• Keine Ergebnisse gefunden

7 Methodik

7.4 Berücksichtigung inhaltsanalytischer Gütekriterien

Während Kriterien zur Bemessung von Qualität und Güte von quantitativen Verfahren schon lange sehr klar sind, besteht in der Diskussion um qualitative Methoden zumindest Einigkeit darüber, dass Gütekriterien von quantitativen Methoden nicht problemlos auf qualitative Studien übertragen

12 Morris und DeShon (2008, S. 111) schlagen eine Korrektur vor, bei der die in der Berechnung der Effektstärke verwendete Standardabweichung korrigiert wird. In den Korrekturfaktor geht die Korrelation zwischen Prä- und Postmessung ein, da Werte von r = .5 zu den gleichen Effektstärken wie in der Berechnung des regulären Cohens d, höhere Werte dagegen zu größeren Effektstärken als der Vergleich zwischen unabhängigen Gruppen führen.

Daher soll als Standardabweichung der Wert des Prätests genommen werden, da dieser Wert nicht durch die

Methodik

__________________________________________________________________________________

142 werden können. Ein eindeutiger Konses bzgl. der Beurteilung von qualitativen Untersuchungen und entsprechenden Kriterien besteht (noch) nicht. Trotzdem haben sich die vier zentralen Gütekriterien intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Gegenstandsangemessenheit des Forschungsprozesses sowie die explanative Validierung und Mixed-Methods-Ansatz als bedeutsam herausgestellt (Flick et al., 2013;

Kuckartz et al., 2008; Mayring, 2015; Steinke, 2013). Aus diesem Grund wird im Folgenden beschrieben, inwiefern die genannten zentralen vier Gütekriterien in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden.

Intersubjektive Nachvollziehbarkeit

Qualitative Forschung ist nur begrenzt standardisierbar. Daher ist es schwierig, den Forschungsprozess intersubjektiv überprüfbar zu machen. Umso mehr ist ein akribisches Vorgehen von besonderer Bedeutung. Hierzu trägt neben des akribischen Vorgehens die genaue Dokumentation des Forschungsprozesses dazu bei, den Prozess intersubjektiv nachvollziehbar zu gestalten (Steinke, 2013).

Die ausführliche Dokumentation des kompletten Forschungsprozesses wurde in der vorliegenden Arbeit anhand verschiedener Aspekte vorgenommen und wird entlang des zeitlichen Prozesses dargestellt: Unmittelbar vor den ersten Erhebungen wurde das theoretische Vorverständnis der Thematik inkl. Forschungsfragen sowie der aktuelle Forschungsstand und in Kapitel 2 bis 4 für die Leser der Arbeit offengelegt. Zusätzlich wurden die eigenen persönlichen Voraussetzungen der Forscherin reflektiert, um dem Kriterium der reflektierten Subjektivität zu genügen. Allerdings wurden diese Selbstreflexionsprozesse (Steinke, 2013) aus forschungsökonomischen Gründen in der Arbeit nicht systematisch dokumentiert.

Weiter wurden die verwendeten Erhebungsmethoden und der Erhebungskontext in Kapitel 7 ausführlich beschrieben. Die Beschreibung beinhaltete die Verwendung und Verarbeitung angewandter Verfahren, wie dem problemzentrierten Interview oder der Videographie. Darüber hinaus wurden die erhobenen Daten und deren Charakterisierung in Kapitel 7.2 beschrieben. Dies geht mit der Dokumentation der Transkriptions- und Protokollierungsregeln, die in Kapitel 7.2.2 beschrieben wurden, einher.

Die Datenanalyse erfolgte in kollegialen Gruppen. So wurde die Analyse mit Hilfe der Kodierleitfäden in verschiedenen Forschergruppen diskutiert bzw. der Kodierprozess von verschiedenen Forscherinnen und Forschern durchgeführt. Der Auswertungsprozess orientierte sich an den wissenschaftlichen Regeln der qualitativen Inhaltsanalyse: Der Kodierleitfaden entstand sukzessive durch mehrere Überarbeitungsschleifen und wurden immer wieder bzgl. Definitionen, Ankerbeispielen und Kodierregeln überarbeitet. Es wurde eine besondere Genauigkeit der Kodierung durch Definitionen und Ankerbeispiele für alle Kategorien und Subkategorien angestrebt. Bei unklarer

Methodik __________________________________________________________________________________

Zuordnung erfolgte dahingehend eine Revision des Kategoriensystems. Das vollständige Kategoriensystem sowie der komplette Kodierleitfaden kann dem Anhang I entnommen werden.

Außerdem wurden Beiträge mit einem zeitlichen Abstand von mehreren Wochen von der Forscherin ein zweites Mal kodiert, um der Intracoderreliabilität zu genügen. Unstimmigkeiten bei der Kodierung führten zu Überarbeitungsschleifen des Kodierleitfadens. Im Anschluss an die Prüfung der Intracoderreliabilität wurde die Intercoderreliabilität geschätzt, die die Übereinstimmung zweier Kodiererinnen bei der Kodierung des gleichen Materials bestimmt und in der vorliegenden Studie mit der Berechnung nach Holsti (1969) (Quotient aus Summe der Übereinstimmungen beider Kodiererinnen und Gesamtzahl der Kodierungen) beschreibt. Dies dient zur weiteren Kontrolle des Kategoriensystems sowie als Kontrolle der Kodiererin (Überblick bei Steinke, 2013).

Interpretationsunterschiede sind in der qualitativen Forschung eher die Regel als die Ausnahme. Daher deutete eine Übereinstimmung einer inhaltlichen Kategorie zwischen 75-85% auf eine gute bis sehr gute Qualität hin (Mayring, 2015). In der Anspruchsanalyse wurden ca. 25% (n= 9) zufällig ausgewählte Beiträge des Analysematerials zusätzlich von einer anderen Forscherin der Forschungsgruppe kodiert, um eine Intercoderreliabilität schätzen zu können. Nach dem ersten Durchgang (Intercoderreliabilität bei 78%) folgte eine kollegiale Validierung des Kodierleitfadens. Dabei stand hauptsächlich die Überarbeitung der Kategorie Methoden im Fokus. Schlussendlich betrug die Intercoderreliabilität 93%.

In der Wirklichkeitsanalyse (Interviews) beider Messzeitpunkte lag die Intercoderreliabilität bereits im ersten Durchgang (Cokodierung von ca. 70% der Fälle = 16 Lehrkräfte, 8 zu t0 und 8 zu t1 der Interventionslehrkräfte auf Ebene der Hauptkategorien) bei ca. 93% und konnte damit als sehr gut eingestuft werden. Kleinere Fehlerquellen bei der Kodierung betrafen die Unterscheidung der Kategorien Ziele und Inhalte bzw. Gesundheitsverständnis und Ziele, weshalb die Definitionen und Zuordnungsregeln dieser Kategorien nochmals final überarbeitet wurden. Hinsichtlich der Analyse der Unterrichtsbeobachtungen und der kooperativen Planungsprotokolle wurde die Intercoderreliabilität aufgrund von forschungsökonomischen Erwägungen nicht abgeschätzt.

Gegenstandsangemessenheit des Forschungsprozesses

Gegenstandsangemessenheit des Forschungsprozesses bedeutet, dass Forschungsgegenstand, Forschungsfragen und gewählte Erhebungs- und Auswertungsstrategien zueinander passend gewählt sind. In der vorliegenden Arbeit geht es um das Thema Gesundheit im Sportunterricht. Das Forschungsinteresse ist breit angelegt, so dass sowohl der sportpädagogische Anspruch, die Sportunterrichtswirklichkeit aus Lehrkraft- und wissenschaftlicher Beobachtersicht sowie die Schülerkompetenz von Interesse sind. Es sollte untersucht werden, inwiefern die durchgeführte Intervention in Form von kooperativer Planung sich im Sinne des Forschungsvohabens auf die eben

Methodik

__________________________________________________________________________________

144 angesprochenen Ebenen (Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler) auswirkt und damit als erfolgreich eingestuft werden kann.

Explanative Validierung

Im Rahmen des zirkulären Kodierprozesses einzelner Ebenen (z.B. innerhalb der Anspruchsanalyse), aber auch über verschiedene Ebenen hinweg (z.B. ist Kategoriensystem der Anspruchsanalyse Grundlage für Analyse der Sportunterrichtswirklichkeit) traten immer wieder Aspekte auf, bei denen eine explanative Validierung nötig war, so. z.B. bei der Prüfung von Inter- und Intracoderreliabilität.

Bei unterschiedlichen Coding-Zuordnungen wurde im Forscherteam gemeinsam diskutiert und sich auf ein Urteil geeinigt. Damit erfuhr der Kodierleitfaden eine permanente Weiterentwicklung.

Multi- und Mixed-Methods

Multi-Methods-Ansätze beschreiben ein Vorgehen, bei dem mehrere Methoden des gleichen Forschungsparadigmas (entweder quantitativ oder qualitativ) angewandt werden. Dieser Ansatz wurde in der vorliegenden Arbeit insofern verfolgt, als dass sowohl Interviews mit Lehrkräften als auch Unterrichtsbeobachtungen von Lehrkräften in ihrem Sportunterricht durchgeführt wurden. Mixed-Methods-Ansätze charakterisieren eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden (Mayring, 2001). Dies dient der Möglichkeit, im Forschungsprozess Ergebnisse der verschiedenen Zugänge ständig zu vergleichen und aus unterschiedlicher Perspektiven auf denselben Untersuchungsgegenstand zu schließen, um ‚blinde Flecken‘ einzelner Erhebungsmethoden zur vermeiden und ein vertieftes Verständnis des Forschungsgegenstandes zu generieren (Flick, 2009;

Mayring, 2015). Dabei kommt es darauf an, die methodische Logik des jeweiligen Zugangs zur beachten, d.h. der Stichprobenauswahl, der Erhebung und Auswertung der Daten sowie der Forschungsrichtung (deduktiv/induktiv) Beachtung zu schenken. Diese Thematik wurde in Kapitel 7.2-7.4 ausführlich thematisiert. Teddlie & Tashakkori (2006) unterscheiden fünf Mixed-Methods-Varianten/Familien (in Anlehnung an Johnson, 2014):

 Parallel Mixed-Methods-Designs: Qualitative und quantitative Methoden werden parallel (oder mit gewisser Zeitverzögerung) eingesetzt, um die gleichen Forschungsfragen zu beantworten.

 Sequential Mixed-Methods-Designs: Qualitative und quantitative Methoden werden nacheinander angewandt und bauen aufeinander auf; jeweilige Forschungsfragen sind miteinander verknüpft und können sich im Forschungsprozess weiterentwickeln.

 Conversion Mixed-Methods-Designs: Bei diesen parallelen Designs tritt ein Mischen von qualitativen und quantitativen Methoden auf, wenn eine Datenart sowohl qualitativ als auch quantitativ transformiert und analysiert wird. Dieses Design beantwortet verwandte Aspekte der gleichen Fragen.

Methodik __________________________________________________________________________________

 Multilevel-Mixed-Methods-Designs: Bei diesen parallelen oder sequentiellen Designs werden qualitative und quantitative Analyseverfahren im Sinne von Multi-Level-Analysen gemischt. Die Analysen der unterschiedlichen Level werden integriert betrachtet, um Aspekte der gleichen Fragestellung oder verwandten Fragestellungen zu beantworten.

 Fully integrated Mixed-Methods-Designs“: Bei diesen Designs werden die Methoden in allen Phasen des Studienverlaufs gemischt. In jeder Phase beeinflusst ein Ansatz die Formulierung der anderen. Dabei werden unterschiedliche Implementationsprozesse angewendet.

In der vorliegenden Studie wurde ein Parallel Mixed-Methods-Design verfolgt, bei dem qualitative und quantitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden unabhängig voneinander angewandt und die jeweiligen Ergebnisse am Ende zusammengebracht wurden. Dieser Ansatz wurde dadurch verfolgt, dass auf Lehrkraft-, Sportunterrichts- und Schulebene qualitativ und auf Schülerinnen und Schüler-Ebene quantitativ geforscht wurde.

Es kann zusammenfassend gesagt werden, dass wichtige Aspekte zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit berücksichtigt wurden. Die klare Passung zwischen Forschungsgegenstand, Forschungsfragen sowie Erhebungs- und Auswertungsmethoden wurde herausgearbeitet und können als gegeben angesehen werden. Weiter trug die explanative Validierung dazu bei, dass das Grundgerüst qualitativer Forschung, der Kodierleitfaden, ständig von mehreren Forschern überarbeitet wurde. Letztlich gewährleistete insbesondere der verfolgte Mixed-Methods-Ansatz, dass den in der Methodenliteratur diskutierten Gütekriterien qualitativer Forschung in sehr hohem Maße entsprochen werden konnte.

Als erstes werden nun im Kapitel 8 die Ergebnisse zum sportpädagogischen Anspruch dargestellt. Diese Ergebnisse sind die Basis für die Analyse der Wirklichkeit aus Beobachter- und Lehrkraftsicht sowie für die Analyse der schulspezifischen kooperativen Planungstreffen.

Ergebnisse zum sportpädagogischen Anspruch

__________________________________________________________________________________

146