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3 Digitale Erlebnisräume

3.3 Das Social Web – Angebot digitaler Erlebnisräume – Partizipation

3.3.1 Digitalität

Durch die Digitalisierung ist ein medienübergreifendes Datennetz entstanden, das Krotz folgend „neue Kommunikationspotenziale, neue Wirklichkeitsvorstellungen, neue Alltagsbedingungen, neue Erlebnisbereiche“ zur Folge hat.345 Das Internet, ein Netzwerk von Computern, die mithilfe bestimmter Protokolle Daten austauschen, vereint in seinen Anwendungen bereits bestehende Medien, es simuliert und ver-schmilzt sie und entwickelt sie weiter. Dabei sind intermediale Prozesse der Treib-stoff, die den Reiz ausmachen. Digitalität bezieht sich vor allem auf die technische Medienseite der Dienste im Internet. Es handelt sich um Rechenleistungen, die Da-tenmengen möglich machen, die, wie sich aktuell an der Debatte um Big Data zeigt, immer schneller und wichtiger werden.346 Virtuelle Daten bilden in ihrem Gebrauch

341 Vgl. Nyre, Lars/ O’Neill, Brian (2012), S.203.

342 Vgl. ebd.

343 Vgl. dazu die Epic Rap Battle Serie auf YouTube, z.B. ERP: Barack Obama vs Mitt Romney. Epic Rap Battles Of History Season 2. In: YouTube, online:

<https://www.youtube.com/watch?v=dX_1B0w7Hzc>, letzter Zugriff 22.8.2015.

344 Nyre, Lars/ O’Neill, Brian (2012), S.205.

345 Krotz, Friedrich (2008), S. 56.

346 Z.B. bei boyd, danah/ Crawford, Kate (2012): Critical Questions für Big Data. Provocations for a cultural, technological, and scholarly phenomenon. In: Information, Communication & Society, 5/15,2012 S. 662–679.

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digitale Artefakte, die zu digitalen Erlebnisräumen werden. Die intermediale Vielfalt digitaler Räume beschreiben Bolter/ Grusin:

As a digital network, cyberspace remediates the electric communications net-works of the past 150 years, the telegraph and the telephone; as virtual reality, it remediates the visual spaces of painting, film, and television; and as a social space, it remediates such historical places as cities and parks and such nonplaces as theme parks and shopping malls.347

Digitale Räume greifen die Bedeutungen bereits existierender Räume auf und deh-nen sie so ins Digitale aus.

Die Digitalität hat eine geräteunabhängige Nutzung und Speicherung möglich ge-macht. So z.B. durch das Speichern, Suchen oder kollaborative Bearbeiten von Da-teien in zentralen Clouds ohne heimische Festplatte. Mit den Entwicklungen des Internets wurde es so sehr leicht, Daten zu teilen, neuzusammenzusetzen und zu transferieren. Dabei gilt es laut Turkle, die „Rolle, die die Technologie bei der Entste-hung einer neuen sozialen und kulturellen Sensibilität spielt“, zu reflektieren.348 Es werden digitale Artefakte in digital-zentrierten Räumen erlebt.349 Dabei haben wir ge-lernt, Interfaces und das, was wir auf ihnen sehen, als wahr zu begreifen wie Turkle schon an der frühen Entwicklung des Internets erkannte.350 Diese digitale Materialität führt zu neuem rekombinierten oder remediatisierten Inhalt, wie Negroponte festhält:

„It [Being digital] creates the potential for new content to originate from a whole new combination of sources“.351 Die digitalen Erlebnisräume sind im Alltag verankert. Das Internet ist somit keine zweite Welt, wie es etwa die spielerische Welt „Second Life“

in ihrem Namen verhieß, sondern bietet eine erweiterte Kommunikationsumgebung in Räumen, die sowohl on- wie offline situativ-kulturell geprägt sind.

Digitale Erlebnisräume sind ein Beispiel dafür, wie unsere Welt durch Medien und Technologien zunehmend beides, on- und offline, digital und nicht-digital ist. Dies markiert einen Zustand, den Vial techno-phänomenologisch beschreibt.352 „We inhabit cyberspace just as previous generations inhabited nature, or even earlier ge-nerations lived in a theocentric world“.353 Eine Trennung zwischen digital und analog kann nicht nur kaum gemacht werden, da sich die Handlungsprozesse über Geräte

347 Bolter, Jay D./ Grusin, Richard (2000), S.183.

348 Turkle, Sherry (1999): Das Leben im Netz. Rowohlt: Reinbek bei Hamburg, S. 31.

349 Mit Modularity, Automation, Variability und Transcoding beschreibt Manovich die Art der digitalen Daten näher, vgl. Manovich, Lev (2001), S.27-48.

350 Vgl.Turkle, Sherry (1999), S. 33f.

351 Negroponte, Nicholas (1995): Being Digital. Alfred A. Knopf: New York, S. 19.

352 Vial, Stéphane (2013), S. 278.

353 Bolter, Jay D./ Grusin, Richard (2000), S. 181.

und Situationen erstrecken können, sie ist auch nicht sinnvoll, da damit die Funktion digitaler Medien im Alltag nicht adäquat erfasst werden kann. Turkle stellt fest, dass in „der Kultur der Simulation gilt, daß [sic] etwas real ist, wenn es funktioniert“.354 Er-lebnisräume bilden neue Referenzrahmen der Wahrnehmung und Gestaltung der digitalisierten Alltagswelt, sie bieten eine erweiterte Welterfahrung im phänomenolo-gischen Sinne.355 Videoclips bilden vielschichtig erlebbare digitale Räume, die aus verschiedenen Praktiken resultieren. Die virtuelle Welt ist somit zum Teil der Realität geworden.Deutlich wird dies immer wieder an Beispielen der Augmented Reality.356 So stellen Bolter et al. am Projekt ‚Voices of Oakland‘ vor, wie durch eine App in ei-ner virtuellen Realität historische Erlebnisse auf einem Friedhof in Oakland möglich sind, bevor oder ohne dass man diesen besucht.357 Es gibt in dem Prototypen vier Panoramen, in denen der Nutzer drei Gräber besuchen kann und die Lebensge-schichte der Verstorbenen hört.358 Mit einem anderen Projekt, ‚Lights of St. Etienne‘, ist die Kathedrale St. Etienne in Metz vor Ort in verschiedenen Epochen erlebbar.359 So werde nach Bolter et al. ein mobiles Erlebnis, mit virtueller Realität, Gegenwart und Vergangenheit, aufgenommenem und mit live-Material kombiniert.360 An solchen Beispielen wird deutlich, wie unser Erleben um die digitale Dimension erweitert ist und ein ‚Hier und Dort‘ des In-der-Welt-Seins immer wieder erlebt wird, wie Bolter et al. anhand der Vergegenwärtigung der Vergangenheit im Screen des Smartphones in einer gleichzeitig real existierenden Umgebung diskutieren.361 Das Dasein, Fühlen, Erleben ist technisch bestimmt und unsere Wahrnehmung muss immer wieder mit den technischen Neuerungen weiter entwickelt werden. Wir erleben die Welt medi-envermittelt und die digitalen Medien prägen unsere Wahrnehmung genauso wie es andere Medien tun. Allerdings bieten digitale Medien ein multimediales, multimodales und partizipativ gestaltetes Erlebnisangebot, das in dieser medialen Verdichtung und Hybridisierung einzigartig ist.

354 Turkle, Sherry (1999), S. 34.

355 Dass online mehre Aspekte, sinnlich, inter-medial etc. aufeinandertreffen, hat zu verschiedenen Bezeichnungen wie multimedial oder crossmedial geführt, vgl. Diskussion bei Fernandez Castrillo, Carolina (2013), S. 116.

356 Vgl. Bolter, Jay D./ Engberg, Maria/ McIntyre, Blair (2013): Media Studies, Mobile Augmented Real-ity, and Interaction Design. In: Interactions, Januar/Februar, 2013, S. 36-45.

357 Vgl. ebd., S.41.

358 Vgl. ebd.

359 Vgl. ebd.

360 Vgl. ebd. S.42.

361 Vgl. ebd. S. 44.

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