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Dennoch wird nicht jeder denkbare Einsatz von Nuklearwaffen verworfen:

Im Dokument Die Friedenslehre (Seite 166-169)

Die niederländischen Bischöfe berichten vom Konzil: „Der beschränkte Einsatz von Kernwaffen, der sich nicht direkt gegen die Bevölkerung, sondern gegen mili-tärische und industrielle Ziele richtet, ist in dem Konzilsdokument Gaudium et spes außer Betracht geblieben." (8.2,140)

Zugleich aber sehen sie eine Gefahr darin, daß durch die Entwicklung _kleiner"

Atomwaffen begrenzte Nukleareinsätze vorstellbar werden und die Grenze zwi-schen konventionellen und nuklearen Optionen verwischt wird. Dies vermin-dert außerdem die Garantie, daß Kernwaffen nur der Abschreckung dienen: die Gefahr nimmt zu, daß Kernwaffen eingesetzt werden." (8.2,137)

Die niederländischen Bischöfe haben zu ihrem Dokument zwei Anlagen hinzuge-fügt: Die Briefe des Rates der Kirchen und der Niederländischen Bischofskonfe-renz an den Ministerrat der Niederlande:

Eine These des Rates der Kirchen lautet: „Darum haben die Kirchen die Verwen-dung von Kernwaffen als unmoralisch bezeichnet." (8.2,157) Und Kardinal Willebrands stimmt dem im Namen der Niederländischen Bischofskonferenz zu:

„Die Bischofskonferenz benutzt diese Gelegenheit, Ihnen mitzuteilen, daß sie aus-drücklich und von Herzen den Inhalt dieses Briefes unterschreibt." (8.2,160) Doch gerade die niederländischen Bischöfe hatten — wie die US-amerikanischen — zwischen verbindlicher kirchlicher Lehre und weitergehenden Beurteilungen durch die Bischöfe unterschieden:

„Wir sind uns bewußt, daß über die Rüstung mit Kernwaffen auch innerhalb der katholischen Kirche unter den Gläubigen keine einheitliche Auffassung besteht.

und daß wir ebensowenig bei allen Facetten der Kernwaffenproblematik auf eine deutlich formulierte kirchliche Lehre zurückgreifen können. Manchmal wird unser ethisches Urteil denn auch die Gültigkeit und den bindenden Charakter von allge-mein kirchlicher Lehre haben und manchmal sind unsere Gedanken mehr als mo-ralische Beurteilungen zu betrachten, von einzelnen Personen und Gruppen, die in der Kirche mit dem Dienst der Führung beauftragt sind." (8.2,133)

Ähnlich die US-Bischöfe, die nochmals zwischen der „Einleitung nuklearer Kriegführung" (first use) und einem „Begrenzten Nuklearkrieg", d.h. der nuklea-ren Antwort auf einen nukleanuklea-ren Angriff unterscheiden:

Sie verwerfen den Ersteinsatz von Nuklearwaffen wegen der Gefahr unkontrollier-barer nuklearer Eskalation in der Form eines Klugheitsurteils:

"Wir äußern in diesem Brief wiederholt größte Skepsis hinsichtlich der Aussich-ten, einen atomaren Schlagabtausch unter Kontrolle zu halAussich-ten, wie begrenzt auch immer der Ersteinsatz sein mag. Es ist diese Skepsis, die uns zu dem Urteil führt.

daß der Rückgriff auf Nuklearwaffen als Antwort auf einen konventionellen An-griff moralisch nicht zu rechtfertigen ist." (8.1,63) Und in der Fußnote fügen sie erläuternd hinzu: _Unsere Folgerungen und Urteile auf diesem Gebiet beruhen zwar auf sorgfältigem Studium und auf Überlegungen, was die Anwendung der moralischen Prinzipien betrifft, haben aber natürlich nicht das gleiche Gewicht wie die Prinzipien selbst und gestatten daher verschiedene Meinungen, wie die Zu-sammenfassung deutlich macht." (8.1,125)

Bezogen auf den „begrenzten Nuklearkrieg" nennen die US-Bischöfe all die Pro- bleme, die mit einem solchen verbunden sind, verwerfen jedoch nicht jede nuklea-

re Antwort auf einen nuklearen Angriff in jener Deutlichkeit, zu der sie beim Ersteinsatz kamen. Sie wollten hier — wie autorisierte Interpreten sagen — einen

„Zentimeter Mehrdeutigkeit" belassen, über dessen Rückwirkungen auf die sittli-che Wertung der nuklearen Abschreckung insgesamt sie sich im klaren waren.

2.84.4 Abschließende Bewertung der Erlaubtheit nuklearer Abschreckung

Insofern geht es stets um die Frage, ob die gegenwärtige Abschreckung noch als das kleinere von zwei zugleich nicht vermeidbaren Übeln bewertet und dann ge-duldet werden kann — stets mit der Pflicht verbunden, bald und nach Kräften eine Situation zu schaffen, in der man nicht mehr zwischen Übeln zu wählen hat, son-dern die Sicherheit der Völker in einem besseren System gewährleisten kann. All diese Aspekte finden sich in der Botschaft von Johannes Paul II. an die 2. Sonder-generalversammlung der Vereinten Nationen über Abrüstung:

_Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann eine auf dem Gleichgewicht beru-hende Abschreckung — natürlich nicht als ein Ziel an sich, sondern als ein Ab-schnitt auf dem Weg einer fortschreitenden Abrüstung — noch für moralisch an-nehmbar gehalten werden." (2,1162)

Diese Wertung wird in den Bischofsworten nach 1982 zitiert und akzeptiert. So Kardinal Hume:

„Es ist bemerkenswert, daß alle katholischen Bischofskonferenzen, die sich danach zu diesen Fragen geäußert haben, sich dieser Beurteilung angeschlossen haben. Als eine maßgebende Erklärung des Heiligen Vaters ist sie ein wichtiger Beitrag zum katholischen Denken." (8.11,260)

Kardinal Hume sieht darin die Lösung eines Wertekonflikts und die Suche nach dem geringeren Übel:

"Vor allem erkennt diese Meinung an, daß die Abschreckung wegen der interna-tionalen Lage als das kleinere von zwei Übeln akzeptiert werden kann, ohne sie je-doch in irgendeiner Weise in sich selbst für gut zu halten."

Die Autoren aller kirchlichen Dokumente sind sich dabei der immensen Risiken, die mit der heutigen nuklearen Abschreckung verbunden sind, bewußt. Nur wäre eine Sicherheitspolitik, die einseitig auf nukleare Abschreckung verzichtete, mit anderen Risiken verbunden — mit dem Verzicht auf kontrollierte Abrüstung wie mit dem Verzicht auf wachsenden Völkerrechtskonsens und -durchsetzung. D.h.

die Absage an eine stabilitätsorientierte Abschreckung bedeutete heute schon die Kapitulation vor den Aufgaben anspruchsvoller Friedenspolitik — zu einem Zeit-punkt, zu dem dazu durchaus noch substantielle Hoffnung begründet ist. Dies scheint im Augenblick das größere Übel zu sein.

Johannes Paul II. hat diese Einschätzung in der Ansprache zum Neujahrsempfang

des diplomatischen Corps nochmals wiederholt, präzisiert und den Kontext sowie

Im Dokument Die Friedenslehre (Seite 166-169)

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