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Berufskrankheitenanzeigen, Bremen 1944 - 2002

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1944 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Nach dem Einzelwert für die Anzeigen von 1944 wird jeweils (ab 1950) der Durchschnitts-wert der abgeschlossenen 5 Jahre angegeben. Ab 1996 sind wieder Einzeljahre angegeben.

Der Anstieg zwischen 1990 und 1995 ist auf die Aufnahme der damals neuen bandschei-benbedingten Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen. Die mit der letzten Änderung der Berufskrankheitenverordnung neu aufgenommen bzw. geänderten Be-rufskrankheiten sind zahlenmäßig nur von geringer Bedeutung. Es wurde lediglich einmal ei-ne Berufskrankheit 4112 angezeigt.

Geändert wurde die Berufskrankheiten-Nummer 2106, hierzu liegen lediglich 5 Meldungen vor. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach der Begründung des ärztlichen Sachverständi-genbeirates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - Sektion "Berufskrank-heiten" ein Karpaltunnelsyndrom trotz des eindeutig vergleichbaren Entstehungsweges nicht mehr durch diese Berufskrankheiten Nummer erfasst sein soll. Das United States Depart-ment of Labor erwähnt das Karpaltunnelsyndrom beispielhaft als häufige beruflich verur-sachte Erkrankung für das Jahr 2001. (WORKPLACE INJURIES AND ILLNESSES IN 2001 Bureau of Labor Statistics Washington, D.C. 20212, Thursday, December 19, 2002, http://www.bls.gov/iif/home.htm ).

Hauptsächlich angezeigt haben dabei Ärzte und Krankenkassen. Die Anzeigen erreichen den Landesgewerbearzt aus verschiedenen Richtungen, je nachdem ob die Meldung vom Arzt direkt, vom Unfallversicherungsträger, der Krankenkasse oder von einer anderen Stelle (z.B. Unternehmeranzeige, Selbstanzeige) gekommen ist. Die Tabelle zeigt, auf welchem Weg die Anzeigen eingegangen sind:

Meldeweg Anzahl

Meldung über den Unfallversicherungsträger

(durch Ärzte, Krankenkassen, Versicherte usw.) 681

Ärztliche Anzeige direkt an den LGA : 190

Krankenkasse gem. § 20 SGB V 145

sonstige 17

Hautarztbericht 6

Unternehmer-Berufskrankheitenanzeige 2

Meldung durch Erkrankten direkt 2

Gesamtergebnis 1043

296 Erkrankungen an Lungenasbestose, 122 Erkrankungen an Lungenkrebs, 67 Erkrankun-gen an Mesotheliom und 3 SilikoseerkrankunErkrankun-gen. Im Vergleich mit den letzten Jahren ist es zu keiner Veränderung gekommen. Diese ist aufgrund der langen Zeiten, die zwischen Be-lastung und Erkrankung vergehen, auch für die nächsten 5 - 10 Jahre noch nicht zu erwar-ten. Der Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren verteilt sich relativ gleichmäßig auf alle Erkrankungen. In besonderem Maße sind die Anzeigen wegen einer Hautkrankheit zurück gegangen. Es kann überlegt werden, ob hier eine reine Änderung in der Erfassung vorliegt, denn die Berufsgenossenschaften haben zunehmend eine sogenanntes Berufskrankheiten-Beratungsarztverfahren „Haut“ eingeführt, Hautkranke Beschäftigte werden rasch einer hautärztlichen Behandlung zugeführt und tätigkeitsbegleitend zu Lasten der Berufsgenos-senschaft hautärztlich behandelt, um so zu erreichen, dass die Tätigkeit nicht aufgegeben werden muss. Erstaunlich ist ein deutlicher Unterschied zwischen den Anzeigen, die beim Landesgewerbearzt in Bremen eingehen und den Anzeigen, die durch gewerblichen Berufs-genossenschaften beim Hauptverband der gewerblichen BerufsBerufs-genossenschaften gemeldet und statistisch erfasst werden. Für das Jahr 2001 lagen in Bremen 71 Anzeigen vor, durch den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften wurden jedoch für Bremen insgesamt 189 gezählt. Diesem Unterschied soll im Jahr 2003 weiter nachgegangen werden.

Berufskrankheitenverfahren werden durch Anzeigen unterschiedlicher Stellen eingeleitet. Ei-ne Auswertung von 572 im Jahr 2002 abschließend bearbeiteten Berufskrankheiten zeigt die auf der folgenden Seite abgebildete Tabelle, aus der zugleich der Anteil der tatsächlich be-rufsbedingten Erkrankungen ersichtlich ist.

Im Jahr 2002 wurden 1043 Berufskrankheiten erstmals angezeigt. Die Verteilung auf die einzelnen Krankheits-gruppen bzw. zahlenmäßig starke Einzelerkrankungen zeigt die nebenstehende Ab-bildung.

Hinter der Krankheitsgruppe

„Steinstaub“ verbergen sich

Art der Anzeige Anzahl Anzeigen 2002

davon berufsbedingt

Anteil berufs-bedingt in %

Ärztliche Anzeigen 295 162 55

davon durch

Arbeits-medizinische Vorsorge 7 5 71

durch Betriebsarzt 56 41 73

durch Hautarztbericht 55 32 58

Selbstanzeige 81 19 23

Unternehmeranzeige 6 5 83

Krankenkassenanzeige 166 35 22

Arbeitsamt 8 0 0

Sonstige 16 2 13

Summe 572 223 39

Die Zusammenstellung dieser Tabelle erfolgte danach, welche Stelle das Verfahren erstmals eingeleitet hat, unabhängig davon ob eine Doppelmeldung vorliegt, z.B. gehen ärztliche Be-rufskrankheitenanzeigen und Krankenkassenmeldungen gelegentlich nur um wenige Tage zeitversetzt ein. Zu beachten ist auch, dass nur wenige Asbesterkrankungen berücksichtigt werden konnten.

Es wird deutlich, dass diejenigen Stellen, die über gute Informationen zu den Arbeitsbedin-gungen und zur Erkrankung verfügen, wie z.B. die Betriebsärzte oder die Ärzte bei der Ar-beitsmedizinischen Vorsorge, den Berufskrankheitenverdacht auch gut begründet haben.

Bemerkenswert ist, dass mehr als jede fünfte Anzeige der Krankenkasse ein berufsbeding-tes Krankheitsbild aufdeckt, obwohl die Krankenkassen außer der Diagnose und einer Be-rufsbezeichnung in der Regel keine weitergehenden Informationen haben.

Bei den bearbeiteten Vorgängen dominieren die Wirbelsäulenerkrankungen, aus welchen Bereichen diese gemeldet werden, zeigt die vorstehende Darstellung.

Gemessen am Anteil der insgesamt Beschäftigten finden sich die Baubetriebe weit über rep-räsentiert (der Wirtschaftsbereich hat ca. 5 % der Beschäftigten, ist also mehr als drei mal so häufig betroffen wie der Durchschnitt). Auffällig ist auch das Gesundheitswesen mit ca. ei-nem Viertel der Meldungen bei eiei-nem Anteil an den Beschäftigten in Bremen von etwa 12 %.

Die Belastungen aus dem Hafenumschlag sind in der Gruppe Handel und Verkehr verbor-gen, diese Gruppe hat einen Anteil von knapp 6 % an der Gesamtzahl der Beschäftigten.

Der Schiffbau ist einzeln ausgewiesen, weil er die stärkste Einzelposition aufweist. Die in Tabelle 3.1 geführte Wirtschaftsgruppe 35 „Sonstiger Fahrzeugbau“ nimmt einen Anteil von nicht einmal 2 % an der Gesamtzahl der Beschäftigten ein.

Die vorstehenden Zahlen geben die Belastung einzelner Berufsgruppen nur unzureichend wieder, weil die Wirtschaftsgruppen, zu denen die Beschäftigungsbetriebe gehören, nur ei-nen Anhalt für die Art der Tätigkeit bieten. Tatsächlich ist zu vermuten, dass sich das Krank-heitsrisiko auf kleine Untergruppen konzentriert. So umfasst die Gruppe 35 „Sonstiger Fahr-zeugbau“ nicht nur die Werften, aus denen 19 von 20 Meldungen gezählt wurden sondern auch den Luft- und Raumfahrzeugbau. Innerhalb der Werften ist wiederum nur ein Teil der Beschäftigten belastet. Wenn sich trotz dieser „Verdünnung“ Überhäufigkeiten zeigen, so ist dies ein ernster Hinweis auf relevante Belastungen.

Branchenabhängige Überhäufigkeiten bei den Meldungen in noch größerer „Verdünnung“

finden sich auch, wenn die Anzeigen auf die Unfallversicherungsträger bezogen werden.

Als Datenbasis der folgenden Darstellung dienen die Berufskrankheiten-Anzeigen 2108 – 2110 für die Jahre 2000-2002. Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind zu 14 Wirt-schaftszweigen zusammengefasst, von denen diejenigen mit mehr als 20 Meldungen auf-geführt sind. Hinzu kommen die bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand eingegangenen Meldungen. Alle anderen sind unter „Sonstiges“ zusammengefasst.

Wiederum zeigt sich eine hohe Betroffenheit der Bau-Berufsgenossenschaft, Ähnlich stark ist der Bereich Handel und Verwaltung betroffen, wobei die Meldungen zu 90 % aus dem Bereich Großhandel und Lagerei herrühren, also nicht aus den Betrieben der Verwaltungs-berufsgenossenschaft. Die Belastung der Gesundheitsdienstberufe wird durch die Anzeigen bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und durch die Anzeigen bei der Unfallkasse Bremen gespiegelt.

Da genaue Zahlen über die Verteilung der Versicherten in Bremen auf die einzelnen Wirt-schaftszweige nicht veröffentlicht werden, ist eine weitere Diskussion nicht sinnvoll. Die Schwerpunkte werden auch so eindeutig erkennbar.

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nehmen auch bei den Begut-achtungen im Berufskrankheitenverfahren einen breiten Raum ein, obwohl die Aufnahme in die Berufskrankheitenverordnung inzwischen 9 Jahre zurück liegt und das Bundessozialge-richt schon durch Urteil vom 23. März 1999 (B 2 U 12/98 R) festgestellt hat, dass die Auf-nahme dieser Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste berechtigt war, wird doch immer wieder deutlich, dass bei Unfallversicherungsträgern, Gutachtern und Gerichten Unsicher-heiten bestehen, welche Krankheitsbilder gemeint sind. So stellte ein Sozialgericht in Nie-dersachsen mit Urteil vom 20 März 2002 fest, dass anders als bei Arbeitsunfällen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung der Grundsatz, wonach ein Versicherter mit all seinen Anlagen und Fähigkeiten, also auch Vorschädigungen versichert sei, bei Berufskrankheiten nicht gelte. Dieses Sozialgericht hat über eine Bandscheibenerkrankung nach 40jähriger Tä-tigkeit als Maurer und Fliesenleger entschieden. Es waren generalisierte degenerative Ver-änderungen der LWS im Sinne einer Osteochondrose, am ausgeprägtesten im Segment L5/S1 nachgewiesen. Dieser Befund wurde durch das Sozialgericht als untypisch und nicht den unfallmedizinisch/wissenschaftlichen Kriterien entsprechend angesehen.

Bei Gutachtern zu den Wirbelsäulenberufskrankheiten im Auftrag der Berufsgenossenschaft wird nicht selten eine geringe Qualität der Gutachten beobachtet. Zur Qualitätssicherung der Gutachten haben die Berufsgenossenschaften selbst „Empfehlungen der Unfallversiche-rungsträger zur Begutachtung bei Berufskrankheiten“

( http://www.lvbg.de/lv/pages/service/infomat/bk-empf.pdf ) entwickelt, in denen bestimmte Mindestanforderungen an die Gutachten aufgestellt werden. Gleichwohl finden sich immer wieder Gutachten, die schon einfachen formalen Anforderungen nicht genügen, z.B. weil ei-ne ausreichende Wiedergabe der im Rahmen der Untersuchung erfragten Vorgeschichte nicht erfolgt oder weil in der gutachtlichen Beurteilung herangezogene Literatur nicht be-nannt wird. Der Qualitätssicherung verschiedener Berufsgenossenschaften war es sogar entgangen, dass ein Gutachter umfangreiche Zitate aus der Literatur nicht nur zitiert hatte, ohne die fremde Urheberschaft anzugeben, er hatte zusätzlich lediglich Teile der wissen-schaftlichen Arbeiten so ausgewählt zitiert, dass die Ergebnisse verfälscht und die Aussagen der Originalarbeit teilweise in das Gegenteil verändert wurden. Hier sind die Unfallversiche-rungsträger offensichtlich auch in Zukunft auf die Aufmerksamkeit der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen angewiesen. Nachdem direkte Kontaktaufnahme mit die

sem Gutachter keinen Erfolg gebracht hat, müssen nunmehr die Berufsgenossenschaften jeweils im Einzelfall auf die Mängel der Gutachten hingewiesen werden.