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4. Diskussion

6.2. ABC (ATP binding cassette) Transporter

6.2.1. Das Bindeprotein – MalE/MBP

Die ersten Komponenten von ABC-Transportern die identifiziert wurden waren ihre Bindeproteine.

Diese konnten bei Gram-negativen Bakterien durch einen kalten osmotischen Schock isoliert werden (Neu and Heppel 1965). Die Prozedur führt zu einem Verlust der Transportaktivität. Wenn die entsprechenden Bindeproteine erneut im periplasmatischen Raum eingebracht werden kann wieder Transport stattfinden (Brass et al. 1981). Importsysteme in Bakterien sind generell von separaten

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extrazellulären Bindeproteinen abhängig, die das jeweilige Substrat mit hoher Spezifität und Affinität erkennen (Boos and Lucht 1996, Hor and Shuman 1993, Hunke et al. 2000, Hosie and Allaway 2001).

Bindeproteine sind lösliche Proteine, die im periplasmatischen Raum zwischen der inneren und der äußeren Membran von Gram-negativen Bakterien lokalisiert sind (Higgins et al. 1990, Tam and Saier 1993). In Gram-positiven Organismen, denen ein Periplasma und eine Außenmembran fehlt, sind es oft Lipoproteine welche durch ein N-terminales Acyl-Glyceryl-Cystein an die externe Seite der Cytoplasmamembran gebunden sind (Kempf et al. 1997, Horlacher et al. 1998, Levdikov et al. 2005).

In manchen Gram-positiven Organismen sind die Bindeproteine direkt mit den Membrankomponenten des Transporters verbunden (van der Heide and Poolman 2002).

Bindeproteine sind in zwei generelle Prozesse verwickelt: Signaltransduktion/Chemotaxis und Transmembrantransport. Einige Bindeproteine weisen Ähnlichkeit zu DNA-Bindproteinen auf, die an der transkriptionellen Regulation beteiligt sind. Bindeproteine detektieren Signale/Substrate in Ihrer Umwelt und übermitteln/transportieren diese zu ihren jeweiligen Transmembrankomponenten.

Daraufhin wird das Signal/Substrat in das Cytoplasma übermittelt und verändert dort normalerweise die spezifische Genexpression (Tam and Saier 1993). Ein periplasmatisches Phosphat-Bindeprotein initiiert das Signal, welches in der Induktion des Phosphat-Regulons (pho) resultiert (Bourret et al.

1991, Saier 1993). In Agrobakterien ist der extrazelluläre Signalprozess zwischen Wirts-Pflanze und bakteriellem Parasit von periplasmatischen Bindeproteinen abhängig (Cangelosi et al. 1990). In Salmonella typhimurium ist die Virulenz abhängig von einem Bindeprotein-Transportsystem das homolog zu gut charakterisierten bakteriellen Peptid-Transportsystemen ist (Guyer et al. 1985, Hiles et al. 1987, Jamieson and Higgins 1984). In verschiedenen Bacillus-Arten wird die Sporulations-Initiierung durch zwei Peptid-Transporter reguliert die beide lösliche Bindeproteine besitzen (Perego et al. 1991, Rudner et al. 1991). Dies sind nur einige Beispiele für die Vielfalt der Aufgaben, welche von Bindeproteinen und den dazugehörigen Transportern/Rezeptoren bewältigt werden. Auch das Maltosebindeprotein hat neben der Substraterkennung eine Funktion als Maltoserezeptor bei der Chemotaxis (Hazelbauer and Adler 1971, Hazelbauer 1975, Duplay and Szmelcman 1987).

Bindeproteine binden Ihre Substrate mit sehr hoher Affinität, in Bereichen zwischen 0,01 - 1 µM und sind innerhalb der Zelle nach der Induktion in hohen Konzentrationen (~1 mM) vorhanden (Boos and Shuman 1998). Die hohe Effizienz der Bindeprotein-abhängigen ABC-Transporter bei niederen Substratkonzentrationen ist auf eben diese hohe Affinität der Bindung der Substrate zurückzuführen.

Eine Zelle kann dadurch einen Nährstoff bis zu 106-fach ankonzentrieren, wenn dieser in submicromolaren Konzentrationen im externen Millieu vorhanden ist (Dippel and Boos 2005). Selbst bei hohen Substratkonzentrationen im externen Millieu sind Bindeproteine für den Transport notwendig, wie am Beispiel einer Deletion des Maltose-Bindeproteins in E. coli gezeigt wurde (Shuman 1982). Die Bandbreite an Substraten die von Bindeprotein-abhängigen ABC-Transportern transportiert wird ist sehr groß und reicht von Mono- und Oligosacchariden (Silva et al. 2004

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Chevance et al. 2006) über organische und anorganische Ionen (Heddle et al. 2003) und Aminosäuren (Takahashi et al. 2004) bis hin zu kurzen Peptiden (Doeven et al. 2005). Die meisten Transportsysteme sind spezifisch für ein einzelnes Substrat oder eine Familie von strukturell verwandten Substraten wie z.B. Maltose und Maltodextrine. Einige Transporter/Bindeproteine sind dennoch vielseitiger und binden auch strukturell unterschiedliche Substrate. Diese Vielseitigkeit kann auf zwei unterschiedliche Arten erreicht werden: Erstens kann ein einzelnes Bindeprotein eine breite Substratspezifität aufweisen, wie es beim „multiple-sugar-transporter“ Msm von Streptococcus mutans der Fall ist. Dessen Bindeprotein bindet Melibiose, Sukrose, Raffinose, Isomaltotriose und Isomaltotetraose (Russell et al. 1992). Zweitens können mehrere Bindeproteine mit unterschiedlichen Bindespezifitäten mit demselben Transporter interagieren. Dies wurde am Histidin-, Lysin- und Arginin-Transportsystem in Enterobacteriaceaen (Higgins and Ames 1981) und am Oligopeptid/Muramylpeptid-Transportsystem von E. coli gezeigt (Park et al. 1998).

Strukturanalysen ergaben, dass alle periplasmatischen Bindeproteine, die bis dato charakterisiert wurden, ein ähnliches Faltungsmuster aufweisen. Sie bestehen aus zwei globulären Domänen, der N- und der C-terminalen, die jeweils den N- beziehungsweise C-Terminus des Proteins enthalten. Die beiden Domänen sind durch eine oder mehrere Polypeptidketten miteinander verbunden und das Substrat bindet zwischen ihnen (Quiocho 1990, Wilkinson and Verschueren 2003). Die beiden Domänen haben eine α/β Struktur, die aus einem β-Sheet besteht, welches von α-Helices umgeben und durch Loops verbunden ist (Rossmann and Argos 1975, Quiocho et al. 1977). Beide Domänen sind durch ein „Gelenk“ (hinge) aus ein bis drei β-Strängen miteinander verbunden. Eine Bindung des Liganden wird typischerweise durch eine strukturelle Veränderung begleitet, die als „hinge-bent motion“ bezeichnet wird, und die beiden Domänen von einer offenen in eine geschlossene Konformation überführt (Sharff et al. 1992, Bjorkman and Mowbray 1998) (Abbildung 22).

Zu Beginn wurden zwei strukturelle Subklassen unterschieden, die β-Strands in verschiedenen Orientierungen und in unterschiedlichen Anzahlen aufweisen (Fukami-Kobayashi et al. 1999). Zu den Klasse I Bindeproteinen gehören Einfachzucker- und verzweigte Aminosäure-Bindeproteine, zur Klasse II zählt man z.B. das Maltose/Maltodextrin-Bindeprotein und Sulfat- wie auch Phosphat-Bindeproteine (Wilkinson and Verschueren 2003). Ohne Ligand befinden sich die beiden Domänen in einer deutlich voneinander getrennten Konformation, und zwischen ihnen befindet sich eine offene, lösungsmittelzugängliche Kluft/Spalte. Der Ligand bindet in diese Kluft und induziert dadurch eine beträchtliche Rotation der Domänen die darin resultiert, dass die beiden Domänen sich schließen und somit den Liganden fest binden (Bjorkman and Mowbray 1998, Sharff et al. 1992). Mittlerweile werden die Eisen/Siederophore/Vitamin B12 -Bindeproteine und Bindeproteine, welche zweiwertige Kationen binden (Mn2+ und Zn2+), zusammen zu einer dritten Gruppe zusammengefasst. Innerhalb dieser Klasse III bestehen die beiden Domänen zentral aus fünf-strängigen β-Sheets die von α-Helices umgeben sind und beide Domänen sind durch eine α-Helix miteinander verbunden, welche sich über

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die komplette Länge des Proteins erstreckt (Borths et al. 2002, Lee et al. 1999). Die Bindung des Liganden erfolgt auch in dieser Gruppe in der Kluft, allerdings ergaben Analysen der Struktur, dass die Bindung nicht von einer großen Bewegung der beiden Domänen begleitet wird (Karpowich et al.

2003, Sebulsky et al. 2003) (Abbildung 21).

Abbildung 21: Die drei verschiedenen Bindeproteinklassen werden aufgrund der Anordnung und Topologie ihrer zentralen β-Strands unterschieden (Cuneo et al. 2006).

β-Sheets werden in grün gezeigt. In den Klassen I und II sind die N- und C-terminalen Domänen topologisch symmetrisch, während sie in Klasse III diese Symmetrie nicht aufweisen.

(A): Klasse I, die Anordnung der sechs β-Strands in jeder Domäne ist 213456. Klasse I wird hier durch das Glukose-Bindeprotein aus E. coli repräsentiert (PDB Code 1GLG) (Vyas et al. 1994).

(B): Klasse II, die Anordnung der fünf β-Strands in jeder Domäne ist 21354. Klasse II wird hier durch das Maltose/Maltodextrin-Bindeprotein aus E. coli repräsentiert (PDB Code 1ANF) (Quiocho et al. 1997 Spurlino et al. 1991).

(C): Klasse III, die Anordnung der fünf β-Strands in der N-terminalen Domäne ist 32145 und 2134 für die vier β-Strands in der C-terminalen Domäne. Klasse III wird hier durch das Vitamin B12-Bindeprotein von E. coli repräsentiert (PDB Code 1N4A) (Karpowich et al. 2003).

Aus Versuchen mit verschiedenen Bindeprotein-Familien zeigte sich die Notwendigkeit, dass die Größe des Liganden mit dem entsprechenden Volumen der Bindetasche in der geschlossenen Form übereinstimmt (Dwyer and Hellinga 2004). Das Maltose/Maltodextrin-Bindeprotein in E. coli bindet sowohl Maltose als auch lineare Maltooligosaccharide. Es wurde ohne gebundenen Liganden (Sharff et al. 1992), mit Maltose (Spurlino et al. 1991) und mit längeren Maltodextrinen (Quiocho et al. 1997) kristallisiert. Der Winkel zwischen den beiden Domänen wie auch die Rotation und die Krümmung sind dabei abhängig vom jeweils gebundenen Zucker unterschiedlich.

Abbildung 22: Modell der „bending und twisting“ Achsen in periplasmischen Bindeproteinen (Cuneo et al. 2006).

Die beiden Zylinder repräsentieren die N- und C-terminalen Domänen des Bindeproteins.

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Zwischen gebundener Maltose (Disaccharid, zwei α-1,4-glykosidisch verknüpfte Glukose Moleküle), Maltotriose (Trisaccharid) und Maltotetraose (Tetrasaccharid) gibt es also Unterschiede, was darauf schließen lässt, dass diese Veränderungen für die Funktionalität und die Anpassung der Bindetasche an den jeweiligen Liganden eine Rolle spielen (Evenas et al. 2001). Mitglieder der Bindeprotein-Superfamilie verwenden unter anderem Loops (Heddle et al. 2003), Cofaktoren wie anorganisches Phosphat (Guo et al. 2003) oder Carbonat (Shouldice et al. 2004) bei Metall-Bindeproteinen und sperrige Seitenketten (Quiocho et al. 1997), um das Volumen der Substratbindetasche im geschlossenen Zustand zu variieren.

Im Genom von Thermus thermophilus wurden über 30 putative Bindeproteine identifiziert (Henne et al. 2004), diese Anzahl weicht nur geringfügig von der Anzahl der ABC-Transporter (ca.42) ab. 2004 wurde das L-Glutamat, L-Glutamin-Bindeprotein (TT1099) aus Thermus thermophilus HB8 kristallisiert (Takahashi et al. 2004). 2006 folgte das Glukose/Galaktose-Bindeprotein (TTC0328, ttGBP) aus dem T. thermophilus HB27 Stamm (Cuneo et al. 2006). Das ttGBP wird der Klasse II (Maltosebindeproteine) zugeordnet, da es die größte strukturelle Homologie zum Disaccharid-Bindeprotein (Maltose/Trehalose, MBP) aus Thermococcus litoralis aufweist (Cuneo et al. 2006).

18% der Aminosäurezusammensetzung sind gleich, und die beiden Bindeproteine weisen eine Gesamtähnlichkeit von 60% auf. Die Kristallstruktur von ttGBP zeigt, dass die Substratbindetasche im Vergleich zum MBP aus T. litoralis teilweise durch zwei Loops und eine α-Helix ausgefüllt wird, was zu einer ausschließlichen Spezifität der Bindestelle für Monosaccharide führt. Diese Beobachtung stellt ein weiteres Beispiel für strukturelle Anpassungen dar, durch welche die Größe der Substratbindetasche an die Größe des gebundenen Liganden angeglichen werden kann (Evenas et al.

2001). Die bestimmten Dissoziations-Bindungskonstanten für das ttGBP für Glucose (KD 0,08 µM) und Galaktose (KD 0,94 µM) liegen innerhalb der für Bindeprotein typischen Bereiche (Cuneo et al.

2006).

Abbildung 23: Gesamtstruktur des Glukosebindeproteins (TTC0328) aus Thermus thermophilus mit gebundener Galaktose (Cuneo et al. 2006).

Die Anordnung der β-Strands (in gelb gezeigt) in der N- und der C-terminalen Domäne erlaubt eine Einordnung des Glukose-Bindeproteins zu den Klasse II Bindeproteinen. Die N- und C-Termini und die Anordnung der N-terminalen β-Strands sind angegeben.

Die β-Strands die den Hinge bilden sind in orange gezeigt, und die gebundene Galaktose in grün. Das Bild wurde mit Hilfe des Programms Pymol erstellt (http://pymol.sourceforge.net/).

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2008 wurde von einer Gruppe aus Italien ein Strukturmodell des MalE1-Bindeproteins (Silva et al.

2004) aus Thermus thermophilus erstellt (Scire et al. 2008). Dieses Modell wurde mit Hilfe von Computerprogrammen erstellt, wobei als Grundlage die Struktur des Trehalose/Maltose-Bindeproteins aus dem hyperthermophilen Archaeon Thermococcus litoralis verwendet wurde (Diez et al. 2001).

Eine Kristallstruktur zur Bestätigung dieses Modells existiert bisher nicht.