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Beladung von Nanopartikeln und Definition eines therapeutischen

4. Diskussion

4.2. Beladung von Nanopartikeln und Definition eines therapeutischen

Auf Grund der hervorragenden physikalischen Eigenschaften und der guten Biokompatibilität fand nanoporöses Silica in der Biomedizin bereits vielfach Anwendung [46, 53, 54]. Durch seine große Oberfläche, sein großes Porenvolumen und der gut einstellbaren Porengröße bietet es sich als Trägermaterial für bioaktive Substanzen an [154]. Die Beschichtungen von Implantatmaterialien mit nanoporösem Silica wurden bereits beschrieben [155-157]. Durch die Beladung solcher porösen Implantatbeschichtungen mit antibakteriellen Substanzen kann die Biofilmbildung inhibiert werden. Dabei beinhalten Antibiotika jedoch das Risiko der Resistenzentwicklung. Um dieses Problem zu umgehen, können antimikrobielle Substanzen mit geringer Resistenzbildung eingelagert werden. Ein Beispiel hierfür ist das in der Zahnmedizin verwendete Chlorhexidin (CHX), welches neben seiner antibakteriellen Wirkung auch Aktivität gegen Pilze und Viren aufweist. Darüber hinaus hat sich CHX in der Zahnmedizin durch seinen langanhaltenden antibakteriellen Effekt bewährt [158-160].

In dieser Studie wurden nanoporöse Silica-NP (NPSNP) mit chemischen Gruppen modifiziert, um die Ladekapazität zu erhöhen bzw. die Agglomeration zu verringern und anschließend mit CHX beladen. Da auch hier zukünftig eine Beschichtung des Abutments bzw. des Weichgewebedurchtritts des Implantats vorgenommen werden soll, wurde die Zytokompatibilität gegenüber Gingivafibroblasten untersucht. Um die Funktionalität des Systems nachzuweisen, waren zusätzlich zur Analyse der Zytokompatibilität Freisetzungs- und

111 Biofilm-Experimente notwendig.

Für die Testung der hier verwendeten NPSNP wurden zunächst unbeladene, funktionalisierte Partikel in einem großen Konzentrationsbereich (12,5 µg/ml bis 200 µg/ml) untersucht. Die funktionalisierten und unfunktionalisierten NP zeichneten sich durch eine gute Zytokompatibilität aus, was an der hohen metabolischen Aktivität der Gingivafibroblasten deutlich wurde (Abb. 3.4A). Die Funktionalisierungen hatten dabei keinen starken Einfluss auf die Zytotokompatibilität. Für die MMA-funktionalisierten Partikel könnte ein leicht toxischer Effekt vorgelegen haben. Nach der Beladung der Partikel mit CHX hingegen zeigten alle NP in dem gleichen Konzentrationsbereich einen deutlichen toxischen Effekt (Abb. 3.4B). Auch die CHX-Kontrolle verringerte die metabolische Aktivität in vergleichbarem Maße. Daher ist davon auszugehen, dass das CHX in allen Fällen für den Großteil der Zytotoxizität verantwortlich war. Auch die Literatur beschreibt eine vergleichbare toxische Wirkung von CHX auf Gingivafibroblasten [159, 160]. Aus den Dosis-Wirkungs-Kurven ist abzulesen, dass die MMA-NP die geringste Lade-Kapazität haben, die unfunktionalisierten NP eine mittlere Kapazität und die SO3H-funktionalisierten die höchste CHX-Ladekapazität haben. Um den zytokompatiblen Konzentrationsbereich genauer zu analysieren, wurden die Gingivafibroblasten nun mit Konzentrationen von 6,25 µg/ml bis 50 µg/ml der beladenen Partikel inkubiert und zusätzlich zur metabolischen Aktivität auch die LDH-Aktivität im Überstand gemessen, um den Einfluss der Partikel auf die Membranintegrität zu untersuchen.

Wie nach der Inkubation mit den unbeladenen NP verringerten die MMA-NP konzentrationsunabhängig die metabolische Aktivität, so dass sie bis 20 µg/ml deutlich geringer war als bei den anderen Partikeln. Eine Erklärung für die niedrigen Werte könnte eine mangelnde Dispersion der hydrophoben Partikel im Zellkulturmedium sein. Die hier entstandenen Agglomerate könnten durch die Aufkonzentrierung der hydrophoben MMA-Gruppen den Zellmetabolismus gehemmt haben. Agglomerate waren auch nach einer Inkubation mit 50 µg/ml der MMA-NP zu beobachten (Abb. 3.4F). Die höhere Zytotoxizität der SO3H-NP gegenüber den anderen Partikeln ließ sich in dem kleineren Konzentrationsbereich reproduzieren. Ab einer Konzentration von 30 µg/ml wirkte das CHX nicht nur hemmend auf die metabolische Aktivität sondern schädigte auch die Plasmamembran.

Ein Vergleich der Daten macht deutlich, dass die metabolische Aktivität in einem stärkeren Maß sank als die LDH-Aktivität stieg. Diese Beobachtung entspricht der Tatsache, dass Zellen unter dem Einfluss toxischer Substanzen in der Regel zunächst einen verringerten Metabolismus aufweisen, bevor die Zelllyse eintritt [117, 144]. In Folge der NP-Inkubationen

112 schien die Membranschädigung der Zellen erst ab einer metabolischen Aktivität von ca. 70 % zu beginnen. Dies stimmt mit der ISO-Norm 10993-5 überein, welche von einem zytotoxischen Potential unter einer metabolischen Aktivität von 70 % spricht [5*]. Allerdings gibt die Norm keine Empfehlung für andere Protein-basierte Testverfahren. Anhand der hier gemachten Beobachtungen, lässt sich ableiten, dass eine Analyse der Membranintegrität auch erst unterhalb von 70 % metabolischer Aktivität sinnvoll ist. Im Falle der hier beladenen NP starben die Zellen ab einer gewissen Konzentration offensichtlich durch Nekrose. Bei einem starken Rückgang der metabolischen Aktivität ohne Störung der Membranintegrität läge allerdings der Verdacht nahe, dass es sich um Apoptose handelt. Bei der Apoptose kann die metabolische Aktivität der Zelle zunächst stark abnehmen, ohne dass die Membranintegrität gestört wird.

Stattdessen degradiert die Zelle in mehrere membranumschlossene „apopototische Körperchen“ [144, 161]. Die Analyse der metabolischen Aktivität und der Membranintegrität können also auch einen Hinweis auf die Art die Zelltods geben. Im Rahmen eines Zytokompatibilitäts-Screenings können diese zellulären Parameter früh mit geringem Aufwand ermittelt werden. Auf Grund des größeren Aufwandes und der höheren Kosten ist die Analyse der Apoptose erst zu einem späteren Zeitpunkt und bei begründetem Verdacht empfehlenswert.

Auf Grund der hohen Auflösung kann mit der REM eine genauere Bewertung der Zellmorphologie vorgenommen werden als mit einfachen lichtmikroskopischen Verfahren, wie sie beispielsweise in der ISO 10993-5 beschrieben werden. In der vorliegenden Studie bestätigte die Morphologie der Zellen weitgehend die quantitativen Daten. Die stark geschrumpften Zellen nach der Inkubation mit 50 µg/ml der SO3H-funktionalisierten NP waren zum Zeitpunkt der Fixierung wahrscheinlich bereits tot, da bei der gleichen Bedingung bereits eine maximale Membranschädigung vorlag. Bei einer fortlaufenden Inkubation würden sich die Zellen wahrscheinlich weiter zusammenziehen und vom Substrat ablösen. Die Fibroblasten zeigten nach der Inkubation mit den MMA-NP teilweise weiße, komprimierte Zellränder. Hier hatten sich nachträglich vermutlich Teile der Zellen durch den Trocknungsvorgang abgelöst, wodurch die Zellen auf den Aufnahmen eine kleinere Zellfläche besaßen. Im Gegensatz zu den unmodifizierten Partikeln waren deutliche Agglomerate der SO3H-NP und der MMA-NP auf den Zellen zu beobachten. Die MMA-NP wurden ursprünglich als Füllmaterial für dentale Komposite entwickelt und besitzen durch die Methacrylat-Gruppen einen hydrophoben Charakter [141]. Entsprechend lagern sich die Partikel in wässrigem Medium zusammen und bilden Agglomerate. Eine mögliche Erklärung für die Agglomeration der SO3H-NP ist eine verstärkte Bindung von Serumproteinen, welche durch polare Wechselwirkungen mit den

113 negativen Ladungen der Sulfonsäure-Gruppen zustande kommt, und so die Agglomeration von Nanopartikel-Protein-Komplexen fördert.

Die hemmende Wirkung der Partikel auf die Biofilmbildung bestätigte die CHX-Beladung der Partikel. Jedoch war die antibakterielle Wirkung der unfunktionalisierten und SO3 H-funktionalisierten NP ungefähr gleich und deutlich stärker als die der MMA-NP. Die zytotoxische Wirkung hingegen war bei den SO3H-NP deutlich stärker als die der MMA-NP und die der unfunktionalisierten NP (Abb. 3.4C/D, Abb. 3.5). Tatsächlich zeigten Daten der CHX-Freisetzung von NPSNP eine vergleichbar hohe CHX-Freisetzung von unfunktionalisierten NP und von SO3H-NP und eine deutlich geringere CHX-Freisetzung durch die MMA-NP [141]. Daher ist davon auszugehen, dass die SO3H-Funktionalisierung unabhängig von der CHX-Beladung eine toxische Wirkung auf die Zellen hat. Dies wäre beispielsweise durch eine erhöhte endozytotische Aufnahme zu erklären, wodurch auch vermehrt CHX in die Zellen gelangen würde. Ein Vergleich mit den Freisetzungsdaten macht den Nutzen von Voruntersuchungen in Bezug auf physikalisch-chemische Eigenschaften und angestrebte Mechanismen der Materialien deutlich. Neben der Information zur Funktionalität des Systems können auch Rückschlüsse auf die biologische Wirkung der Materialien gezogen werden.

Auf Grund der Daten zur Zytotoxizität und antibakteriellen Aktivität lassen sich für alle Partikel therapeutische Bereiche ableiten, in denen bei guter Zytokompatibilität eine deutliche antibakterielle Wirkung zu verzeichnen ist. Die Bereiche wurden so definiert, dass die metabolische Aktivität über 70 % liegt bzw. die LDH-Aktivität unter 10 % und die metabolische Aktivität der Keime unter 5 % (Tab. 4.1). Dabei entsprechen 70 % der Grenze unterhalb derer ein zytotoxisches Potenzial angenommen wird (siehe oben). Die 10 % LDH-Aktivität entspricht einem unspezifischen Hintergrund-Wert. Unterhalb der 5 % metabolischen Aktivität der Bakterien kann unter Beachtung unspezifischer Hintergrund-Signale von einer vollständigen bzw. nahezu vollständigen Abtötung der Bakterien ausgegangen werden. Anhand dieser Definitionen haben die unfunktionalisierten NP bei beiden Keimen mit 10 – 30 µg/ml den größten therapeutischen Bereich. Die SO3H-NP mit 10 – 20 µg/ml und die MMA-NP mit 20 – 30 µg/ml haben einen nur halb so großen Bereich, wobei die SO3H-NP auf Grund der niedrigeren benötigten Konzentrationen zu bevorzugen wären. Weder die SO3H- noch die MMA-Funktionalisierung konnte in diesem System also eine Verbesserung der biologischen Wirksamkeit erreichen. Zusammen mit der geringeren Agglomeration zeigen die

114 unfunktionalisierten Partikel die besten Eigenschaften für eine spätere Beschichtung von Implantatoberflächen.

Tab. 4.1: Therapeutische Bereiche funktionalisierter Silica-NP. Die Bereiche wurden so definiert, dass die metabolische Aktivität der HGFib über 70 % bzw. die LDH-Aktivität unter 10 % liegt und die metabolische

Durch die Analyse der antibakteriellen Aktivität und Definition eines therapeutischen Bereichs konnte zu einem frühen Stadium der Zytokompatibilitätsuntersuchung die grundsätzliche Funktionalität des Systems nachgewiesen werden. Die frühe Testung von Mechanismen ist wichtig, um im Falle einer mangelnden Funktionalität keine weiteren überflüssigen Untersuchungen zu machen. In diesem Fall konnten die Ergebnisse jedoch durch weitere Versuche reproduziert werden.