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Mit Blick auf die brodelnden sowohl innen- wie außenpolitischen Konflikte in Mittelamerika müssen die Fernwirkungen von Gewalt bedacht werden, die

Im Dokument Die Friedenslehre (Seite 192-195)

al-lesamt einem echten Friedensprozeß entgegenwirken:

„In

diesem Zusammenhang möchte ich den dringenden Aufruf zu einer friedlichen Lösung der Gegensätze erheben. Entschlossen muß die Möglichkeit eines bewaff-neten Eingreifens abgelehnt werden. Ein besiegtes und gedemütigtes Bruderland ist in gewissem Maß ein realer und unmittelbarer Schaden auch für den Sieger. Mit noch mehr Grund ist bewaffnete Gewalt innerhalb einer nationalen Gemeinschaft entschieden abzulehnen. Wenn jemand zu den Waffen greift, so tut er das, weil er sich seiner Würde beraubt und in seinen bürgerlichen Rechten beeinträchtigt sieht, und er bedroht dann mit Guerillataktik nicht nur das Leben von Personen und die Grundsätze des friedlichen Zusammenlebens, sondern er trägt auch zum Weiter-bestehen von I Iaß und Rachegefiihlen über Generationen hinweg bei." (38)

— Und ähnlich Kardinal Casaroli sieht auch der

Papst im Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg eher die Negativfolgen:

„Die vom Zweiten Weltkrieg verursachten Spaltungen weisen uns darauf hin, daß die Gewalt im Dienst des ,Machtwillens' ein ungeeignetes Instrument für die Her-stellung der wahren Gerechtigkeit ist. Sie setzt vielmehr einen unheilvollen Prozeß in Gang von unvorhersehbaren Folgen ..." (34)

In einer sowohl ethisch wie auch politisch bedeutsamen Frage bezieht die Enzy-klika „Evangelium vitae" Stellung. Es geht um das Diskriminationsprinzip, das sowohl in den Kriegen der 90er Jahre in unmenschlichster Form mißachtet wie auch in der ethischen Debatte von mancher Seite in seiner Geltung relativiert wurde. Die direkt gewollte Tötung „Unschuldiger" wird in aller Form verworfen:

_Wenn auf die Achtung

jeden Lebens, sogar des Schuldigen und des ungerechten Angreifers, so große Aufmerksamkeit verwendet wird, hat das Gebot ,du sollst nicht töten' absoluten Wert, wenn es sich auf den unschuldigen Menschen bezieht ... Die absolute Unantastbarkeit des unschuldigen Menschenlebens ist in der Tat eine in der Heiligen Schrift ausdrücklich gelehrte, in der Tradition der Kirche

ständig aufrechterhaltene und von ihrem Lehramt einmütig vorgetragene sittliche Wahrheit. Diese Einmütigkeit ist sichtbare Frucht jenes vom Heiligen Geist ge-weckten und getragenen ,übernatürlichen Glaubenssinnes', der das Gottesvolk vor Irrtum bewahrt, wenn es ‚seine allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glau-bens und der Sitten äußert'. (FN 49: II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium,12) ... Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bi-schöfen der katholischen Kirche. daß die direkte und freiwillige Tötung eines un-schuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist. Diese Lehre, die auf jenem ungeschriebenen Gesetz begründet ist, das jeder Mensch im Lichte der Vernunft in seinem Herzen findet (vgl. Röm 2,14-15). ist von der Heiligen Schrift neu bestätigt, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt gelehrt. (FN 51: Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes. 27) Die willentliche Entscheidung. einen un-schuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck, gestattet werden ... Im Hinblick auf die sittliche Norm. die die direk-te Tötung eines unschuldigen Menschen verbiedirek-tet, gibt es für niemanden Privile-gien oder Ausnahmen. Ob einer der Herr der Welt oder der Letzte ... ist, macht keinen Unterschied: Vor den sittlichen Ansprüchen sind wir alle absolut gleich'.

(FN 53: Johannes Paul II.. Enzyklika Veritatis splendor, 6. August 1993. Nr.96 ...)" (18.6, Nr.57)

In der Forderung nach Gewaltlosigkeit weiß sich der Heilige Stuhl auch im Kon-sens mit den Weltreligionen. Kardinal Arinze als Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog bringt dies zum Ausdruck:

So gegenüber den Vertretern des Hinduismus: „Heute möchte ich an eurer Freude teilhaben und über einige Lehren des Hinduismus nachdenken, die wir auch im christlichen Evangelium wiederfinden. Ich denke da vor allem an jene. die sich mit ahimsa (Gewaltlosigkeit), lokasamgraha (allumfassende Brüderlichkeit) und va-sudhaive kutumbakam (die menschliche Familie) befassen." (39)

Auch in einer Grußbotschaft zum Vesakh-Fest am 15. Februar, dem Geburtstag von Gautama Buddha, zeigt sich die gemeinsame Ablehnung von Gewalt und Haß:

„Unter den vielen Quellen der buddhistischen Schriften erinnere ich an die folgen-den: ,Sei tolerant ... keiner möchte vom anderen betrogen werden, keiner wünscht, jemals vom anderen verachtet zu werden, keiner möchte sich durch den anderen ein Übel auferlegen lassen ...` (Suttanopata, 144, 148 und 150). An einer anderen Stelle wird gesagt: ,Haß wird in der Welt niemals durch Haß überwunden; durch Liebe allein wird Haß überwunden, und das ist ein ewiges Gesetz' (Dhammapada.

5)." (40)

Auf dem Hintergrund all dessen wird das Lob deutlich, das Johannes Paul II. der Pax-Christi-Bewegung zum 50. Jahrestag ihrer Gründung entgegenbringt. Es ist sozusagen die Zusammenfassung seiner Sicht im allgemeinen, dann auch gewich-tiger Folgerungen wie der nach Abrüstung:

„Vor euch möchte ich nochmals an die Aufrufe erinnern, die meine Vorgänger und ich zu wiederholten Malen über die moralischen Verflechtungen bei systemati-

schem oder allzu leichtem Rückgriff zu den Waffen und über die Notwendigkeit.

auf dem Weg der Abrüstung voranzukommen, erlassen haben. Keine Form der Gewaltanwendung bringt eine Regelung der Konflikte zwischen Personen oder Nationen zustande, denn Gewalt bringt wiederum Gewalt hervor. Es ist ange-bracht, die Länder. die Waffen produzieren, an ihre moralische Verpflichtung zu erinnern, ganz besonders hinsichtlich ihres Tauschhandels mit den Entwicklungs-ländern ... In dieser Hinsicht ist der kürzlich in Übereinstimmung gefaßte Be-schluß der Vereinten Nationen zur unbegrenzten Ausdehnung des Atomwaffen-Sperr•ertrags zu begrüßen mit dem Wunsch. daß alle Länder sich eine bessere und totale Durchführung dieses Vertrags angelegen sein lassen, die das Ziel hat, eine internationale, die Sicherheit aller garantierende Ordnung zu schaffen und die Ab-rüstung zu erreichen. Im übrigen ist es ausgezeichnet. daß die öffentliche Meinung dank von Bewegungen wie der euren hellhörig gemacht und ihr die notwendige Bildung vermittelt wird, um berechtigten Druck auf Autoritäten und Menschen-gruppen auszuüben, damit das schwache Gebäude des Friedens nicht aus bloßen Interessengründen in Gefahr gerät. Bewegungen wie die eure sind wertvoll. Sie machen die Menschen aufmerksam auf alle Gewalt, die die Harmonie zwischen Personen und innerhalb der Schöpfung zerbricht. Sie beteiligen sich an der Gewis-sensbildung, damit zwischen Menschen und Völkern die Gerechtigkeit und die Su-che nach dem Gemeinwohl als Grundlage eines dauerhaften Friedens den Sieg da-vontragen." (4 I )

In dieser Ermunterung an Pax-Christi, in der bisherigen Arbeit fortzufahren, wird jedoch auch deutlich, daß es sich in der kirchlichen Lehre nicht um einen absolu-ten Pazifismus handelt. Der Papst warnt vor „allzu leichtem Rückgriff zu den Waffen" und davor, daß „das schwache Gebäude des Friedens nicht aus bloßen Interessengründen in Gefahr gerät". Im ersten Fall wird die Forderung der ultima ratio nicht erfüllt, im zweiten handelt es sich sogar um die Vertretung eigener In-teressen via Gewalt. Insofern stellt sich an die neueren Dokumente erneut die Frage, ob denn Gewalt in jedem Fall verwerflich ist.

3.23 Erlaubte Gewalt

Gewalt deutet sich, wenn sie auch nur in etwa reflektiert eingesetzt wird, in aller Regel als Gegengewalt, als Reaktion auf nicht mehr tolerierbares Unrecht. Mag man es sich auch oft zu leicht machen und die eigene Gewalt vorschnell als gut begründete Gegengewalt ausweisen, die Unrechtstatbestände, die Gewalt verursa-chen, verdienen alle Aufmerksamkeit — nicht um die Gewalt anzuerkennen, son-dern um ihr begegnen und zuvorkommen zu können. Jedenfalls wird man dieser Gegengewalt am effektivsten entgegenwirken, wenn man die Unrechtstatbestände wahrnimmt und korrigiert, gegen die sie sich richtet.

Gewalt ist nicht nur physische Gewalt. Sie entfaltet sich in vielen Formen:

„Gewalttätig ist, wer nicht die Schwächeren aufnimmt, und wer sich im eigenen Ich verschließt. Auch die Gleichgültigkeit ist eine subtile Form der Gewalt. Auch die Korruption ist Gewalt." (42)

Diese hintergründige Gewalt aufzudecken, ist eine der wichtigen, wenngleich

Im Dokument Die Friedenslehre (Seite 192-195)

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