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Quantitative Beziehungen:

2.3. Basiscurriculum in Chemie

2.3.1. Rote Fäden ziehen sich durch das Curriculum

Was ich als „Roten Faden“ bezeichne, heißt inzwischen „Basiskonzept“ oder „Leitlinie“. Es sind Aspekte, die immer wieder aufgegriffen werden wie die Teilchenvorstellung, die Energiebilanz, den quantitativen Zusammenhang der Stoffe, Donor-Akzeptor-Beziehungen, Vorgänge an Grenzflächen, den ökologischen und gesellschaftlichen Aspekt.

2.3.1.1. Roter Faden: Teilchenvorstellung

Das Thema habe ich in einen ersten Teil mit dem Thema „Aufbau der Stoffe aus Teilchen“

und einen zweiten Teil „Entwicklung des Schalenmodells der Atome“ gegliedert.

Wenn in Klasse 9 der Chemieunterricht in BW für alle Gymnasialschülerinnen und – schüler beginnt, dann hat im Normalfall in der Physik in der Wärmelehre die erste Diskussion über den Aufbau aus Stoffen durch Teilchen schon stattgefunden. Da die Klassen neu zusammen-gesetzt werden, ist das Wissen aber häufig sehr unterschiedlich. Bei Luft und Wasser sind vielleicht einige Schüler und Schülerinnen bereit, ihren Chemielehrern die Teilchenvorstellung abzunehmen. Bei festen Stoffen wie einer Eisenstange, einem Holzbrett oder dem Tisch fällt das doch eher schwer. Für mich bietet es den Anknüpfungspunkt für ein Gespräch über ihre Alltagserfahrungen und die Modellvorstellungen in der Chemie. Deutlich muss werden, dass jeder Mensch ein Recht auf seine Erfahrungen hat und sie bis zum Beweis des Gegenteils verteidigen soll. Das führt, so hoffe ich dazu, dass sie auftauchende Fragen auch zu stellen wagen.

Spätestens beim Thema: „Trennen von zwei mischbaren Flüssigkeiten“ ziehe ich die Teilchenvorstellung heran. Dabei gehe ich meist in drei Schritten vor:

1) Ich erzähle eine Geschichte aus den Anfängen unserer Schule, als es ab Klasse 5

„Integrierte Naturwissenschaften“ gab und sich schon Sechsklässler mit der Teilchen-vorstellung auseinandersetzen mussten. Damals hat die ganze Klasse bei mir

„Teilchenmodell“ gespielt und zwar in drei Akten. Erster Akt: Wir sind alle feste Wasserteilchen in Form von Eis dicht und fest zusammengepackt. Die Kinder haben sich in Reihen aufgestellt und an den Händen gefasst, mit den Beinen findet eine Verbindung nach vorn und hinten zu den benachbarten Reihen statt. Leichte Bewegungen auf der Stelle sind in festen Stoffen möglich, mehr aber nicht. Nach einer kleinen Pause, in der wir uns vorstellten, der Sonnenbestrahlung ausgesetzt zu sein, haben sich die Beine gelöst und die Schülerreihen konnten sich - mit viel Geschrei – durcheinander bewegen. Aus Eis ist Wasser geworden. Zu Wasserdampf wird eine dreißigköpfige Schülerschar dann ohne weitere Anweisung von allein, vollends wenn sie auf ihre Plätze zurückgeschickt werden. Die Neuntklässler lächeln in aller Regel bei dieser Geschichte milde; einige wären gar nicht abgeneigt, dieses Spielchen nach zu machen.

2) Ich zeige, meist als Wiederholung des Physikexperiments, die Verteilung von Kaliumpermanganat in kaltem und warmem Wasser. Diffusion und Brownsche Molekularbewegung sind die Stichworte. Wenn ich frage, wie die Verteilung der beiden Stoffe in der nächsten Stunde aussehen wird, erfahre ich meist: „Die Stoffe sind wieder getrennt. Die schweren Kaliumpermanganatteilchen befinden sich in beiden Standzylindern auf dem Boden.“

3) Das ist der Moment, in dem ich die Mikroskope hole und mit Hilfe von unlöslichem Chromoxid die Brownsche Molekularbewegung erfahrbar machen lasse. Das Zittern der

festen Teilchen rührt von den Stößen der aufprallenden Wasserteilchen her.

Teilchenbewegung ist ein mikroskopischer Dauerzustand aller Stoffe und hört erst beim absoluten Nullpunkt auf.

Mit diesen Teilchen, die in ständiger Bewegung sind und ständig aneinander boxen, lässt sich dann das Verdampfen von Alkoholteilchen und Wasserteilchen diskutieren sowie die Trennung zweier Flüssigkeiten auf Grund der verschiedenen Siedepunkte. Auch das Sieden bei konstanter Temperatur wird noch einmal angesprochen.

Beim „Umgruppieren von Teilchen bei chemischen Reaktionen“ in eine irgendwie geartete Ordnung, deute ich an, dass es auch noch Veränderungen an der Oberfläche der Teilchen geben muss, die zwar winzig klein sind, aber eine immense Wirkung haben. „Das wird uns dann in Klasse 10 ausführlich bei der Kochsalzsynthese beschäftigen“ und ich verspreche, sie dann an diesen Moment in Klasse 9 zu erinnern.

Fragen Experimente Antworten

Es lässt sich unsichtbar fein verteilen.

Senfkörner rutschen in die Lücken.

Volumenverminderung beim mischen.

2. Wie unterscheiden sich die Teilchen in warmen und kalten Stoffen?

Kaliumpermanganat in kaltem und warmen Wasser

In kaltem Wasser verteilen sich die Kristalle langsam, in warmem lösen sie sich schnell.

3. Wie unterscheiden sich Teilchen in festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen?

Dichte bestimmen In Flüssigkeiten und festen Stoffen liegt sie um 1g/ml bei Wasser und bis 13g /cm3 bei Blei, bei Gasen um 1g /L bei Luft.

4. Was geschieht beim Sieden von Flüssigkeiten?

Siedekurven zeichnen Beim Sieden bleibt die Temperatur konstant.

5. Wieso sieden Flüssig-keiten bei konstanter Temperatur?

Energiebetrachtung Die Energie des Heizgerätes wandelt sich in Bewegungsenergie der Teilchen.

Große Verbände bewegen sich nicht, kleine zittern und rotieren. Sie werden von stoßenden Wasserteilchen getroffen.

Gelbe und graue Bereiche sind im Gemisch sichtbar, bei der Verbindung sieht alles einheitlich dunkelgrau aus.

8. Verbinden sich Stoffe in beliebigen Portionen?

Massenverhältnis von Kupfer und Schwefel im Kupfersulfid ermitteln

Es reagieren immer 4g Kupfer mit 1g Schwefel; das Massenverhältnis ist also 4g : 1g

9. Lässt sich aus diesem Massenverhältnis eine

quantitativer Unterschied mit 4 Kupfer- auf 1gleich schweres Schwefelatom;

beides: 2 doppelt so schwere Kupferato-me reagieren mit 1 Schwefelatom.

10. Welche Masse haben Atome?

Atome einiger wichtiger Elemente kneten

Mit einer Zehntel Knetewurst als Einheit für Wasserstoff ergeben sich für Kohlen-stoff 12, für Schwefel 32 und für Kupfer 64 Zehntel Knetewürste, die zu Kugeln geformt werden.

Das Teilchenproblem wird dann bei der Verhältnisformel von Kupfersulfid wieder aktuell. Es reagieren immer Kupfer und Schwefel im Massenverhältnis 4 g: 1g, wie sich im Schüler- oder Lehrerexperiment ergeben hat. Diese Tatsache soll von den Schülerinnen und Schülern mit Teilchen, die inzwischen Atome heißen, gedeutet werden, wobei diese Gebilde erstmals neben ihrer Beweglichkeit und Kugelform Eigenschaften bekommen. Es ergeben sich drei logische Denkmöglichkeiten, die normalerweise schnell gefunden sind.

a) Es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen den Atomen: Die Kupferteilchen haben die vierfache Masse der Schwefelteilchen.

b) Es besteht ein quantitativer Unterschied zwischen den Atomen: Es reagieren vier Kupferteilchen mit einem gleich schweren Schwefelteilchen.

c) Es gibt sowohl einen qualitativen, als auch einen quantitativen Unterschied: z.B. treffen zwei Kupferteilchen auf ein Schwefelteilchen mit halber Masse.

Die Entscheidung muss offen bleiben, bis die Frage geklärt ist: „Was weiß man von den Massen der Teilchen? Wer hat die Atommassen bestimmt? Wie groß sind sie?“

Der Modellversuch zur Atommassenbestimmung mit Kugeln auf einer schiefen Ebene und mit einem Fön als Ersatz für den Massenspektrographen im elektromagnetischen Feld ist ziemlich primitiv, funktioniert und ich entschuldige mich gebührend. Prof. Baars hat bei einer Fortbildung im November 2003 eine nachahmenswerte Konstruktion mit Stahlkugeln und festen „Landerinnen“ vorgeführt. Immerhin kommt so bei meinen Schülern kein Zweifel auf, was diese Modelle bedeuten: Vorstellungen, die einen nicht sichtbaren Sachverhalt verdeutlichen sollen, aber mit der „Realität“ nicht viel zu tun haben. Entsprechend unproblematisch können Modelle dann als unzureichend erlebt und durch genauere Vorstellungen ersetzt werden. Dabei ist wichtig, die alte Vorstellung nicht als falsch, sondern als unvollständig darzustellen. An einer schiefen Ebene werden Kugeln verschiedener Größe, aber aus dem gleichen Material mit dem Luftstrom eines Föns abgelenkt. Styropor ist ungeeignet, weil eine große Kugel entgegen der Intention stärker als eine kleine Kugel abgelenkt werden kann.

Nachdem klar ist, dass Atome sich in ihrer Masse unterscheiden, werden einige Beispiele von Schülerinnen und Schülern geknetet. Wunderbarerweise dient das leichteste Atom, das Wasserstoffatom, als Einheit für alle anderen Atome. Es hat die Masse 1u (1 unit) und wird im Modell durch ein Zehntel einer Knetewurst dargestellt. Kohlenstoff wird aus 12 dieser Einheiten zusammengeknetet, Sauerstoff aus 16 und dann noch Schwefel aus drei ganzen Würsten und zwei Zehntel. Für weitere „Atommodelle“ reicht die Knetmasse nicht aus. Circa ein Jahr später tauchen diese Knetekugeln bei der Frage nach dem Unterschied der Atome verschiedener Elemente wieder auf und die Masse einer zehntel Knetewurst erweist sich als Modell der Masse eines Protons, bzw. eines Neutrons.

Nun kann die Kupfersulfidfrage geklärt werden: Mit den Atommassen von 64u für Kupfer und 32u für Schwefel ist klar, dass sich die Atome in der Verbindung sowohl hinsichtlich der Masse als auch der Anzahl unterscheiden, es also einen qualitativen und quantitativen Unterschied gibt. Es kann die Verhältnisformel definiert werden, die das Zahlenverhältnis der Atome in einer Verbindung angibt und aus der sich mit Hilfe der Atommassen das Massenverhältnis berechnen lässt, in dem die beiden Stoffe miteinander reagieren. Für Kupfersulfid lautet die Verhältnisformel Cu 2S und es reagieren 2 x 64u Kupfer mit 1 x 32u Schwefel, was mit Kenntnis des Proportionalfaktors zwischen „unit“, der Atommasseneinheit, und Gramm die im Experiment ermittelten 4g Kupfer : 1g Schwefel ergibt.

Nach der Reaktion der Metalle mit Schwefel kann als nächster Schritt, anders als oben geschildert, auch das Verbrennen von Metallen an der Luft erfolgen. Die Teilchenvorstellung knüpft dann an das Entstehen neuer Stoffe an, die ebenso offensichtlich ist wie bei der Bildung der Sulfide. Die Schülerexperimente bringen einen dunklen Stoff beim Eisen, ein weißes Pulver beim Magnesium und einen Schwarzen Stoff beim Verbrennen von Kupfer hervor. Das der Sauerstoff an die Stelle des Schwefels tritt, ist keineswegs selbstverständlich,

wie ich vorn im Kapitel „Der Chemieunterricht ignorierte die Alltagsvorstellungen“ gezeigt habe. Hier folgen dann die Verbrennungsexperimente auf der Waage mit der rätselhaften Gewichtszunahme beim Verbrennen von Eisenwolle und die „Teilchenfrage“ endet mit der regelmäßigen Anordnung von Metall- und Sauerstoffteilchen und der Einführung des Oxidationsbegriffes.

Aus der Zeit der „Integrierten Naturwissenschaften“ an der ehemaligen Gesamtschule in Tübingen könnte ein im Chemieunterricht beinah in Vergessenheit geratenes Atommodell wieder aktuell werden, wenn nämlich die „Elektrolyse des Wassers“ zur quantitativen Bestimmung des Wasserstoff- und Sauerstoffgehaltes im Wasser im Hoffmann’schen Zersetzungsapparat ansteht, bevor in der Physik Elektrizitätslehre und Elektronen ein Thema waren. Im Physikunterricht existiert es noch als das „Thomsonsche Atommodell“. Ich denke an das von uns „Rosinenkuchenmodell“ genannte Bild, bei dem es für die Bildung von positiven wie für die von negativen Ionen zwei symmetrische Optionen gab, symbolisiert durch die Zugabe oder Wegnahme von den z. B. positiv geladenen Rosinen oder negativ geladenen Korinthen.

Bevor ein neues Atommodell entwickelt wird, lasse ich sehr sorgfältig die Mängel des alten auflisten. Zum Schluss, wenn das neue Modell dasteht, wird gefragt, ob es allen Befunden gerecht wird. Das der elektrische Strom überhaupt eine Wirkung auf angeblich neutrale Atome ausüben soll, führte zu ersten Irritationen des derzeitigen Atommodells als Kugeln unterschiedlicher Masse. Die Zweiatomigkeit von Elementgasen, die bei mir bei der Erprobung der Hypothese von Avogadro auftritt – es gibt prompt eine Unvereinbarkeit – lässt sich mit unserem derzeitigen Atommodell, Kugeln verschiedener Masse, auch nicht mehr erklären. Das Auftreten von Elementfamilien und deren unterschiedliche Reaktionsfähigkeit – Edelgase reagieren so gut wie gar nicht – untereinander sowie innerhalb der Familien – bei den Alkalimetallen steigt die Reaktionsfähigkeit mit der Atommasse, bei den Halogenen ist es genau umgekehrt – führt zu der Erkenntnis, dass ein neues Atommodell nun wirklich

„überfällig“ ist. Historisch spielt die „Entdeckung der Radioaktivität“ wohl die entscheidende Rolle bei der Frage, wie das Innere der angeblich „unteilbaren“ Atome aufgebaut ist.

Manchmal zeige ich den Film mit diesem Titel.

In der Grafik auf der nächsten Seit habe ich Fragen aneinandergereiht und Antworten gegeben, die als Auslöser für Fragen dienen, die weiter ins Detail gehen, zum Thema:

„Entwicklung des Schalenmodells der Atome“

Mit dem Rutherfordversuch und der Goldfolie gibt es wieder einmal ein Problem beim Vorstellungsvermögen nicht nur von Zehntklässlern. Die massive Goldfolie, zwar hauchdünn, aber doch aus circa 2000 Atomschichten bestehend, erweist sich beim Beschuss mit positiv geladenen Alpha-Teilchen als quasi nicht vorhanden. Ich zeichne ein paar Schichten an die Tafel. Befund 1: Fast alle Alpha-Teilchen gehen geradlinig durch die Schicht hindurch.

Folgerung: Die Atome sind im Wesentlichen leer. Befund 2: Wenige werden ein wenig abgelenkt. Folgerung: Irgendetwas Massives und positiv Geladenes muss vorhanden sein.

Befund 3: Einzelne Alphateilchen kehren geradlinig auf ihrer Einfallbahn zurück. Folgerung:

Es muss eine massive positiv geladene Stelle im Atom geben. Befund 4: Negative Ladung, die im neutralen Atom ja auch vorhanden sein muss, übt keinen Einfluss aus. Folgerung: Die negative Ladung verteilt sich fein über das ganze Atom. Es folgen die Begriffe „Kern“ und

„Hülle“ und der Größenvergleich einer Kirsche mit 1cm Durchmesser, die man sich im 100m hohen Kölner Dom aufgehängt vorzustellen hat. Das entspricht einem Größenverhältnis von 10000: 1 zwischen Hülle und Kern.

1. Welche Befunde kann das durch abgespaltene pos. oder neg.

Ladungen