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Analyse von Verwaltungsdokumenten

Im Dokument Seeing Like a Tourist City (Seite 79-82)

5. Methodik: Politisch-administrative (Ent-)Problematisierungen empirisch analysieren

5.1 Analyse von Verwaltungsdokumenten

Die Analyse von Verwaltungsdokumenten (zum Dokumentenbestand  Kapitel 5.1.1) aus den Jahren 2011–2016 diente im Wesentlichen zwei Zielen. Zum einen sollte die dokumentierte politisch-administrative Deutung tourismusbedingter Konflikte systematisch erschlossen werden. Zum anderen sollte mit der Dokumentenanalyse die analytische Aufmerksamkeit der teilnehmenden Beobachtungen geschärft werden – ohne dabei den explorativen,

„überraschungsoffen(en)“ (Breidenstein et al. 2013: 39) Charakter selbiger zu limitieren.

Ausgehend von der gouvernementalitätstheoretisch explizierten Setzung, dass (politisch-administrative) Problembeschreibungen aufs engste mit der Verfügbarkeit von Lösungen verbunden sind, ist ein diskursanalytisch informiertes Vorgehen bei der Umsetzung der Dokumentenanalyse sinnvoll. Diskursanalytisch angelegte Untersuchungen zielen u. a. auf Aussage- und Formationsregeln schriftlich verfasster Aussagen. Für die Konzeption der Dokumentenanalyse wurde daher die Methodenliteratur zu diskursanalytischen Verfahren der Stadtforschung herangezogen (vgl. Glasze und Mattissek 2009; Bauriedl 2008; Füller 2014).

Diese Literatur sensibilisiert zunächst grundsätzlich dafür, möglichst ergebnisoffen an das Dokumentenmaterial heranzutreten, um „mit dem Problem der (wissenschaftlichen) Reproduktion von Deutungssystemen“ (Bauriedl 2008: 292) einen Umgang zu finden. Im Sinne

dieser Ergebnisoffenheit galt es zu vermeiden, dass die Empirie im Forschungsprozess entsprechend bestehender Erwartungen zugeschnitten wird (vgl. Füller und Marquardt 2009).

Eine diskurstheoretisch begründete „Analyse der Beziehungen zwischen [...] einzelnen Aussagen“ (Füller 2014: 72, Herv. d. Verf.) ist hilfreich, weil politisch-administrative Positionierungen im Hinblick auf konflikthaften Stadttourismus (ähnlich wie parteipolitische Positionierungen) nur begrenzt zu verstehen sind, wenn man ihre Elemente (u. a. Beschreibung eines Sachverhalts, Lösungsvorschläge, Haltungen) isoliert betrachtet. Nach Scheffer (2014:

386) artikulieren sich politisch-administrative Positionierungen vielmehr in „Problem-Lösungs-Kombinationen“ (Luhmann 2002: 22, nach Scheffer 2014: 386). Daher ging es in der diskursanalytisch informierten Dokumentenanalyse darum, mittels eines kodierenden Verfahrens die Regelhaftigkeit politisch-administrativer Diskurse über konflikthaften Stadttourismus zu erschließen. Wie bei qualitativen Inhaltsanalysen (z. B. Mayring 2003) wurde das zusammengetragene Material (s. u.) zunächst kodiert, um danach die „‚Codes‘ [...]

entsprechend ihrer empirischen ‚Verwendungsweise‘ zu empirisch begründeten [...] Aussagen über die Strukturiertheit, Regelhaftigkeit der (Diskurs-)Ordnung“ zusammenzufügen (Diaz-Bone und Schneider 2003: 474, zit. n. Glasze et al. 2009: 294).

Im Folgenden werden die zwei Analyseschritte skizziert, entlang derer die Auswertung der Dokumente im Hinblick auf politisch-administrative (Ent-)Problematisierungen tourismusbedingter Konflikte vorgenommen wurde. In Kapitel 5.1.1 geht es um die Erfassung und Zusammenstellung öffentlich zugänglicher Dokumente; das darauffolgende Kapitel 5.1.2 thematisiert die inhaltsanalytische Auswertung der Dokumente auf Basis einer deduktiven und induktiven Kodierung der dokumentierten Problem-Lösungs-Kombinationen.

5.1.1 Erfassung und Zusammenstellung öffentlich zugänglicher Dokumente

Für die Dokumentenanalyse wurden insgesamt 34 Dokumente des städtischen Tourismusmanagements erfasst ( tabellarische Aufstellung im Anhang). Es handelt sich also zum einen um Dokumente, die von der für Tourismus zuständigen SfW und von visitBerlin veröffentlicht wurden (Strategiepapiere, Jahresberichte etc.). Zudem wurden Protokolle der parlamentarischen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses82 ausgewertet, in denen Vertreter*innen der für Tourismus zuständigen SfW und Mitarbeiter*innen von visitBerlin

82 Aus der 16. Wahlperiode (26.10.2006 – 27.10.2011) wurden nur jene Protokolle des Wirtschaftsausschusses und des Hauptausschusses ausgewertet, die im Zeitraum 01.01.2011 – 26.10.2011 angefertigt wurden. Die Protokolle der 17. Wahlperiode (27.10.2011 – 20.06.2016) wurden komplett ausgewertet. Gleiches gilt für die Plenarprotokolle aus der 16. und 17. Wahlperiode.

konflikthaften Tourismus thematisierten (Vertreter*innen von visitBerlin kamen bei Anhörungen zu Wort). Die Antworten des Wirtschaftssenators bzw. der Wirtschaftssenatorin auf im Plenum aufgeworfene Fragen wurden ebenso in die Dokumentenanalyse einbezogen Die Entscheidung, Dokumente ab Januar 2011 einzubeziehen, rührt daher, dass in etwa zu diesem Zeitpunkt (also um 2010/11) politisch-administrative Reaktionen auf den als konflikthaft problematisierten Tourismus einsetzten ( Kapitel 3.2). Für die Entscheidung,

„nur“ Dokumente einzubeziehen, die bis einschließlich Herbst 2016 veröffentlicht wurden, gab es schließlich zwei Gründe. Ein forschungspraktischer Grund, nur bis Herbst 2016 veröffentlichte Dokumente einzubeziehen, bestand darin, dass mit der Dokumentenanalyse die teilnehmende Beobachtung vorbereitet werden sollte. Es ging also darum, die Dokumentenanalyse vor Beginn der teilnehmenden Beobachtung im Februar 2016 fertigzustellen. Der Grund, schließlich zusätzlich jene Dokumente zu berücksichtigen, die bis Herbst 2016 veröffentlich wurden (also während der Phase der teilnehmenden Beobachtung), bestand darin, dass so alle Dokumente „mitgenommen“ werden konnten, die unter der SPD/CDU-Koalition (Senat Wowereit IV83, Senat Müller I84) veröffentlicht wurden.

Um möglichst alle öffentlich zugänglichen Dokumente zu erfassen, die politisch-administrative Positionierungen im Hinblick auf konflikthaften Stadttourismus enthalten, wurden zunächst die Websites der genannten Institutionen, die Parlamentsdokumentation des Abgeordnetenhauses sowie Sekundärliteratur zur Berliner Tourismuspolitik durchsucht. Die teilnehmende Beobachtung während des Forschungspraktikums bei visitBerlin (02.2016 – 08.2016) wurde genutzt, um zu überprüfen, ob ich alle öffentlich zugänglichen Dokumente erfasst hatte.

5.1.2 Kodierung und Erschließung von Problem-Lösungs-Kombinationen

Um die Formationsregeln der politisch-administrativen (Ent-)Problematisierung tourismusbedingter Konflikte zu erfassen, setzte das Kodierungsverfahren auf der Ebene von

„Artikulationen“ (Glasze et al. 2009: 295) an. Artikulationen sind nach Glasze et al. (ebd.) beispielsweise Argumente, narrative Muster, Aussagen oder „story lines“. Gemeinsam haben derlei Artikulationen, dass sie „Elemente miteinander in Beziehung“ (ebd.) setzen, die durch Äquivalenz, Opposition, Kausalität oder Temporalität geprägt sein können.

Das Kodierungsverfahren ist nun insofern deduktiv angelegt, als dass die Kombination von

„Artikulationen“ der Problembeschreibung mit entsprechenden Schlussfolgerungen von

83 Der Senat Wowereit VI umfasste den Zeitraum vom 24.11.2011 bis 11.12.2014.

84 Der Senat Müller I umfasste den Zeitraum vom 11.12.2014 bis 8.12.2016.

vornherein angenommen wurde. Die beiden deduktiv definierten „Basiscodes“

(Problembeschreibung und Schlussfolgerung) wurden in einem induktiven Kodierungsschritt ausdifferenziert. Das heißt, aus den zur Verfügung stehenden Texten wurde nach und nach herausgelesen, welche spezifischeren Kategorien insbesondere der Problembeschreibung zum Einsatz gebracht werden. Aus diesem induktiven Kodierungsschritt ergab sich, dass tourismusbedingte Probleme durch (1.) „gesamtstädtische Entwicklungstendenzen“, (2.)

„Problemausprägungen“, (3.) „konkrete Ursachen und Verursacher“ sowie (4.) die

„Problemwahrnehmung von Berliner*innen“ politisch-administrativ unterschiedlich beschrieben wurden. Der induktive Kodierungsschritt im Hinblick auf die politisch-administrativen Schlussfolgerungen ergab, dass die etwaigen Folgen tourismusbedingter Konflikte primär im Hinblick auf einen (1.) „Akzeptanzverlust gegenüber dem Tourismus“ und (2.) „Imageschäden für die Destination Berlin“ politisch-administrativ spezifiziert werden.

Auf Basis der überschaubaren Anzahl öffentlich zugänglicher Dokumente (34) ließ sich die dokumentierte Deutung tourismusbedingter Probleme (und entsprechender Schlussfolgerungen) anhand der genannten Codes systematisch aufschlüsseln – auch im Hinblick auf die Frage, wie stark die einzelnen Problemdeutungskategeorien im Material vertreten sind ( Kapitel 6).

Im Dokument Seeing Like a Tourist City (Seite 79-82)

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