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Praktikum Indikatoren, N-Profil Klasse 9, 2004

1) Stelle dir eine Indikatorskala aus mindestens 6 Farbabstufungen her. Dazu mische verdünnte Salzsäure und verdünnte Natronlauge mit wenig Universalindikator

2.2.2.3. Der Chemieunterricht ist realitätsfern

a) Der Chemieunterricht ignoriert die Alltagsvorstellungen

Ich erkläre es mit der Vorstellung der Schülerinnen und Schüler, für die „Verbrennen gleich Verschwinden“ bedeutet, mit dem Wasser, dem in ihren Augen überhaupt nichts anormales anhaftet, und dem „Satz von Avogadro“, der nur für Chemielehrer ein Problem darstellt, nicht aber für die Jugendlichen.

Konzeptwechsel sind schwer zu erreichen. Beim Thema „Verbrennen von Metallen“ ist ein Konzeptwechsel notwendig, der, wenn er gelingen soll, einige Zeit braucht. Dazu findet man vielfältige Anregungen in „Perspektiven für die unterrichtliche Praxis“ (1998) vom IPN. Von den Autoren werden die Erkenntnisse der Neurobiologen einbezogen, wonach das passive Übernehmen von Lernstoff nicht gelingt (S.170), der Nürnberger Trichter also ausgedient hat.

Das Verbrennen von Metallen, bei mir wie bei anderen auch seit Jahrzehnten im Schülerexperiment mit Eisenwolle, Magnesiumband und einem Kupferbrief durchgeführt, ist mit viel Spaß verbunden. Im Schuljahr 2003/2004 hat im naturwissenschaftlichen Schwer-punkt die Klasse 9a die Veränderung des Kupferbriefes wie bei den beiden anderen Versuchen als Entstehung eines neuen Stoffes gedeutet. „Es hat also eine chemische Reaktion stattgefunden.“ Wieso der Kupferbrief aber innen unverändert blieb, konnten die Schüler und Schülerinnen in dieser Stunde nicht erklären. Sie waren der Ansicht: „Entweder die Hitze oder das Gas des Brenners kommen innen nicht an das Kupfer heran.“ Am nächsten Tag habe ich zwei ursprüngliche Schülerversuche mit Eisen noch einmal vorgeführt: Erstens einen Eisennagel in der Flamme erhitzen; er wird rot glühend und lässt sich biegen. Zweitens die Eisenwolle anzünden; sie verbrennt unter Glühen. „Worin besteht der Unterschied?“ Erst jetzt sind sie auf die Luft gestoßen, von der sie ja eigentlich längst wissen, dass sie zur

Verbren-nung nötig ist. Beispielsweise erleben sie es bei jedem Grillfeuer, aber auch beim Gasbrenner, den sie in praktisch jeder Chemiestunde benutzen.

Verbrennen bedeutet verschwinden. Unter „Verbrennen“ haben die Schüler und Schülerinnen bisher ein „Verschwinden“ verstanden und diese Vorstellung ist richtig, wenn an Kerzen oder Holzfeuer gedacht wird. Ich bestärke meine Schülerinnen zunächst darin, indem ich ihnen die Geschichte von „Paulinchen“ aus dem „Struwelpeter“ vorlese. Aus pädagogischen Gründen ist er zwar längst ins Gerede gekommen, aber es kennt ihn doch noch jedes Kind. Nach der Kerze und eventuell der Holzwolle wird Eisenwolle auf der Waage verbrannt, ein Experiment von großer Bedeutung. Sie wird – die Schüler glauben es kaum – beim Verbrennen wirklich und wahrhaftig schwerer. Kürzlich sagte ein Schüler: „Jetzt verwirren Sie mich aber völlig“, was ja auch beabsichtigt war. Aber nun kommt es meiner Erfahrung nach darauf an, gemeinsam nach einer Erklärung zu suchen, um nicht alles, was bisher unter einer Verbrennung verstanden wurde, über Bord werfen zu müssen. Das gelingt hier gut, wenn man nach den Verbrennungsprodukten fragt, die bei unseren alltäglichen Erlebnissen fast immer gasförmig sind. Das Eisen dagegen verbrennt zu einem festen Stoff, der auf der Waage liegen bleibt. Haben wir diese Verbrennungen bisher übersehen? Nein – den Menschen waren die Metalle über Jahrtausende sehr viel mehr wert als ihre Oxide und Metalle zu verbrennen wäre absurd gewesen. Mit der Metallgewinnung in der Frühzeit der Menschheit geht es dann auch weiter im Unterricht. Vorher wird nach einem Experiment gesucht, das die Gewichtszunahme auch beim Verbrennen einer Kerze zeigt. Dazu müssen die Verbrennungsgase aufgefangen werden und das gelingt mit Ätznatronplätzchen, die in einem oben offenen Glasrohr auf einem Drahtnetz liegen. Darunter brennt das Teelicht auf der Waage. Fazit: Bei allen Verbrennungsvorgängen kommt es zu einer Gewichtszunahme!

Die Gewichtszunahme ist rätselhaft. Wie kommt es dazu? Es ist keine Selbstver-ständlichkeit, dass ein Stoff aus der Luft dazu kommt. Es könnte auch die Hitze sein, vermuten Schüler manchmal. Der Satz von der Erhaltung der Masse ist noch nicht bekannt.

Dass aber die Luft eine Rolle spielt, zeigte das Schülerexperiment mit dem Kupferbrief.

Außen wird er schwarz, verändert sich also wie auch Eisenwolle und Magnesiumband, innen aber bleibt er wie er war. Aus der Luft kommt etwas dazu, das steht nun fest. Eigentlich wissen alle, dass Sauerstoff zum Verbrennen nötig ist - meist schon aus der Grundschule - oder von der Einheit „Kennzeichen von Lebewesen“ in Klasse 5. Da wurde der Frage nachgegangen wurde, ob eine Kerze lebendig ist. Welche Rolle der Sauerstoff spielt, ist bisher nicht klar. Also müssen die Bestandteile der Luft jetzt mit ihren Prozentgehalten zusammengetragen werden. Das folgende Experiment habe ich früher mit rotem Phosphor in einem Aluminiumschiffchen als Lehrerexperiment vorgemacht. Vor zwei Jahren kam ich auf die Idee, es mit Eisenwolle in einem Teelichtschälchen als Schülerexperiment ausführen zu lassen. Das hat sich sehr bewährt. Zunächst sollen die Schülerinnen und Schüler einen umgekehrten Luft gefüllten Standzylinder auf die Wasseroberfläche setzen und fühlen, wie groß der Widerstand der Luft beim Eintauchen ist. Dann wird die Eisenwolle im Aluminiumschiffchen angezündet und zügig der Standzylinder darüber gestülpt. Der Widerstand lässt nach, der Zylinder sackt ins Wasser, ein Unterdruck wird diagnostiziert. Die Eisenwolle erlischt und mittels einer Glasscheibe wird das eingeströmte Wasser festgehalten, der Zylinder herausgehoben und umgedreht. Rund ein Fünftel des Luftvolumens ist verschwunden und durch Wasser ersetzt. Das legt nahe, dass zum Verbrennen Sauerstoff notwendig ist, da er mit 21 % in der Luft vorkommt.

Beim Verbrennen verbinden sich die Stoffe mit Sauerstoff. Es passiert also entgegen der alltäglichen Vorstellung vom Verschwinden genau das Gegenteil. Es kommt etwas dazu. In der Gewissheit, meinen Beitrag zum „Konzeptwechsel“ nun geleistet zu haben, wollte ich das Thema beenden, als Sara, meine beste Schülerin mich mit der Frage verblüffte: „Frau Klein und wo ist der Sauerstoff hin?“ Ich habe eine Skizze an die Tafel gezeichnet mit dem Standzylinder vor der Reaktion und zwei Sorten von Luftteilchen und Eisenwolle im

Schiffchen und nach der Reaktion mit nur noch einer Sorte von Luftteilchen im Gasraum und einer gleichmäßigen Anordnung von Eisen- und Sauerstoffatomen im Schiffchen. Jetzt war die Sache klar und ich hoffe, anders als es das Autorenkollektiv des IPN mit Häußler, Bünder usw. im oben erwähnten Buch „Perspektiven für die Unterrichtspraxis“ einschätzt, für immer.

Die Autoren befürchten nämlich, dass (1998, S.176) tief verankerte Vorstellungen, die auf alltäglichen Sinneserfahrungen beruhen oder durch die Alltagssprache gestützt werden, nur schwer zu verändern sind.

Meine Hoffnung, dass der Konzeptwechsel nun von allen vollzogen wurde, hat getäuscht, wie die Zitate aus der nächsten Klassenarbeit zeigen. Also haben die Didaktiker im IPN wohl Recht. Zitate aus der 2. Klassenarbeit Kl 9, 2003 „Chemische Reaktionen und Grundgesetze“

belegen das.

Klassenarbeit Nr. 2 Chemie grundständig

2) Eisenwolle wird auf der Waage schwerer, eine Kerze leichter, also ein sehr unterschiedliches Geschehen.

a) Wie kommt es in beiden Fällen zur Gewichtsveränderung? (2P)

„Die Eisenwolle wird beim Verbrennen schwerer, weil es zu Kohlenstoffdioxid wird und schwer auf der Waage liegen bleibt (fest). Die Kerze „schmilzt“ dagegen weg, das CO2 steigt in die Luft, es wird also leichter (gasförmig).“

„Eisenwolle vermischt sich mit Kohlenstoffdioxid, deswegen wird’s schwerer. Die Kerze wird leichter, weil sie Kohlenstoff an die Luft abgibt.“

„Beide verbinden sich mit der Luft und geben Kohlenstoffdioxid ab. Dieses geht bei der Kerze in die Luft, bei der Eisenwolle wird es ´angezogen’.“

„Die Kerze (das Wachs) verbindet sich auch mit der Luft, wird aber leichter, weil die Wachsteilchen in die Luft gehen.“

4) Wie lässt sich zeigen, dass der Sauerstoff der Luft mit den verschiedenen Stoffen beim Verbrennen reagiert? Schildere! (8P)

„Indem man in einen Glasbehälter Wasser einfüllt mit einem Teelichtschiffchen. In das Teelicht muss man ein Stück Eisenwolle reintun. Dann zündet man die Eisenwolle an. (…) Auf die glühende Eisenwolle stülpt man einen Standzylinder und der Sauerstoff wird verbrannt und wenn man den Standzylinder wieder wegnehmen will, kann man beobachten, dass das Wasser angesaugt wird.“

„Eisenwolle wird unter einen verkehrt herum gestellten Standzylinder angezündet. Eisenwolle speichert Luft.“

„Man gibt Eisenwolle in ein leeres Teelicht und lässt dieses in einem Becherglas voll Wasser schwimmen, darauf stülpt man einen (oben geschlossenen) Standzylinder. Eisenwolle anzünden, wenn sie wieder ausgeht unten ein Glasplättchen unter den Zylinder schieben, man sieht, dass Wasser in den Zylinder gesogen wurde (etwa 1/5 des Zylinders voll). Der Sauerstoff hat reagiert und sich zu der Eisenwolle gequetscht. Sauerstoff etwa 1/5 der Luft, also so viel Luft „weg“ und dafür Wasser rein.“

„Eisenwolle wird in einem „Teelichtbehälter“ unter einem umgedrehten Standzylinder angezündet. Da Eisenwolle die freiwerdende Luft in sich speichert, strömt Wasser nach. Da das Wasser zu 1/5 nachgeströmt ist, kann man sehen, dass Eisenwolle mit Sauerstoff reagiert (Sauerstoff hat 1/5 Anteil an der Luft).“

„Wenn man Holzwolle in ein Schälchen (bzw. Teelichtschälchen oder Nussschale tut), das auf Wasser schwimmen lässt und einen Zylinder darüber tut, die Holzwolle anzündet, sieht man das 1/5 mit Wasser voll läuft. Weil der Sauerstoff der Luft verbrannt wurde. Wir wissen das 20 % Sauerstoff in der Luft enthalten ist also circa 1/5. Würde es mit etwas anderem reagieren, wäre eine andere Prozentzahl mit Wasser voll.“

Greifen und begreifen. Konrad Lorenz (1973, S.202) hat die Bedeutung von Schüler-experimenten schon bei den Greifhandkletterern geortet. Sie haben die greifende Hand dauernd im Gesichtsfeld. „Dies ist nämlich bei den meisten Säugetieren einschließlich der Affen nicht der Fall. (…) In dem Augenblick, in dem unser Ahne zum ersten Mal die eigene greifende Hand und den von ihr ergriffenen Gegenstand gleichzeitig als Dinge der realen Außenwelt erkannte und die Wechselwirkung zwischen beiden durchschaute, wurde sein Verständnis für den Vorgang des Greifens zum Begreifen, sein Wissen um die wesentlichen Eigenschaften des ergriffenen Dinges zum Begriff.“ Da stimmt Manfred Spitzer sicher zu, der sagt, dass viele verschiedene Beispiele nötig sind, bis etwas „begriffen“ wird. Eines bleibt aber rätselhaft für mich: Wie haben früher die Schülerinnen und Schüler verstanden, dass eine Verbrennung eine Aufnahme von Sauerstoff bedeutet? In den Jahren nach 1994 und der Stundentafelkürzung ist dieser ganze Sachverhalt einfach weggefallen. Schüler, die den Sauerstoff als zur Verbrennung notwendig kennen, müssen nicht noch zwei Stunden lang experimentieren und nachdenken. Allmählich wird klar, dass hier möglicherweise der Faden zum Verständnis längst abgerissen war und das „Fakteneintrichtern“ begonnen hatte. Im integrierten Curriculum der Gesamtschule in Tübingen wurde die Oxidation in Klasse sieben beim Thema „Redoxreaktionen“ behandelt und in Klasse sechs gab es die Einheit

„Partikelmodell“. Haben wir damals völlig über die Köpfe der Kinder hinweg unterrichtet oder waren sie – drei Jahr jünger - für die Teilchenvorstellung noch zugänglicher? Im Licht von Spitzers Behauptung (2002, S.9) „Dass wir Menschen wirklich zum Lernen geboren sind, beweisen alle Babys. Sie können es am besten, sie sind dafür gemacht; und wir hatten noch keine Chance, es ihnen abzugewöhnen“ kann man da schon nachdenklich werden.

Chemie hat etwas mit Menschen zu tun. Das Thema „Redoxreaktionen“ eignet sich beson-ders gut, chemische Sachverhalte in Beziehung zu den Menschen zu setzen. So ist der Prozess der Metallgewinnung über die Jahrtausende der Menschheitsentwicklung hinweg bei mir ein ausführliches Thema, zumindest im Naturwissenschaftlichen Profil. Ein Text über die frühen Gold-und Kupfernutzungen, ein Arbeitsblatt über die Entwicklung von immer leistungs-fähigeren Metallschmelzöfen, schließlich das Tatara-Verfahren (FT 3203143) im Film und der Hochofenprozess zeigen die Entwicklung auf. Die Verdienste einheimischer Metallhersteller lassen sich in der Dokumentation zum „Besucherbergwerk ‚Tiefer Stollen’.

Erzbergbau in Aalen-Wasseralfingen“ nachlesen (Bayer, Schuster 1988, S.116). Viele unserer Schüler und Schülerinnen erinnern sich mit Freude an ihren Schullandheimaufenthalt am Braunenberg in Klasse 6. In einer Fernsehsendung hörte ich, dass der weltweit geschätzte Krupp-Stahl seinen Ursprung in Wasseralfingen hatte.

Wasser ist und bleibt der normalste Stoff der Welt. Umgekehrt wie beim Thema

„Verbrennen“ geht es bei der „Anomalie des Wassers“ zu. Für die meisten bedeutet sogar noch „Flüssigkeit = Wasser“. Den Schülern und Schülerinnen einreden zu wollen, dass Wasser aus der Sicht der Chemie ein anormaler Stoff ist, gestaltet sich ziemlich hoffnungslos.

Meist hat zwar kurz zuvor der Physiklehrer auch schon diese Ansicht vertreten, für Schüler bleibt Wasser dennoch der normalste Stoff der Welt. Nicht nur unter den Flüssigkeiten, von denen es gar keine anderen bedeutungsvollen gibt, sondern unter allen Stoffen fangen sie mit dem Wasser am meisten an. Im Gegensatz zur Luft ist es „habhafter“, im Gegensatz zu festen Stoffen kann man selbst hineintauchen und unzählige Dinge darin auflösen, es zum Blumengießen benutzen, Rinnsale und Teiche und Dämme bauen, Schiffe fahren lassen, über Bäche springen, Fische herausholen, Überschwemmungen und Austrocknungen erleben. Man kann Wasserbilder fotografieren und im Boot oder auf der Luftmatratze darauf fahren, Aquarelle malen und Gewässergütebestimmungen durchführen, die Verschmutzung beklagen, sich über die Selbstreinigungskräfte eines Fließgewässers freuen und Wasserläufer beobachten. Damit könnte man vielleicht anfangen, ihnen die Anomalie glaubwürdig zu machen. Ich lasse zwei Schüler das „Pfennigspiel“ vorführen, bei dem sie in ein bis zum Rand gefülltes Glas mit Wasser abwechselnd vorsichtig ein Geldstück, inzwischen Cents, gleiten

lassen. Wenn das Wasser überläuft – vorher ist ein beachtenswerter Berg entstanden – ist das Spiel aus und wer will, bekommt einen Glückspfennig.

Mein „schönstes Wassererlebnis“ wird hier einfach eingeschoben. Ich habe es als Klassenlehrerin am Ende der fünften Klasse im Donautal zwischen Beuron und Friedingen erlebt. Dort war ich bei herrlichstem Sommerwetter zelten, was mit Fünfern deshalb schwie-rig ist, weil sie ihre Sachen noch nicht allein tragen können. Als weitere Erschwernis kam hinzu, dass es weder in Beuron noch in Friedingen einen Bus oder wenigstens ein Taxi gab.

Irgendwer gab uns den Tipp, doch an Bruder Timotheus im Kloster zu schreiben und um einen Wagen zum Transport der Zelte zu bitten. Er wurde tatsächlich bewilligt, Bruder Timotheus begrüßte uns und alle Zelte konnten verstaut werden. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg, überquerten die Furt am Jägerhaus und nahmen eine Gewässergüteprüfung vor.

Dazu braucht man nicht mehr als eine helle Schale, eine ausrangierte Zahnbürste und eine Lupe. Wir fanden Eintagsfliegenlarven – das bedeutet mindestens Güteklasse 2 – also zum Baden geeignet. Eine Überraschung stellte sich beim Eintauchen ins Wasser heraus – die Donau war gestaut und tief genug zum Schwimmen. Für etliche Schüler und Schülerinnen war es das erste Bad in einem Fluss, in einem fließenden Gewässer!

Der Satz von Avogadro ist nur für Lehrer ein Problem. Es lässt sich nicht vermeiden, dass Schüler und Schülerinnen die Formel von Wasser H2 O lange vor der Wassereinheit in Klasse 9 kennen. Dieses Wissen führt dazu, dass der Satz von Avogadro für Jugendliche im Gegensatz zu ihren Lehrern überhaupt kein Problem darstellt. Wieso das so ist, wurde mir nur sehr allmählich im Verlauf einiger Jahre bewusst: „In gleichen Volumina verschiedener Gase befindet sich die gleiche Anzahl von Gasteilchen, vorausgesetzt Druck und Temperatur stimmen überein.“ Nachdem klar geworden ist, dass Wasser kein „Element“ ist, wie Aristoteles es sah, sondern eine Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff, wird ein Versuch geplant, mit dem entschieden werden soll, in welchem Zahlenverhältnis die Atome von Wasserstoff und Sauerstoff im Wassermolekül auftreten. Das lässt sich mit der Elektrolyse im Hoffmannschen Wasserzersetzungsapparat zeigen, bei der die auftretenden Gase, anders als in der schon bekannten Knallgaszelle, getrennt aufgefangen werden. Es bildet sich doppelt soviel Wasserstoff wie Sauerstoff und die Schüler und Schülerinnen sagen: „Das ist ja klar, es heißt doch H2 O.“ Erst mein Hinweis auf die unterschiedliche Größe der Wasserstoff- und Sauerstoffteilchen, macht sie ein klein bisschen nachdenklich. In festen und flüssigen Stoffen, in denen sich die Teilchen ständig berühren, wäre ihr Eigenvolumen eine relevante Größe für das Gasvolumen. Wenn durch das Umkehren des Satzes von Avogadro – „Habe ich die gleiche Anzahl von Gasteilchen verschiedener Gase, so nehmen sie dasselbe Volumen ein“ - das Molvolumen gefunden worden ist, kann man zur Veranschaulichung ein Mol Wasserteilchen im flüssigen Zustand im Volumen von 18 ml vergleichen mit den 22,4 l eines Mols von Wassermolekülen im Wasserdampf. So beginnen Schülerinnen und Schüler zu ahnen, wie viel leerer Zwischenraum in Gasen vorhanden ist und dass das Eigenvolumen der Moleküle keine entscheidende Rolle spielt. Hier muss also die Lehrkraft ein Problem-bewusstsein überhaupt erst schaffen. Über den Satz von Avogadro komme ich dann in einem Gedanken- und Kreideexperiment zur Zweiatomigkeit der Elementgase. Bei der Synthese von Wasserdampf aus zwei Volumina Wasserstoff und einem Volumen Sauerstoff entsteht nicht das erwartete eine Volumen Wasserdampf, wie der Satz von Avogadro das fordert, sondern zwei Volumina. Dann wird rückwärts überlegt. „Stimmt der Satz etwa doch nicht?“ „Dann stünde er wohl kaum noch in jedem Chemiebuch.“ Irgendjemand, lieber ist es mir, mehrere oder möglichst viele Schüler, finden heraus, dass die Teilchen der Ausgangsgase sich geteilt haben müssen. „Halbe Atome gibt es nicht, aber zweiatomige Moleküle“ lautet des Rätsels Lösung. „Haben wir vielleicht immer falsche Reaktionsgleichungen mit „O“ statt mit „O2“ aufgeschrieben?“ hat Elena kürzlich moniert? Meist gelingt es mir, vor dieser Stunde nur Reaktionsgleichungen mit Schwefel zu formulieren, gelegentlich habe ich aber auch schon diesen Fehler in Kauf genommen. An die Schüler und Schülerinnen geht dann der Hinweis,

dass die Modellvorstellungen immer nur vorläufigen Charakter haben und eigentlich laufend erweitert werden sollen, gelegentlich aber auch als „falsch“ aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Fazit: Vermutlich wissen viele Chemielehrkräfte gar nicht, was in den Köpfen ihrer Schüler und Schülerinnen vor sich geht. Das erfährt man nur, wenn die Lernenden ganz sicher wissen, dass sie nie ausgelacht werden oder auch nur andeutungsweise auf Ablehnung mit ihren Fragen stoßen. Ihren Gedankengängen nachzuspüren, ist für mich aber beinahe so reizvoll wie die fachwissenschaftlichen Fragen selbst.

Die Physiklehrer in Baden-Württemberg sind, soweit sie an den Bildungsstandards mitgewirkt haben, zu loben. Da steht doch wahrhaftig (Entwurfsfassung/Stand: 11.4.2003, S.3, S.15):

- Am Anfang eines tragfähigen Physikverständnisses steht die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler, die sie in den Unterricht mitbringen.

- Vor allem im Handlung orientierten Unterricht, bei der Teamarbeit oder im Physik-Praktikum können Denk- und Arbeitswege der einzelnen Schülerinnen und Schüler beobachtet werden. Auf diese Weise kann die Lehrkraft bei individuellen Problemen helfen.

- Lehrerinnen und Lehrer können aus den angewandten Strategien Denk- und Lernwege erkennen und den folgenden Unterricht danach organisieren.“

b) Der Chemieunterricht bietet keine Lebenshilfe

Die Probleme, die im Chemieunterricht diskutiert werden, haben mit den Interessen der Schülerinnen und Schüler nichts zutun. Die Versuche der Didaktiker, etwas Besseres zu finden, können mich bisher nicht überzeugen. Ich liste ein paar Themen der Chemie auf, zeige dann, dass die Absichten der Physikdidaktiker im Gegensatz dazu für mich überzeugend sein könnten. Ich kritisiere „Chemie im Alltag“ und zeige mit der „Glücksbanane“ und mit Mineralwassern bessere Beispiele. Im Übrigen wird sich mein zweiter Hauptteil mit lebensrelevanten Unterrichtseinheiten beschäftigen.

Irrelevante Themen. Ich sehe die 1400 Schülerinnen und Schüler meiner Schule vor mir und überlege, wie viele von ihnen sich aus eigenem Interesse mit einer Frage beschäftigen würden wie diese: „Findet bei einer chemischen Reaktion eine Elektronenwanderung von einer Teilchensorte zur anderen statt, dann haben wir es mit einer Redoxreaktion zu tun. Wechselt

Irrelevante Themen. Ich sehe die 1400 Schülerinnen und Schüler meiner Schule vor mir und überlege, wie viele von ihnen sich aus eigenem Interesse mit einer Frage beschäftigen würden wie diese: „Findet bei einer chemischen Reaktion eine Elektronenwanderung von einer Teilchensorte zur anderen statt, dann haben wir es mit einer Redoxreaktion zu tun. Wechselt