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4. Diskussion

4.4. Antiadhäsive Implantat-Oberflächen

Obwohl wesentlich geringer als bei den klassischen Antibiotika, ist das Problem der Resistenzbildung auch bei Antiseptika wie CHX zu beobachten [169, 170]. Eine Möglichkeit der Vermeidung solcher Resistenz-Ausbildungen ist die Inhibition der bakteriellen Adhäsion durch antiadhäsive Oberflächen. Gegen solche meist superhydrophoben Oberflächen können Keime kaum Resistenzen ausbilden. Prokaryoten und Eukaryoten benötigen für die Adhäsion Liganden in Form von Proteinen. Diese können mit ihren polaren Gruppen jedoch kaum mit der hydrophoben Oberfläche wechselwirken. In Folge der schwach haftenden Proteine ist auch die Adhäsion von Zellen auf der Oberfläche stark eingeschränkt [40].

„Slippery, liquid-infused porous surfaces“ (SLIPS) nutzen das Prinzip der Pflanzengattung Nepenthes, bei welcher sich auf der Kanneninnenseite der Pflanzen ein antiadhäsiver Flüssigkeitsfilm befindet [66]. Um das Prinzip erfolgreich umzusetzen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Das Lubrikant muss stabil auf der Oberfläche haften, die Oberfläche muss bevorzugt vom Lubrikant und nicht von der abzuweisenden Flüssigkeit

117 benetzt werden und das Lubrikant und die abzuweisende Flüssigkeit dürfen nicht mischbar sein [143]. Die antibakterielle Wirkung des Prinzips wurde bereits für Keime wie Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und S. aureus demonstriert [40, 171].

Als typisches Implantatmaterial in der zahnärztlichen Prothetik und der Orthopädie wurde Titan als Trägermaterial für die hier analysierten SLIPS gewählt. In Folge eines Screening-Verfahrens haben sich dabei Laser-generierte „Lotus-Strukturen“ als beste Topographie herausgestellt. Die besten antiadhäsiven Eigenschaften für die Beschichtung hatten die Krytox-Lubrikante 143 AZ und GPL 104 [143]. Diese SLIPS zeigten einen starken Biofilm-inhibierenden Effekt auf den oralen kommensalen Keim Streptococcus oralis (Abb. 3.7B). Um ihre generelle Eignung als Implantatmaterial unter Beweis zu stellen, musste auch hier die Zytokompatibilität analysiert werden. Für die Untersuchung gewebespezifischer Reaktionen wurden zusätzlich zu den Gingivafibroblasten (HGFib) auch Osteoblasten (NHOst) verwendet.

Dadurch konnte neben dem Weichgewebe auch das Knochengewebe simuliert werden. Die Analyse gewebespezifischer Reaktionen ist wichtig, um die Eignung eines Implantatmaterials bzw. einer Implantatoberfläche für ein bestimmtes Gewebe abschätzen zu können oder um unerwünschtes Zellwachstum zu detektieren, welches im Falle von Fibrobasten beispielsweise zur Bildung einer Bindegewebskapsel führen kann [3].

Auf Grund der besonderen Eigenschaften der SLIPS und ihrer Bestandteile mussten die Methoden entsprechend angepasst werden. Die Hydrophobizität und die geringe Dichte der Lubrikante verhinderten das Mischen mit dem hydrophilen Zellkulturmedium und führten zum Aufschwimmen der Öle. Da die Zellen so nicht in Kontakt mit den Ölen kamen, konnte keine normale Testung unter statischen Bedingungen durchgeführt werden. Neben dem Invertieren von Zellkulturgefäßen und rotierenden Reaktionsgefäßen erwies sich die Inkubation unter starkem Schütteln als geeignetste Methode. Hier kam es zu einer guten Verteilung von Lubrikant-Tröpfchen, ohne dass die HGFib negativ durch das Schütteln beeinflusst wurden.

Für die Bewertung der Morphologie und der Adhäsion der Zellen kam keine REM-Analyse in Frage, da der Trocknungsvorgang den Lubrikant-Film und damit auch die Zellen entfernt hätte.

Auf glatten Flächen, bei denen keine spezielle Interaktion mit Bestandteilen einer Topographie von Interesse ist, sind Fluoreszenzfärbungen für die qualitative Analyse der Zellen ausreichend.

Darüber hinaus besteht hier keine Gefahr von Trocknungsartefakten (siehe Abb. 3.4F). Um hier keine schwach adhärenten Zellen zu entfernen, wurde für die Färbung kein Mediumaustausch vorgenommen, sondern eine konzentrierte Färbelösung direkt in das Medium gegeben.

Die verwendeten Öle sowie das Antispread wiesen bei einer Konzentration bis zu 5 % eine gute

118 Zytokompatibilität auf. Da bei einer völligen Ablösung der Lubrikante von den SLIPS nur eine maximale Konzentration von 0,3 % im umgebenden Medium zu erwarten ist, sollten toxische Effekte durch die Lubrikante folglich kein Problem darstellen [143]. Darüber hinaus waren bei den Adhäsions-Versuchen keine toten Zellen auf den SLIPS zu detektieren, was ebenfalls gegen eine toxische Wirkung spricht (Abb. 3.7C). Die Abwesenheit von vitalen und toten Zellen hingegen lässt auch bei den Fibroblasten und Osteoblasten auf einen antiadhäsiven Effekt schließen. Dieser Effekt auf Fibroblasten und Osteoblasten wurde auch bei SLIPS anderer Zusammensetzung nachgewiesen [40, 172, 173]. Die mangelnde Adhäsion der Zellen auf den SLIPS zeigt, dass die Oberflächen nicht für Implantate geeignet sind, die in das Gewebe integrieren müssen. Eine Anwendung für die Außenflächen von Dentalimplantaten oder orthopädischen Implantaten kommt also nicht in Frage. Die Innenseiten von Dentalimplantaten hingegen kommt nicht mit Gewebezellen in Kontakt, sehr wohl aber mit oralen Bakterien. Die Hohlräume zwischen Abutment und Implantat können dabei als Bakterienreservoir dienen [174]. Eine Inhibierung der Biofilmbildung in diesem Bereich könnte eine zusätzliche Bakterienquelle eliminieren.

Auch die Anwendung auf Implantatkronen, bei denen keine Gewebeintegration nötig ist, die Biofilmbildung aber verhindert werden soll, ist denkbar. Damit solch eine Funktionalisierung jedoch neben dem permanenten Speichelfluss auch den hohen mechanischen Kräften beim Kauvorgang standhält, bedarf es einer Optimierung dieser Oberflächen [40]. Weiterhin sind Anwendungen bei Implantaten denkbar, bei welchen das Anwachsen von Zellen, insbesondere von Fibroblasten ein Problem darstellt. Cochlearimplantate und Herzschrittmacher beispielsweise können durch einen Zellbewuchs ihre Funktion verlieren [143]. Eine deutliche Reduktion der Dicke einer Bindegewebskapsel konnte im Rattenmodell auf SLIPS bereits gezeigt werde [67]. In Bezug auf solche Implantate müsste der Begriff Biokompatibilität allerdings neu definiert werden. Implantate, welche nicht in das umliegende Gewebe integrieren sollen, sind dann biokompatibel, wenn sie keine bzw. eine nicht toxische Menge von Stoffen abgeben und keine bzw. nur eine sehr geringe zelluläre Adhäsion aufweisen. Weitere Untersuchungen der direkten Interaktion von Zellen mit dem Material würden bei antiadhäsiven Oberflächen keinen Sinn machen. Stattdessen sind Diffusionstests, wie sie in der ISO 10993-5 beschrieben sind, denkbar.

Für die Außenflächen von dentalen und orthopädischen Implantaten ist jedoch die Adhäsion, Proliferation und Migration von Gewebe-spezifischen Zellen wie Fibroblasten und Osteoblasten entscheidend. Um diese zellulären Parameter zu untersuchen, wurde die

119 Zytokompatibilität von Laser-strukturierten Spike-Topographien analysiert. Dies ermöglichte auch die Methodenentwicklung für nicht transparente, solide Probekörper und deren Nutzung für ein Screening-System.