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Archiv "Untersuchung auf HIV-Antikörper: Suchtest allein genügt nicht" (28.05.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Meinrad A. Koch, Friedrich Deinhardt und Karl-Otto Habermehl

Untersuchung auf HIV-Antikörper

Suchtest

allein

genügt nicht

E

in wesentlicher Teil der AIDS-Offensive der Bundesregierung ist der Appell an den auf- geklärten Bürger, vom Angebot des HIV-Antikörpertestes bei AIDS-Risiko Gebrauch zu ma- chen. Daß dieses Angebot angenom- men wird, zeigen die steigenden Zah- len der durchgeführten Antikörper- teste, die zunehmend auch vom nie- dergelassenen Arzt veranlaßt wer- den. Es erscheint deshalb angezeigt, die verwendeten Testverfahren und ihre Aussagekraft im Zusammen- hang darzustellen.

Nach Entdeckung des Erregers von AIDS, des Humanen Immunde- fekt Virus (HIV), fand man bald, daß Infizierte regelmäßig Antikörper ge- gen die verschiedenen Antigene des HIV bilden. Der Nachweis dieser An- tikörper ist das wichtigste Instrument bei der Diagnostik der HIV-Infek- tion. Bei der Bewertung der Verfah- ren zum HIV-Antikörpernachweis sind ihre jeweilige Sensitivität und Spezifität zu beachten. Maß für die Sensitivität ist der Anteil der Infizier- ten, die in einem Test entdeckt wer- den. Die Spezifität eines Testes ist de- finiert als der Anteil der Nichtinfizier- ten, die in einem Test negativ rea- gieren, das heißt, je mehr Nichtinfi- zierte in einem Test — fälschlicherwei- se — wie Infizierte reagieren, um so ge-

ringer ist seine Spezifität. Alle HIV- Antikörpernachweise machen sich zunutze, daß die vom HIV-Infizierten gebildeten Antikörper an entspre- chende Antigene so fest binden, daß sie durch Waschprozesse, die nicht gebundene Immunglobuline entfer- nen, nicht losgelöst werden können.

Die Antigene werden für die Teste an feste Träger fixiert. Dies kann der Bo- den eines Reagenzgefäßes sein, eine Plastikkugel oder eine Filterschicht aus Nitrozellulose. Nach Inkubation des zu untersuchenden Serums mit dem Antigen und Entfernen nicht ge- bundener Antikörper wird in einem zweiten Inkubationsschritt mit mar- kierten Anti-human-IgG-Antikör- pern geprüft, in welchem Umfang Antikörper an die Antigene gebun- den sind.

Als Antigene werden bisher in den Standardtesten strukturelle und nichtstrukturelle Virusproteine be- nutzt, die man durch Spaltung gerei- nigter HIV erhält.

ELISA

als Routinetest

Zur Routineuntersuchung vor allem großer Zahlen von Seren ha- ben sich Testverfahren nach dem Prinzip des ELISA bewährt. Diese Suchteste zeichnen sich durch eine

hohe Empfindlichkeit (Sensitivität) aus. Allein während des Zeitraums von der Infektion bis zum Auftreten von Antikörpern kann der Suchtest eine Infektion nicht erkennen. In der Regel werden Antikörper vier bis zwölf Wochen nach Infektion nach- weisbar. Nur in ganz seltenen Einzel- fällen erscheinen Antikörper erst sechs bis acht Monate nach der Infektion.

Wie bei anderen Retroviren wer- den auch beim HIV Bestandteile der Membran der Zelle, in der sich das Vi- rus vermehrt hat, zum Beispiel HLA- Antigen, in die Virushülle eingebaut.

Liegen in einem Serum Antikörper gegen diese Zellbestandteile vor, wird der Test positiv ausfallen, das heißt Antikörper werden zwar gebun- den, jedoch nicht an virusspezifische Antigene. Gleiches beobachtet man, wenn Immunkomplexe, wie bei para- sitären Erkrankungen, oder soge- nannte Rheumafaktoren unspezi- fisch an Antigene oder Träger bin- den. Somit ist die Spezifität des Such- testes nicht 100 Prozent. Das ist ein- mal durch die beschriebene Bindung nicht virusspezifischer Antikörper, gelegentlich aber auch durch Kreuz- reaktionen von Antikörpern gegen andere virale Antigene bedingt.

Es ist deshalb unabdingbar, daß Seren, die im Suchtest positiv reagiert haben, überprüft werden, das heißt, A-1574 (60) Dt. Ärzten 84, Heft 22, 28. Mai 1987

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gp 120 —

gp120

p32—

wie

RT

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RT

51—

gp 41—

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Immunoblot als Bestätigungstest

Abbildung: Proteine aus gereinigtem Virus werden nach ihrem Molekulargewicht, das heißt nach Größe, in Polyacrylamidgelen aufgetrennt und dann auf Nitrozellulosepapier elektrophoretisch übertragen. Die zu testenden Seren werden mit den antigentra- genden Nitrozellulosestreifen inkubiert. Spezifisch gebundene Antikörper werden dann mit Hilfe von enzymmarkierten Anti-hu- man-IgG-Antikörpern und einer anschließenden Enzym-Substrat- reaktion sichtbar gemacht. Die dabei gebildeten wasserunlös- lichen Farbstoffe verbleiben an den Stellen, an denen sich die En- zymimmunkomplexe gebildet haben. Nachgewiesen werden An-

tikörper gegen die verschiedenen HIV-Strukturproteine oder de- ren Vorläufer: die inneren Strukturproteine p15, p17/18/19 und p24 sowie p55 als deren Vorläufer, die Proteine der Reversen Trans- kriptase (RT) p65 und p51, und die Glykoproteine gp41 und gp120. Bahnen 1, 2 und 4 zeigen Seren mit unterschiedlichen Re- aktionsspektren gegen HIV-Proteine. Das Serum im Streifen 2 er- kennt im Bestätigungstest die HIV-Proteine p24 und p55, Bahn 3 dokumentiert die fehlende Reaktion mit einem negativen Serum.

Die Schemazeichnung erläutert die Lokalisation der HIV-Struktur- proteine (aus Gelderblom et al., 1987, Virology 156, 171 - 176).

in einem zweiten Test muß bestätigt werden, daß HIV-spezifische Anti- körper im untersuchten Serum tat- sächlich vorhanden sind. Als Bestäti- gungsteste werden hauptsächlich der sogenannte Immuno- oder Western- Blot sowie Immunofluoreszenzteste verwendet.

Immunoblot

als Bestätigungstest

Beim Immunoblot werden die Virusbausteine zunächst elektropho- retisch nach Größe getrennt und auf Nitrozellulosestreifen übertragen.

Läßt man die so getrennten Antige- ne mit einem Serum reagieren, läßt sich feststellen, ob gegen die ver-

schiedenen Virusproteine oder Gly- koproteine Antikörper vorhanden sind oder ob ein positives Suchtest- ergebnis durch Bindung etwa an ver- unreinigende Antigene bedingt war.

In diesem Fall war das Ergebnis des Suchtestes „falsch positiv". Die Ab- bildung zeigt typische Immunoblot- streifen und die Zuordnung der er- kennbaren Virusbestandteile zum Gesamtpartikel. Als positiv im Im- munoblot gelten Seren, die Antikör- per gegen mindestens zwei unter- schiedliche Virusproteine enthalten.

Werden nur Antikörper gegen das Viruskernantigen p24 nachgewie- sen, ist der Test nicht eindeutig zu interpretieren. Er ist dann mit einer zweiten Serumprobe zu wiederho- len. Die Spezifität oder Zuverlässig- keit des Immunoblots erreicht bei

einwandfreien Reagenzien und opti- malen Bedingungen nahezu 100 Pro- zent. Das Immunoblotverfahren ist sehr aufwendig und kann deshalb nicht als Suchtest in der Routine ein- gesetzt werden.

Immunfluoreszenzteste

In der Hand erfahrener Unter- sucher hat der Immunfluoreszenz- test eine vergleichbare Spezifität.

Bei diesem Test werden virusinfi- zierte Zellen als „Antigenträger"

benutzt und die Bindung spezifi- scher humaner Antikörper durch fluoreszeinmarkierte Antikörper ge- gen humane Immunglobuline sicht- bar gemacht. Im Test mitgeführte nicht infizierte Vergleichszellen er- Dt. Ärztebl. 84, Heft 22, 28. Mai 1987 (63) A-1577

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lauben es, falsch positive Reaktio- nen als solche zu erkennen. Ein be- sonderer Vorteil dieses Testes ist es, daß er innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden kann, zum Beispiel vor Transplantationen oder bei der Herstellung von Thrombozy- tenkonzentraten.

Nachteil des Immunfluoreszenz- testes ist die mangelhafte Standar- disierbarkeit und die notwendiger- weise subjektive Beurteilung, wes- halb er erfahrenen Laboratorien vorbehalten sein sollte. Als weiteres hochzuverlässiges Testsystem zur Bestätigung soll hier noch der Ra- dioimmunpräzipitationstest (RIPA) angeführt werden, der allerdings nur in wenigen Forschungslaboratorien zur Verfügung steht.

Nur nach Vorliegen eines positi- ven Bestätigungstestes kann mit Si- cherheit die Diagnose einer HIV-In- fektion gestellt werden. Das Ergeb- nis des Suchtestes allein ist nicht be- wertbar und sollte daher nicht dem Patienten mitgeteilt werden. Labo- ratorien, die allein den Suchtest durchführen, sollten bei positiven Suchtestergebnissen erst dann eine Mitteilung an den einsendenden Arzt machen, wenn ihnen das Er- gebnis des andernorts durchgeführ- ten Bestätigungstestes vorliegt. Nur der Suchtest zusammen mit dem Be- stätigungstest haben die notwendige Sensitivität und Spezifität. Um alle denkbaren Fehlerquellen auszu- schließen, wird empfohlen, bei posi- tiven Ergebnissen das Ergebnis in ei- nem zweiten Test zu kontrollieren.

Wegen der potentiellen Bedeu- tung eines positiven HIV-Antikör- pertestes wurden in der Bundesre- publik schon früh besondere An- strengungen unternommen, diese Teste zu standardisieren. Mit der

„Verordnung zur Ausdehnung der Vorschriften über die Zulassung und staatliche Chargenprüfung auf Test- sera und Testantigene" vom 8. Mai 1985 (BGBl. I S. 768) wurde festge- legt, daß nur solche Teste in den Handel gelangen dürfen, die vom Bundesamt für Sera und Impfstoffe, dem Paul-Ehrlich-Institut, geprüft und zugelassen wurden. Eine Char- genprüfung soll sicherstellen, daß al- le Teste die notwendigen Anforde- rungen erfüllen.

Bessere

Standardsuchteste in der Prüfung

Die nicht hundertprozentige Spezifität der zur Zeit verwendeten Standardsuchteste hat zu zahlreichen Bemühungen um bessere Teste ge- führt. Als erster der sogenannten zweiten Generation wird ein Test an- geboten, der zwei Virusantigene ent- hält, die mit Hilfe gentechnologischer Methoden hergestellt wurden. Teste mit synthetischen HIV-Oligopepti- den, die die wichtigen Antigene um- fassen und frei von verunreinigenden, im Test falsch mitreagierenden Anti- genen sind, befinden sich bereits in der Prüfung.

Um die Sensitivität der HIV-Se- rodiagnostik zu erhöhen, hat man vorgeschlagen, im Serum von HIV- Infizierten die früh nach Infektion vorhandenen Virusantigene direkt nachzuweisen. Entsprechende Teste sind noch nicht zugelassen und be- finden sich gegenwärtig in der Er- probung. Da die Antigene nach Auftreten der Antikörper in der Re- gel nicht mehr nachweisbar sind, sind Teste zum direkten Antigen- nachweis lediglich als eine Ergän- zung zu den etablierten Suchtesten zu betrachten.

Seit der Identifikation von AIDS als einer neuen Infektions- krankheit sind große Fortschritte bei der Aufklärung des Krankheitsab- laufes gemacht worden. Hierbei hat die Entwicklung einer zuverlässigen Serodiagnostik, bestehend aus Such- test und Bestätigungstest, einen be- sonderen Anteil.

Neben dem „klassischen" HIV wurde 1986 in Westafrika ein Virus entdeckt, das wie HIV Immundefek- te induziert. Dieses Virus wird LAV-2 oder HTLV-IV, aber auch HIV-2 genannt. Infektionen mit HIV-2 werden durch die Standard- such- und Bestätigungsteste nicht zuverlässig entdeckt. In der Bundes- republik Deutschland wurden bisher nur vereinzelte HIV-2-Infektionen, überwiegend bei Personen aus West- afrika, beobachtet. Zur Zeit werden Such- und Bestätigungsteste entwik- kelt, die gleichermaßen HIV-1- und HIV-2-Infektionen erkennen.

Wegen der schwerwiegenden Konsequenzen des Nachweises einer HIV-Infektion muß mit Ergebnissen der Teste verantwortungsvoll umge- gangen werden. Vor Durchführung des Testes sollte, wann immer mög- lich, ein Beratungsgespräch erfol- gen. In diesem Gespräch sollte ge- klärt werden, ob ein Infektionsrisiko besteht oder vorgelegen hat und welche Konsequenzen sich aus ei- nem positiven Test für den Patienten ergeben werden. Das Ergebnis des Testes, insbesondere eines positiven Testes, muß wiederum im Rahmen eines Arzt-Patientengesprächs erfol- gen. Der Arzt hat die Pflicht, gege- benenfalls über die notwendigen Verhaltensänderungen aufzuklären.

Darüber hinaus sollte sich der Arzt über das inzwischen breite Angebot psychosozialer Hilfen für HIV-Infi- zierte informiert halten und den Pa- tienten auf für ihn geeignete Ange- bote hinweisen.

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med. Meinrad A. Koch Leiter der Abteilung Virologie des Robert-Koch-Institutes des Bundesgesundheitsamtes Leiter der AIDS-Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsamtes Nordufer 20, 1000 Berlin 65

Prof. Dr. med. Friedrich Deinhardt Direktor des Max von Petten- kofer-Institutes für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Universität München Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V.

Pettenkoferstraße 9a 8000 München 2

Prof. Dr. med. Karl-Otto Habermehl Direktor des Institutes für

Klinische und experimentelle Virologie der

Freien Universität Berlin Vorsitzender des Diagnostik- ausschusses der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V.

Hindenburgdamm 27 1000 Berlin 45 A-1578 (64) Dt. Ärztebl. 84, Heft 22, 28. Mai 1987

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