3 Rückgewinnung von Ressourcen
3.3 Anpassen im Produktlebenszyklus
3.3.4 Anpassungsarten
Die Auswahl der Anpassungsprozesse erfolgt über einen Vergleich des Soll- und Istzustandes. Der Sollzustand wird über die vom Kunden gewünschte Qualität beschrieben.
Möglichkeiten einer erneuten Verwendung werden bisher mit Prozessen der Instand-haltung oder Aufarbeitung in Verbindung gebracht. Der Begriff Reparatur wird in der Literatur und Praxis synonym zur Instandsetzung benutzt. Eine Instandhaltung [DIN-85a] beinhaltet:
• Inspektion,
• Wartung und
• Instandsetzung.
Sie dient dazu, die vorgesehene Nutzungsdauer eines Produktes zu erreichen. Die Inspektion dient zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes von technischen Mitteln eines Systems. Durch die Wartung soll der Sollzustand gewahrt und durch die Instandsetzung wiederhergestellt werden [DIN-85a].
Auch bei der Aufarbeitung soll die vorgesehene Nutzungsdauer erreicht und der Sollzustand hergestellt werden [VDI2243-93]. Die Instandsetzung wird von der Aufarbeitung über die Höhe des erzielten Abnutzungsvorrats abgegrenzt (Bild 3-12).
Der Abnutzungsvorrat ist die Vorratsmenge an Funktionserfüllung unter festgelegten Bedingungen, die einer Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung oder Wieder-herstellung innewohnt [DIN-85a]. Die Instandsetzung dient der Schaffung eines Restabnutzungsvorrats, d.h. die Funktionsfähigkeit wird wieder hergestellt. Die Auf-arbeitung hingegen stellt den ursprünglichen Abnutzungsvorrat eines Produkts wieder her.
Zur Unterscheidung von Instandsetzung und Aufarbeitung von Motoren hat der Verband der Motoreninstandsetzungsbetriebe (VMI) Qualitätskriterien festgelegt (Bild 3-12). Diese Kriterien betreffen sowohl das Produkt selbst, als auch die erfor-derlichen Prozesse und können als Verallgemeinerung auch auf andere Produkte herangezogen werden.
1. Nutzungsphase 2. Nutzungsphase
Abnut- zungs-vorrat 100 %
mögliche Nutzungsdauer Aufarbeitung
Instandsetzung Ausfall
Aufarbeitung (Austauschmotor)
Instandsetzung (grundinstandgesetzter oder
teilinstandgesetzter Motor
Demontage-umfang alle Bauteile
Grundinstandsetzung: mindestens Zylinderkopf, Kurbelwelle und Kurbeltrieb
Teilinstandsetzung: entsprechend der Abnutzung
Prüftiefe
alle Bauteile, End-kontrolle nach Kriterien für neue Motoren
alle demontierten Bauteile
Umgang mit Verschleißteilen
Ersatz aller
Verschleißteile keine Vorgaben Art der
Ersatzteile Neuteile in Herstellerqualität
keine Vorgaben, (Neuteile und Gebrauchtteile sind möglich) durchführender
Betrieb
Hersteller oder von ihm
autorisierter Betrieb keine Vorgaben Anpassung
Qualitäts-kriterium
Bild 3-12: Verlauf und Erhöhung des Abnutzungsvorrats [Ste-88] mit Qualitäts-kriterien für Motoren nach [Lie-98]
Die festgelegten Qualitätskriterien sind:
• Demontageumfang,
• Prüftiefe,
• Umgang mit Verschleißteilen,
• Art der benutzten Ersatzteile und
• Betrieb, der die Anpassung durchführt [Lie-98].
Durch die vollständige Demontage und Prüfung des Motors sowie den Ersatz aller Verschleißteile durch Neuteile wird beim aufgearbeiteten Motor dem sogenannten Austauschmotor die Qualität des Neumotors erreicht. Physische Abnutzungen lassen sich durch Warten vermeiden, durch Instandsetzen vermindern und durch Aufarbeiten beseitigen. Welche Anpassungsart gewählt wird, hängt damit vom angestrebten Ergebnis bezogen auf den Abnutzungsvorrat ab. Dabei orientiert sich der Abnutzungsvorrat an den zum Zeitpunkt der Konstruktion festgelegten Sollzu-stand.
Warten, Instandsetzen und Aufarbeiten reagieren damit nicht auf veränderte An-forderungen. Funktion und Gestalt des Produktes bleiben erhalten bzw. werden wieder hergestellt. Technischer Fortschritt, Gesetzesänderungen, Modeent-wicklungen, Wertewandel und gewandelte Nutzung fordern häufig eine veränderte Funktion und/oder Gestalt des Produktes (vgl. Tabelle 3-9). Die Anpassungsarten werden daher um Modernisieren, Umrüsten, Erweitern, Reduzieren, Vergrößern und Verkleinern ergänzt. Diese unterschieden sich hinsichtlich des Ausmaßes der Funktions- und/oder Gestaltveränderungen des Produkt [Sel-97c].
Tabelle 3-13 stellt die Anpassungsarten und ihre Eigenschaften zusammen. Sie gibt die Einsatzmöglichkeiten für die Anpassungsarten in Abhängigkeit der Abnutzungen, ihre Auswirkungen auf Funktions- und Gestaltänderungen und die Zu- und Abfuhr von Komponenten sowie den Einsatz von gebrauchten Komponenten an.
Anpassung Beschreibung
Warten Maßnahme zur Vermeidung physischer Veränderungen. Der aktuelle Zustand von Produkten und Komponenten wird bewahrt. Funktion und Gestalt bleiben erhalten.
Instandsetzen Maßnahme zur Verminderung physischer Veränderungen. Funktion und Gestalt werden wieder hergestellt. Der ursprüngliche Abnut-zungsvorrat wird jedoch nicht vollständig wiederhergestellt. Der Einsatz gebrauchter Komponenten ist möglich. Komponentenzu- und -abfuhr kann erforderlich werden.
Aufarbeiten Maßnahme zur Beseitigung physischer Veränderungen. Funktion und Gestalt werden wieder hergestellt. Es erfolgt ein Austausch von Komponenten zum Aufbau des ursprünglichen Abnutzungsvorrates.
Zur Aufarbeitung kommen Neuteile zum Einsatz.
Erweitern Maßnahme, die durch Schaffung zusätzlicher Funktionen zur Er-füllung veränderter Anforderungen dient. Kann mit dem Zugang von Komponenten verbunden sein und zu einer Veränderung der Gestalt führen. Der Einsatz gebrauchter Komponenten ist möglich.
Reduzieren Maßnahme, die durch Reduzierung der Funktion zur Erfüllung ver-änderter Anforderungen dient. Kann mit dem Abgang von Kompo-nenten verbunden sein und zu einer Veränderung der Gestalt führen.
Vergrößern Maßnahme, die durch Zugang von Komponenten zur Erfüllung veränderter Anforderungen dient und zur einer Gestaltänderung führt. Der Einsatz gebrauchter Komponenten ist möglich. Die Funktion wird beibehalten.
Verkleinern Maßnahme, die durch Abgang von Komponenten zur Erfüllung veränderter Anforderungen dient und zur einer Gestaltänderung führt. Die Funktion wird beibehalten.
Umrüsten Maßnahme, die durch Veränderung der Gestalt und/oder Funktion unter Verwendung vorhandener Komponenten zur Erfüllung verän-derter Anforderungen dient. Ein Zu- oder Abgang von Komponenten erfolgt nicht.
Modernisieren Maßnahme, die durch Veränderung der Gestalt und/oder Funktion unter Zu- und/oder Abgang von Komponenten zur Erfüllung verän-derter Anforderungen dient. Der Einsatz gebrauchter Komponenten ist möglich.
Tabelle 3-13: Klassifizierung der Anpassungsarten
Die Anpassung beinhaltet damit bekannte Prozesse aus der Instandhaltung und dem Produktrecycling. Diesen Zusammenhang zeigt Bild 3-13. Damit werden die in der Literatur und Praxis gebräuchlichen Begriffe gleichzeitig strukturiert. Die Inspektion
bildet keine eigenständige Anpassungsart. Sie ist in jeder Anpassungsart enthalten, da die Feststellung des Istzustandes durch die Inspektion eine Voraussetzung für die Wiederherstellung des Sollzustandes ist.
Instandhalten (DIN 31051) Inspektion Warten
Instand-setzen
Verkleinern Umrüsten Moder-nisieren
Warten Aufarbeiten
Aufarbeiten eines PKW Motors Warten eines
PKW
Instandsetzen eines Krad
Erweitern um ein Navigationssystem
Vergrößern des Tankvolumens
Umrüsten eines PKW
Modernisieren eines Funktelefons Erweitern um ein
Navigationssystem
Vergrößern des Tankvolumens
Umrüsten eines PKW
Modernisieren eines Funktelefons
Bild 3-13: Zusammenhang zwischen Instandhaltung, Produktrecycling und Anpassen mit Anwendungsbeispielen
Neben der Zu- und Abfuhr von Komponenten sind für eine Anpassung Fertigungs-prozesse nach DIN 8580 [DIN-85b] erforderlich. In der Regel erfordert Anpassen Demontage und Remontage. Die Demontage dient dazu, den Zugang zu den Komponenten eines Produktes zu ermöglichen. Ihr Umfang ist von der Art der Anpassung abhängig. So wird z.B. für die meisten Wartungsarbeiten eine Demonta-ge von AbdeckvorrichtunDemonta-gen Demonta-genüDemonta-gen. Ein Austausch von Bauteilen oder –gruppen hingegen wird eine weitergehende Demontage nötig machen. Die Aufarbeitung erfordert eine vollständige Demontage.
Bei einer Anpassung werden häufig Reinigungsprozesse eingesetzt. Die Auswahl weiterer Fertigungsprozesse ist komponenten- und abnutzungsspezifisch. So kommen Trennverfahren wie Spanen oder Abtragen, aber auch Umformen, Be-schichtung sowie Stoffeigenschaftsändern zum Einsatz. Sie werden im weiteren unter dem Begriff Bearbeitung zusammengefaßt. Bild 3-14 stellt die Anpassungs-arten und ihre Prozesse dar. Eine Sonderstellung nehmen die AnpassungsAnpassungs-arten Erweitern, Reduzieren, Vergrößern, Verkleinern und Modernisieren ein. Hier sind softwaretechnische Realisierungen denkbar. In diesen Fällen werden keine Ferti-gungsprozesse erforderlich. Da es sich bei Software um sogenannte demateriali-sierte Komponenten handelt, entfallen hier auch Demontage und Remontage. So kann beispielsweise das manuelle Getriebe des Kleinwagens vom Typ smart durch softwaretechnisches Freischalten auf Automatik erweitert werden.
Demontage Demontage
Reinigung Reinigung
Bearbeitung / Komponenten-Zufuhr/Abfuhr Bearbeitung /
Komponenten-Zufuhr/Abfuhr Remontage Remontage
Anpassungsprozeß
Fertigungsprozesse (DIN 8580)
Anpassung
Zufuhr / Abfuhr- von Komponenten Demontage Reinigung Bearbeitung Remontage De-/ Remontageablauf Prüfen / Sortieren
Warten (x) (x) (x) (x) = P
Instandsetzen (Z/A)
x (x) (x) x ↔ P/S
Aufarbeiten (Z/A)
x x x x = P/S
Erweitern (A/Z)
(x) (x) (x) (x) ↔ P/(S) Reduzieren (A/Z) (x) (x) (x) (x) ↔ P
Vergrößern Z
(x) (x) (x) x ↔ P
Verkleinern A
(x) (x) (x) (x) ↔ P
Umrüsten x (x) (x) x ↔ P/(S)
Modernisieren (A)/Z
(x) (x) (x) (x) ↔ P/(S)
=: gleichbleibend ↔: veränderlich x: erforderlich ( ): nicht zwingend Z: Zufuhr A: Abfuhr
P: Prüfen S: Sortieren
Prozesse
Prüfung und Sortierung
Bild 3-14: Anpassungen und ihre Prozesse