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Begünstigter Personenkreis

Im Dokument DA-Asyl Stand 21.02.2019 (Seite 147-153)

Familienasyl/internationaler Schutz für Familienangehörige

2. Begünstigter Personenkreis

2.1 Allgemein

Die Gewährung von Familienasyl kommt gem. § 26 AsylG in Betracht soweit die Anerkennung des Stammberechtigten unanfechtbar und nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist für

- Ehegatten oder Lebenspartner des Stammberechtigten,

- Eltern eines minderjährigen ledigen Stammberechtigten, soweit sie die Personensorge innehaben

- einen anderen Erwachsenen, der für den minderjährigen ledigen Stammberechtigten verantwortlich ist (Personensorgeberechtigung)

- zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen ledigen Stammberechtigten

o deren Gemeinschaft bereits im Staat der politischen Verfolgung15 bestanden hat und

o soweit die Einreise vor der Anerkennung des Stammberechtigten erfolgte oder unverzüglich nach der Einreise ein Asylantrag gestellt wurde

- zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Kinder des Stammberechtigten.

Grundsatz:

- keine Ableitung von Familienschutz aus abgeleitetem Schutz

Das BVerwG hat bereits mit Urteil vom 16.08.1993, 9 C 7/93 festgestellt (ähnlich auch BayerVGH Urteil vom 12.06.18 - 20 B 18.30332), dass Familienschutz nicht von einer Person abgeleitet werden kann, die selbst nur einen abgeleiteten Schutz hat. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 26 AsylVfG (jetzt AsylG). Nach Abs. 4 Satz 2 gelten die Absätze 2 und 3 nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Diese ausdrückliche Regelung lässt nicht den Umkehrschluss zu, in allen anderen Fällen sei eine Weitergabe möglich. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerwG enthielt die Regelung zum Familienasyl auch schon die ausdrückliche Vorgabe, dass Kinder mit Familienschutz diesen nicht an ihre Kinder weitergeben können.

- im HKL gelebte Gemeinschaft muss grds. auch in Deutschland gelebt werden

Nach § 26 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG müssen Ehe, Lebenspartnerschaft oder Familie bereits im Herkunftsland bestanden haben. Die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Stammberechtigten muss auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehen. Das gilt auch beim Familienasyl für Kinder nach Abs. 2 (s. Hessischer VGH, B. v. 29.07.2002, 9 ZU 454/02.A).

- Familienschutz kann auch mit einem Folgeantrag geltend gemacht werden

15 des Stammberechtigten; in diesem Kapitel im Weiteren = Herkunftsland (HKL); HKL = Land, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller besitzt bzw. bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (s. Kapitel Staatsangehörigkeit)

Der Folgeantrag muss innerhalb von drei Monaten gestellt werden und alle Voraussetzungen des Familienschutzes müssen vorliegen. Familienschutz kann auch gewährt werden, wenn der Antragsteller bereits einen Schutzstatus besitzt, aber einen höheren Schutz erreichen kann oder aber eine Ablehnung erhalten hat.

- Staatsangehörigkeit

Die Voraussetzungen des Familienschutzes liegen nicht vor, wenn der Familienangehörige nicht die gleiche Staatsangehörigkeit wie der Stammberechtigte oder daneben weitere Staatsangehörigkeiten besitzt.

Die Grundannahme des Gesetzgebers der „Verfolgungsgemeinschaft“ im Herkunftsland kann dann nicht zutreffen, wenn abweichende Staatsangehörigkeiten vorliegen. Eine Verfolgungsgefahr ist immer für das Land der eigenen Staatsangehörigkeit/en (bzw. bei Staatenlosen des gewöhnlichen Aufenthalts) zu prüfen. Besitzt eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten, kommt eine Flüchtlingsanerkennung nur in Betracht, wenn in allen Staaten Verfolgung droht. Die Gewährung von Familienschutz ist daher nicht erforderlich, wenn im Land bzw. in einem Land, dessen Staatsangehörigkeit ein Antragsteller besitzt, eine Verfolgung auszuschließen ist (s. Kapitel Staatsangehörigkeit 2.1).

Auch nach Art. 23 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie (Q-RL) haben Familienangehörige, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Schutz erfüllen, nur Anspruch auf Leistungen nach den Artikeln 24-35 Q-RL. Die Gewährung dieser Rechte erfolgt im deutschen Recht u.a. über das AufenthG. Die Vorgaben der Q-RL sprechen aber explizit nicht von „Schutzgewährung“.

Daher ist beispielsweise ein Schutzstatus offensichtlich nicht erforderlich, wenn der Familienangehörige (auch) eine EU-Staatsangehörigkeit besitzt.

Weitere Voraussetzungen/ergänzende Ausführungen: s. zwingend einzelne Personengruppen!

2.2 Ehegatten - Lebenspartner

2.2.1 Staatliche Formerfordernisse einer Eheschließung

Eine im Ausland geschlossene Ehe ausländischer Personen muss den Formerfordernissen des HKL entsprechen. Zumeist bedeutet dies auch, dass die Ehe zu registrieren ist. So kann eine nur religiös geschlossene Ehe keinen Ableitungsanspruch begründen, wenn es daneben eine staatliche Eheschließung bzw. Registrierung gibt (z.B.

Imam-Ehe; s. Wissenschaftlicher Dienst WD 7-3000-019/16).

Kann ein Registrierungsnachweis nicht vorgelegt werden und ist die Beschaffung für den Antragsteller auf Grund zu befürchtender Eigengefährdung oder Gefährdung von Familienangehörigen, die an einer Beschaffung mitwirken könnten, nicht zumutbar, muss eine den Formerfordernissen des HKL entsprechende Eheschließung glaubhaft vorgetragen werden.

2.2.2 Ehe aufhebbar oder nichtig

Zu beachten ist, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderehe am 22.07.2017 im Fall einer aufhebbaren oder nicht wirksamen Ehe (Nichtehe) ein Ableitungsanspruch nur für den zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährigen Ehepartner besteht (§ 26 Abs. 1 S. 2 AsylG-neu). Zu den rechtlichen Voraussetzungen der Eheaufhebung bzw. Nichtehe s. Kapitel Unbegleitete Minderjährige.

2.2.3 Mehrehe – Auswirkungen auf Ehefrauen und Kinder

Art. 6 Abs. 1 GG schützt allein die Verbindung eines Mannes mit einer Frau. § 26 AsylG ist daher dergestalt auszulegen, dass Familienschutz nach dem Prinzip der grundgesetzlich geschützten Einehe auch nur für jeweils einen Ehegatten möglich sein kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Ehen im HKL wirksam geschlossen wurden.

Im Ergebnis kann also Familienschutz nur für eine Frau vom Ehemann als Stammberechtigtem abgeleitet werden. Hat eine der Frauen bereits Schutz erhalten, steht der anderen kein Familienschutz zu. Dabei ist es unerheblich, wen der Mann als Erst- oder Zweitfrau ansieht – es ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Für weitere Frauen bleibt unberührt davon die Möglichkeit eines Asylantrags aus eigenem Rechtsanspruch.

Wird für mehrere Ehefrauen gleichzeitig Antrag auf Familienschutz gestellt, so ist der den Formerfordernissen des HKL entsprechenden Ehe der Vorrang zu geben bzw.

ersatzweise der am längsten bestehenden Ehe, soweit diese glaubhaft gemacht werden kann. Die betroffenen Personen sind in jedem Fall getrennt anzuhören!

Bei Eheschließung nach Verlassen des Herkunftslandes ist die Ableitung eines Familienschutzes für die Ehepartner ausgeschlossen, da die gesetzliche Regelung den Bestand familiärer Bindungen bereits im HKL zur Voraussetzung erklärt.

Kinder aus Mehrehen können grds. von beiden Elternteilen Schutz ableiten, soweit diese selbst Stammberechtigte sind. Kinder eines Stammberechtigten sind daher z.B.

familienschutzberechtigt, wenn sie zwar unterschiedliche Mütter haben, ihren Anspruch aber vom gemeinsamen Vater als Stammberechtigten ableiten. Ist die Mutter eines Kindes Stammberechtigte, können die Kinder aus einer anderen Ehe ihres Mannes mangels Verwandtschaft jedoch keinen Familienschutz über diese ableiten.

2.2.4 Lebenspartner

Lebenspartner i.S.d. § 26 Abs. 1 AsylG sind i.V.m. § 1 Abs. 1 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) Personen, die bereits im HKL mit dem Stammberechtigten eine auf Lebenszeit angelegte gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingegangen sind. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist, dass das betreffende HKL das Rechtsinstitut der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft anerkennt und eine solche ermöglicht. Die Beschränkung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner ergibt sich aus der Begründung des Umsetzungsgesetzes zur Qualifikationsrichtlinie (Q-RL; 2011/95/EU). Diese beschränkt den nichtehelichen Partner zwar nicht auf den gleichgeschlechtlichen Partner, regelt jedoch, dass die Partnerschaft im Mitgliedstaat der Ehe vergleichbar behandelt wird.

Die Gleichstellung gilt in Deutschland nur für gleichgeschlechtliche Paare.

2.3 Kinder – Geschwister – Eltern/Personensorgeberechtigte

Kinder eines Stammberechtigten sind eheliche, nicht-eheliche und adoptierte Kinder. Für den Familienschutz muss eine familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Stammberechtigten bestehen.

Enkelkinder, Kinder eines „anderen Erwachsenen“ oder Kinder von Geschwistern sind nicht von der Regelung umfasst (§ 26 Abs. 4 S. 2 AsylG – keine Ableitung von abgeleitetem Schutz).

Nach dem Wortlaut der Regelung könnten auf der Flucht oder in Deutschland nachgeborene Kinder keinen Familienschutz vermitteln, da die Familie so im HKL noch nicht bestanden haben kann. Ausgeschlossen werden soll Familienschutz für nach der Ausreise willkürlich geschaffene Familienverbindungen. Bei nachgeborenen Kindern muss daher eine gesonderte Betrachtung erfolgen. Sie können der Mutter den Familienschutz vermitteln, wenn diese die Personensorge ausübt. Für den Vater und Geschwister kommt es darauf an, ob die Familie, in die das stammberechtigte Kind hineingeboren wird, bereits im HKL bestanden hat. Geschwister, die ebenfalls erst nach der Ausreise aus dem HKL geboren worden sind, können den Familienschutz erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung in familiärer Lebensgemeinschaft leben.

Die Ableitung der Schutzgewährung minderjähriger lediger (Halb-)Geschwister liegt ebenso i.S.d. Wahrung der Familieneinheit wie des Minderjährigenschutzes. Da es für die Minderjährigkeit des antragstellenden Geschwisters gem. der gesetzlichen Formulierung auf den Zeitpunkt seiner Asylantragstellung ankommt, muss für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten für die Prüfung der Voraussetzung derselbe Zeitpunkt gelten. Eine andere Bewertung wäre in sich widersprüchlich.

Stiefgeschwister können allerdings mangels Verwandtschaft keinen Schutz voneinander ableiten.

Eltern/Personensorgeberechtigte können nur so lange Schutz von ihrem Kind ableiten, wie dieses zum Zeitpunkt der Entscheidung noch minderjährig ist. Denn gem. § 26 Abs. 3 AsylG ist beim Familienasyl für die Eltern in Bezug auf die Minderjährigkeit des Kindes als Stammberechtigten nicht wie in Abs. 2 auf den Zeitpunkt der Antragstellung der Eltern abzustellen. Das Tatbestandsmerkmal "Personensorge" ist zwingende Voraussetzung und kann ebenfalls nur so lange vorliegen, wie der Stammberechtigte noch minderjährig ist. In der entspr. Kommentierung von Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht AsylG § 26 Rn. 16 wird darauf hingewiesen, dass „zusätzlich der aktuelle Bestand der Personensorge (Nr. 5) bejaht werden muss“ (ähnlich BeckOK AuslR/Günther AsylG § 26 Rn. 23b). Im Hinblick auf Vaterschaftsanerkennungen ist darauf zu achten, dass diese alleine nicht das Vorliegen einer Personensorgeberechtigung bewirkt. „Für die elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern regelt § 1626a BGB, dass, wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, ihnen die elterliche Sorge [nur] dann gemeinsam zusteht, wenn sie erklären, dass sie die Personensorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärung) oder sie einander heiraten. Nach § 1626a Abs. 2 BGB hat im Übrigen die Mutter die elterliche Sorge“ (BayerVGH 12.06.18 - 20 B 18.30332).

2.4 Andere Erwachsene

Dies sind i.S.d. § 26 Abs. 3 AsylG Personen, die nach deutschem Recht bzw. deutscher Praxis für den Minderjährigen verantwortlich sind und auch bereits im Herkunftsland für ihn verantwortlich waren. Verantwortlichkeit nach deutschem Recht bzw. Praxis setzt eine gerichtliche Entscheidung zur Personensorge voraus (z.B. Pflegschaft, Vormundschaft).

2.5 Übersicht Ableitungsmöglichkeiten und Verbote

Im Dokument DA-Asyl Stand 21.02.2019 (Seite 147-153)