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Ein Rollenspiel einzusetzen – noch dazu im naturwissenschaftlichen Unterricht – war damals ungewöhnlich und musste begründet werden. Die Autoren Sebastian Hellweger und Regina Malz- Teske sagten u. a. „Das folgende Beispiel soll zeigen, wie dieses erfolgreich eingesetzt werden kann, wenn es darum geht, die komplexen Auswirkungen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Gesellschaft bewusst zu machen.“

Der Moderator ist sehr tendenziös dargestellt und beginnt die Expertenbefragung mit folgenden Worten (1979): „Meine Damen und Herren, seit Jahrzehnten hat niemand die große Bedeutung in Frage gestellt, die die Herstellung von Stickstoffdüngern nach dem Haber- Bosch-Verfahren für die Ernährung der Menschheit hatte und weiterhin haben wird.

Neuerdings tauchen jedoch Weltverbesserer und Gesundheitsapostel auf, die da meinen, man müsse das anders sehen, differenzierter und kritischer. Sie reden von biologischen Anbaumethoden, sie schwärmen von so genannten „natürlichen“ Lebensmitteln, wettern auf die Chemie und verunsichern den Verbraucher in zunehmendem Maße mit ihren Reformhäusern und Alternativläden, wo sie ihre Produkte – muss man wohl vermuten – mit dementsprechend saftigen Preisen an den Mann bringen.“

Zunächst werden allen Experten vom Moderator eine oder zwei Fragen gestellt, die ich nach der Frage zusammengefasst kursiv geschrieben beantworte.

Die Bedeutung der Haber-Bosch-Synthese für die Ernährung der Menschheit

Prof. Holtmann von der landwirtschaftlichen Hochschule Aachen gibt Antwort auf die Frage „Warum muss man eigentlich düngen?“ und auf die Zusatzfrage. „Woher nahm man eigentlich diese wichtigen Stickstoffverbindungen, bevor man es gelernt hatte, sie künstlich – nämlich nach dem Haber- Bosch- Verfahren – herzustellen?

Die Pflanzen entnehmen dem Boden wichtige Mineralien, die nach dem Ernten nicht mehr in den Boden zurückkehren. Stickstoffverbindungen fielen in den Kokereien an und wurden als Chilesalpeter importiert.

Die Vertreter der grünen Front werden gefragt: „Wie schaffen sie das eigentlich? Warum braucht der biologische Landwirt nicht zu düngen?“ und es antwortet Frau Leonard, eine Realschullehrerin.

Er muss auch düngen und nimmt dazu Heu, Stroh, Kompost und Mist aus den Ställen.

Herr Dr. Dinkmeyer vom Deutschen Museum in München wird gefragt „Seit wann wird eigentlich der Stickstoffdünger künstlich hergestellt? Was war eigentlich der Anlass für die Erfindung und Entwicklung der Haber- Bosch- Synthese?“

Um die Wende zum 20. Jahrhundert reichte der natürliche Stickstoffdünger für die wachsende Menschheit nicht mehr und der Luftstickstoff rückte in den Blickpunkt. Haber gelang es 1909, diesen Stickstoff in eine für Pflanzen nutzbare Form zu bringen und der Ingenieur Bosch machte die Produktion im großen Maßstab möglich. Den Hunger der Menschheit zu stillen war ihr Motiv.

Herr Dr. Schmidt von der BASF antwortet auf die Frage. „Wie funktioniert denn eigentlich die Herstellung von Stickstoffdünger nach dem Haber- Bosch- Verfahren?“

Unter normalen Bedingungen ist der Luftstickstoff von der Pflanze nicht aufnehmbar und reagiert auch nicht mit anderen Stoffen. Bringt man ihn jedoch bei 600°C und 200 at

zusammen mit Wasserstoff, so reagiert er zu Ammoniak, einer für die Pflanze aufnehmbaren Verbindung. Rohstoffprobleme gibt es nicht.

Herr Grell, Student der Geschichte wird gefragt „Was war ihrer Meinung nach denn für die Entwicklung der Ammoniaksynthese nach dem Haber- Bosch- Verfahren ausschlaggebend, wenn die Produkte in der Landwirtschaft gar nicht erforderlich sind?“

Der Chilesalpeter wurde zum weitaus überwiegenden Teil zur Sprengstoffherstellung benötigt und das beunruhigte nach Ausbruch des 1. Weltkrieges bei drohender Seeblockade mehr als der Hunger der Welt.

Der Moderator ist empört: „Radikale Gedanken! Ungeheuerliche Vorwürfe!“ An die Herren des biologischen Wirtschaftens die Frage: „Gibt es etwa auch biologische Methoden, den natürlichen Stickstoff des Bodens anzuheben, was ja die Voraussetzung einer Ertrags-steigerung wäre?“ Studienrätin Jung:

Mit Gründüngung kann dem Boden der verloren gegangene Stickstoff wieder zugeführt werden. Das gelingt mit Hilfe von Bakterien in den Wurzeln bestimmter Pflanzen.

Herr Dr. Behr, Leiter der Stickstoffproduktion der BASF, erhält die Frage „Wie groß ist der Verbrauch an Stickstoffdünger in der Bundesrepublik? Wie viele Menschen müssten weltweit ohne Kunstdünger heute schon verhungern? Wie viele Menschen könnte man bei optimaler Düngung ernähren?“

Die BRD erzeugt jährlich eine Million Tonnen Stickstoffdünger; weltweit wird die Hälfte der Menschheit von der Ertragssteigerung durch künstliche Düngemittel ernährt. Das sind zwei Milliarden Menschen. 30 Milliarden Menschen könnten ernährt werden, wenn überall chemisch gedüngt würde.

Die Umweltfreunde sollen weiterhelfen „Gibt es denn irgendwelche uns nicht bekannten Nachteile der chemischen Düngung? Gibt es Gefahren, deretwegen man den weiteren Ausbau der chemischen Landwirtschaft stoppen sollte?“

Herr Vogel, biologischer Landwirt: die Gründüngung bekommt man praktisch umsonst. Hat man mit der chemischen Düngung begonnen, gehen die Mikroorganismen zugrunde und man braucht von Jahr zu Jahr mehr Kunstdünger. Dabei wird oft zu viel gedüngt und die Stickstoffverbindungen gelangen ins Grundwasser.

Herr Dr. Vester arbeitet an der Verbesserung und Weiterentwicklung des Haber- Bosch-Verfahrens und soll antworten. „Ist abzusehen, dass in naher Zukunft der Kunstdünger billiger an den Verbraucher weitergegeben werden kann?“

An den Rohstoffen liegt es nicht, aber an der Energie. Mit besseren Katalysatoren ließe sich bei tieferen Temperaturen und damit billiger auch für die Entwicklungsländer produzieren.

Herr Ehrenstein, Zukunftsforscher, wird gefragt „Gibt es denn Argumente, wirklich gravierende Tatsachen, weshalb man es verantworten könnte, auf chemische Düngemittel zugunsten der biologischen Methoden zu verzichten?“ Als beste Katalysatoren bieten sich die Bakterien an, die die kostenlose Sonnenenergie nutzen.

Herr Schumacher, der Student, antwortet auf die Frage „Gibt es bereits Betriebe, die ausschließlich mit Gründüngung auskommen wollen? Wie sieht die ehrliche Bilanz eines biologischen Landwirtes aus?“

Aus den USA gibt es Meldungen über gleichartige Gewinne aus biologischer und chemischer Düngung.

Über 20 Jahre später weiß man mehr, z.B. dass in Indien die von den Kunstdünger-produzenten versprochene „grüne Revolution“ gescheitert ist. Es konnte zwar mit massivem Dünger und Pestizideinsatz der Weizenertrag deutlich gesteigert werden, aber den Leuten geht es schlechter als vorher. Wenige Großbauern haben von der Kampagne profitiert, eine große Schar von Wanderarbeitern, die früher Kleinbauern waren, fristet ein kümmerliches Dasein. Durch die fehlende Infrastruktur, wie z. B. Kornspeicher, werden beim Einsetzen des Monsuns große Mengen der Ernte vernichtet.

Dagegen hat sich gezieltes Düngen nach einer Bodenanalyse z. B. auf der Reichenau mehr-fach bezahlt gemacht. Der Bauer spart Düngemittel - das Wasser ist sauberer geworden - das zieht Touristen an und Fische wie den sauerstoffbedürftigen Saibling. Er galt bei uns als ausgestorben, wurde im Bodensee wieder angesiedelt und kann nun im Fischgeschäft in Oberzell auf der Reichenau frisch gefangen oder geräuchert als Delikatesse gekauft werden.

Problem der Überproduktion von Nahrungsmitteln. 1996 habe ich eine Doppelstunde zum Thema „Vom Pferd zum Hafer, vom Traktor zum Biodiesel?“ entworfen und auch in zwei oder drei 11. Klassen durchgeführt. Es thematisiert die Überproduktion an Nahrungsmitteln bei uns, problematisiert die Stilllegungsprämien, die Rapsfelder als Monokulturen, den Über-gang gentechnisch veränderter Rapssorten auf verwandte Ackerkräuter, die Bedrohung des Grundwassers durch Düngemittel usw.. Die UE wird noch genauer beim „roten Faden Ener-gie“ geschildert.

In neunten Klassen ließe sich beim Thema „Probleme mit Nahrung und Ernährung“ ein arbeitsteiliger Gruppenunterricht zu Franz Alts Buch „Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne“ (2002) einrichten. Ich habe die Themen bei Elfklässlern beim Erdöl zum Einsparen von fossilen Rohstoffen behandelt. „Energieversorgung vom Acker“, „Im Wald wächst Wärme“, „Gespeicherte Sommersonne für den Winter“ „Schilfgras statt Atom“ oder

„Landwirte: die Ölscheichs der Zukunft“ lauteten die Themen und Franz Alt wirbt um die Bauern als zukünftige Rohstofflandwirte und macht uns zugleich Hoffnung: „Neue Arbeitsplätze entstehen im ländlichen Raum – Die Vegetation wird gefördert statt vernichtet – Die Landflucht wird gestoppt, ländliche Räume werden wirtschaftlich wieder hergestellt – Organischer Müll, Gülle und Klärschlamm können sinnvoll und gewinnbringend genutzt werden.“ Im globalen Maßstab kommen mir die Kleinbauern in Nicaragua in den Sinn, die vom IWF (Internationaler Währungsfond) gezwungen wurden, gentechnisch veränderten Mais zu kaufen, den sie nicht einmal an ihr Vieh verfüttern wollten! Auch er war in Überproduktion in den USA gewachsen – eine Auswirkung der Kunstdüngerproduktion. Das haben Haber und Bosch ganz sicher nicht im Sinn gehabt.

Kritiker erwünscht, aber früher oder anderswo. In den USA lebte Linus Pauling, der in den „Niveaukonkretisierungen zu den Bildungsstandards von 2003“ als herausragende Forscherpersönlichkeit wegen seines Engagements gegen Atomversuche gewürdigt wird. Bei uns gab es Max Born, Physiker und Nobelpreisträger, der als Jude 1933 gezwungen wurde, seinen Lehrstuhl zu räumen und 1953 nach seiner Emeritierung nach Deutschland zurückkehrte. 1957 engagierte er sich im Göttinger Manifest, das von 18 namhaften Atomphysikern unterschrieben wurde und das sich gegen die Herstellung, die Erprobung oder den Einsatz von Atomwaffen wandte. Im Gegensatz dazu scheinen sich die Chemiedidaktiker und Chemielehrer für die Bewertung der Chemie nicht zuständig zu fühlen und bürden sie anderen Gruppierungen auf, obwohl sie doch ständig, genau wie alle anderen Menschen auch, mit den Problemen, die chemische Stoffe heraufbeschwören, konfrontiert sind.

Ein kleiner Exkurs zum Thema Kunststoffe

Vielleicht ergibt sich einmal ein Projekt mit dem Thema: