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Die Variablen Geschlecht, Alter und Schulabschluss dienen als Kriterien der Vergleichbarkeit zwischen den Versuchsgruppen und sollten daher eine ähnliche Verteilung aufweisen. Des weiteren werden Daten zum beruflichen Werdegang und zur familiären Situation gegenübergestellt. Die Ergebnisse werden mit den Daten entsprechender Studien verglichen und interpretiert.

4.1.1 Geschlecht

Der Anteil männlicher Studienteilnehmer liegt im Kollektiv der Alkoholabhängigen und in der Kontrollgruppe bei 68 %. In der Gruppe der Internetabhängigen sind 76 % der Probanden männlichen Geschlechts (Tab. 3.1.1). Dieser Unterschied in der Geschlechtsverteilung zwischen den Untersuchungsgruppen erweist sich als nicht signifikant. Auch in einem Großteil der Studien zum Thema Internetabhängigkeit dominieren Männer die Untersuchungskollektive (Chou, Condron & Belland 2005). So findet Niesing einen Männeranteil von 71,23 % (Niesing 2000). Auch Scherer und Greenfield berichten über einen Männeranteil von 71 % (Scherer 1997, Greenfield 1999). Allerdings finden sich auch ältere Studien, in denen die Geschlechtsverteilung nahezu ausgeglichen ist oder sogar der Anteil an weiblichen Teilnehmern dominiert. So konnte Young 1996 in der ersten amerikanischen Studie über Internetabhängigkeit einen Frauenüberschuss aufzeigen (60,35 %) (Young 1999). Sie erklärte dies mit einer größeren Bereitschaft von Frauen, an Befragungen teilzunehmen. Ebenso wiesen Hahn und Jerusalem ein Überwiegen von weiblichen Internetabhängigen in der Altersklasse von 20 Jahren und älter nach, in der Altersklasse darunter dominierten die männlichen Jugendlichen (Hahn, Jerusalem 2001a). In einer Arbeit von Kratzer waren 56,7 % der Internetabhängigen männlich (Kratzer, Hegerl 2008). Diese Verteilung spiegelt die Verhältnisse der

generellen Internetnutzung wieder. Der Anteil an weiblichen Usern nähert sich kontinuierlich dem der Männern an. In Deutschland nutzten 2007 68,9 % der Männer und 56,9 % der Frauen das Internet (Eimeren, Frees 2010).

Insgesamt aber entspricht die Geschlechtsverteilung in der vorliegenden Studie gegenwärtigen Forschungsergebnissen sowohl in Bezug auf Internetabhängigkeit als auch auf Alkoholabhängigkeit. Denn auch hier sind Männer zwei- bis fünfmal häufiger betroffen als Frauen (Klein 2001, Kiefer, Mann 2007, Küfner, Kraus 2002). Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre ist es allerdings durchaus möglich, dass der Anteil der weiblichen Betroffenen in Zukunft, ähnlich wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen, immer näher an den der Männer heranrückt.

4.1.2 Alter

Die Gruppe der Alkoholabhängigen und die Kontrollgruppe weisen mit 41,36 Jahren und 39,56 Jahren einen ähnlichen Altersdurchschnitt auf. Die Gruppe der Internetabhängigen ist mit 29,36 Jahren im Mittel signifikant jünger (Tab. 3.1.2). Für die Interpretation der weiteren Ergebnisse dieser Arbeit muss der signifikante Altersunterschied zwischen Alkoholabhängigen und Internetabhängigen von über zehn Jahren immer mit berücksichtigt werden. Betrachtet man bisherige Studien zum Thema Internetabhängigkeit, die volljährige Probanden untersuchen, ergibt sich ein ähnlicher Altersschnitt wie in der vorliegenden Arbeit.

Greenfield ermittelt einen Altersschnitt von 33 Jahren (Greenfield, Davis 2002). In weiteren Studien sind die Betroffenen mit 28,3 Jahren (Kratzer, Hegerl 2008) beziehungsweise 28,1 Jahren (Seemann 2000) nur geringfügig jünger.

Der tatsächliche Altersdurchschnitt der Betroffenen dürfte sogar noch darunter liegen. Da es sich in diesen Studien um Erwachsenenstichproben handelt, wird das Auftreten des Phänomens bei unter 18-jährigen nicht abgebildet. Denn neben diesen Studien an volljährigen Betroffenen gibt es auch eine Reihe von Untersuchungen, in denen Kinder und Jugendliche zum Thema Computerspiel- und Internetabhängigkeit untersucht wurden. So zeigt beispielsweise eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen an insgesamt 44610 Schülern neunter Klassen, dass bei 3 % der Jungen und bei 0,3 % der Mädchen eine Computerspielabhängigkeit vorliegt und dass weitere 4,7 % der Jungen und 0,5 % der Mädchen als gefährdet eingestuft werden (Rehbein, Kleimann & Mößle 2009). Durch diese Zahlen wird die Bedeutung der Internetabhängigkeit als Problematik der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bestärkt.

Denn obwohl durch die derzeitige Bevölkerungsentwicklung der Anteil der unter 30-jährigen kontinuierlich schrumpft und der Anteil der über 65-jährigen kontinuierlich wächst, lässt sich in allen Studien eine deutliche Überrepräsentation der jüngeren Altersklassen finden. Für die Alkoholabhängigkeit gilt diese Aussage nur bedingt, da zwar die höchste 12-Monatsprävalenz für alkoholbedingte Störungen im jungen Erwachsenenalter liegt und besonders in den letzten Jahren auch der Anteil betroffener Jugendlicher wächst

(Bäwert, Fischer 2005, Küfner, Kraus 2002), aber dennoch Alkoholkonsum bei Erwachsenen aller Altersstufen unserer Gesellschaft weit verbreitet ist und dort zu Problemen führt (Klein 2001, Kiefer, Mann 2007). Daher lassen sich alkoholbedingte Störungen nicht als eine reine Problematik von Jugendlichen und jungen Erwachsenen interpretieren.

Exzessiver Internetkonsum ist derzeit ein Phänomen der Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters.

Allerdings wird der Anteil an älteren Internetnutzern in Zukunft immer weiter steigen. Somit wird es auch in diesen Altersklassen immer mehr potentiell gefährdete Personen geben. Zudem altert die Gruppe der momentan Betroffenen und wird den Anteil an älteren Betroffenen im Vergleich zu heute unweigerlich erhöhen.

4.1.3 Schulbildung

Der Bildungsstand der Untersuchungsgruppen divergiert (Tab. 3.1.3). So weisen die Alkoholabhängigen und die Kontrollgruppe ein leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegendes Bildungsniveau auf. In diesen beiden Untersuchungsgruppen verfügen jeweils 20 % der Teilnehmer über die allgemeine Hochschulreife, 52 % über einen Realschulabschluss und 28 % über einen Hauptschulabschluss. In der Gruppe der 20- bis 30-jährigen liegt im Bundesdurchschnitt bei 33% der Bürger ein Realschulabschluss und bei 38% die allgemeine Hochschulreife vor (Statistisches Bundesamt 2011). Das Kollektiv der Internetabhängigen hingegen weist ein überdurchschnittliches Bildungsniveau auf. 48 % der Probanden verfügen über die allgemeine Hochschulreife, 40 % über einen Realschulabschluss und lediglich 8 % über einen Hauptschulabschluss. Die restlichen 4 % waren zum Zeitpunkt der Untersuchung noch Schüler. Dies könnte ein Rekrutierungsartefakt sein, aufgrund der geringen Teilnehmerzahl lässt sich hierüber keine allgemeingültige Aussage treffen.

Da Computer und Internet auch in Haushalten mit niedrigerem Bildungsniveau Einzug halten und für potentiell abhängige Verhaltensweisen wie Onlinespiele oder Chatten keine komplexen Computerkenntnisse von Nöten sind, weisen die Betroffenen zusehends ein niedrigeres Bildungsniveau auf. Zudem sind die Kosten für Computer- und Internetnutzung sukzessive gesunken, sodass sie auch von Personen mit relativ niedrigem sozioökonomischen Status aufgebracht werden können.

4.1.4 Intelligenzniveau

Der im Rahmen der Studie durchgeführte Intelligenztest diente einer Abschätzung, ob die Probanden intellektuell und sprachlich in der Lage sind die komplexen Fragebögen und das Interview sinnvoll zu beantworten. Zudem sollten keine zu großen Differenzen zwischen den Gruppen bestehen, die die Vergleichbarkeit der Gruppen vermindert hätten. Er spiegelt die Divergenz des Ausbildungsstands der Studienteilnehmer nicht wieder (Tab. 3.1.6). Alle Gruppen weisen im MWT-B einen leicht

überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten auf. Auch hier kann aufgrund der geringen Gruppengrößen nicht von Allgemeingültigkeit gesprochen werden. Dennoch kann es sein, dass sich intelligentere Personen eher über die Hintergründe ihrer Beschwerden informieren und daher auch leichter zu einer Studienteilnahme überzeugt werden können.

4.1.5 Berufsausbildung

Bei Betrachtung der Berufsausbildung (Tab. 3.1.4) offenbaren die Kollektive interessante Differenzen. In der Gruppe der Alkoholabhängigen haben 80 % der Probanden eine Lehre oder Fachschulausbildung und 16 % ein Studium abgeschlossen. 4 % verfügen nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes von 2009 weisen 58 % der deutschen Bevölkerung eine abgeschlossene Lehre oder Fachschulausbildung vor. 14 % haben ein Studium abgeschlossen und 28 % haben keine abgeschlossene Berufsausbildung (Statistisches Bundesamt 2011). Somit haben die Teilnehmer aus der Gruppe der Alkoholabhängigen einen mit der deutschen Bevölkerung vergleichbaren Bildungsstand.

Während in der Gruppe der Alkoholabhängigen lediglich ein Proband nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, weisen in der Gruppe der Internetabhängigen 36 % keine abgeschlossene Berufsausbildung auf. So scheint ein großer Teil der Betroffenen trotz überdurchschnittlichen Intelligenzniveaus und gutem Schulabschluss nicht in der Lage, den Sprung in die Autonomie zu schaffen.

Viele der jungen Patienten berichten über narzisstische Kränkungen, die zum Scheitern führen oder das Scheitern selbst beinhalten. Dieses Versagen kann die Beziehungsebene betreffen (Trennung aus einer Partnerschaft, Scheidung der Eltern) oder auch die schulisch-berufliche Ebene (Arbeitsplatzverlust, Misserfolg in Prüfungssituationen). Aus Angst vor weiteren Kränkungen ziehen sie sich häufig in eine virtuelle Parallelwelt zurück, in der es ihnen leichter fällt, einen starken Charakter darzustellen (narzisstisch-depressiver Weg). Andere junge Menschen ziehen sich aus Angst vor den Anforderungen der realen Welt in die virtuelle Alternative zurück. Der exzessive Medienkonsum führt zunehmend zu einem Desinteresse an der realen Welt, weshalb Verpflichtungen für die eigene Zukunft (Schule, Ausbildung, Studium) vernachlässigt werden (soziophober Weg). Ob andererseits der übermäßige Medienkonsum auch primär als Ursache für den fehlenden Berufseinstieg gedeutet werden kann, ist mit den Daten der bisherigen Studien nicht zu beurteilen. Für eine dahingehende Interpretation ist die Durchführung von Längsschnittstudien, wie beispielsweise mit Berliner Längsschnitt Medien (Rehbein, Kleimann & Mößle 2009) begonnen, unabdingbar. In der Gruppe der Internetabhängigen befinden sich außerdem noch 12 % der Probanden in Ausbildung, dies dürfte vor allem dem signifikant niedrigeren Durchschnittsalter der Probanden geschuldet sein.

Der erfolgreiche Abschluss einer Berufsausbildung und der damit verbundene Start in das Erwachsenenleben erscheint bei den Internetabhängigen dieser Studie erschwert. Ob exzessiver Internetkonsum als Ursache oder Symptom einer verzögerten Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen ist, kann nur durch längerfristige Beobachtungen in Längsschnittstudien geklärt werden.

4.1.6 Derzeitige berufliche Situation

In der Gruppe der Alkoholabhängigen verfügen zwar 96 % über eine abgeschlossene Berufsausbildung, jedoch offenbaren sich bei der Betrachtung der derzeitigen beruflichen Situation (Tab. 3.1.5) bemerkenswerte Tendenzen. In dieser Gruppe gehen zum Zeitpunkt der Untersuchung lediglich 24 % der Teilnehmer einer Arbeit nach. Im Jahr 2006 waren zum Vergleich 67,5 % der Deutschen im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig (Statistisches Bundesamt 2011). In der Gruppe der Internetabhängigen sind 44 % und in der Kontrollgruppe sogar 88 % berufstätig. Die Alkoholabhängigen dieses Kollektivs scheinen demnach trotz abgeschlossener Ausbildung teilweise nicht dazu in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Diese Problematik besteht unabhängig davon, ob der Alkoholkonsum eine Arbeitstätigkeit verhindert oder die Arbeitslosigkeit den Alkoholkonsum erst ausgelöst beziehungsweise verstärkt hat. Es darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass Alkoholprobleme per se einer Erwerbstätigkeit entgegen stehen. Denn bis zu acht Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland trinken täglich während der Arbeit Alkohol und vier bis sieben Prozent aller Berufstätigen sind alkoholabhängig (Heipertz, Triebig 2000). In anderen Studien ist die Zahl der Erwerbslosen unter den Alkoholabhängigen mit 12 % (Brown et al. 2007) und 18,6 % (Soyka et al.

2003) auch erheblich geringer als in der vorliegenden Untersuchung. So besteht besonders im Bereich der Produktion von alkoholischen Getränken, bei ungelernten Arbeitern, in klassischen „Durstberufen“ (Gießer, Köche, Heizer, Glasbläser, Drucker) sowie in Kontaktberufen (Vertreter, Journalisten, Werbebranche) und nicht zuletzt in freien Berufen einschließlich der Ärzteschaft, ein erhöhtes Abhängigkeitsrisiko (Soyka 2001). Dies muss aber nicht zwingend zum Verlust des Arbeitsplatzes führen.

Die Betrachtung der derzeitigen beruflichen Situation der Probanden zeigt insbesondere bei den Alkoholabhängigen ein starkes Abweichen sowohl von der Allgemeinbevölkerung als auch im Vergleich mit alkoholabhängigen Probanden anderer Untersuchungen, bei denen Alkoholkonsum kein Hinderungsgrund für die Erwerbstätigkeit darstellt. Der geringe Anteil an erwerbstätigen Alkoholabhängigen in dieser Studie unterstreicht vielmehr die Ausprägung der Alkoholabhängigkeit bei den Probanden.

4.1.7 Familiäre Situation

Als Nächstes soll auf die familiäre Situation der Studienteilnehmer eingegangen werden. Das statistische Bundesamt schätzt die Zahl der Alleinstehenden in Deutschland für 2006 auf 16,5 Millionen, was bei einer Gesamtbevölkerung von 82 Millionen einem Anteil von etwa 20 % entspricht (Statistisches Bundesamt

2011). Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben sogar 55 % der Deutschen keine feste Partnerschaft (Wagner 2008). In der vorliegenden Untersuchung leben in der Gruppe der Alkoholabhängigen und der Internetabhängigen jeweils 52 % der Teilnehmer ohne einen festen Lebenspartner. In der Kontrollgruppe sind hingegen nur 16 % alleinstehend (Tab. 3.1.7). In der Literatur liegt der Anteil an Internetabhängigen ohne festen Partner zwischen 44,9 % (Zimmerl, Panosch & Masser 1998) und 71,23 % (Niesing 2000). Und auch für Alkoholabhängige lassen sich Unterschiede bezüglich des Beziehungsstatus finden. Der Anteil der Alkoholabhängigen ohne festen Partner liegt in Studien zwischen 18,6 % (Soyka et al. 2003) und 55 % (Brown et al. 2007).

Der Beziehungsstatus der alkohol- und internetabhängigen Probanden dieser Studie entspricht weitgehend den Angaben aus der Literatur und unterscheidet sich nicht richtungsweisend von der Allgemeinbevölkerung, da immer mehr Menschen ohne festen Partner leben. Die Probanden der Kontrollgruppe weisen hingegen einen sehr hohen Anteil an festen Partnerschaften auf. Es könnte sein, dass sie in einem stabileren sozialen Umfeld leben als die Abhängigen. Allerdings sind die Probanden der Kontrollgruppe im Durchschnitt circa 10 Jahre älter als die Internetabhängigen (Tab. 3.1.2) und befinden sich somit vielleicht auch in einer Lebensphase in der man eher mit einem festen Partner zusammenlebt.

Laut „Sozioökonomischem Panel“ haben in Deutschland 65 % der Erwachsenen Kinder (Wagner 2008). Der Anteil der Eltern unter den Probanden dieser Arbeit, liegt mit jeweils 56 % der Alkoholabhängigen und der Kontrollgruppe ähnlich hoch. In der Gruppe der Internetabhängigen liegt der Anteil der Eltern jedoch nur bei 24 % der Probanden. Zum einen kann dieser geringe Kinderanteil bei den Betroffenen durch die Symptomatik der Störung erklärt werden, zum anderen ist hier das geringere Durchschnittsalter (Tab. 3.1.2) der Versuchspersonen von entscheidender Bedeutung.