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1. Einleitung

1.1. Dentale Implantate und periimplantäre Gewebe

1. Einleitung

Medizinische Implantate können geschädigte oder verlorengegangene Gewebe und Organe ersetzen. Das Ziel ist dabei die Wiederherstellung der Organ- und Gewebefunktion und die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten [1], [1*]. Durch den demographischen Wandel besteht ein immer größerer Bedarf an Implantaten. Vor allem bei älteren Patienten kann es jedoch zu Infektionen und mangelhafter Einheilung kommen. Dies liegt unter anderem an einem eingeschränkten Immunstatus, einer geringeren Regenerationsfähigkeit und einer schlechteren Knochenqualität [2, 3]. Der Erfolg und die Lebensdauer von dentalen und orthopädischen Implantaten hängen von einer guten Integration in das umliegende Gewebe ab [4, 5]. Ist diese nicht gegeben, können erhebliche Komplikationen bis hin zum Verlust des Implantats die Folge sein. Bereits bei der Implantation können Infektionen und Gewebeschäden auftreten, welche die Einheilung erschweren. Ebenso kann eine zu frühe Belastung oder die Bildung einer Bindegewebskapsel zum Implantatverlust führen. Späte Komplikationen bilden bei Dentalimplantaten vor allem die bakterienbedingte Periimplantitis und bei orthopädischen Implantaten die aseptische entzündliche Implantatlockerung. Hierbei kommt es zu Entzündungsreaktionen, welche zum Abbau des anliegenden Knochengewebes führen [3, 5-7].

Bei einem Implantatverlust werden eine Revisionsoperation und die Insertion eines neuen Implantats notwendig. Dies stellt eine große Belastung für den Patienten dar und ist mit Risiken sowie hohen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden [5]. Um diese Situation zu verbessern, gilt es Implantate so zu modifizieren, dass sie neben antibakteriellen Eigenschaften auch eine adäquate Biokompatibilität aufweisen und damit eine gute Einheilung ermöglichen.

1.1. Dentale Implantate und periimplantäre Gewebe

Innerhalb der unterschiedlichen Implantatarten hat vor allem die Zahl der inserierten Zahnimplantate in den letzten Jahrzenten stark zugenommen [8]. Trotz einer guten Erfolgsquote treten auch hier regelmäßig unvollständige Einheilungen und Infektionen auf, welche zu einer starken Beeinträchtigung oder sogar zum Verlust des Implantats führen können [9]. Für die Herstellung von Dentalimplantaten haben sich vor allem Zirkoniumdioxid (ZrO2) und Titan auf Grund ihrer hervorragenden Eigenschaften durchgesetzt. ZrO2 hat insbesondere in den letzten

2 Jahren in der zahnärztlichen Prothetik an Bedeutung gewonnen. Neben seinen sehr guten mechanischen und ästhetischen Eigenschaften ist es gegenüber Titan jedoch anfälliger für Frakturen und Oberflächendefekte [10, 11]. Nach wie vor bestehen die meisten Zahnimplantate aus Reintitan Grad 4 oder der Titanlegierung Ti-6Al-4V. Diese Materialien weisen eine mechanische Stabilität und Elastizität auf, welche der des Kieferknochens (Alveolarknochens) am nächsten kommen. Zusätzlich bildet sich auf ihnen eine wenige Nanometer dicke Titandioxid(TiO2)-Schicht, welche für eine hohe Korrosionsresistenz und eine gute Biokompatibilität sorgt [10, 12]. Damit ein Zahnimplantat voll funktionsfähig ist, muss es in das anliegende Gewebe integriert werden. Die unterschiedlichen Implantatbestandteile stehen dabei mit verschiedenen Geweben und den entsprechenden Zellen in Kontakt. Die Implantatschraube entspricht in ihrer Funktion der Zahnwurzel und verankert die Zahnprothese im Kieferknochen. Sobald Osteoblasten die Zwischenräume mit Knochenmatrix gefüllt haben und eine feste Verbindung mit dem Knochen besteht, spricht man von der Osseointegration des Implantats. Den Weichgewebedurchtritt bildet entweder das Implantat selbst (einteiliges Implantat) oder ein aufsitzendes Abutment (mehrteiliges Implantat) [13]. Dieser Teil soll das Anwachsen von Bindegewebe und Epithelium gewährleisten, so dass die ursprüngliche und Barrierefunktion wiederhergestellt wird. Den sichtbaren Teil des Implantats bildet die Krone, welche vor allem ästhetische Ansprüche erfüllen sowie der Belastung durch Kauen und Mundflora standhalten muss [7, 9]. Die Bakterien der Mundflora bergen zudem die ständige Gefahr einer periimplantären Entzündung. Um dieses Risiko zu minimieren, sind antibakterielle Eigenschaften der Materialien erstrebenswert [14]. Implantat-Oberflächen sollen daher die Adhäsion, Proliferation und Migration von Gewebezellen gewährleisten bzw.

fördern und die Anlagerung von Bakterien verringern. Um entsprechende Oberflächen herstellen zu können, ist die Kenntnis der Anatomie, Physiologie und Zellen des periimplantären Gewebes sowie der Zusammensetzung und des Verhaltens oraler Biofilme notwendig. Bei einem Dentalimplantat bestehen darüber hinaus wichtige Unterschiede im Vergleich zum Zahn. Ein Vergleich der periimplantären mit der parodontalen Situation zeigt auf, welche besonderen Anforderungen bei der Entwicklung innovativer Implantatmaterialien berücksichtigt werden müssen.

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1.1.1. Orale Mukosa

Die orale Mukosa bzw. Mundschleimhaut besteht aus einem mehrschichtigen Plattenepithel, welches die Barrierefunktion übernimmt, und dem Bindegewebe, welches die Versorgungsfunktion übernimmt. Nach der Implantation bzw. dem Einbringen des Abutments muss das Implantat in das Weichgewebe einheilen. Durch die Blutung bildet sich zunächst ein Fibrin-Agglomerat, auf welchem sich dann Proteine der extrazellulären Matrix (EZM) wie Fibronectin und Kollagen ablagern können. Diese Proteine dienen als Liganden für die transmembranen Integrin-Rezeptoren der Zellen und sind Voraussetzung für deren Adhäsion, Proliferation und Migration [12, 15, 16]. Das Anwachsen des Epithels ist nötig, um die Barrierefunktion wiederherzustellen. Bei der oralen Mukosa ist diese Funktion besonders wichtig, da eine hohe Bakterienbelastung in der Mundhöhle vorherrscht [7]. Ein häufiges Problem ist die Migration der Epithelzellen entlang der Implantatoberfläche, wodurch ein tieferer periimplantärer Sulcus entsteht und Bakterien leichter in das Gewebe eindringen können (Abb. 1.1) [15, 17]. Eine gute Adhäsion und Proliferation von Gingivafibroblasten (von

„Gingiva“ = die dem Zahn anliegende Mukosa) kann dieser Epithelmigration vorbeugen, weshalb Implantat-Oberflächen eine gute Kompatibilität gegenüber diesen Zellen haben sollten [7, 17]. Die Fibroblasten synthetisieren die extrazelluläre Matrix (EZM) des Bindegewebes, welche für die Geweberegeneration und die Integration des Implantats entscheidend ist. Hierfür sekretieren die Zellen Glycoproteine, Proteoglycane und vor allem Kollagen. Im Rahmen des Gewebeumbaus sind die Fibroblasten auch in der Lage EZM-Proteine mit Hilfe von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs), anderen degradierenden Enzymen und durch die Aufnahme in Phagolysosomen abzubauen [18]. Durch die mangelnde EZM zu Beginn der Einheilung sowie die Sekretion proinflammatorischer Zytokine durch die Gewebeschädigung infolge der Implantatinsertion differenzieren Fibroblasten zu Myofibroblasten, welche besonders viel EZM-Proteine – vor allem Kollagen 1 – und wenig MMPs sekretieren [19-21]. Wie in Abbildung 1.1 zu sehen ist, besitzt das resultierende Narbengewebe parallel zum Implantat verlaufende Kollagenfasern und hat daher eine schwächere Verbindung sowie eine geringere Belastbarkeit im Vergleich zur horizontalen Verankerung der Fasern beim Zahn. Zusätzlich hat Narbengewebe durch eine geringe Zahl an Fibroblasten und eine geringere Vaskularisierung eine schlechtere Regenerations- und Versorgungskapazität [9, 17, 22]. Obwohl das Narbengewebe in der Regel nur ca. 50 µm bis 100 µm des an das Implantat angrenzenden Gewebes ausmacht, führt die schlechtere Verbindung zum Implantat zu einer verminderten

4 Barrierefunktion und einer tieferen Einbuchtung der Mukosa [23]. Hier sind Oberflächen gewünscht, welche bei den Zellen keine bzw. nur geringe proinflammatorische Reaktionen auslösen und so die Bildung von Narbengewebe einschränken. Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen der parodontalen und der periimplantären Situation ist das fehlende parodontale Ligament (Abb. 1.1). Dies hat ebenfalls eine geringere Vaskularisierung sowie eine geringere Zahl von Stammzellen zur Folge, wodurch die Regenerationsfähigkeit und die Leukozytenverfügbarkeit im Gewebe verringert sind. Infektionen in diesem Bereich können im Vergleich zur parodontalen Situation daher schwerer vom Immunsystem erreicht werden [7].

Durch den Gewebeverlust ist das Implantat im Gegensatz zum Zahn direkt im Knochen verankert (Abb. 1.1).

Abb. 1.1.: Schematischer Querschnitt durch das parodontale Gewebe mit dem Zahn und durch das periimplantäre Gewebe mit dem Implantat. Die gemeinsamen Bestandteile und Gewebe-spezifischen Zellen sind in der Mitte dargestellt, die Unterschiede jeweils am Rand.

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1.1.2. Alveolarknochen

Wie in anderen Knochengeweben besteht auch im Alveolarknochen im physiologischen Zustand ein Gleichgewicht aus Knochenaufbau durch Osteoblasten und Knochenabbau durch Osteoklasten [24]. Osteoblasten bilden das Knochenmaterial, in dem sie zunächst die Matrixproteine sekretieren und im zweiten Schritt die Mineralisierung, also die Einlagerung von Ca2+ und PO43-, katalysieren. Das resultierende Knochengewebe besteht durchschnittlich aus ca. 70 % anorganischer und ca. 30 % organischer EZM. Der organische Teil wiederum besteht zu 90 % aus Kollagen sowie aus einer Vielzahl anderer Proteoglykane und Glycoproteine wie Osteocalcin, alkalischer Phosphatase und Fibronectin. Eine Stimulation der Osteogenese bzw. Osteoblastendifferenzierung kann biochemisch durch Wachstumsfaktoren und physikalisch durch eine geeignete Topographie bzw. durch mechanische Faktoren wie Zugkraft oder Scherkräfte erfolgen [25-27]. Unmittelbar nach der Implantation sind Schäden in der Knochensubstanz sowie Lücken zwischen Implantat und Knochen zu verzeichnen.

Beschädigte Knochenmatrix wird von Osteoklasten resorbiert und die Lücken werden durch die Migration von Osteoblasten und Vorläuferzellen zum und auf dem Implantat sowie durch die Proliferation und Osteogenese der Zellen aufgefüllt [3]. Je besser eine Oberfläche dieses Zellverhalten stimuliert, desto schneller wird die Osseointegration des Implantats vollzogen werden. Ein gut gesetztes Implantat in einem vitalen Alveolarknochen ist nach erfolgreicher Osseointegration äußerst stabil. Die Kraftübertragung vom Implantat auf den Knochen sorgt für die Aufrechterhaltung der Knochenintegrität. Jedoch hat das fehlende parodontale Ligament eine geringere Flexibilität und eine ungünstigere Kraftübertragung im Vergleich zum Zahn zur Folge, so dass es vermehrt zu Druckbelastungen kommt [13, 28]. Weiterhin kann es durch eine stark geneigte Insertionsachse oder eine Beeinträchtigung der Knochensubstanz zu Fehl- oder Überbelastungen kommen, wodurch Frakturen und Nekrose des Gewebes auftreten können.

Diese Belastungen können auch zur Ausschüttung von Osteoklasten-stimulierenden Zytokinen wie RANKL durch Osteozyten (von Knochenmatrix eingeschlossene Zellen mit regulativen Eigenschaften) führen. Die Folge kann ein periimplantärer Knochenabbau und die Lockerung des Implantats sein [29-31]. Auch um diesen Nachteilen gegenüber der natürlichen Situation entgegenzuwirken, sind Implantat-Oberflächen gefragt, welche stimulierend auf Osteoblasten wirken und so die Einheilung in den Knochen fördern. Überbelastung und Knochenabbau können darüber hinaus zur Bildung von Bindegewebe zwischen Implantat und Knochen führen.

Wird das Implantat zu einem großen Teil von Bindegewebe umgeben ist der Kontakt zum

6 Knochengewebe zu gering und es kann zu Mikrobewegungen, Entzündungsherden, weiterem Knochenabbau und zum Verlust des Implantats kommen [12]. Hier sind Oberflächen gewünscht, welche selektiv die Adhäsion, Proliferation, Migration und Differenzierung von Osteoblasten und Vorläuferzellen fördern, nicht aber von Fibroblasten.

Eine gute und schnelle Gewebeintegration des Implantats kann auch durch die Bildung bakterieller Biofilme erschwert bzw. verhindert werden. Besonders im oralen Milieu herrscht eine ständige und hohe Bakterienbelastung.

1.1.3. Orale Biofilme

Die menschliche Mundflora ist ein dynamisches Ökosystem, welches aus bis zu 700 unterschiedlichen Bakterienspezies bestehen kann [32]. In Wechselwirkung mit dem Wirt und in Abhängigkeit des Nährstoffangebots ist sie einem ständigen Wandel unterzogen. In der gesunden Mundhöhle leben die Bakterien in einer symbiotischen Gemeinschaft mit dem Wirt.

In diesem Zustand sind kommensale Bakterien wie Streptococcus mitis und Granulitella adiacens häufiger als pathogene Bakterien wie Streptococcus mutans und Porphyromonas gingivalis. Auf den Oberflächen der Mundhöhle, wie Zunge, Zahnfleisch, Zahn sowie auf den Oberflächen von Implantaten können sich die planktonischen Bakterien anlagern und einen Biofilm bilden. Ein Biofilm stellt eine besondere Form der bakteriellen Lebensgemeinschaft dar, in welcher die Zellen an einem Substrat und aneinander adhärieren, in eine selbstproduzierte Polymermatrix eingebettet sind und einen anderen Phänotyp hinsichtlich Stoffwechselrate und Genexpression aufweisen als in ihrer planktonischen Form. Dadurch besitzen sie eine deutlich erhöhte Widerstandskraft gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen, Komponenten des Immunsystems und Antibiotika [7, 33]. Kommt es nun zu einer Störung der bakteriellen Gemeinschaft innerhalb des Biofilms, kann sich die Symbiose zu einer Dysbiose umwandeln, bei der pathogene Spezies dominieren [34]. Solch ein pathogener Biofilm auf Implantaten kann Mukositis und Periimplantitis verursachen. Die Mukositis beschreibt dabei eine oberflächliche und reversible Entzündung des periimplantären Gewebes, die Periimplantits ist eine chronische Entzündung, welche tiefer in das Gewebe reicht und mit einem Abbau des Alveolarknochens verbunden ist [7, 35]. Mit einer Prävalenz von 43 % für Mukositis und 26 % für Periimplantitis nach ≥ 5 Jahre nach der Implantation sind diese Erkrankungen in der zahnärztlichen Prothetik von großer Bedeutung [36, 37]. Durch die verminderte Barriere- und

7 Versorgungsfunktion sowie den tieferen periimplantären Sulcus können Bakterien einfacher und tiefer in das Gewebe eindringen als dies in der parodontalen Situation der Fall ist. Die resultierenden Entzündungen fallen daher stärker aus [7, 38]. Im Vergleich zum Zahn gibt es im Implantat auch Innenbereiche, welche als Bakterienreservoir dienen können. So können sich an den Verbindungsstellen von Implantatschraube und Abutment ebenfalls Biofilme bilden und zu Entzündungen des periimplantären Gewebes führen [39]. Um die Gefahr dieser Implantat-assoziierten Infektionen zu verringern, werden antibakterielle Oberflächen entwickelt, welche die Biofilmbildung inhibieren sollen.