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Adhäsion und Proliferation auf Spike-Gradienten

4. Diskussion

4.5. Kontrolle des Zell-Verhaltens durch Spike-Topographien

4.5.1. Adhäsion und Proliferation auf Spike-Gradienten

Die Kontrolle der Zellreaktion durch die reine Veränderung der Topographie stellt eine besonders einfache und effektive Methode dar, um Einfluss auf die Gewebeintegration zu nehmen, ohne zusätzliche Modifikationen vornehmen zu müssen. Bei der Erstellung von Oberflächentopographien können viele Parameter der Strukturen variiert werden. Neben der Höhe, Steilheit, Form und Isotropie/Anisotropie hat vor allem der Abstand Einfluss auf das Zellverhalten [85, 90, 94, 95, 108]. Bei den hier verwendeten Spikes wurde der Abstand (mit Hilfe der Spike-Größe) variiert und deren Einfluss auf das Zellverhalten untersucht. Dabei wurden die Strukturen durch Laser-Ablation in Silicium generiert und anschließend mit Titan bedampft, um eine Implantatoberfläche aus dem Bereich der zahnärztlichen Prothetik bzw.

Orthopädie zu simulieren. Für die Auswahl geeigneter Spike-Abstände wurden zunächst die Adhäsion und Proliferation der Zellen auf Spike-Gradienten untersucht, welche einen großen Bereich unterschiedlicher Spike-Abstände aufwiesen. Eine Protein-basierte Quantifizierung der gesamten Probe wie auf den MOF-Beschichtungen hätte keine Information über die Abhängigkeit des Zellverhaltens von der Spike-Größe gegeben. Stattdessen wurde die Zellmorphologie mit Hilfe der REM analysiert. Dabei konnten parallel auch die Spike-Abstände bestimmt werden. Sowohl bei der zellulären Adhäsion (1 Tag Kultur) als auch bei der Proliferation (3 und 7 Tage Kultur) war eine Abhängigkeit von den Spike-Abständen zu beobachten (Abb. 3.9A). Mit fortschreitender Kulturdauer schien sich dabei diese Abhängigkeit zu verstärken. Nach 7 Tagen war der Trend stärker bei den immortalisierten Zellen zu beobachten als bei den primären Zellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die NIH/3T3 offensichtlich vom unstrukturierten Rand der Proben in die Strukturen hinein migriert sind.

Dies war teilweise auch in Bereichen großer Spikes zu beobachten (Daten nicht gezeigt). Da sich neben der Proliferation von NIH/3T3, welche sich bereits auf den Proben befanden, auch die Migration von Zellen, welche erst in die Strukturen hinein migriert sind, abzeichnete, ist ein Vergleich mit den anderen Zelltypen kaum möglich. Weiterhin ist zu beachten, dass der abgebildete Bereich der Spike-Abstände für die primären Zellen wesentlich größer war (ca. 2

121 bis 12 µm) als für die immortalisierten Zellen (ca. 2 bis 6 µm). Dies schränkt die Aussagekraft im Vergleich dieser beiden Zelltypen ein. Besonders nach 1 und 3 Tagen, wo bei den immortalisierten Zellen kaum eine Abhängigkeit vom Spike-Abstand zu beobachten war, wäre bei einem größeren Spike-Bereich ein anderes Bild denkbar. Die große Varianz im Probenmaterial macht die Notwendigkeit einer reproduzierbaren Materialherstellung deutlich.

Auf den gleichen Strukturen haben Schlie et al. auf Grund ihrer Beobachtungen mit immortalisierten HFF-1-Fibroblasten einen „turn over point“ zwischen 4,8 µm und 6,7 µm Spike-Abstand vorhergesagt, bei dem ein abrupter Wechsel von guter Adhäsion und Proliferation zu sehr schlechter Adhäsion und Proliferation auftreten soll [95]. Anhand der hier gemachten Beobachtungen handelt es sich jedoch um einen fließenden Übergang eines schlechter werdenden Zellverhaltens mit steigendem Spike-Abstand. Dies macht deutlich, dass nicht nur die Methoden der Zytokompatibilitätstestung Aufschluss über die Funktionalität eines Materials geben können, sondern auch die Modifikation des Materials selbst. Als Erklärung für das unterschiedliche Zellverhalten auf kleinen vs. großen Spikes geben Schlie et al. eine höhere Adsorption von nativem Fibronectin auf den kleinen Spikes an. Auf den großen Spikes wird eine Denaturierung des Proteins vermutet. Dies hätte ein größeres Angebot an Integrin-Liganden auf den kleinen Spikes zur Folge und damit auch eine bessere Adhäsion und Proliferation [95]. Die Dichte von Integrin-Liganden kann indirekt durch die Anfärbung von FAs nachgewiesen werden (siehe 4.5.2.). Die Reaktion der primären Zellen deckt sich mit den Beobachtungen von Kolind et al. Sie haben gezeigt, dass primäre Fibroblasten auf Mikrosäulen mit Abständen von 1 und 2 µm problemlos adhärieren und proliferieren, wobei sie auf Säulen mit Abständen von 4 und 6 µm eine stark beeinträchtigte Adhäsion und Proliferation aufweisen [85].

Interessant war die Beobachtung, dass die bakterielle Adhäsion durch S. aureus einen entgegengesetzten Trend aufwies als die der eukaryotischen Zellen. Obwohl dieser Trend nur leicht war, ließen sich mit einer Kategorisierung der Spike-Abstände statistisch signifikante Unterschiede herausarbeiten (Abb. 3.9B/C). Solch ein Phänomen ist im Sinne des „race for the surface“, nach dem auf Implantatoberflächen eine Konkurrenz in der Besiedelung zwischen Gewebezellen und Bakterien besteht [72]. Eine Oberfläche, welche die Besiedlung zugunsten der Gewebezellen verschiebt, wird die Einheilung verbessern und das Infektionsrisiko verringern. Die hier gemachte Beobachtung zeigt, dass sich auch bei Oberflächen, welche nicht primär als antibakterielle Oberflächen entwickelt wurden, eine initiale Testung mit Bakterien lohnen kann. Eine Erklärung für das Phänomen auf den vorliegenden Strukturen könnte eine

122 größere verfügbare Oberfläche auf den großen Spikes als auf den kleinen Spikes sein. Darüber hinaus sind Bakterien in Tälern größerer Strukturen besser gegenüber Scherkräften geschützt [65]. Im Gegensatz zu einigen Publikationen, welche eine verringerte Adhäsion und Biofilmbildung auf Mikro- und Nanotopographien beschreiben, ist hier die bakterielle Adhäsion auf allen Spike-Größen höher als auf der glatten Kontrolle [58, 61, 64]. Die beschriebenen antibakteriellen Mikrotopographien haben allerdings teilweise Eigenschaften, welche hier ausgeschlossen werden können bzw. sehr unwahrscheinlich sind. Dem Einschluss von Luftblasen und der damit verbundenen Superhydrophobizität beispielsweise wurde entgegen gewirkt (siehe 2.2.8). Für eine Minimierung der verfügbaren Oberfläche sind die Strukturen zu groß. Dies gelingt nur mit Topographien, welche in ihren Dimensionen kleiner als Bakterien (< 1 µm) sind. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass Spike-Strukturen, welche in ihren Dimensionen geringfügig kleiner sind als die kleinen Spikes in dieser Arbeit, nach Inkubation mit S. aureus eine signifikant verringerte Oberflächenbedeckung aufwiesen [179].

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei kleineren Spike-Abständen weniger Bakterien auf der Topographie adhärierten und gleichzeitig Fibroblasten und Osteoblasten besser adhärierten und proliferierten. Prinzipiell ist dies ein gewünschter Trend für Implantatoberflächen. Jedoch bleibt zu beachten, dass die bakterielle Adhäsion auch bei den kleinsten Spike-Abständen höher ist als auf der Kontrolle. Genauso ist die zelluläre Adhäsion und Proliferation in keinem Fall höher als die auf der glatten Kontrollfläche. Bei einer Zytokompatibilitäts-Analyse wäre diese Oberfläche im Rahmen eines Screenings zu einem frühen Zeitpunkt verworfen worden. Eine weitere Verkleinerung der Spike-Abstände könnte die Eigenschaften der Oberfläche verbessern. Mit der verwendeten Technologie war dies jedoch bisher nicht möglich. Allerdings war durch die Größe der Spikes eine Kontrolle des Zellverhaltens möglich sowie Unterschiede zwischen den Zelltypen zu verzeichnen. Diese Beobachtungen können für das Verständnis von Zellreaktion auf Biomaterialien äußerst interessant sein. Eine Bestätigung der unterschiedlichen Zellreaktionen würde die Bedeutung der Analyse der Zellspezifität und der Verwendung geeigneter Modellzellen unterstreichen.

Darüber hinaus bot die Untersuchung der Spike-Topographien die Gelegenheit, Methoden für die Analyse der Interaktionen von Zellen mit nicht transparenten Probekörpern zu optimieren und neu zu entwickeln. Dies ist vor allem für tiefergehende Untersuchungen im Rahmen einer systematischen Zytokompatibilitätsanalyse von Interesse.

123 Während der Versuche wurden REM-Aufnahmen für die Analyse der Zellen verwendet. Dies sollte vor allem der Visualisierung der Zellinteraktionen mit der Topographie dienen. Nachteile der REM sind jedoch der große Zeitaufwand und mögliche Trocknungsartefakte. Vor allem bei Oberflächen wie den Spike-Strukturen, auf denen Zellen schlecht adhärieren können bzw.

wenig Kontaktpunkte mit der Oberfläche haben, können sich die Zellen zusammen ziehen und sich vom Substrat lösen (Daten nicht gezeigt). Daher wurden in den folgenden Analysen vor allem Fluoreszenzfärbungen für die Visualisierung genutzt. Mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie und der CLSM wurden die Morphologie, Adhäsion, Proliferation und Migration der Zellen auf einheitlichen Spiketopographien tiefergehend untersucht, um Aufschluss über die zellulären Reaktionen auf unterschiedlichen Spike-Größen sowie über die Unterschiede zwischen den Zelltypen zu erhalten. Die homogenen Spike-Strukturen hatten dabei den Vorteil, dass eine Quantifizierung der Zellen, morphologischer Parameter und der Fokalen Adhäsionen (FAs) für eine definierte Spike-Größe möglich war.

4.5.2. Einfluss der Spike-Größe auf das Zellverhalten

Die Größe der homogenen Spike-Strukturen wurde anhand der Ergebnisse aus den Versuchen mit den Spike-Gradienten und unter Beachtung einer guten Reproduzierbarkeit einheitlicher Strukturen mit dem Lasersystem ausgewählt. Die kleinen Spikes hatten einen mittleren Spikeabstand von 2,3 µm. Dies stellte mit der verwendeten Technik die kleinstmögliche Spikegröße dar. Der mittlere Spike-Abstand, bei welchem bereits eine deutlich geringere Zelldichte zu verzeichnen war, betrug 5,5 µm. Die größten Spikes, welche noch eine gleichmäßige konische Form aufwiesen, hatten einen mittleren Abstand von 7,6 µm (siehe Abb.

2.2). Die Fluoreszenzfärbungen ermöglichten es mit Hilfe der Bestimmung der Zellzahl, Zellfläche, Zellform, Stressfasern, FAs und der Zellkernmorphologie die Zytokompatibilität nach 24 h bzw. nach 72 h genauer zu beschreiben. Die Analyse der Migration lieferte zusätzlich Informationen über das Zellverhalten bis zu 14 Tagen nach der Zellaussaat.

Zellzahl, Zellfläche und Zellform

Abgesehen von den HGFib nach 24 h spricht die niedrigere Zahl der Zellen sowohl nach 24 h als auch nach 72 h gegenüber der Kontrolle für eine schlechtere Zytokompatibilität der

124 Strukturen. Eine Abhängigkeit von der Spike-Größe war hier nicht zu beobachten. Ein Parameter, welcher für die Bewertung der Zytokompatibilität einer Oberfläche nützliche Information liefert, aber selten quantifiziert wird, ist die Bestimmung der Zellfläche [180, 181].

Je größer diese Fläche ist, desto besser adhärieren und proliferieren Zellen in der Regel auf einer Oberfläche. Unterhalb einer gewissen Zellfläche, findet keine Proliferation mehr statt.

Extrem geschrumpfte Zellen sind oft kurz vor dem Absterben bzw. vor dem Ablösen vom Substrat [182]. Bis auf die NHOst nach 24 h ist für alle Zelltypen auf Grund der größeren Zellfläche eine wesentlich höhere Zytokompatibilität der kleinen Spikes gegenüber den mittleren und großen Spikes festzustellen. Eine Abnahme der Zellfläche auf Mikrostrukturierungen ist ein häufig auftretendes Phänomen [90, 107, 110]. Ursachen hierfür können eine geringere verfügbare Oberfläche für die Adhäsion oder eine Störung des Zytoskeletts und der Morphologie durch die Strukturen sein. Die Morphologie von Zellen auf Oberflächen ist ein weiterer Parameter, welche oft qualitativ beschrieben wird, aber selten quantifiziert wird [180, 181]. Die Morphologie der unterschiedlichen Zelltypen auf den Kontrollen spricht für vitale Zellen. So hatten Fibroblasten und Osteoblasten auf einer glatten Oberfläche eine fibroblastoide Morphologie mit Zellausläufern und deutlich ausgeprägt Stressfasern [85, 91, 94, 180]. Starke Abweichungen der Aspect Ratio von Werten der Kontrolle nach oben (länglicher) oder unten (rundlicher) sind negativ zu bewerten. Mit einer länglicheren oder rundlicheren Form gehen in der Regel auch weniger Zellausläufer einher, welche für eine gute Adhäsion und Proliferation nötig sind [85, 183]. Abweichungen in der Zellmorphologie von der Kontrolle waren nach 24 h gering, nach 72 h jedoch deutlicher. Auch hier ist zumindest für die HGFib, die NIH/3T3 und die NHOst auf Grund der geringsten Abweichung von der Kontrolle die beste Zytokompatibilität auf den kleinen Spikes zu erwarten.

Die primären Zellen besaßen auf den mittleren Spikes die länglichste Morphologie. Eine Erklärung hierfür wäre der verfügbare Platz zwischen den Spikes. Dieser war bei den mittleren Spikes recht klein, so dass die Zellen sehr in die Länge gezwungen wurden. Bei den großen Spikes war bereits mehr Platz zwischen den Strukturen vorhanden, in dem sich die Zellen ausbreiten konnten. Dadurch war die Aspect Ratio entsprechend näher an der Kontrolle. Bei der Kultur von Fibroblasten auf Mikrosäulen vergleichbarer Dimensionen war ebenfalls eine länglichere, spindelförmige Zellmorphologie zu beobachten [85, 94]. Da vermutet wird, dass Morphologieveränderungen von Gingivafibroblasten durch eine veränderte Sekretion von Zytokinen die Osteoklastogenese im Alveolarknochen beeinflussen können, sind die beobachteten Veränderungen auf den mittleren und großen Spikes kritisch zu betrachten [29].

125 Eine länglichere Zellmorphologie ist oft auch ein Charakteristikum polarisierter, migrierender Zellen [184]. In diesem Fall hatten die länglicheren, primären Zellen bis auf vereinzelte NHOst jedoch keine typischen Lamellipodien oder Filopodien und zeigten auf keinen der Spikes eine höhere Migration als auf der Kontrolle (Abb. 3.25). Daher ist eher davon auszugehen, dass die Zellen durch die Spike-Strukturen in diese Form gezwungen wurden, so dass sie zu einem großen Teil zwischen den Spikes verliefen. Ein eindeutiger Trend in Abhängigkeit der Spike-Größen wie bei der Zellfläche war dabei nicht zu beobachten. Die Unterschiede bei der Bestimmung der Zellfläche traten zudem wesentlich stärker hervor, so dass dieser Parameter für die Bewertung der Zytokompatibilität aussagekräftiger ist.

Die Quantifizierung der Zellfläche und der Morphologie einer ausreichend großen Zellzahl (mindestens 50 Zellen/Probe) ist mit einigem Aufwand verbunden und daher für ein späteres Stadium der Zytokompatibilitätsanalysen zu empfehlen. Für eine sehr kleine Probefläche ist diese Methode zusammen mit der Kernzählung jedoch eine gute Möglichkeit für die Generierung quantitativer Daten. Die Zellquantifizierung mit Hilfe der Kernzählung hat zudem den Vorteil, dass keine Verfälschung der Ergebnisse durch eine veränderte Proteinmenge bzw.

Enzymaktivität pro Zelle auftreten kann. Um detailliertere Informationen über die Morphologie und die Interaktion der Zellen mit der Topographie zu bekommen, wurden die Stressfasern (SF) und die fokalen Adhäsionen (FAs) analysiert.

Stressfasern, Fokale Adhäsionen und Zellkern

Die FAs verbinden die SF mit dem extrazellulären Substrat. Beide Strukturen sind für die Ausbreitung des Zellkörpers verantwortlich und übertragen physikalische Kräfte von der extrazellulären Umgebung in die Zelle hinein und von der Zelle hinaus [78, 85, 97]. Sowohl diese Kraftübertragung als auch die resultierende Signaltransduktion nehmen erheblichen Einfluss auf die Genexpression der Zellen und sind für viele zelluläre Prozesse wie Proliferation, Migration und Differenzierung notwendig [133, 138]. Die hier angefärbte focal adhesion kinase (FAK) ist für die mechanosensorische Aktivität der FAs entscheidend und stimuliert die Actin-Polymerisation und SF-Bildung [78]. Gut ausgeprägte SF und FAs sind auf starren Oberflächen Voraussetzung für eine gute Zelladhäsion und -proliferation und können daher als Maß für die Zytokompatibilität einer Oberfläche verwendet werden [132, 133].

126 Auf den glatten Kontrolloberflächen waren bei allen Zelltypen gut ausgeprägte SF und FAs zu beobachten (Abb. 3.10 bis 3.17). Hierbei handelt es sich vor allem um ventrale SF, welche an beiden Enden FAs besitzen und für die genannten zellulären Funktionen wichtig sind. Bei den NHOst waren jedoch auch vereinzelt runde Lamellipodien zu sehen, welche dorsalen SF mit nur einer FA und parallel zur Zellperipherie verlaufende transversale Bögen beinhalten (Abb.

312A/3.16A). Diese Strukturen sind Kennzeichen von migrierenden Zellen (siehe Abschnitt Migration). Auf den kleinen Spikes waren die SF und FAs bei allen Zelltypen bereits deutlich schwächer ausgeprägt. Die Tatsache, dass die FAs aller Zelltypen bei den kleinen Spikes auf einer Ebene waren und die 3D-Modelle kein „Einsinken“ der Zellen in die Strukturen ersichtlich machte, legt den Schluss nahe, dass die Zellen wie auf der glatten Kontrolle flach auf der Oberfläche lagen. Die FAs befanden sich dabei wahrscheinlich auf den Spitzen der Spikes. Dies war zumindest bei Untersuchungen mit vergleichbaren Mikrostrukturen der Fall [85, 94]. Weiterhin war auf den kleinen Spikes weniger Kolokalisation von pFAK und Actin zu beobachten (gelbes Fluoreszenzsignal). Dies ist ein Zeichen für instabile unreife FAs, welche in geringerem Maße an das Actinzytoskelett gekoppelt sind [80]. Das vermehrte Auftreten kleiner FAs (0,5 µm - 1 µm) und verminderte Auftreten großer FAs ( > 1,5 µm) war bei Zellen auf Mikro- und Nanotopographien auch bei anderen Studien zu beobachten. So verringerte sich die FA-Länge von primären humanen Osteoblasten auf Nano-Säulen und Mikro-Rillen [185], von embryonalen Mausfibroblasten auf Mikrosäulen [107], primären murinen Prä-Osteoblasten auf Nanosäulen und -rillen [108] und von primären humanen sowie immortalisierten Osteoblasten auf Nanorillen [129]. In Bezug auf die Dimension im Mikrometerbereich bietet die Studie von Kolind und Kollegen die beste Vergleichbarkeit. Auf Mikrosäulen mit einer Kantenlänge von 1 µm und einem Abstand von 2 µm zeigten primäre Fibroblasten ebenfalls verkleinerte FAs und schlechter ausgeprägte SF [85]. Da es sich bei den Spikes um hierarchische Strukturen aus Mikro- und Nanostrukturen handelt, ist auch der Effekt der letzteren zu beachten. Nanostrukturen können die FA-Bildung verstärken oder verringern. In der Regel wird ein kritischer Durchmesser bzw. Abstand der Strukturen von ~70 nm auf festem Substrat angegeben. Sind Strukturen kleiner als 70 nm oder haben sie einen Abstand über 70 nm, so wirkt sich dies negativ auf die Integrin-Gruppierung und damit auf die FA-Bildung aus (Abb 4.1) [96]. Anhand der REM-Bilder wird deutlich, dass die Ausstülpungen den kritischen Abstand von 70 nm deutlich überschreiten (Abb. 4.2). Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Nanotopgraphie zusätzlich die FA-Bildung inhibierte. Zusammen mit der

127 Mikrotopographie scheint die verfügbare Oberfläche zu klein zu sein, um eine ausreichende Integrin-Gruppierung für große reife FAs zu gewährleisten.

Abb. 4.1: Effekt von Nanotopographien auf die Bildung von Fokalen Adhäsionen. A: Strukturen >70 nm, Abstände <70 nm, kein Einfluss auf die FA-Bildung; B: Strukturen >70 nm, Abstände >70 nm, Höhe der Strukturen <70 nm, geringe Störung der FA-Bildung, C: Strukturen >70 nm, Abstände >70 nm, Höhe der Strukturen >70 nm, starke Störung der FA-Bildung, D: Strukturen <70 nm, Abstände >70 nm, Höhe >70 nm, keine FA-Bildung mehr möglich (Abb. mit Erlaubnis aus [96]).

Abb. 4.2: Nanotopographie von Spike-Strukturen. REM-Aufnahmen von kleine Spike-Strukturen in 50.000x (A) bzw. 100.000x Vergrößerung (B). Maßstab = 200 nm (A) bzw. 100 nm (B).

Die kleineren FAs auf den kleinen Spikes hatten Auswirkungen auf weitere Strukturen und Prozesse in den Zellen. Durch weniger Bindungsstellen und weniger stimulierende

128 Adapterproteine kommt es zu einer schwächeren Ausbildung von SF. Zusätzlich führt eine geringere Anzahl von aktivierten Proteinen wie pFAK zu einer geringeren G-Protein-vermittelten Signaltransduktion, was ebenfalls die Actin-Polymerisation hemmt (Abb. 4.3) [78]. Da das Wachstum der SF ein treibender Faktor für die Ausbreitung des Zellkörpers ist, führt eine geringerer Actin-Polymerisation entsprechend zu einer geringeren Zellfläche [85, 97]. Die Abnahme der FA- und SF-abhängigen Signaltransduktion machte sich ebenfalls in einer geringeren Zellzahl im Vergleich zur Kontrolle bemerkbar (Abb. 3.18). Kleine FAs und schlecht ausgebildeten SF sind auch Charakteristika von migrierenden Zellen (siehe Abschnitt Migration).

Auf den mittleren und großen Spikes sanken die Zellen deutlich in die Strukturen ein (Abb.

3.10G/H-17G/H). Dies lässt vermuten, dass sich Zellen nur auf den Mikrostrukturen halten können, solange ein maximaler Abstand – zwischen 2,3 µm (kleine Spikes) und 5,5 µm (mittlere Spikes) – nicht überschritten wird. In Folge des Einsinkens kam es zu einer deutlichen Störung des Actinzytoskeletts. Dabei übten die Spike Strukturen vermutlich mechanischen Stress auf das Zytoskelett aus, so dass kaum noch SF ausgebildet werden konnten. Die runden Aussparungen, welche auf den Fluoreszenzaufnahmen zu sehen sind, stammen von den Spikes.

In den 3D-Modellen sieht man, wie diese das Actin durchstoßen. Eine Visualisierung der Spikes nach 14 d Kultur zeigt die Strukturen in den Aussparungen (Abb. 3.26/3.27). Ein ähnliches Phänomen wurde ebenfalls bei NIH/3T3-Zellen auf Mikrosäulen mit einem Durchmesser von 5 µm beobachtet. Auch hier befand sich ein Großteil des Zellvolumens zwischen den Strukturen [94]. FAs waren bei den mittleren und großen Spikes kaum zu erkennen. Da sich die Ausbildung und das Wachstum von SF und FAs gegenseitig regulieren, ist dies nicht verwunderlich. SF und deren Kraftübertragung sind auch für die Bildung und das Wachstum der FAs notwendig

In den 3D-Modellen sieht man, wie diese das Actin durchstoßen. Eine Visualisierung der Spikes nach 14 d Kultur zeigt die Strukturen in den Aussparungen (Abb. 3.26/3.27). Ein ähnliches Phänomen wurde ebenfalls bei NIH/3T3-Zellen auf Mikrosäulen mit einem Durchmesser von 5 µm beobachtet. Auch hier befand sich ein Großteil des Zellvolumens zwischen den Strukturen [94]. FAs waren bei den mittleren und großen Spikes kaum zu erkennen. Da sich die Ausbildung und das Wachstum von SF und FAs gegenseitig regulieren, ist dies nicht verwunderlich. SF und deren Kraftübertragung sind auch für die Bildung und das Wachstum der FAs notwendig