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Bildungsfolgen lebensanfänglicher Gesundheitsungleichheiten

Einen inhaltlichen Bogen um die ersten zwei Forschungsprobleme spannte die in Kapitel 7 untersuchte dritte Fragestellung. Auf dem Prüfstand stand der Beitrag schwangerschaftsbezo-gener und postnataler Faktoren zur Erklärung herkunftsabhängiger Bildungsungleichheiten.

Unter Rückgriff auf ressourcen- und expositionstheoretische Überlegungen wurde vermutet, dass zum Lebensbeginn bestehende Entwicklungsdifferenzen zwischen Neugeborenen aus verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen im Vorschulalter kumulieren und schließlich in geringeren Bildungschancen münden. Da bislang wenig gesichertes Wissen zu den mittel- und langfristigen Bildungsauswirkungen entwicklungsbezogener Startnachteile vorliegt, emp-fahl es sich in methodischer Hinsicht explorativ vorzugehen. Für die Analysen bedeutete dies, eine Reihe unterschiedlicher schulischer Erfolgskriterien heranzuziehen, darunter das Ergeb-nis der Einschulungsuntersuchung, die Grundschulnoten in den übergangsrelevanten Hauptfä-chern Deutsch und Mathematik sowie ein Maß für die Beteiligung verschiedener sozialer und ethnischer Gruppen in unterschiedlich anspruchsvolle Schulformen der Sekundarstufe. Basis für die Auswertung waren die KIGGS-Daten.

Die deskriptive Untersuchung ergab, dass neben Kindern aus unteren Sozialschichten auch Kinder aus Spätaussiedler- und türkischstämmigen Familien eher zu früh geboren werden.

Darüber hinaus ließen sich für türkischstämmige Neugeborene im Durchschnitt häufiger ein

niedriges Geburtsgewicht sowie tendenziell, auf dem 10 Prozent-Signifikanzniveau, postnata-le Gesundheitsprobpostnata-leme feststelpostnata-len. Demgegenüber weicht das mittpostnata-lere Geburtsgewicht von Neugeborenen aus Spätaussiedlerfamilien statistisch nicht bedeutsam vom Gewicht der Ver-gleichsgruppe ohne Migrationshintergrund ab. In den ersten vier Wochen nach der Geburt schneiden Kinder aus Spätaussiedlerfamilien von allen betrachteten Gruppen gesundheitlich sogar am besten ab.

Wie erfolgreich sind nun Kinder aus unteren Sozialschichten und Migrantenkinder im Bil-dungssystem? Spiegelbildlich zur Rangreihe in der Frühgeburtsdimension ordnen sich die betrachteten ethnischen Herkunftsgruppen ungleich in der Dimension Bildung an. So erzielen Kinder mit Migrationshintergrund im Mittel schlechtere Noten und positionieren sich im Ver-gleich zu Kindern aus Nicht-Migrantenfamilien in der Sekundarstufe seltener in einem weiter-führenden Schultyp. Im direkten Vergleich schneiden Spätaussiedlerkinder gegenüber tür-kischstämmigen Kindern schulisch besser ab, was in der Forschungsliteratur gut dokumentiert ist (siehe Gresch und Becker 2010). Letzteres gilt analog für die Chancen auf eine Regelein-schulung. Während sich für türkischstämmige Einschülerinnen und Einschüler ein signifikant erhöhtes Risiko der Rückstellung vom Schulbesuch beobachten lässt, unterscheiden sich Spätaussiedlerkinder diesbezüglich nicht von der Referenzgruppe ohne Migrationsgeschichte.

Welche Erkenntnisse hält die Datenauswertung nun für die zentrale Frage nach der lebensge-schichtlich frühen Verursachung herkunftsbezogener Bildungsungleichheiten bereit?

Die multivariaten Analysen ergeben, dass schwangerschaftsbezogene Faktoren (Rauchen), Komplikationen (Frühgeburt), die Säuglingsgesundheit in den ersten vier Lebenswochen so-wie elterliche, nach der Geburt getätigte Investitionen in die Entwicklung (regelmäßige Inan-spruchnahme der U-Untersuchungen, frühe Einbindung in die formelle Kinderbetreuung) die beobachteten schulischen Erfolgsunterschiede zwischen Kindern mit und ohne ausländische Wurzeln nur partiell vermitteln. Hauptverantwortlich für die ethnisch strukturierten Noten- und Positionierungsmuster ist primär der soziale Hintergrund. Schwangerschaftsbezogene Faktoren spielen mit Ausnahme des Rauchverhaltens nur eine Nebenrolle für die Schulleis-tungen und die Bildungspositionierung. Für die beobachteten ethnischen Bildungsdifferenzen besitzen diese kaum ein Erklärungspotenzial. Im Gegensatz dazu lassen sich ethnische Unter-schiede im Einschulungsergebnis jedoch nahezu vollständig auf schwangerschaftsbezogene und sozioökonomische Merkmale zurückführen; eine gemeinsame Betrachtung beider Merk-malsbündel liefert aber keinen zusätzlichen Erklärungsbeitrag. Des Weiteren zeigt sich empi-risch, dass bei Kontrolle sozialer Herkunftsmaße weder der Frühgeborenenstatus noch die Variable zur intrauterinen Exposition zu Rauchschadstoffen bedeutsam an Prädiktionskraft verlieren. Beide Faktoren begünstigen eigenständig den erfolgreichen Eintritt in die Grund-schule (vgl. Lynch 2011). In abgeschwächter Form gilt letzteres Ergebnis auch für andere betrachtete Bildungskennziffern, wie für die Deutschnote und die Positionierung in einer wei-terführenden Schulform statt in einer Haupt- oder Förderschule, was bisherige Studienbefun-de stützt (Wolke und Meyer 2000; Jäkel et al. 2013). Im Vergleich zur Einschulung fallen die Assoziationen entwicklungsbezogener Merkmale (Frühgeburt, postnatale Gesundheit) mit den

Diskussion und Zusammenfassung 148 Schulnoten aber sehr gering aus. Insbesondere schwache (Deutschnote) oder statistisch unbe-deutsame Notenzusammenhänge (Mathematik) stehen dem Forschungsstand eher entgegen:

Anders als mit den Modellen kritischer Entwicklungsperioden oder der Akkumulation hu-manvermögensbezogener Vor- und Nachteile im Lebenslauf erwartet werden konnte, erwei-sen sich Nachteile in der individuellen Ausgangslage zum Zeitpunkt der Geburt als nahezu irrelevant für die Schulnoten. Ebenso erweist sich die Familiensprache als wenig bedeutsam für die Bildungschancen. Im Kontrast dazu bestätigt sich die Vermutung, dass elterliches Prä-ventionshandeln prädiktive Kraft für die Vorhersage des Besuchs einer Haupt- oder Förder-schule (statt einer weiterführenden Schule) sowie guter Noten im Fach Deutsch besitzt. Aller-dings stellt sich ein lückenloser Vorsorgestatus nur tendenziell als bedeutsam für die Einschu-lungschance oder für die Mathematiknote heraus. Insgesamt unterstreichen die Analysen, dass Prävention nicht nur in puncto Gesundheit sondern auch in puncto Bildungschancen statis-tisch Relevanz besitzt. Allerdings lässt die Untersuchung offen, worauf die Wirkung des Ef-fekts genau beruht: Ist sie auf die Teilnahme an den Untersuchungen zurückzuführen oder steckt vielmehr ein Problem unbeobachteter Heterogenität dahinter?

Insgesamt kann für die dritte Forschungsfrage das regressionsanalytische Ergebnis festge-halten werden, dass ethnische Bildungsdifferenzen über die Betrachtung schwangerschaftsbe-zogener und postnataler Bedingungen fast vollständig aufgeklärt werden. Im Gegensatz dazu liefern die Analysen kaum empirisch begründete Hinweise, dass auch soziaschichtspezifische Disparitäten in den Einschulungs-, Leistungs- und Positionierungsergebnissen über die hier betrachteten vor- oder nachgeburtlichen Faktoren vermittelt werden.

Vor diesem Ergebnishintergrund lässt sich in Bezug auf die zwei zentralen Ziele der For-schungsarbeit – die Beschreibung und Erklärung herkunftsspezifischer Differenzen in den Dimensionen Schwangerschaftsergebnis und Neugeborenengesundheit und deren Bedeutung für den späteren Bildungserwerb – zusammenfassend folgendes Fazit ziehen (Abschnitt 8.4).

8.4 Zusammenfassung

Im Zentrum der Arbeit standen die Herkunftsfamilie und ihre Bedeutung für die Lebenschan-cen von Kindern. Vor allem die Gesundheit Neugeborener und in abgeschwächter Form auch der Bildungserfolg wurden als familiäre Herstellungsleistung interpretiert. Das theoretische Primat lag auf dem Elternhaus, was anthropologisch mit dem Verweis auf die Abhängigkeit kindlicher Lebenschancen von materiellen und immateriellen elterlichen Zuwendungen be-gründet wurde. Weiterhin wurde mit der Theorie sozialer Produktionsfaktoren argumentiert, dass alle Menschen nach physischem Wohlbefinden streben, nicht aber alle im Besitz zielfüh-render Mittel sind. Übertragen auf die Kindesgesundheit wünschen sich alle Eltern Gesund-heit für ihr(e) Kind(er), ressourcenbedingt können aber nicht alle ein rundum gesundes Auf-wachsen ermöglichen. Die in der Arbeit nachgewiesene Abhängigkeit der Schwangerschafts-dauer vom Elternhaus und dessen sozialen Ressourcenpool untermauert dies empirisch und bestätigt die Ergebnisse früherer Studien (Behrman und Butler 2007; Mielck 2005).

Analog bekräftigen die hier ermittelten Ungleichheitsbefunde den Stand der empirischen Bil-dungsforschung: So wirkt die Herkunftsfamilie auf die Schulfähigkeit zum Zeitpunkt der Ein-schulung ein und strukturiert Grundschulleistungen und die Bildungspositionierung.

Schulerfolg hängt dabei signifikant vom elterlichen Gesundheitshandeln ab, ein Befund mit relativem Neuheitsstatus in der Literatur: Je kontinuierlicher die Inanspruchnahme an den U-Untersuchungen, desto besser fallen die Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik aus.

Des Weiteren untermauern die Befunde zum Bildungseinfluss der gesundheitlichen Lebens-führung (werdender) Mütter die von der Sozialepidemiologie vorgeschlagenen Modelle der Schwangerschaft als kritischen Entwicklungsperiode: Kinder, die im Mutterleib Rauchschad-stoffen ausgesetzt waren, zeigen je nach Dosis der Exposition, entsprechend mehr oder weni-ger ausgeprägte Leistungsnachteile im Deutsch- und Mathematikunterricht.

Es bestätigt sich somit die zentrale Vorstellung vom Elternhaus als vor- wie nachgeburtli-cher Risikofaktor für den Erwerb humanen Vermögens (Bradley und Corwyn 2002). Im Fol-genden sollen nun zusammenfassend die zwei im Theorieteil abgeleiteten Arbeitshypothesen (Abschnitt 2.5) hinsichtlich ihrer empirischen Bewährung diskutiert werden. Insgesamt lassen sich diese mit wenigen Ausnahmen bestätigen. Die Ergebnisse der Prüfung sind überblicksar-tig in den Tabellen 8.1, für Hypothese 1, und 8.2, für die Hypothese 2, dargestellt.

Grundlegend bestätigt sich die Annahme einer sozialen und ethnischen Ungleichverteilung lebensanfänglicher Gesundheitschancen (Hypothese 1a) für den Indikator einer zu kurzen Dauer der Schwangerschaft (Frühgeburt). Dies gilt mit Einschränkung auch für das Geburts-gewicht, wobei entgegen der Erwartung Spätaussiedlerkinder tendenziell schwerer sind als Kinder ohne Migrationshintergrund. Neugeborene Spätaussiedlerkinder schneiden unter allen betrachteten Herkunftsgruppen in den ersten Lebenswochen gesundheitlich sogar am besten ab, während türkischstämmige Neugeborene in der Tendenz eher Gesundheitsprobleme nach der Geburt haben (für einen ähnlichen Befund siehe David und Pachaly 2010).

Ebenso wird die Hypothese 1b bestätigt: Der Hauptanteil der Frühgeburtsvarianz wird über schwangerschaftsbezogene Ungleichheitsbedingungen, das heißt über sozioökonomische Res-sourcen und die gesundheitliche Lebensführung (Rauchverhalten) erklärt. Für die Aufklärung ethnisch ungleicher Frühgeburtsprävalenzen spielen medizinische Risikobedingungen (müt-terliche Konstitution) hingegen nur eine marginale (Neben-)Rolle. Umgekehrt erweisen sich sozialmedizinische Faktoren für die Erklärung ethnischer Geburtsgewichtsunterschiede von größerer Bedeutung, insbesondere für die Erklärung des im Durchschnitt geringeren Geburts-gewichts türkischstämmiger Neugeborener. Für Spätaussiedlerkinder lassen sich nach Kon-trolle sozialmedizinischer Faktoren in der Tendenz (Ergebnisse nicht signifikant) sogar durch-schnittliche Gewichtsvorteile gegenüber Kindern aus Nicht-Migrantenfamilien feststellen.

Unter den verhaltensbedingten Risiken für nachteilige Schwangerschaftsergebnisse besitzt das Rauchen während der Schwangerschaft, nicht aber Alkoholkonsum Relevanz für das Zustan-dekommen individueller Nachteile in der entwicklungsbezogenen Ausgangslage zur Geburt.

Diskussion und Zusammenfassung 150

Tabelle 8.1: Ergebnisse zur Prüfung von Hypothese 1

Hypothese 1 Soziale Herkunft1 Ethnische Herkunft2

H1a: Es gibt eine soziale und ethnische Struktu-rierung der Gesundheitschancen zum

Lebensbe-ginn. () Säuglingsge-sundheit nach sozialen und ethnischen Merkma-len geht auf schwangerschaftsbezogene Erklä-rungsgrößen zurück.

Symbolik:  = H. bestätigt, () = H. teils bestätigt,  = H. nicht bestätigt (umgekehrter Effekt),  = H. nicht bestätigt, ./. = nicht (regressionsanalytisch im Detail) untersucht; * = empirisch keine bedeutsamen Ausgangsdif-ferenzen beobachtet.

Anmerkungen: 1 Ergebnisse auf Basis der SOEP-Daten (für Herkunftsmerkmal Bildung, siehe Kapitel 5); 2 Er-gebnisse auf Basis der KiGGS-Daten (siehe Kapitel 8).

Wie Tabelle 8.2 zeigt, lässt sich die zweite Hauptannahme mit Einschränkungen bestätigen.

Zum einen finden sich in den Analysen statistisch (hoch-)bedeutsame Assoziationen zwischen der sozialen und ethnischen Herkunft und den vier Bildungs- und Erfolgsindikatoren (H2a), mit einer Ausnahme: Für das Kriterium Rückstellung vom Schulbesuch wird für die Spätaus-siedlergruppe kein Chancennachteil gegenüber der Referenzgruppe ohne Migrationshinter-grund beobachtet. Zum anderen lässt sich ein Teil der gruppenspezifischen Bildungs- und Erfolgsvarianzen über schwangerschaftsbezogene Faktoren aufklären, dieser fällt aber insge-samt eher gering aus. Hypothese 2b findet empirisch also keine uneingeschränkte Unterstüt-zung, nicht zuletzt deshalb, weil (mit Ausnahme der sozialen Herkunft) nachgeburtliche Bil-dungsfaktoren, darunter sprachkulturelle und frühbildungsbezogene Faktoren (Kindertagesbe-treuung), kaum Erklärungskraft besitzen. Nichtsdestotrotz leistet die gemeinsame Berücksich-tigung aller erklärenden Variablen eine vollständige Aufklärung der bei Kindern mit familiä-rer Migrationsbiographie beobachteten Chancennachteile im deutschen Bildungssystem.

Tabelle 8.2: Ergebnisse zur Prüfung von Hypothese 2

Hypothese 2 Soziale Herkunft1 Ethnische Herkunft1

H2a: Es gibt eine soziale und ethnische

Strukturierung der Bildungschancen.

Bildungs- und Erfolgsindikatoren

H2b: Ein Teil der gruppenspezifischen Er-folgsvarianzen sollte sich neben nachgeburt-lichen Faktoren über bestätigt, ./. = nicht (regressionsanalytisch im Detail) untersucht; * = empirisch keine bedeutsamen Ausgangsdif-ferenzen beobachtet. a In den Analysen zu den Grundschulnoten und der Bildungspositionierung in der Sekun-darstufe wurde der Kindergartenbesuch aus Platzgründen zusammen mit den Indikatoren zur Lebensführung in die Regressionsmodelle eingeführt; b Keine Hypothese zur Vermittlung schichtspezifischer Effekte formuliert.

Anmerkungen: 1 Ergebnisse auf Basis der KiGGS-Daten (siehe Kapitel 8).

Mit Blick auf den theoretischen Rahmen kann festgehalten werden, dass der ressourcen- und investitionstheoretische Überbau empirisch gut greift. Die Untersuchungsbefunde legen dabei nicht nur einen zweistufigen Statusvererbungsprozess (wie bei Boudon) sondern einen drei-stufigen Prozess nahe. Nach Boudon (1974) durchlaufen Kinder verschiedener sozialer Grup-pen (Klassen) mit unterschiedlichem Erfolg das Bildungssystem, was sich in einer sozial strukturierten Bildungsbeteiligung ausdrückt und in Verteilungsungleichheiten im Erwerb prestigereicher Bildungsabschlüsse mündet. Der zweite hier nicht untersuchte Prozess bezieht

Diskussion und Zusammenfassung 152 sich auf die Verwertbarkeit der auf dem Arbeitsmarkt unterschiedlich nachgefragten Bil-dungstitel, wobei höhere zur Hochschule führende Zertifikate Chancenvorteile bei der sozia-len Statuspositionierung („inequality of social opportunity“: ISO) mit sich bringen und damit die Berechtigung zur Platzierung in eine obere soziale Klasse.

Wie die vorliegende Arbeit und ihre zentralen empirischen Befunde zeigen, lässt sich mit der entwicklungsbezogenen Ausgangslage zum Zeitpunkt der Geburt ein weiterer Prozessab-schnitt modellieren. Die Geburt wurde im Theorieteil als Transition von der intrauterinen Le-bensumwelt (Bauch der Mutter) in die extrauterine LeLe-bensumwelt (im Kleinen: die Familie, im Großen: die Gesellschaft) interpretiert. Der Übergang selbst ist dabei Endpunkt eines kriti-schen Entwicklungsprozesses und wird von Neugeborenen je nach sozialer Klassen- und eth-nischer Zugehörigkeit unterschiedlich bewältigt. Das ist die gesundheitliche Ungleichheit, die terminologisch als IHO bzw. inequality of health opportunity bezeichnet wurde.

Dabei wurde im konzeptionellen Teil bezüglich der Vererbung von Statusvorteilen im Ge-nerationenverlauf dargelegt, dass das Problem gesundheitlicher Ungleichheit zum Lebensbe-ginn dem Problem ungleicher Bildungsbeteiligung vorgeschaltet ist. Hierfür müssten sich Bildungsungleichheiten aus schwangerschaftsbezogenen Ungleichheiten ergeben. Wie die in Kapitel 7 präsentierten Untersuchungen zeigen, ist dies insbesondere für das Einschulungser-gebnis und in abgeschwächter Form für die Bildungspositionierung in der Sekundarstufe der Fall: Im Vergleich zu Termingeborenen haben Frühgeborene (vermutlich aufgrund einer ein-geschränkten Schulfähigkeit) ein höheres Risiko ein Jahr vom Besuch der Grundschule zu-rückgestellt zu werden. Auch haben sie in der Sekundarstufe eine höhere Wahrscheinlichkeit eine Haupt- oder Förderschule zu besuchen. Ob zuletztgenanntes Muster über primäre oder sekundäre Effekte der familiären Herkunft und/oder Lehrereinflüsse erzeugt werden, kann mit den verwendeten Daten nicht beantwortet werden. Ungeachtet dieser Einschränkung zeigt sich jedoch, dass eine erfolgte Rückstellung vom Schulbesuch statistisch mit der Bildungspo-sitionierung assoziiert ist. Eine weitere sich in den konzeptionellen Rahmen einfügende Be-obachtung ist die stabile Assoziation zwischen allen betrachteten Bildungskennziffern mit der Variablen zur Exposition zu Rauchschadstoffen während der Schwangerschaft. Diese Befun-de können als Hinweise darauf verstanBefun-den werBefun-den, dass sich Befun-der Statusvererbungsprozesses zum Teil über vorgeburtlich wirksam werdende Prozessketten vollzieht, etwa über folgende:

Rauchexposition – Gesundheitsnachteile zur Geburt – vorschulische Kompetenzbeeinträchti-gungen – geringere Bildungschancen. Für eine abschließende Bewertung schwangerschafts-bezogener Ungleichheitsmechanismen sind aber weitere Forschungsanstrengungen vonnöten.