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Analyse von Einzelindikatoren

Im Dokument Projekt I C 4 – 02 08 15 – 12/11 (Seite 171-176)

Abbildung 7-3: Relevanz und Bewertung der Standortfaktoren Die Sicht der Industrie

7.3 Analyse von Einzelindikatoren

Der bisherige Blick auf die fünfzehn Obergruppen hat den Vorteil, dass die Ergebnisse sehr verdichtet dargestellt werden können. Diese Vorgehensweise ist auch deshalb angebracht, weil der Hauptzweck dieser Befragung in der Ableitung von Gewichten für die Berechnung eines

Indexes zur Messung der industriellen Standortqualität in mehreren Ländern besteht. Dafür ist eine gewisse Fokussierung auf Oberthemen hilfreich, weil dieser Index nur bei einer klar beschränkten Anzahl von Themen sinnvoll berechnet werden kann und interpretationsfähig bleibt. Durch die Zusammenfassung der insgesamt 71 Einzelaspekte zu Obergruppen gehen aber trotzdem Informationen verloren, die wichtig sein können. Deshalb sollen in diesem Abschnitt ausgewählte Befunde auf der Ebene der Einzelindikatoren dargestellt werden. Einen Überblick über alle abgefragten 71 Standortfaktoren gibt die Anlage 3.

Relevanz und Bewertung aus der Sicht der Industrie

Die Tabelle 7-4 gibt einen Überblick über die 25 Einzelthemen, die für die Industrieunternehmen die höchste Relevanz haben. Daneben sind die entsprechenden Ergebnisses für die

Dienstleistungsunternehmen abgetragen. Die letzte Spalte zeigt die Bewertung der

Standortqualität dieser Einzelindikatoren aus der Sicht der Industrie. Es ist wenig verwunderlich, dass die Einzelaspekte als besonders relevant eingestuft werden, die zu den drei Oberthemen (Energie und Rohstoffe, Ordnungsrahmen und Bürokratie) gehören, die insgesamt die höchsten Bedeutungen haben.

An der Spitze steht mit einer Relevanzquote von 92,4 Prozent die „ausreichende und stabile Stromversorgung―.63 Die überragende Bedeutung des Ressourcenthemas für die Industrie wird auch dadurch deutlich, dass die anderen Indikatoren dieser Obergruppe in der Rangliste weit oben stehen. Dazu zählen eine „ausreichende und stabile Energieversorgung― (91,0 Punkte) und

„Rohstoffversorgung― (86,9 Punkte). Alle drei Aspekte landen in der Bewertung unter den TOP-10.

Die Industrieunternehmen benoten die Qualität dieser Standortfaktoren mit Bewertungen zwischen 1,9 und 2,2 überdurchschnittlich gut.

63 Dahinter stehen 73,3 Prozent der Industrieunternehmen, die diesen Faktor als völlig unverzichtbar bezeichnen (100 Punkte); 20,4 bewerten ihn mit 80 Punkten; 2,8 Prozent vergeben 60 Punkte; 2,4 Prozent der Unternehmen haben 40 Punkte; für 0,5 Prozent ist eine ausreichende und stabile Energieversorgung verzichtbar (20 Punkte) und für

0,6 Prozent völlig verzichtbar (0 Punkte). Daraus errechnet sich die Relevanzquote von 92,4 Prozentpunkten (0,006*0 + 0,005*20 + 0,024*40 + 0,028*60 + 0,204*80 + 0,733*100).

Fast gleichauf mit der Stromversorgung folgt die „hohe Rechtssicherheit― mit 91,7 Punkten auf Rang 2. Sehr hoch bewertet werden auch alle anderen Indikatoren aus der Obergruppe Ordnungsrahmen. Dazu gehören das Vorhandensein einer marktwirtschaftlichen

Wirtschaftsordnung (88,8 Punkte), geringe Korruption (88,5 Punkte) und die „Durchsetzung fairer Wettbewerbsbedingungen (87,9 Punkte). Diese grundlegenden Governance-Themen haben für die Unternehmen bei der Beurteilung der Qualität von Investitionsstandorten eine extrem hohe

Bedeutung. Sie sind eine der Stärken des Standorts Deutschland. Die Qualität dieser Aspekte wird durchgängig mit „gut― bewertet. Daraus lassen sich weitgehende Schlussfolgerungen ableiten. Die Orientierung der Wirtschaftspolitik an ordnungspolitischen Grundsätzen hat mehr als nur eine akademische Bedeutung, sondern wird auch von den Unternehmen in der Praxis als Leitlinie geschätzt.

Als besonders relevant werden aus der Obergruppe Humankapital die Indikatoren „Verfügbarkeit von Fachkräften (88,8 Punkte), „zukünftige Verfügbarkeit von Fachkräften― (87,9 Punkte) und die Güte der Bildungsinfrastruktur (79,3 Punkte) bewertet. Ähnlich hoch wird die Bedeutung der zukünftigen Verfügbarkeit von Fachkräften (77,7 Punkte) eingestuft. Dies bedeutet Platz 26 in der Rangfolge der insgesamt 71 abgefragten Indikatoren für Standortqualität. Nachrangiger werden im Durchschnitt aller Industrieunternehmen die Wissensinfrastruktur (71,3 Punkte), die Verfügbarkeit von Akademikern (69,4 Punkte) und von MINT-Fachkräften (66,2 Punkte) eingeschätzt. Die Ausführungen in Abschnitt 7.4.2 zeigen aber, dass es gerade bei diesen Aspekten erhebliche Unterschiede innerhalb der Industrie gibt. Gerade für innovative und besonders erfolgreiche Unternehmen sind diese Standortfaktoren besonders wichtig. Wenig überraschend ist, dass innerhalb der Obergruppe Humankapital die Verfügbarkeit von Einfacharbeitskräften (60,4 Punkte) die geringste Relevanzquote aufweist. Dieser Aspekt landet in der Rangliste im hinteren Viertel auf Rang 57. Die Qualität der meisten dieser Indikatoren wird von den Industrieunternehmen am Standort Deutschland eher unterdurchschnittlich eingeschätzt. Das gilt insbesondere für die zukünftige Verfügbarkeit von Fachkräften (Note: 3,36), von qualifiziertem Nachwuchs (3,06) und von MINT-Fachkräften (2,93). Relativ gut schneidet die Wissensinfrastruktur ab, deren Güte mit der Note 2,12 bewertet wird.

Aus der Obergruppe Infrastruktur landen mit der Güte der Straßeninfrastruktur (85,4 Punkte) und der Kommunikationsinfrastruktur (82,0 Punkte) zwei Standortfaktoren unter den TOP-25. Die beiden anderen untersuchten Aspekte aus diesem Bereich, die Güte der Gewerbe- und

Industrieflächen (73,2 Punkte) sowie insbesondere die sozio-kulturelle Infrastruktur (66,1 Punkte), haben eine deutlich reduzierte Bedeutung. Die Güte der Straßeninfrastruktur ist nicht nur sehr relevant, sondern wird von den Industrieunternehmen mit einer Durchschnittsnote von 2,39 auch relativ gut bewertet. Leicht besser schneiden sogar die Kommunikationsinfrastruktur, die Gewerbe- und Industrieflächen und die sozio-kulturelle Infrastruktur (beispielsweise Wohnen, Freizeit,

Betreuungseinrichtungen) ab.

Leistungsfähige Industriestandorte sind auf gute Arbeitsbeziehungen zwischen den

Unternehmensleitungen und den Arbeitnehmern oder ihren Vertretungen angewiesen. Das zeigen auch die Ergebnisse der Befragung. Mit den Anforderungen an eine hohe Flexibilität der

Arbeitszeiten (84,8 Punkte), seltenen Störungen des Betriebsablaufes durch Arbeitskämpfe

(81,1 Punkte) und einer ausreichenden Ausschöpfung der Betriebsnutzungsdauern finden sich drei Standortfaktoren aus dieser Obergruppe in der Liste der TOP-25-Themen. Lediglich die Aspekte

„Konzessionsbereitschaft der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen― (76,6 Punkte), „seltene Störungen betrieblicher Entscheidungsprozesse durch Mitbestimmung― (74,1 Punkte) und insbesondere die Anforderung an eine „hohe Flexibilität der Entgelte― (71,2 Punkte) verhindern eine noch höhere Einstufung der Obergruppe „Arbeitsbeziehungen―. Die Bewertungen dieser Standortfaktoren sind mit Ausnahme des Aspektes „Störungen durch Arbeitskämpfe― (2,12) leicht unterdurchschnittlich. Am kritischsten wird mit einer Note von 3,08 die Entgeltflexibilität beurteilt.

Die Bedeutung des Innovationsumfeldes wurde in der Befragung durch sechs Einzelaspekte gemessen. Unter die TOP-25 hat es mit dem Schutz des geistigen Eigentums (Rang 12) nur ein Faktor geschafft, der allerdings mit 82,6 Punkten eine hohe Relevanzquote hat und dessen

Qualität am Standort Deutschland mit einer Note von 2,14 gut bewertet wird. Alle anderen Aspekte (Technikfreundlichkeit, Zugang zu Technologie, Innovationskraft des Umfeldes, FuE-Performance des Umfeldes, vorhandene FuE-Netzwerke) haben eine deutlich geringere Relevanz. Allerdings ist zu beachten, dass es gerade bei diesen Aspekten große Unterschiede innerhalb der Industrie gibt.

Für FuE-intensive und technologieorientierte Unternehmen sind diese Standortfaktoren viel bedeutender (siehe dazu Kapitel 7.4.2). Die Bewertungen dieser Faktoren fallen

überdurchschnittlich gut aus. Eine Ausnahme bildet nur die Technikfreundlichkeit, die mit 2,65 etwa durchschnittlich beurteilt wird. Auch dieses Ergebnis überrascht, denn eine mangelnde Technikfreundlichkeit wird immer wieder als Standorthemmnis in Deutschland genannt. Die Befragung zeigt, dass dieser Eindruck insgesamt in der Breite nicht stimmt, sondern die Akzeptanzprobleme sich offensichtlich auf bestimmte Technologien konzentrieren.

Das Ausmaß der bürokratischen Belastungen ist für die Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor. Schnelle Zulassungs- und Genehmigungsverfahren (82,6 Punkte) und das

unbürokratische Verhalten öffentlicher Stellen (81,3 Punkte) sind zwei Aspekte, die zu der Liste der TOP-25-Standortfaktoren gehören. Lediglich der zu dieser Obergruppe gehörende Indikator

„geringe Marktzutrittsbeschränkungen― fällt mit einer Relevanzquote von 74 Prozent leicht ab. Das bedeutet aber immer noch Rang 35 unter den 71 untersuchten Standortfaktoren. Die Bewertung dieser Standortfaktoren fällt eher schwach aus. Mit einer Note von 3,37 wird das Verhalten der öffentlichen Stellen als nur schwach befriedigend bewertet. Ähnlich kritisch sehen die

Unternehmen den Aspekt „schnelle Zulassungs- und Genehmigungsverfahren―, der mit der Note 3,31 abschneidet.

Marktgröße, Kundennähe und das Marktwachstum sind sehr relevante Aspekte für Investitionsentscheidungen zur Erhaltung, zum Ausbau oder zur Erschließung von

Produktionsmöglichkeiten. Deshalb haben die Industrieunternehmen die Obergruppe Markt und Kunden als überdurchschnittlich relevant eingestuft. Die Marktgröße und die Kundennähe erreichen Relevanzquoten von jeweils rund 80 Prozentpunkten. Das Marktwachstum fällt mit 77,3 Punkten knapp aus der Liste der TOP-25-Themen. Allerdings wird dieser wichtige Aspekt am Standort Deutschland mit einer Durchschnittsnote von nur 2,94 eher kritisch bewertet.

Beim Oberthema Kosten finden sich von dort insgesamt analysierten dreizehn Einzelaspekten mit den Energiekosten, den Stromkosten und den Lohnstückkosten nur drei unter den TOP-25 der Tabelle 7-4. Die Bewertungen der Relevanz liegen zwischen gut 78 und knapp 80 Punkten.

Dahinter kommen in absteigender Priorität die Aspekte „niedrige Rohstoffkosten― (Rang 28 von 71), Bürokratiekosten (Rang 31), niedrige Steuern (Rang 32), niedrige Kosten für

Vorleistungsprodukte (Rang 34) und niedrige Transportkosten (Rang 36). Mit einer

Relevanzbewertung von nur 72,7 Punkten landen niedrige Arbeitskosten auf Platz 38 der 71 untersuchten Standortfaktoren. Mit noch geringerer Relevanz werden niedrige

Finanzierungskosten (70,1 Punkte), niedrige Mieten und Grundstückspreise (65,3 Punkte) und niedrige Kosten für Umweltstandards (63,5 Punkte) bewertet. Das reicht für Platzierungen zwischen den Rängen 45 und 54. Bei der Bewertung der Standortqualität ist auffällig, dass mit Ausnahme der Finanzierungskosten alle anderen zwölf Kostenarten schwach bewertet werden.

Die hohe Kostenbelastung ist ein wesentliches Standortproblem in Deutschland. Besonders kritisch werden die Stromkosten (4,01), die Energiekosten (3,95), die Steuerbelastung (3,74), die Bürokratiekosten (3,69) und die Belastungen durch Umweltstandards gesehen. Gerade bei den Kosten zeigt die Befragung ein sehr ambivalentes Ergebnis: Die relativ hohen Relevanzquoten gehen mit schwachen Bewertungen – d. h. übersetzt mit als zu hoch empfundenen

Kostenbelastungen – einher. Die Erfolge der Industrie in Deutschland in den letzten Jahren könnten zu der Schlussfolgerung verleiten, dass die Unternehmen gelernt haben, mit diesen Kostennachteilen umzugehen. Nüchtern betrachtet bleiben sie ein zentraler Nachteil des Industriestandorts Deutschland.

Aus der Obergruppe Wertschöpfungskette schafft es mit einer Relevanzquote von 79 Prozent nur der Einzelaspekt „Vorhandensein leistungsfähiger Zulieferer― in der Liste der TOP-25-Themen.

Die spezielleren Einzelthemen (leistungsfähige Zulieferer von Komponenten oder vor- und nachgelagerte Dienstleistungen) haben deutlich geringere Relevanzquoten, die zwischen 63 und 72 Punkten liegen. Das reicht für Platzierungen zwischen den Rängen 40 und 56 in der Liste der analysierten 71 Standortfaktoren. Eine noch geringere Relevanz (58,5 Punkte) hat die Existenz relevanter Wettbewerber für Standortentscheidungen. Dieser Befund ist überraschend, weil industriellen Clustern mit ihren typischen hohen regionalen Konzentrationen von ähnlichen

Unternehmen einer Branche eine hohe Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit zugewiesen wird.

Offensichtlich stehen diese Vernetzungsaspekte bei Standortentscheidungen für industrielle Produktion nicht so stark im Vordergrund wie andere Faktoren. Allerdings wäre auch eine tiefer gehende Analyse notwendig, weil nicht in allen Geschäftsmodellen von Industrieunternehmen vor- oder nachgelagerte Dienstleistungen oder Zulieferer von rohstoffnahen Produkten eine gleich hohe

Bedeutung haben. Die vorliegenden Befragungsergebnisse lassen hier keine weiterführenden Auswertungen zu. Die Industrieunternehmen bewerten alle Einzelindikatoren der Obergruppe Wertschöpfung überdurchschnittlich gut. Tiefe Wertschöpfungsketten mit den entsprechend ausdifferenzierten Zuliefererstrukturen zählen offensichtlich zu den Stärken des Standorts Deutschland.

Aus den Obergruppen Kapitalmarkt, Offenheit/Außenhandel, staatliche Förderung, Regulierung sowie Infrastruktur im Bereich Bahn, Luft- und Schifffahrt findet sich kein Einzelaspekt in der Liste der TOP-25-Themen der Tabelle 7-4. Trotzdem soll auf diese Bereiche kurz eingegangen werden.

Kapitalmarkt: Dieser Aspekt wird nur mit dem Einzelindikator „Zugang zu Krediten am Kapitalmarkt am Investitionsstandort― gemessen. Die Relevanz ist unterdurchschnittlich und die Bewertung mit der Note 2,38 leicht überdurchschnittlich.

Offenheit/Außenhandel: Die Aspekte Zölle und Handelshemmnisse sowie Absicherung gegen Währungsrisiken spielen über alle Industrieunternehmen betrachtet eine eher untergeordnete Rolle; die Qualität wird durchschnittlich bewertet.

Staatliche Förderung: Relativ nachgeordnet werden die einzelnen Aspekte der staatlichen Förderung (Investitionshilfen, FuE-Förderung, Finanzierungshilfen,

Außenwirtschaftsförderung, Gründungsförderung und sonstige Subventionen) eingeschätzt.

Regulierung: Auch die Regulierungen (Umweltschutzstandards, Arbeitsmarktregulierung, Local-Content-Auflagen, Arbeitsschutzstandards) haben keine besonders hohe Relevanz.

Das liegt sicher daran, dass das Regulierungsumfeld sich regional kaum unterscheidet und von den Unternehmen als eher „gesetzte Rahmenbedingung― wahrgenommen wird. Die relativ schwachen Bewertungen (mit Ausnahme der Arbeitsschutzstandards) zeigen aber, dass die Unternehmen mit dem Regulierungsumfeld nicht besonders zufrieden sind und es als verbesserungswürdig einstufen.

Luft/Bahn/Schiff: Diese spezifischen Infrastrukturen spielen für die große Mehrheit der Unternehmen bei Standortentscheidungen keine große Rolle. Für einzelne Unternehmen kann das anders aussehen. Für immerhin knapp 15 Prozent der Unternehmen ist der Luftverkehr unverzichtbar (höchste Relevanz auf der 6er-Skala). Bei der Bahninfrastruktur liegt dieser Anteil bei knapp 7 Prozent. Immerhin 3,3 Prozent der Industrieunternehmen halten die Infrastruktur im Bereich Schifffahrt als Standortfaktor für hochrelevant.

Tabelle 7-4: Relevanz und Bewertung TOP-25

Im Dokument Projekt I C 4 – 02 08 15 – 12/11 (Seite 171-176)