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Befragt man das Feld „berufliche Tätigkeit / en“ der Daten-bank „KMG 1825–1915“ nach den Unternehmern und ihren Metiers, dann teilen sich die Tätigkeiten der 27 Personen403 wie gemäss Tabelle 16 auf.

4 der 27 Unternehmer waren ausschliesslich Bankiers.

20 handelten mit und / oder produzierten Textilien. Nur ein KMG handelte vorwiegend mit Kolonialwaren. 9 stellten Seidenprodukte wie Bänder, Stoffe (Taft und Satin), Schap-pegarn oder Zwirn her, 7 handelten mit diesen Erzeugnis-sen, aber teils auch mit Rohseide. Fabrikanten anderer Tex-tilien, wie Baumwoll- oder Wollstoffe, zählen wir nur 3, 5 handelten damit oder mit den entsprechenden Rohstoffen.

8 KMG, die handelten oder fabrizierten, waren ausserdem noch Bankiers. 23 der Unternehmer der Kommission waren in der Textilbranche und / oder im Bankenwesen aktiv.

Von den 9 Unternehmern, welche in die Chargen des Kommissionsvorstandes vorrückten (a- und b-Typen)404, waren 5 hauptsächlich Industrielle. 3 stellten Seidenpro-dukte her (16, 34, 40), 2 Baumwollstoffe (5, 29). 2 waren Ban-kiers (17, 24), einer handelte mit Wolle und Rosshaar (11) und einer war Verleger und Buchhändler (10). 3 Fabrikanten trie-ben zusätzlich Handel (5, 16, 58). Alle 9 stammten aus altein-gesessenen Familien, die im Ancien Régime regimentsfähig waren: VonderMühll, Sarasin, Stähelin, Fürstenberger, Pa-ravicini, Vischer, Wieland und Burckhardt. Angehörige von 4 der 8 Geschlechter hatten vor oder bis 1798 Regierungs-funktionen versehen (Tabelle 22, Anhang A). 5 der 9 Unter-nehmer führten das Geschäft des Vaters weiter (5, 10, 11, 34, 40), bei 3 weiteren (16, 17, 29) war der Vater Kaufmann (Eisen, Spezereiwaren). 8 der 9 KMG hatten also einen wirtschafts-bürgerlichen Hintergrund. Nur ein Unternehmer (24) kam aus bildungsbürgerlichem Haus, der Vater von Albert Burck-hardt war Jurist und Kleinrat.

403 Von den 27 Unternehmern in Tabelle 16 ist einer auch Professor und einer Berufspolitiker.

404 Siehe oben, Tabelle 6.

Unschwer lassen sich die Unternehmer der Kommission jener traditionellen, städtischen Kaufmannselite zuordnen, welche seit dem 16. Jahrhundert im Verlagssystem Textilien produzierte, in europäische Länder und in die USA expor-tierte, Gross- und Fernhandel trieb und die erwirtschafte-ten Kapitalien teilweise Staaerwirtschafte-ten, Korporationen oder Priva-ten gegen Zinsen zur Verfügung stellte. Kerngeschäft der grossen Basler Handelshäuser war die Herstellung und der Handel mit Seidenprodukten, besonders des auf die Mode abgestimmten Seidenbandes. Die von Familien über Gene-rationen weiterbetriebenen Fabrikations- und Handelshäu-ser405 konnten bedeutend mehr Kapital erwirtschaften, als in die regionale Produktionsstruktur hätte reinvestiert wer-den können. Grosskaufleute waren deshalb öfters auch Ban-kiers. Die Inhaber mechanischer Seidenfabriken des 19. Jahr-hunderts agierten in der Regel nicht als reine Produzenten, sondern verkauften und spedierten ihre Waren zugleich über international geknüpfte Handelsnetze, importierten Güter und betätigten sich als Financiers.406 Ein gut erforsch-tes Beispiel eines solchen Handels-, Industrie- und Banken-hauses ist fürs Ancien Régime und das frühe 19. Jahrhundert die Firma „Christoph Burckhardt & Cie.“407 Christoph Burck-hardt-Merian produzierte Indienne, handelte international damit, aber auch mit Baumwolle, Farbstoffen, Sklaven und Kolonialwaren wie Kakao, Kaffee und Zucker; darüber hi-naus finanzierte er Textilfabriken im Elsass und im Badi-schen. Zu nennen ist auch das Konkurrenz- und Partnerun-ternehmen von Burckhardt, die Firma „Frères Merian“ von Johann Jakob Merian-Merian und Christoph Merian-Hoff-mann.408 Ein Beispiel eines diversifiziert wirtschaftenden

405 Die Unternehmensleitung wurde in der Regel patrilinear weitergegeben.

Das System „de Père en Fils“ war ein wichtiger Faktor für den Erhalt grosser Ver-mögen und damit einhergehend des sozialen Ranges einer Familie in der städ-tischen Gesellschaft; vgl. Amstutz, Irene und Strebel, Sabine: Seidenbande. Die Familie De Bary und die Basler Seidenbandproduktion von 1600 bis 2000, Ba-den 2002, p. 34.

406 Lionel Gossmann hat in seiner ideengeschichtlichen Studie über die vier Denker Jacob Burckhardt, Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und Johann Ja-cob Bachofen den alten Basler Kaufleutestand in einem eigenen Kapitel portrai-tiert: „Eine Art Familienherrschaft“. Die Bändelherren und ihre Welt; Basel in der Zeit Jacob Burckhardts, pp. 53–76.

407 Stettler, Haenger und Labhardt, Baumwolle, Sklaven und Kredite, pp. 8–11 und 200–210.

408 Robert Labhardt, Christoph Merian, 46 ff. und Philipp Sarasin, Stadt der Tabelle.16:.Kaufleute,.Fabrikanten.und.Bankiers.in.der.Kommission

Phasen../..Branchen Anzahl.

KMG

Waren-.und.

Wechsel-agenten

Handel.

Seide

Handel.

andere.

Textilien

Handel.

anderes

Prod .Seide Prod . andere.

Textilien

Bankier Bankier.und.

Kfm .oder.

Fabrikant

1825–1915 27 2 7 5 3 9 4 4 8

1825–1875 19 1 3 3 2 5 4 4 6

1876–1915 8 1 3 2 1 3 0 0 2

Quelle: KMG 1825–1915, Felder „Berufe“ und „Fkt. Wirtschaft“

2.3. Berufe: Wirtschaftsbürger, Bildungsbürger, alter und neuer Mittelstand

94 2.3.3. Kommissionsmitglieder 95

enneproduktion435 wurde und gegen die Jahrhundertmitte zum „französischen Manchester“436 schlechthin.

3 . Banken

So gut wie alle Basler Handels- und Fabrikationshäuser ver-liehen Geld.437 Burckhardt-Wick zählt 1841 „8 Bankiers in Basel, welche sich ausschliesslich mit Wechselgeschäften be-fassen“. Die Wechselgeschäfte seien ein wichtiger Zweig des Handels, die „durch die ausgebreiteten Handelsverbin-dungen der hiesigen Kaufleute veranlasst werden und mit den grössten Handels- und Börsenplätzen Europas statt fin-den“.438 Basel galt nach Hans Conrad Peyer als das Kapital-reservoir der Schweiz und Oberdeutschlands.439 Basler Han-delshäuser ermöglichten zum Beispiel die kostspielige Me-chanisierung der zürcherischen Textilindustrie.440 Sarasin zeigt auf, dass Basler Kapital auch in Frankreich, Italien, Eng-land und RussEng-land zur Finanzierung von Industrie und Ei-senbahn herangezogen wurde.441 Als zur Jahrhundertmitte die Basler Privatbankiers ihre Stellung auf dem schweize-rischen Kapitalmarkt an Zürcher Financiers verloren, sys-tematisierten jene die „Tradition der Beteiligung des Basler Kapitals an ausländischen Staatsanleihen und Unterneh-mungen“.442 Privatbanken, die geschäftlich mit der Seiden-industrie verbunden waren, schlossen sich zu einem Syn-dikat zusammen, aus dem 1872 der Bankverein als Aktien-gesellschaft hervorging.443 Sowohl der Bankverein als auch die erste als öffentlich rechtliche Körperschaft gegründete

435 Edward Baines und Christoph Bernoulli schreiben 1836: „In Mülhausen [. . .] wurde die erste Fabrik durch Köchlin und Schmalzer errichtet. Beide Orte sind noch jetzt die Hauptsitze dieser Industrie in Frankreich. Das Elsass liefert haupt-sächlich die schönern und reichern Artikel, und die Gegend von Rouen geringere.“

Edward Baines übersetzt von Christoph Bernoulli, Geschichte der brittischen Baumwollenmanufactur, p. 119.

436 Schreck, Nicolas: Mülhausen, in: HLS: www.hls-dhs-dss.ch / tex-tes / d / D7089.php., Version vom 04 / 08 / 2011. Als „industrial cockpit of France by the mid-nineteenth century“ bezeichnet Michael Steven Smith Mülhausen;

The Emergence of Modern Business Enterprise in France 1800–1930, Harvard 2006, p. 140. Mühlhausner Industrielle diversifizierten in die Herstellung von Weisswaren (Muslimstoffe), Stick-, Spinn- und Webmaschinen, Dampfkessel, Färbereichemikalien und Teerprodukte. In der Textilbranche herrschten bis 1870 Wolltücher vor. Im letzten Drittel des Jahrhunderts wurden vorwiegend Ausrüstungen für Eisenbahnen und Elektrotechnik und Automobile produ-ziert; ebd. 137–143.

437 Lionel Gossmann, Basel in der Zeit Jacob Burckhardts, p. 67.

438 Ludwig August Burckhardt, Der Kanton Basel, p. 82.

439 Peyer, Hans Conrad: Basel in der Zürcher Wirtschaftsgeschichte, in: BZGA, Bd. 69, Basel 1965, p. 235; zitiert in: Philipp Sarasin, Stadt der Bürger, p. 85. Vgl.

auch Traugott Geering, Industrie, Handel und Bankwesen, in: Felix Stähelin et al., Basel, p. 77.

440 Hans Conrad Peyer nennt die Firmen Bischoff zu St. Alban, For-cart-Weiss & Söhne, J. Franz Sarasin, von Speyr und Ehinger; Basel in der Zür-cher Wirtschaftsgeschichte, in: BZGA, Bd. 69, Basel 1965, p. 235; zitiert in: Phil-ipp Sarasin, Stadt der Bürger, p. 85.

441 Ebd.; für das Folgende vgl. pp. 83–90.

442 Ebd., p. 86.

443 Bischoff zu St. Alban, Ehinger & Cie, J. Riggenbach, J. Merian-Forcart, Pas-savant & Cie und Speyr & Cie.

Bank, die Basler Handelsbank (1862), bedienten nicht loka-les Publikum, sondern internationale Grosskunden. Den viel geringeren Kreditbedarf lokaler Kleinbetriebe deckten Institute wie die Handwerkerbank (1860) oder die Kantonal-bank (1899) ab. 1899 war Basel Sitz von 44 Banken (vorwie-gend Privatbanken) und vier Versicherungsgesellschaften.

63 weitere Versicherungen hatten hier ihre Filialen.444

Tabelle.17:.Wirtschaftliche.Verflechtung.der.Kommissionsmitglieder

Firma./.

Funktion

Mitgründer VRPs../..Ps VR Direktor Inhaber Teilhaber

Schweizerische Centralbahn-

Basler Versicherungsgesellschaft, AG 3 1 2

Pfandleihanstalt, AG 2

AG für Speisewirtschaften 1 2

Sarasin&Heusler 1 1

Hoffmann-La Roche & Co. 1

Woll- und Tuchhandlung Emanuel La Roche

Fa. Wiegand & Grieben

in Berlin / Fa. Gedeon Sarasin in Leipzig

1

(Gewerbeverein) 2

Quelle: KMG 1825–1915, Feld „Fkt. Wirtschaft“

Es bleibt noch die Frage, ob die als KMG amtierenden Unter-nehmer sich auf ihre angestammten Sektoren beschränk-ten oder ob sie auch in angrenzende oder neue Geschäfts-bereiche vordrangen. Wie im einleitenden Kapitel (2.3.1.) dargelegt, zeichnete es den neuartigen Unternehmertypus aus, dass er Gebrauch machte von neuen industrie-, ver-kehrs- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten, sich vom Einzelunternehmertum wegbewegte und

verge-444 Geographisches Lexikon 1903, p. 157. 1888 beschäftigten Banken, Versi-cherungen und fünf Auswanderungsagenturen zusammen 978 Personen, 1905 nur die beiden ersten 1209, und 1929 3421 Personen (ebd. und Bernard Degen und Philipp Sarasin, Basel-Stadt, Wirtschaft im 20. Jahrhundert, in: HLS: www.

hls-dhs-dss.ch / textes / d / D16625.php., Version vom 25 / 02 / 2010).

dem eine lange Stagnationsphase bis zum endgültigen Nie-dergang in den 20er-Jahren unseres Jahrhunderts [20.!, D.K.]

folgte.“422

Gründe für die verminderten Gewinne seit den 70er-Jah-ren wa70er-Jah-ren die Verbilligung der Seidenbänder unter dem hohen Konkurrenzdruck aus Frankreich (St. Etienne), dem deutschen Kaiserreich (Barmen-Elberfeld) und besonders den Vereinigten Staaten (Patterson), wo die Seidenindustrie im Aufwind lag und zugleich hohe Schutzzölle errichtet wur-den,423 die bei der internationalen Konkurrenz erhöhte Pro-duktivität durch technische Innovation sowie die vermehrt schwankende Auftragslage aufgrund raschen Wechsels der Modestile.424 Mitte der 1920er-Jahre brach die Basler Seide-nindustrie dramatisch ein – ein jugendlich androgynes Kör-perideal, „femme garçonne“ genannt, setzte sich durch. Ver-änderte Lebensweisen bürgerlicher Frauen verlangten nach Vereinfachung der Kleidung. Textiler Schmuck wurde über-flüssig.425

2 . Textilindustrie

Abgesehen von der Seidenindustrie, führte die Textilindus-trie im 19. Jahrhundert in Basel definitiv ein Schattendasein.

Ihre Geschichte lässt sich nicht ohne weiteres skizzieren, denn einschlägige Literatur dazu fehlt gänzlich.

Die Indienne-Druckerei machte überall in Kontinental-europa den Auftakt zur Industrialisierung der Textilpro-duktion. Im internationalen Vergleich gab es in Basel sehr früh, um 1730, eine erste Indiennedruckerei.426 Die Baum-wolldruckerei verbreitete sich rasch, und Ende des 18. Jahr-hunderts liefen in Basel 6 Druckereien.427 Die Kontinen-talsperre verteuerte jedoch die Rohstoffe und verhinderte den Export grosser Quantitäten an Tuch. Neuer Konkur-renzdruck kam von Mülhausen, das 1798 aus der Eidgenos-senschaft ausgeschieden war. Es hatte sich Frankreich an-geschlossen, und seine Indienne wurde neuerdings ver-stärkt zollgeschützt. Nach dem Friedensschluss von 1814

422 Ebd., p. 99.

423 Reinhold Sarasin-Warnery, Seidenindustrie, p. 35.

424 Vgl. Peter Stolz, Technischer Wandel, p. 87. Roman Wild und Matthias Wiesmann, Propaganda und Seidenband, p. 9: „Die einzige Konstante war der Wandel der Mode.“

425 Roman Wild und Matthias Wiesmann, Propaganda und Seidenband, pp. 20 f. Als weitere Ursachen für den Einbruch werden unter anderem genannt die Erfindung eines billigeren Viskosegarns (p. 12), globale Überkapazität und hohes Lohnniveau (p. 20).

426 Edward Baines, übersetzt von Christoph Bernoulli, Geschichte der brit-tischen Baumwollenmanufactur, p. 119. Indienne: ursprünglich handbemaltes, später industriell bedrucktes Kattungewebe in einfacher Leinwandbindung.

Die Produtktion bedruckter Baumwollstoffe wurde von Samuel Ryhiner einge-führt; vgl. Lionel Gossmann, Basel in der Zeit Jacob Burckhardts, p. 64.

427 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts produzierte beispielsweise ein Peter Ro-senburger Tuch, und Leonhard Burckhardt führte eine Stoffdruckerei; vgl.

Stettler, Haenger und Labhardt, Baumwolle, Sklaven und Kredite, p. 192. Leon-hard war der Bruder von Christoph BurckLeon-hardt, dem Inhaber der Christoph Burckhardt & Cie.

wurde der europäische Markt von billigen Waren aus den Tuchmühlen Manchesters und Glasgows überflutet.428 Den hohen Einsatz, der für den Übergang vom Handdruck zum mechanischen Rouleaudruck nötig gewesen wäre, wagten Basler Industrielle schliesslich nicht mehr,429 und 1841 gab es in Basel nur noch zwei Kattundruckereien.430 Baumwolls-pinnereien wurden ab 1822 in der Nachbarschaft der Stadt errichtet, und 1841 produzierten Basler Unternehmer in der Region in 10 Fabriken mit 1000 ArbeiterInnen Waren aus Baumwolle.431

In der kantonalen Fabrikzählung von 1870 erscheint keine Baumwoll- oder sonstige Textilfabrik.432 Erst im Fin de Siècle siedelte sich der Zeugdruck wieder in Basel an. Um 1900 wurden im Kanton neben 31 Seiden- sieben Textilfa-briken betrieben, wovon drei BaumwollfaTextilfa-briken waren.433 Produktion und Handel von KMG mit Textilien verweisen in erster Linie auf die Vernetzung der Basler Grosskaufleute mit anderen Industrieorten der Region. Die Kompagnons Felix Sarasin-Burckhardt(-Brunner) (5) und August Stähe-lin-Vischer(-Brunner) (29) beispielsweise führten Spinne-reien und WebeSpinne-reien für Baumwolltuch im basellandschaft-lichen Münchenstein und im badischen Wiesental. Bereits um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert investierten Basler in die badische und elsässische Indiennefabrikati-on.434 Basler Kapital unterstützte den Aufschwung Mülhau-sens, das zunächst zum französischen Zentrum der

Indi-428 Lionel Gossmann, Basel in der Zeit Jacob Burckhardts, p. 64.

429 Traugott Geering, Industrie, Handel und Bankwesen, in: Felix Stähelin et al., Basel, p. 76.

430 Ludwig August Burckhardt, Der Kanton Basel, p. 75.

431 Ebd., p. 74.

432 Philipp Sarasin, Stadt der Bürger, p. 79.

433 Es waren dies eine Spinnerei, eine Spinnerei und Weberei und eine Webe-rei; Geographisches Lexikon 1903, p. 156.

434 Christoph Burckhardt beispielsweise war 1785 an der Indiennedruckerei von J. J. Zürcher im elsässischen Cernay beteiligt, später an der mülhausischen Druckerei Moser, Engel & Cie und der Baumwollspinnerei und Weberei Mont-fort & Co. in Zell im Wiesental; vgl. Stettler, Haenger und Labhardt, Baumwolle, Sklaven und Kredite, p. 192 f. Die Frères Merian, das grösste Handelshaus der damaligen Schweiz, arbeitete Anfang 19. Jahrhundert eng mit den protestan-tischen Familien Koechlin und Dollfuss, den mühlhausischen Grossindustri-ellen zusammen. Sie beteiligte sich 1806 massgeblich am grössten Baumwoll-unternehmen im Elsass, der Firma Dollfuss, Mieg & Cie. und war Partner vom Nicolas Koechlin, der schon um die Jahrhundertwende in Lörrach Baumwolle spann, wob und bedruckte. 1826 finanzierte sie den Bau des mühlhausner Ar-beiterquartiers „Nouveau Quatier“. Hartmann, ein Mitglied der Familie Koech-lin, heiratete 1777 Salome IseKoech-lin, eine Tochter des Ratsschreibers Isaac, und er-hielt 1782 das Basler Bürgerrecht geschenkt. Mit Carl Koechlin-Iselin trat 1883 einer seiner Nachkommen in den Verwaltungsrat der Firma von Johann Rudolf Geigy-Merian ein. Alfred Bürgin, Historiograph des Unternehmens, wertet den Eintritt des ersten Vertreters der Familie Koechlin als Zäsur; Geschichte des Geigy-Unternehmens von 1758 bis 1939. Ein Beitrag zur Basler Unternehmer- und Wirtschaftsgeschichte; Basel 1958, p. 168.

2.3. Berufe: Wirtschaftsbürger, Bildungsbürger, alter und neuer Mittelstand

96 2.3.3. Kommissionsmitglieder 97

in der Kommission der LG,449 unter ihnen der Präsident des Gründungskomitees Emanuel Burckhardt-Fürstenberger (18) und der erste Verwaltungsratspräsident Rudolf Paravici-ni-Vischer (16).

C . Basler.Handelsbank

Wie Eisenbahn- oder Versicherungsgesellschaften entstan-den auch Grossbanken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts und gaben dem Schweizer Bankensystem seine mo-derne Gestalt. Die Basler Handelsbank war eine der frühen Gründungen, errichtet 1863 von Repräsentanten des Indus-trie- und Kaufmannskapitals und Privatbankiers. Anders als der 1872 gegründete Basler Bankverein, die zweite Basler Grossbank, war die Handelsbank auf die lokale Wirtschaft und deren Förderung ausgerichtet.450 Als KMG finden sich der Mitgründer und erste Verwaltungsratspräsident Wil-helm Burckhardt-Forcart (47) und der erste Verwaltungs-rats-Vizepräsident Friedrich Vischer-Bischoff (59).

Ein typischer Vertreter der innovativen Unternehmer, die alten Kaufleutegeschlechtern angehörten, ihre ange-stammte und erlernte berufliche Grundlage beibehielten und gleichzeitig in neue Sektoren vorstiessen, war beispiels-weise Fritz Hoffmann-Merian (82). Hoffmann handelte mit Rohseide und blieb Bandfabrikant, wurde Verwaltungsrat der Basler Versicherungen, präsidierte den Gewerbever-ein und gründete die Kommanditgesellschaft „Hoffmann, Traub & Co.“ mit, die sein Sohn Fritz Hoffmann-La Roche als

„Fritz Hoffmann-La Roche & Co.“ weiterführen sollte. Der Historiker und Biograph Eduard His lobt einen weiteren dieser Basler Unternehmensgründer, Rudolf Paravicini-Vi-scher (16), er habe „in seinem Wesen den besten Typus des Basler Handelsherrn vertreten“451. Jener „beste Typus“ war gelernter und praktizierender Seidentuchfabrikant, Verwal-tungsrat der Zentralbahn und Gründer und Verwaltungs-ratspräsident der Basler Versicherungsgesellschaft. Para-vicini stand zeitlebens dieser Versicherungsgesellschaft als die entscheidende Kraft vor. In der LG beantragte er 1846 im Namen „einiger Glieder löblichen Handelsstandes“452 die Ein-richtung einer ersten Aktienbörse. Das im Erdgeschoss gele-gene Lokal der Casinogesellschaft sollte am Nachmittag für alle Mitglieder der LG geöffnet werden, „und auf diese Weise einen Vereinigungspunkt hauptsächlich für den zahlreichen kaufmännischen Theil der Gesellschaft zu gründen“.453 Nach anfänglichem Erfolg misslang der Versuch. Laut dem

Histo-eine Zukunft für die Basler; hrsg. von der Bâloise Holding AG, Reinach 2013, pp. 20–62.

449 Ebd., p. 23.

450 Philipp Sarasin, Stadt der Bürger, pp. 86 ff. und Bernard Degen, Basler Handelsbank, in: HLS, www.hls-dhs-dss.ch / textes / d / D44716.php, Version vom 02 / 05 / 2002.

451 Eduard His, Staatsmänner, p. 131.

452 KP 30. 10. 46.

453 JB 1847, p. 20.

riker Paul Burckhardt lag Basels Beitrag zur Bundespolitik in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Kompetenz einiger seiner Abgeordneten, die nicht eigentlich politische, son-dern Wirtschaftsführer gewesen seien. August Stähelin-Vi-scher(-Brunner) (29) zählt für ihn zu den bedeutendsten.454 Als kaufmännisch und technisch ausgebildeter Baumwoll-fabrikant war Stähelin Verwaltungsrat der Basler Versiche-rungsgesellschaft und beteiligte sich vor allem an lokalen und nationalen Eisenbahngesellschaften. Er war Mitgrün-der, 1857 Verwaltungsrat und 1871 bis 1886 Präsident der Zen-tralbahn. Unter seiner Mitwirkung wurde zu Beginn der 1870er-Jahre die Wiesentalbahn angelegt. Er sass nicht nur in deren Verwaltungsrat, sondern ab 1882 auch in demjeni-gen der Gotthardbahn.

Von den 23 KMG mit Stammgeschäft in der Seiden-, Tex-til- oder Bankenbranche stiessen 12 in neue Bereiche vor. Le-diglich 5 weitere Verwaltungsräte waren ausgebildete Juris-ten, wie beispielsweise der Zivil- und Kriminalgerichtspräsi-dent Johann Jakob Vischer-Iselin (20), welcher jahrelang der Zentralbahn als Direktor und später auch dem Verwaltungs-rat vorstand. Vischer ist mit dem Gros der Kaufleute nicht über seine berufliche Grundlage, wohl aber über seine Her-kunft aus einer altbürgerlichen Patrizierfamilie verbunden.

Unternehmer aus anderen Zweigen der Basler Ökonomie sucht man in der Kommission der LG vergebens. So finden sich keine Vertreter des gegen Ende des Jahrhunderts er-starkten Baugewerbes: Der nie da gewesene Zustrom länd-licher Emigranten der 1890er-Jahre liess das Baugewerbe zu jenem „Motor der wirtschaftlichen Entwicklung werden, den die Bandindustrie nicht mehr und die Chemische Industrie noch nicht“455 sein konnten. Nicht anders steht es bezüglich der Maschinenindustrie, die ähnlich wie in St. Gallen oder Zürich zuerst Textilmaschinen fertigte, später aber auch Dampfmaschinen, Pumpen und Werkzeugmaschinen, oder der Elektrotechnischen Industrie, die Dynamos, Wicklun-gen und Isoliermaterial, Zähl- und Messapparate, Boiler etc.

produzierte. Ebenso fehlten Grosshändler von Spezerei- und Kolonialwaren, des Holz-, Kohlen-, Mercerie-, Wein- und Ma-terialwarenhandels und damit einhergehend Spediteure, von denen es zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Basel viele gab, als sich die Stadt dank des verkehrstechnischen Aus-baus zum Knotenpunkt in der entstehenden kontinentalen Schifffahrt, dem Eisenbahnnetz und dem Strassennetz und dank der Messen zum erstrangigen europäischen Binnen-handelsplatz aufschwang.456

Bei der Gruppe der Unternehmer werden klare Gren-zen gegen aussen und gegen unten deutlich: Unternehmer

454 Paul Burckhardt, Geschichte Basel, p. 261.

455 Philipp Sarasin, Stadt der Bürger, p. 101.

456 Vgl. Traugott Geering und Rudolf Hotz, Wirtschaftskunde, p. 54–56; Trau-gott Geering, Industrie, Handel und Bankwesen, in: Felix Stähelin et al., Basel, pp. 75–78; Geographisches Lexikon 1903, p. 154–157.

sellschaftete. Die im 19. Jahrhundert entstehenden Akti-engesellschaften konnten kapitalintensive Gross- und Pio-nierprojekte eher bewältigen als Privatpersonen. Den we-nigen Überlegungen zur wirtschaftlichen Verflechtung der KMG muss vorausgeschickt werden, dass für die Daten des Parameters „Funktionen in der Wirtschaft“ der Datenbank

„KMG 1825–1915“ kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. Es wurde nicht in Handelsregister, Adress-buch oder Firmenarchiven systematisch untersucht, welche KMG in welchen Unternehmen beschäftigt, beteiligt oder leitend waren. Die in der Datenbank enthaltenen Informa-tionen wurden aus den besprochenen biographischen Ma-terialien (Nachrufe, Zeitungsartikel, Leichenreden, biogra-phische Monographien und Aufsätze, Lexika, Prosopogra-phien und Nachlässe in Privatarchiven) herausgefiltert, sie beruhen also auf autobiographischen oder biographischen Angaben älterer, schriftlicher Erzeugnisse.

Bei 22 der 95 KMG finden sich Einträge zu Funktion oder Teilhabe an Unternehmungen. Von diesen 22 KMG sind 14 Unternehmer, 5 Juristen, 2 Ingenieure und 1 Architekt. Auf-fallend ist, dass viel mehr Mandate in Aktiengesellschaften erscheinen als Teil- oder Inhaberschaften von Familien- oder Einzelunternehmen. Dies mag seine Ursache darin

Bei 22 der 95 KMG finden sich Einträge zu Funktion oder Teilhabe an Unternehmungen. Von diesen 22 KMG sind 14 Unternehmer, 5 Juristen, 2 Ingenieure und 1 Architekt. Auf-fallend ist, dass viel mehr Mandate in Aktiengesellschaften erscheinen als Teil- oder Inhaberschaften von Familien- oder Einzelunternehmen. Dies mag seine Ursache darin