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4. Diskussion

4.1 Diskussion der Ergebnisse

Die einzelnen korrelativen Zusammenhänge der erhobenen Daten und Variablen helfen dabei das Verständnis der verwendeten Skalen und dessen, was sie messen, zu verbessern. Dass das Alter in einer signifikant positiven korrelativen Beziehung zur Religiosität steht und in einer negativen zum Atheismus sowie zum Agnostizismus und Szientismus, unterstützt die Ausführungen zum Säkularisierungstrend im deutschsprachigen Raum (vgl. Pickel, 2017;

Pollack & Müller, 2013). Es macht den Anschein, als würden sich insbesondere jüngere Menschen immer weiter von den herkömmlichen Religionen distanzieren und entweder

säkulare Weltanschauungen etablieren oder spirituelle, welche sich jedoch von dem altherkömmlichen religiösen Glauben distanzieren (siehe Tab. 02). Hierfür spricht auch, dass lediglich 11.9% der Stichprobe als hoch-religiös zu bezeichnen sind und ferner, dass nur 24.3% angeben, überhaupt religiös zu sein (siehe Kap. 3.2.1). Überdies zeigt die signifikant positive Korrelation der dichotomisierten Geschlechts-Variable mit den Skalen der Todesfurcht und des Vermeidungsverhaltens, dass Frauen augenscheinlich eine stärkere Angst vor dem Tod verspüren als Männer. Zudem lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht sagen, dass der Beziehungsstatus einer Person in einer relevanten Beziehung zu einem der erhobenen Konstrukte steht, was den Überlegungen von Mikulincer (2018) und ebenso den Daten der Erhebung von Chmielewski et al. (2019) dahingehend widerspricht, dass Menschen, die in einer festen Beziehung leben, weniger Angst vor dem Tod zeigen sollten. Des Weiteren bestätigen die Interkorrelationen der einzelnen Skalen des DAP-GR, dass von den drei erhobenen Arten an Akzeptanz lediglich die Neutrale Akzeptanz in einem signifikant negativen Verhältnis zur wahrgenommenen Todesfurcht und dem Vermeidungsverhalten steht, wobei die Effektstärken im moderaten Bereich liegen. Dies belegt zum einen teilweise eine Annahme von Wong (2008) dahingehend, dass die Neutrale Akzeptanz sich negativ auf die Todesfurcht auswirkt als auch die Studie von Wink und Scott (2005), in welcher sie darlegten, dass ein Glaube an ein Leben nach dem Tod – oder eben die Akzeptanz des Todes als Schwelle zum Jenseits – nicht zwangsläufig zu einer geringeren Todesfurcht führt.

Aus dem Ergebnisteil der Hypothesenüberprüfung wird an erster Stelle ersichtlich, dass sich auf Basis der vorliegenden Stichprobe die Annahme, dass Religiosität mit der aktiv wahrgenommenen Todesfurcht in einem kurvilinearen Zusammenhang in umgekehrter U-Form steht, bestätigen lässt29 (siehe Kap. 3.4.2.1 und vgl. Jong et al., 2018; Ellis & Wahab, 2013). Die jeweilig statistisch signifikante quadratische Beziehung zwischen den kontinuierlichen Variablen der Religiosität und der des Atheismus mit der abhängigen Variable Todesfurcht bestätigt, dass die Todesfurcht in Abhängigkeit zur persönlichen Stärke der Identifizierung mit einer der hier genannten weltanschaulichen Positionen steht. Dem folgend ist die Beziehung zwischen Religiosität/Atheismus und der wahrgenommenen Todesfurcht nicht linear – desto religiöser desto weniger Todesfurcht/desto atheistischer desto

29 Hierbei muss nach wie vor beachtet werden, dass für die kontinuierlichen Variablen der weltanschaulichen Positionen – in diesem Fall Religiosität und Atheismus – sowohl eine vollständige Ablehnung als auch eine vollständige Zustimmung für eine Festigkeit bzw. Überzeugtheit von einer Weltanschauung einstehen. Eine vollständige Ablehnung der Items, welche die Zentralität des religiösen Glaubens erfassen, spricht gleichzeitig für eine überzeugte nicht-religiöse Weltanschauung und eine vollständige Ablehnung der Items, welche die atheistische Weltanschauung erfassen, spricht wiederum für eine überzeugte nicht-atheistische Weltanschauung.

mehr Todesfurcht –, sondern kurvilinear dahingehend, dass ein moderater Atheismus und eine moderate Religiosität mit einer verstärkten Todesfurcht einhergehen. Insofern geht es – zumindest bei diesen weltanschaulichen Positionen – in erster Linie um die Stärke der Identifizierung mit der eigenen weltanschaulichen Position und nicht primär um deren Inhalt.

Somit lässt sich zum einen die Überlegung von Jong et al. (2018) und Ellis und Wahab (2013) bestätigen als auch die Theorie einiger TMT-Forscher, nach welcher die Festigkeit der eigenen weltanschaulichen Position in einer negativen Beziehung zur wahrgenommenen Todesfurcht steht und ein religiöser Glaube nicht zwangsläufig zu einer geringeren Todesfurcht führt, sondern es auch bei diesem um die Stärke der eigenen Überzeugung/Identifizierung geht (vgl. Pyszczynski et al., 2015). Ebendiese statistisch signifikante quadratische Beziehung ließ sich in der vorliegenden Stichprobe nicht für die abhängige Variable des Vermeidungsverhaltens feststellen. Dies könnte daran liegen, dass sich die Überzeugung von einer weltanschaulichen Position verstärkt auf die wahrgenommene Angst vor dem Tod auswirkt und weniger auf eine allgemeinere persönliche Einstellung, welche augenscheinlich eher anhand der Variable Vermeidungsverhalten erfasst wird. Zudem stehen sich die Variablen Todesfurcht und Vermeidungsverhalten zwar nahe, allerdings bedeutet ein erhöhtes Vermeidungsverhalten definitionsgemäß – und auch auf Grundlage dessen, wie es die einzelnen Items des DAP-GR erheben – nicht zwangsläufig auch eine verstärkte Angst vor dem Tod. Deswegen ist der in diesem Fall nicht vorhandene signifikante quadratische Zusammenhang nicht mit einem Widerlegen der obig genannten Hypothese gleichzusetzen. Allerdings konnte eine vorherige Studie von Spitzenstätter und Schnell (2020b) den zuvor besprochenen quadratischen Zusammenhang ebenfalls für die Variable Vermeidungsverhalten nachweisen, weswegen auch angenommen werden könnte, dass das Fehlen dieses quadratischen Zusammenhangs hier auf die Zusammensetzung der Stichprobe zurückzuführen sein könnte oder auf andere in Kap. 4.2 angesprochene Limitationen.

Anhand der weiteren explorativen Untersuchung der anderen – mittels des DoS erhobenen – weltanschaulichen Positionen konnte die zuvor beschriebene quadratische Beziehung auch für die Position des Szientismus belegt werden (siehe Kap. 3.4.3.1). Wenn dies mit der Studie von Sawyer et al. (2019) kombiniert wird, stellt sich die Frage, ob dieser signifikante quadratische Zusammenhang seinen Ursprung tatsächlich in dem Glauben an die Wissenschaft hat oder ob er – sowie Sawyer et al. argumentieren – lediglich in der Überzeugtheit von der eigenen Weltanschauung wurzelt und nicht in ihrem konkreten Inhalt.

Die feste Identifizierung mit einer weltanschaulichen Position könnte dem Menschen unabhängig von ihrem Inhalt dabei helfen das eigene Leben auf Basis von festen Werten und

Idealen zu führen, welche ihren Ursprung in dieser Identifizierung haben (vgl. Solomon &

Thompson, 2018). Diese Werte wiederum könnten bspw. an die eigenen Kinder weitergegeben werden oder in sonstiger Form so verfestigt werden, dass sie das eigene Leben überdauern und somit z.B. symbolische Unsterblichkeit und Generativität generieren, wobei diese wiederum für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit förderlich sind (vgl.

Pyszczynski et al., 2015; Schnell, 2016, S. 54).

Ferner konnte gezeigt werden, dass sowohl die weltanschauliche Position des Agnostizismus als auch die des ökonomischen Materialismus wie erwartet in einer statistisch signifikant positiven Beziehung zur wahrgenommenen Todesfurcht stehen. Grund für Ersteres ist wahrscheinlich, dass die Position des Agnostizismus – wie auch von Solomon et al. (2015) dargelegt – definitionsgemäß eine unsichere und von Ambiguität gekennzeichnete Weltanschauung beschreibt, was der von der TMT proklamierten Angstpuffer-Funktion von festen Weltanschauungen entgegenwirkt. Dieses Ergebnis, gepaart mit der von Solomon et al.

(2015) vorgenommenen Unterteilung weltanschaulicher Positionen in „Rock“-Weltanschauungen und „Hard places“-Weltanschauungen, führt zu einer grundsätzlichen Überlegung: Der Zusammenhang zwischen „Rock“-Weltanschauungen – somit Weltanschauungen, die bei einer festen Überzeugung von diesen andere Weltanschauungen zwangsläufig exkludieren (bspw. religiöser Glaube, Atheismus oder Szientismus) – und der wahrgenommenen Todesfurcht ist meistens kurvilinear. Im Gegensatz dazu ist der Zusammenhang der Überzeugung von „Hard Places“-Weltanschauungen – insofern Weltanschauungen, welche durch Offenheit, Ambiguität und Unsicherheit gekennzeichnet sind (bspw. Agnostizismus und Spiritualität) – eher linear.

Dass die Position des ökonomischen Materialismus in einer positiven Beziehung zur Todesfurcht steht, könnte in Anlehnung an die Überlegungen von Christopher et al. (2006) so erklärt werden, dass die Bedeutungszuschreibung zu materiellen Gütern und Geld eine dysfunktionale Methode ist, um zum einen symbolische Unsterblichkeit zu gewährleisten und zum anderen persönliche Unsicherheiten zu kompensieren. Allerdings kann eben dieser verstärkte ökonomische Materialismus zum Gegenteiligen führen: das erhöhte Risiko des – materiellen – Verlusts, führt zu mehr Todesfurcht, welche nicht durch die theoretische symbolische Unsterblichkeit (durch z.B. das materielle Erbe an die eigenen Kinder) kompensiert werden kann. Zudem liegt die Überlegung nahe, dass ein ausgeprägter ökonomischer Materialismus einem ebenso gut die Vergänglichkeit des Lebens vorführen könnte, da man erfährt, wie schnell das, was man sich materiell angeeignet hat, wieder an Wert und Bedeutung verliert, sobald man sich an dessen Besitz gewöhnt oder ihn verliert.

Hier ist jedoch zugleich auffällig, dass der ökonomische Materialismus nicht signifikant negativ mit der Neutralen Akzeptanz korreliert, was den Überlegungen von Christopher et al.

(2006) widerspricht (siehe Tab. 04). Dies könnte daran liegen, dass die Skala Neutrale Akzeptanz nicht direkt eine allgemeine Todesakzeptanz erfragt, sondern sich zu gewissen Teilen lediglich auf das Verständnis davon bezieht, dass der Tod das natürliche Ende des Lebens ist. Somit geht es hierbei nicht ausschließlich um die Akzeptanz und das Verständnis davon, dass das eigene Leben unausweichlich mit dem eigenen Tod endet, sondern auch um ein rationales Verständnis vom Tod, was wiederum nicht mit der Akzeptanz davon gleichzusetzten ist, dass man selbst irgendwann sterben wird. Dies könnte auch eine Erklärung für die negative Korrelation zwischen der Religiosität und der Neutralen Akzeptanz sein, als auch für positive zwischen der Neutralen Akzeptanz und der atheistischen Weltanschauung.

Die Korrelationen der Humanismus-Skala ergaben, dass diese – als einzige der erfassten säkularen weltanschaulichen Positionen – in einer signifikant positiven Beziehung zur wahrgenommen Sinnerfüllung sowie zur Ausprägung des dispositionalen Selbstwerts steht als auch zur Spiritualitätsfacette Achtsame Selbstannahme (siehe Tab. 04 und Kap.

3.4.2.1). Zudem zeigten weitere Korrelationen und ebenso die errechneten Regressionsmodelle, dass der Humanismus auch in einer signifikant negativen linearen Beziehung zur Todesfurcht steht und ebenso mit geringeren Gefühlen von Einsamkeit einhergeht. Somit steht das Hochhalten von Werten, welche eine humanistische Weltanschauung beschreiben, im Vergleich zu denen anderer säkularer weltanschauliche Positionen in einer besonders förderlichen Beziehung zu den Konstrukten der Sinnerfüllung, des Selbstwerts und der Angst vor dem Tod. Dies könnte jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass die Humanismus-Skala sich im Gegensatz zu den anderen Skalen des DoS im Generellen auf moralische Werte bezieht – und nicht auf metaphysische oder erkenntnistheoretische Fragen sowie andere Skalen des DoS – und dass sich das Hochhalten dieser besonders positiv auf das menschliche Dasein auswirken kann.

Dass die Skala Persönliche Verantwortung ebenso in einem quadratischen Zusammenhang zur wahrgenommenen Todesfurcht steht, könnte bedeuten, dass sowohl das vollkommene Ablehnen von Eigenverantwortung als auch das vollkommene Annehmen dieser, eine Facette einer überzeugten weltanschaulichen Position darstellen. Insofern gehen die Ergebnisse ebenfalls mit den vorherigen Überlegungen und Auswertungen kohärent, nach welchen eine moderate Zustimmung am ehesten persönliche Unsicherheiten bzgl. der eigenen

weltanschaulichen Position repräsentiert, was wiederum mit einer verstärkten Wahrnehmung von Todesfurcht einhergeht.

Die vorliegende Untersuchung bestätigt zudem die Ergebnisse der Studien von Brudek und Sekowski (2019) sowie Ardelt (2008) und Zhang et al. (2019) dahingehend, dass die wahrgenommene Sinnerfüllung signifikant negativ mit der Todesfurcht und dem Vermeidungsverhalten korreliert (siehe Tab. 04). Zudem widerspricht sie gewissermaßen der Untersuchung von Lyke (2013), da die vorliegende Stichprobe zu Großteilen aus Personen des jüngeren Erwachsenenalters besteht und sich dennoch die genannte signifikant negative Beziehung zur Todesfurcht zeigt. Folglich lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten sagen, dass die Wahrnehmung von Sinnerfüllung im eigenen Leben generell dabei hilfreich sein kann, mit der Angst vor der eigenen Endlichkeit angemessen umzugehen. Allerdings ist die Annahme, dass die Sinnerfüllung in einer signifikant positiven Beziehung zur Neutralen Akzeptanz stehen sollte – sowie sie es in der Studie von Brudek und Sekowski (2019) tat – auf Basis der vorliegenden Daten statistisch nicht haltbar. Dies wiederum steht in einem starken Gegensatz zu den Annahmen der MMT, nach welchen die Todesakzeptanz eine fundamentale Rolle für die erlebte Sinnerfüllung spielen sollte (vgl. Wong, 2008; Wong & Tomer, 2011).

Dieser fehlende signifikante Zusammenhang könnte abermals auf die im Abschnitt zuvor beschrieben Problematik der Skala Neutrale Akzeptanz zurückzuführen sein. Ein weiterer Grund dafür, dass der in anderen Studien bestätigte Zusammenhang dieser beiden Konstrukte in der vorliegenden Untersuchung nicht bewiesen werden konnte, könnte sein, dass diese Studien oft andere Fragebögen verwendet haben, um das Konstrukt der Sinnerfüllung zu erfassen, wobei diese das Konstrukt des Lebenssinns oft nur eindimensional erfassen und nicht so differenziert wie der LeBe (siehe Kap. 2.3.1 und Spitzenstätter & Schnell, 2020a).

Der dispositionale Selbstwert korreliert ebenfalls signifikant negativ mit der wahrgenommenen Todesfurcht, dem Vermeidungsverhalten und positiv mit der Neutralen Akzeptanz. Insofern lassen sich sowohl die Annahmen von Chmielewski et al. (2019) bestätigen als auch die der TMT-Forscher (Pyszczynski et al., 2015; Yetzer &Pyszczynski, 2018), welche den Selbstwert als protektiven Faktor gegen die Angst vor dem Tod beschrieben haben. Sowohl die Sinnerfüllung als auch der dispositionale Selbstwert scheinen der Theorien der MMT und TMT entsprechend eine protektive Funktion vor der Bedrohung durch die Angst vor der eigenen Endlichkeit einzunehmen.

Überdies konnte die primäre Hypothese, dass die wahrgenommene Sinnerfüllung und der dispositionale Selbstwert mit der Stärke der Überzeugtheit von einer weltanschaulichen Position einhergehen, auf Basis der vorliegenden Stichprobe nicht bestätigt werden. Der

erwartete quadratische Zusammenhang zwischen Stärke der Identifizierung mit einer Weltanschauung und der erlebten Sinnerfüllung bzw. dem dispositionalen Selbstwert konnte statistisch nicht nachgewiesen werden (siehe Kap. 3.4.2.2). Somit kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Sinnerfüllung oder dem Selbstwert in der Beziehung von Weltanschauungen und der Angst vor dem Tod die hypothesierte Mediatorrolle zukommt (vgl. Rogers et al., 2018; Wong, 2008; Solomon & Thompson, 2018). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die vorliegende Untersuchung ihren Fokus insbesondere auf die weltanschaulichen Positionen des Atheismus und der Religiosität legte und beide dieser in einem starken linearen Zusammenhang zu der wahrgenommen Sinnerfüllung stehen, was in dem hohen Maße grundsätzlich verwunderlich ist, da dies bedeuten würde, dass eine atheistische Weltanschauung dem Erleben von Sinnerfüllung fundamental entgegenwirkt.

Der Vergleich der Gruppen von Personen, welche sich selbst als dem Atheismus zugehörig beschrieb und derjenigen, welche sich dem Christentum zuordnete, zeigte, dass die Christen signifikant mehr an Sinnerfüllung aufwiesen als die Atheisten30 (siehe Kap. 3.4.3.4 und vgl. Vail & Soenke, 2018). Als der selbige Gruppenunterschied für das Bestehen von Sinnkrisen getestet wurde, zeigte sich auch hier ein signifikanter Unterschied dahingehend, dass Atheisten höhere Werte in der Sinnkrise-Skala erreichten als Christen, wobei die Effektstärke der Mittelwertdifferenz hier deutlich kleiner war als zuvor bei der abhängigen Variable Sinnerfüllung. Dies geht zumindest teilweise mit den Überlegungen von Schnell und Keenan (2011), Spitzenstätter und Schnell (2020a) sowie den Ausführungen von Farias und Coleman (2020) einher, nach welchen Atheisten im Allgemeinen deutlich weniger Sinnerfüllung zeigen als Christen, aber nicht im gleichen Maße mehr an Sinnkrisen erleben.

Dass die Sinnerfüllung in der vorliegenden Erhebung so stark positiv mit dem Konstrukt der Religiosität korreliert und ebenso negativ mit dem des Atheismus, könnte mehrere Gründe haben. Inhaltlich könnte impliziert werden, dass Religiosität den Individuen im deutschsprachigen Raum – trotz der voranschreitenden Säkularisierung – nach wie vor dabei hilft Kontingenzbewältigung zu betreiben sowie durch die Möglichkeit zur vertikalen Selbsttranszendenz eine besonders gute Sinnquelle darstellt (vgl. Utsch, 2018; Vail & Soenke, 2018; Gebauer et al., 2017; Schnell, 2010). Van Tongeren (2017) legt weiter nahe, dass das Glauben an ein Leben nach dem Tod das individuelle Sinnerleben verstärkt, was wiederum die hohe Korrelation zwischen der Skala Akzeptanz des Todes als Schwelle zum Jenseits und

30 Dieser zunächst sehr starke Effekt blieb – wenn auch verringert – bestehen, wenn die Sinnerfüllungs-Skala dahingehend angepasst wurde, dass zwei ihrer Items entfernt wurden, da sie von ihrer Formulierung her besonders nahe an einem religiösen Weltverständnis lagen (Anhang H).

der erlebten Sinnerfüllung erklären würde. Nach Van Tongeren (2017) führt das Glauben an ein Leben nach dem Tod dazu, dass die Menschen während ihres Lebens eine Art Ziel vor Augen haben (bspw. nach den Werten der katholischen Kirche zu leben, um so in den Himmel zu kommen), was folgend ein persönliches Sinnerleben fördert. Letztlich scheint die Religiosität in der vorliegenden Stichprobe auch ihrer Funktion als Gemeinschaftsstifter gerecht werden zu können (vgl. Pickel, 2017): wohingegen Religiosität signifikant negativ mit den Gefühlen von Einsamkeit korreliert, korreliert die weltanschauliche Position des Atheismus signifikant positiv mit diesen Gefühlen (siehe Tab. 04 und Kap. 4.2). Dies ist in Anbetracht der doch starken negativen Beziehung von Sinnerfüllung und Einsamkeit wohl ein weiterer Grund für die stark lineare Beziehung von Religiosität und Sinnerfüllung.

Methodisch kann es weiter sein, dass, so wie es Farias und Coleman (2020) nahegelegt haben, das Wording mancher Items der Sinnerfüllungs-Skala eher mit einem religiösen Weltverständnis einhergeht als z.B. mit einem atheistischen. Auf Basis des Anhangs H 1, lässt sich für die vorliegende Analyse sagen, dass Atheisten und Christen auf die Frage danach, ob sie ein erfülltes Leben haben, relativ ähnlich geantwortet haben, wohingegen die Differenz der Antworten bei der Frage danach, ob ihr Leben einen tieferen Sinn hat, um ein Vielfaches größer ist. Somit könnte theoretisiert werden, dass es religiösen Menschen bei bestimmten Items leichter gefallen ist, diesen zu zustimmen als atheistischen Personen. Dem folgend sind im Anhang H 2 die Ergebnisse einer ANCOVA einsehbar, in welcher eine gekürzte Sinnerfüllungs-Skala als abhängige Variable verwendet wurde, welche zwei Items, die besonders stark mit christlicher Religiosität einhergingen, exkludierte. Das Ergebnis war, dass trotz dieser Anpassung der Skala nach wie vor eine signifikante Mittelwertdifferenz zwischen Atheisten und Christen bestand. Insofern lässt sich dieser Effekt augenscheinlich wohl nicht lediglich auf das Wording bestimmter Items zurückführen. Überdies werden in Kap. 4.2 weitere methodische Schwierigkeiten analysiert, welche sich ebenfalls auf die zuvor beschrieben Beziehung auswirken könnten.

Die Überprüfung der Zusammenhänge der Art der Kommunikation der persönlichen Weltanschauung – öffentlich oder privat – lässt darauf schließen, dass diese als relativ gutes Maß dafür dienen könnten, inwieweit eine Person sich mit ihrer weltanschaulichen Position identifiziert (siehe Kap. 3.4.2.5). Die öffentliche Kommunikation steht in einem signifikanten quadratischen U-förmigen Zusammenhang zu den Skalen der weltanschaulichen Positionen des Atheismus und der Religiosität, was bedeutet, dass sie mit einer festen Überzeugung von

der persönlichen Weltanschauung einhergeht31. Im Gegensatz dazu stellt sich der Zusammenhang zwischen der privaten Kommunikation und den Skalen der weltanschaulichen Position in umgekehrter U-Form dar. Somit geht die private Kommunikation verstärkt mit einer moderaten Ausprägung der Stärke der Identifizierung mit einer weltanschaulichen Position einher, was wiederum bedeutet, dass sie in einer positiven Beziehung zur erhöhten Unsicherheit bzgl. der eigenen religiösen oder atheistischen Weltanschauung steht.

Zusammengenommen könnte daraus gefolgt werden, dass die Art der Kommunikation die Stärke der Identifizierung mit einer Weltanschauung repräsentiert – die private Kommunikation geht mit einer geringeren Überzeugung einher und öffentliche mit einer festeren –, wobei eine öffentliche Kommunikation dementsprechend mit weniger Angst vor dem Tod einhergeht und eine private mit mehr. Allerdings könnten diese Korrelationen der Arten von Kommunikation mit dem Konstrukt der Angst vor dem Tod auch bedeuten, dass es – unabhängig von der Stärke der Identifizierung mit einer Weltanschauung – insbesondere auf die Art und Weise der eigenen Kommunikation ankommt und somit bspw. darauf, ob eine Person grundsätzlich kommunikativ und offen ist. Dementsprechend könnten die Korrelationen aus Tabelle 04 ebenso bedeuten, dass offene und kommunikative Menschen im Allgemeinen weniger Angst vor dem Tod wahrnehmen als Menschen, welche ihre Weltanschauung ungerne teilen oder diskutieren –, wobei hier die Art der Kommunikation nicht mit der persönlichen Überzeugung gleichzusetzten wäre. Eine Studie von Galton, Hammond und Stinchcombe (2020) legt allerdings nahe, dass die Persönlichkeitsfacette Offenheit in keiner relevanten Beziehung zur wahrgenommenen Angst vor dem Tod steht.

Zusammengenommen mit dem nachgewiesenen quadratischen Zusammenhang deutet dies daraufhin, dass die verschiedenen Kommunikationsarten letztlich wahrscheinlich eher die Stärke der Identifizierung mit einer Weltanschauung widerspiegeln und es weniger um die

Zusammengenommen mit dem nachgewiesenen quadratischen Zusammenhang deutet dies daraufhin, dass die verschiedenen Kommunikationsarten letztlich wahrscheinlich eher die Stärke der Identifizierung mit einer Weltanschauung widerspiegeln und es weniger um die