen allerdings auch, dass Alkoholabhängigkeit mit einem hohen Anteil an psychischer Komorbidität einhergeht, auch wenn diese im Rahmen dieser Studie schwächer ausgeprägt zu sein scheint als in der Gruppe der Internetabhängigen.

2. Es besteht eine geringe Komorbidität zwischen Internetabhängigkeit und Alkoholabhängigkeit.

Zur Überprüfung dieser Aussage soll zunächst ein Blick auf die Gruppe der Internetabhängigen geworfen werden. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse der internetabhängigen Probanden in Bezug auf eine eventuell bestehende komorbide Alkoholabhängigkeit zeigt, dass diese Kombination der Störungen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. So findet sich anamnestisch lediglich bei 5 von 24 Probanden (20,1 %) ein regelmäßiger Alkoholkonsum. Bei keinem der Probanden war eine Alkoholabhängigkeit vordiagnostiziert worden. Und auch der mittlere tägliche Alkoholkonsum (Tab. 3.3.1) liegt nicht signifikant über dem Konsum der gesunden Kontrollgruppe. Er reicht bei weitem nicht an den mittleren Konsum der

dem Kollektiv der Internetabhängigen eine komorbide Alkoholabhängigkeit. Es existieren zwar Studien, die einen Zusammenhang zwischen stoffgebundener Abhängigkeit und Internetabhängigkeit postulieren (Yang, Tung 2007). Diese sind aber deutlich in der Minderheit. Im Großteil der Arbeiten zu diesem Thema findet sich eine Rate von circa 10 % der Internetabhängigen die gleichzeitig an einer Alkoholabhängigkeit leiden (Kratzer, Hegerl 2008, Shapira et al. 2000). Dieser Anteil bewegt sich somit in etwa in dem Rahmen, der auch in der Gesamtbevölkerung wiederzufinden ist. Klein berichtet, dass 4,9 % der Männer und 1,1 % der Frauen in Deutschland als alkoholabhängig gelten. Weitere 8,1 % der Männer und 1,9 % der Frauen betreiben Alkoholmissbrauch (Klein 2001).

Umgekehrt zeigt sich auch, dass in der Gruppe der Alkoholabhängigen eine komorbide Internetabhängigkeit nur sehr selten anzutreffen ist. So belegt das Internet in der Gruppe der Alkoholabhängigen bei der Frage nach den wichtigsten Medien (Tab. 3.4.1) nur den sechsten Platz. Auch verfügen lediglich 60 % der Alkoholabhängigen über einen Internetanschluss, was eine mögliche Abhängigkeit für die restlichen 40 % des Kollektivs nahezu ausschließt. Betrachtet man das Internetnutzungsprofil der Probanden, so zeigt sich bei Alkoholabhängigen eine deutlich seltenere Anwendung. Das Internet wird von den alkoholabhängigen Studienteilnehmern im Vergleich zu den Internetabhängigen an weniger als halb so vielen Tagen verwendet (Tab. 3.4.9). Und auch die tägliche Nutzungsdauer ist nur in etwa halb so lang wie die der Internetabhängigen (Tab. 3.4.10). Neben dem zeitlichen Aspekt divergieren auch die Gründe für die Nutzung des Internets zwischen Alkoholabhängigen und Internetabhängigen (Tab. 3.4.11). Für Alkoholabhängige steht beim Internet der Informationscharakter im Vordergrund. In der Gruppe der Internetabhängigen spielt der soziale und kommunikative Aspekt des Internet eine viel bedeutendere Rolle.

Geht man nach den Kriterien für Internetabhängigkeit von Young und Beard (Beard, Wolf 2001), erfüllt kein Proband aus der Gruppe der Alkoholabhängigen ausreichend Merkmale, um als internetabhängig eingestuft zu werden. Und auch bei der genaueren Betrachtung der Internetnutzung mittels ISS (Tab. 3.5.11) erwies sich lediglich ein Proband der Gruppe der Alkoholabhängigen als „internetsüchtig“ und ein Proband als

„suchtgefährdet“. Dies entspricht der angenommenen Prävalenz in der Normalbevölkerung (Petersen et al.

2009).

Die Ergebnisse im Rahmen dieser Arbeit zeigen bei Internetabhängigen keinen riskanteren Umgang mit Alkohol als bei gesunden Kontrollpersonen. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit den Daten aus der Literatur. Und auch umgekehrt ist bei Alkoholabhängigen Internetabhängigkeit bislang nur sehr selten zu finden. Es gibt bislang keine Hinweise dafür, dass für Alkoholabhängige eine größere Gefahr besteht, internetabhängig zu werden, als für Normalpersonen. Demnach lässt sich zusammenfassend feststellen, dass eine Komorbidität zwischen Alkoholabhängigkeit und Internetabhängigkeit in dieser Studie nur eine untergeordnete Rolle spielt. Daher kann der Aussage der zweiten Hypothese zugestimmt werden.

3. Internetabhängigkeit lässt sich als Symptom bekannter psychischer Erkrankungen, insbesondere Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen verstehen und behandeln. Im Gegensatz dazu wird Alkoholabhängigkeit als primäre Krankheitsentität eingestuft.

Zur Überprüfung dieser Hypothese stellt sich die Frage, inwieweit Internetabhängigkeit und Alkoholabhängigkeit gehäuft in Kombination mit bekannten psychischen Erkrankungen auftreten oder ob ein alleiniges Auftreten der Störungen ohne weitere Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit nachgewiesen werden konnte. Im Rahmen des SKID-Interviews (Tab. 3.5.1) zeigen alle Teilnehmer der Gruppe mit Internetabhängigkeit noch eine weitere psychische Erkrankung. Bei 76 % der Probanden wurde die Diagnose einer depressiven Erkrankung gestellt. Im BDI (Tab. 3.5.6) zeigen sogar 83,3 % der Gruppe der Internetabhängigen depressive Symptome. Außerdem sind diese Symptome bei den Internetabhängigen stärker ausgeprägt als bei der Gruppe der Alkoholabhängigen. Als weitere Diagnosen der Gruppe der Internetabhängigen im SKID-Interview spielen dissoziative Identitätsstörungen und Borderline Persönlichkeitsstörungen eine Rolle. Allerdings liegt deren Auftreten mit jeweils 8 % der Befragten deutlich unter dem Anteil der affektiven Störungen. Insgesamt kann diese Verteilung aufgrund des Selektionsbias und der geringen Gruppengröße nicht als repräsentativ angesehen werden. Dennoch werden auch in den wenigen bisher zum Thema Internetabhängigkeit und psychische Begleiterkrankungen veröffentlichten Studien besonders affektive Störungen und Angsterkrankungen mit der pathologischen Internetnutzung in Verbindung gebracht. So weisen bei Shapira 70 % der internetabhängigen Probanden eine affektive Störung auf. Bei 60 % der Studienteilnehmer liegt eine Angststörung vor (Shapira et al. 2000). Kratzer stellt bei 90 % der Personen mit pathologischem Internetgebrauch eine weitere psychiatrische Diagnose. Gemäß ihrer Untersuchung leiden 50 % der Betroffenen an einer Angststörung und 40 % an affektiven Störungen (Kratzer, Hegerl 2008). Bei all diesen Erkrankungen bietet das Internet eine Möglichkeit, vor der realen Welt mit all ihren Problemen zu flüchten und im virtuellen Raum das eigene Selbstwertgefühl zu stärken und Erfolgserlebnisse zu haben. Bei einigen abhängigen Internetnutzern scheint besonders das Spielen von Online-Rollenspielen dissoziative Störungen zu begünstigen oder eventuell sogar auszulösen (te Wildt et al.

2006). Für die Probanden mit dissoziativer Identitätsstörung sind Online-Rollenspiele eine nahezu ideale Option, ihren multiplen Persönlichkeiten Gestalt zu verleihen und diese ihren Bedürfnissen entsprechend auszuleben. Abgesehen davon bietet das Internet insbesondere Personen mit depressiven Störungen eine Rückzugsmöglichkeit. So verlangt der Gang an den Rechner eine geringere Überwindung der Antriebslosigkeit als der Weg vor die eigene Wohnungstür zum Einkauf oder in ein Café. Auch brauchen sich die Betroffenen keine Gedanken mehr über ihr äußeres Erscheinungsbild zu machen. Natürlich schützt dieses Verhalten auch vor Kränkungen und Stigmatisierungen. Allerdings besteht dieser Schutz nur innerhalb der virtuellen Welt und gegebenenfalls noch in der eigenen Wohnung. Dadurch werden aber auch die letzten teilweise unausweichlichen Kontakte (Einkauf, Behördengänge) mit der realen Umwelt zu einem

schier unüberwindbaren Hindernis. Neben dieser Rückzugsmöglichkeit stellt das Internet, insbesondere durch Online-Rollenspiele, eine strukturierte Welt mit festen Regeln und einer klaren Trennung von Gut und Böse dar. Unsichere Charaktere, die im realen Leben häufig als Außenseiter gelten, finden durch die zwingend notwendige Zusammenarbeit mit den Mitspielern in sogenannten „Clans“ oder „Gilden“ soziale Anerkennung. Der Zusammenhalt in der virtuellen Gemeinschaft des „Clans“ erzeugt aber gleichzeitig einen ungeheuren sozialen Druck. Jedem einzelnen Mitglied werden feste Aufgaben zuteil. Werden die Anforderungen der Gruppe nicht erfüllt, droht der Ausschluss aus der Gruppe und damit erneut die soziale Isolation. Diese Gruppendynamik gepaart mit der instabilen Persönlichkeit mancher Onlinespieler führt dann zu einem immer tieferen Abtauchen in die Virtualität. Andersherum betrachtet kann man sagen, dass Nutzer mit psychischen Erkrankungen oder nicht gefestigter Persönlichkeit der Anziehungskraft des Onlinespielens und dem damit nahezu unausweichlich einhergehenden sozialen Druck leichter erliegen und pathologische Nutzungsmuster des Computer- und Internetkonsums zu entwickeln scheinen. Der pathologische

Im Gegensatz dazu zeigt sich in der Gruppe der Alkoholabhängigen im Rahmen des SKID-Interviews zwar ebenfalls ein Teil der Probanden als psychiatrisch erkrankt (Tab. 3.5.1). Allerdings liegt hier der Anteil mit insgesamt 44 % der Befragten doch deutlich niedriger als im Kollektiv der Internetabhängigen. 36 % der Studienteilnehmer dieser Gruppe wurde die Diagnose einer Depression gestellt. Und gerade diese Patienten weisen größtenteils (zu 66 %) noch weitere psychiatrische Störungen auf (Tab. 3.5.2). Der größere Anteil (56 %) der alkoholabhängigen Probanden leidet an der Abhängigkeit, ohne darüber hinaus eine komorbide psychische Störung zu entwickeln. In wissenschaftlichen Arbeiten findet sich eine Akutprävalenz von depressiven Störungen bei stationär behandelten Alkoholabhängigen zwischen 6,8 % (Driessen 1999) und 23 % (Hesselbrock, Meyer & Keener 1985). Besonders auffällig ist hierbei jedoch, dass die Prävalenz von depressiven Symptomen bei Alkoholabhängigen im Laufe der Entgiftungsbehandlung rückläufig ist. So wird von einem Rückgang der Prävalenz von 40 % bei Behandlungsbeginn auf 4 % nach vier Wochen Therapie berichtet (Schuckit et al. 1997b). Auch Persönlichkeitsstörungen scheinen im Rahmen einer Alkoholabhängigkeit eine wichtige Rolle zu spielen. Die im Rahmen dieser Untersuchung gewonnen Daten liegen mit einer Akutprävalenz von 24 % für eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur und von 4 % für eine manifeste Persönlichkeitsstörung in der Gruppe der Alkoholabhängigen unter den in der Literatur zu findenden Angaben. Dort liegt die ermittelte Prävalenz für Persönlichkeitsstörungen bei Alkoholabhängigen zwischen 30 % und 80 % (Wittfoot, Driessen 2000, Gammeter 2002). Zwar zeigte die SCL-90-R (Tab. 3.5.8)

und auch die BIS (Tab. 3.5.13), dass sich die Gruppe der Alkoholabhängigen in Bezug auf ihre gesamte psychische Belastung und bezüglich ihres Impulsivitätsniveaus nicht signifikant von der Gruppe der Internetabhängigen unterscheidet. Dennoch lässt sich Alkoholabhängigkeit nicht ausschließlich als ein Symptom einer vorher bestehenden Erkrankung erklären. Die Ergebnisse der HAMD (Tab. 3.5.7) machen deutlich, dass sich bei Probanden mit Alkoholproblemen depressive Symptome durch das Trinken entwickeln können und ihre Symptomatik sich sehr schnell verbessert, sobald sie den Konsum stoppen.

Affektive Beeinträchtigungen scheinen hier also eher die Folge des Trinkens als dessen Auslöser zu sein. Die Studienergebnisse von Verheul et al. deuten darauf hin, dass affektive Störungen und Angststörungen, im Gegensatz zu Persönlichkeitsstörungen bei Substanzabhängigen oftmals Artefakte des Substanzkonsums darstellen (Verheul et al. 2000). Für alle alkoholabhängigen Probanden, die in den letzten sechs Monaten mit einem Partner zusammenlebten, erwiesen sich zudem laut TAI Probleme mit dem Lebenspartner als Auslöser oder Verstärker der Alkoholprobleme. Gleichzeitig führte wiederum auch der Alkoholkonsum zu vermehrten Problemen mit dem Partner.

Die Motive für den verstärkten Alkoholkonsum und das Muster an psychischer Komorbidität der Gruppe der Alkoholabhängigen in dieser Studie sind somit deutlich heterogener als das Bild, welches man von der Gruppe der Internetabhängigen gewinnt. Ein Teil der Probanden mit Alkoholproblemen nutzt den Alkohol im Sinne einer Selbstmedikation. So wird beispielsweise die anxiolytische Wirkung des Alkohols genutzt, um Angstzustände zu lindern. Und auch die sedierenden Effekte werden teilweise unbewusst zur Behandlung von Unruhezuständen und Schlafstörungen eingesetzt. Jedoch gibt es auch einen großen Anteil an Probanden, die ohne weitere psychische Erkrankungen eine starke Abhängigkeitserkrankung aufzuweisen haben.

Die Ergebnisse dieser Studie erlauben demnach durchaus die Überlegung, den Medienkonsum der Gruppe der Internetabhängigen als ein Symptom von bekannten psychischen Erkrankungen zu verstehen. Darüber hinaus kann bestätigt werden, dass Depressionen in diesem Studienarm bei Weitem die größte Rolle spielen.

Die Gruppe der Alkoholabhängigen zeigt hingegen einen deutlich niedrigeren Anteil an psychischen Begleiterkrankungen und ein breites Spektrum an Gründen für ihre Abhängigkeit. Allerdings kann aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen und Schwachstellen im Studiendesign nicht von Repräsentativität der Ergebnisse ausgegangen werden. Außerdem finden sich auch eine Reihe von Argumenten, die für die Einteilung von Internetabhängigkeit als eigenständige Krankheit sprechen. So könnte die Zugangsschwelle zur Teilnahme an der Studie so hoch gelegen haben, dass sich nur besonders schwer Betroffene für eine Teilnahme interessiert haben und deshalb alle internetabhängigen Studienteilnehmer psychisch vorerkrankt waren. Demnach könnte es sein, dass im Rahmen dieser Studie lediglich die „Spitze des Eisbergs“ untersucht wurde. Des Weiteren ist zu beachten, dass mit Opiatabhängigkeit und insbesondere Polytoxikomanie

ebenfalls stoffgebundene Abhängigkeiten existieren, die teilweise mit ähnlich hohen Raten an komorbiden psychischen Störungen einhergehen wie Internetabhängigkeit in dieser Studie (Frei, Rehm 2002). Dennoch sind sie sinnvollerweise als eigenständige Krankheitsbilder offiziell anerkannt.

Besonders schwer fällt es Internet- und Computerspielabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen einzuordnen, deren mentale und emotionale Entwicklung besonders anfällig für schädliche Einflüsse ist.

Kinder erlernen heute von klein auf einen selbstverständlichen Umgang mit Computern und Internet. Daher findet man bei ihnen allgemein eine intensive Nutzung dieser Medien, ohne dass gleich von pathologischer Nutzung auszugehen ist. Allerdings ist durch diese frühe Gewöhnung auch eine Fehlentwicklung im Sinne eines exzessiven Nutzungsverhaltens nicht auszuschließen. Es erweist sich allerdings als überaus kompliziert zu eruieren, ob es durch eine vorbestehende (ggf. subklinische) psychische Störung zur Flucht in die Virtualität kommt, oder ob eine exzessive Mediennutzung in der Kindheit und Jugend die adäquate Reifung der Psyche verhindert und somit sekundär die Entwicklung einer psychischen Erkrankung fördert.

Zusammenfassend könnte exzessive Internet- und Computernutzung insbesondere bei erstmaligem Auftreten

Zusammenfassend könnte exzessive Internet- und Computernutzung insbesondere bei erstmaligem Auftreten