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Archiv "Belegärzte: Zerrieben zwischen ambulant und stationär" (04.02.2011)

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A 200 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 5

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4. Februar 2011

BELEGÄRZTE

Zerrieben zwischen ambulant und stationär

Obwohl das kooperative Belegarztsystem hoch gelobt wird, fristen die circa 6 200 Belegärzte ein kümmerliches Dasein.

D

ie Grundlagen der belegärzt- lich tätigen Fachärzte haben sich in den letzten drei Jahren nicht verbessert – trotz Einsatz der ärztli- chen Selbstverwaltung und anders- lautender Bekundungen der Politik.

Noch immer bestehen gravierende Ungleichgewichte in den rechtli- chen Rahmenbedingungen und in den Honorarkonditionen zwischen den stationären Leistungen in hauptamtlich geführten Abteilun- gen und stationär von Belegärzten erbrachten Leistungen. Die Beleg- ärzte und deren Berufsverbände klagen immer lauter darüber, dass sie zu einem „Hungerlohn“ arbeiten

müssten und ein weiter Abstand in der Vergütung der belegärztlichen Leistungen im Vergleich zu den ärztlichen Leistungsanteilen im Krankenhaus bestehe.

Weitere Verschlechterung der Honorarbasis

Das Hauptproblem: Im Falle des Abschlusses von Honorarverträgen nach § 121 Absatz 5 Sozialgesetz- buch V (seit 2009 können die Be- legärzte und die Krankenhäuser ihr Honorar frei miteinander verhan- deln) müssen die Fallpauschalen für Hauptabteilungen (A-DRGs) für belegärztliche Leistungen gemäß

§ 18 Absatz 3 Krankenhausentgelt- gesetz um 20 Prozent gemindert werden. Ein solches Reglement be- wirkt eine weitere Verschlechterung der Honorarbasis für die belegärzt- liche Tätigkeit am Krankenhaus (neben dem allgemeinen Punktwert- verfall im Rahmen der vertragsärzt- lichen Honorarreform von 2009).

Eine betriebswirtschaftlich sinnvol- le Kalkulation und existenzsichern- de Basis bei dieser Leistungserbrin- gung wird unmöglich. Dadurch ist das stille Sterben des Belegarztsys- tems programmiert, obwohl nach- gewiesen ist, dass gerade die beleg- ärztliche Versorgung durch Vertrags- ärzte und das moderne kooperati- ve System wegen der personalen, durchgängigen Krankenversorgung im ambulanten und im stationären Sektor sowohl bei den Fachärzten als auch bei den Patienten unverän- dert hoch im Kurs stehen.

Um eine flächendeckende Ver- sorgung sicherzustellen, ist die Er- haltung und bessere finanzielle Ho- norierung der Belegärzte unbedingt erstrebenswert. Denn das Beleg- arztsystem ist vor allem für kleinere Krankenhäuser eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur sonst dro- henden Schließung von Belegab - teilungen und ganzen Belegkran- kenhäusern. Vor allem aber hat das Belegarztsystem bisher einen wich- tigen Beitrag dazu geleistet, die sta- tionäre Versorgung auch außerhalb von Ballungsgebieten und Groß- städten, vor allem auf dem flachen Land, sicherzustellen.

Kontroverse Auffassungen unter den Belegärzten

Die von den Belegärzten beklagten Versorgungs- und Finanzierungsde- fizite sind evident. Gleichwohl gibt es innerhalb der Belegarztorgani - sationen kontroverse Auffassungen darüber, wie das Dilemma behoben werden kann. So beklagen bei- spielsweise die hessischen Beleg- ärzte: Die konservativ tätigen Be- legärzte stünden sich im geltenden System schlecht, weil ihre Leistun- gen im neu geschaffenen Kapitel 36 des Einheitlichen Bewertungsmaß- stabs (EBM) nicht definiert seien.

Hingegen seien in diesem Abrech- nungskapitel lediglich die Beleg- Belegärzte im Sinne des Krankenhausentgeltge-

setzes (KHEntgG) sind nicht am Krankenhaus an- gestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten im Krankenhaus unter Inanspruchnah- me der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrich- tungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten. Für Belegpatienten wer- den gesonderte Fallpauschalen und Zusatzent- gelte nach § 17 b des Krankenhausfinanzierungs- gesetzes vereinbart.

In § 18 Abs. 3 des KHEntG heißt es: „Kranken- häuser mit Belegbetten, die nach § 121 Abs. 5 Sozialgesetzbuch V zur Vergütung der belegärztli- chen Leistungen mit Belegärzten Honorarverträge schließen, rechnen für die von Belegärzten mit Honorarverträgen behandelten Patienten die Fall- pauschalen für Hauptabteilungen in Höhe von 80 Prozent ab. Bei diesen Krankenhäusern ist bei der Vereinbarung sonstiger Entgelte nach § 6 die Vergütung des Belegarztes abzuziehen. Kranken- häuser . . ., für die die Bundespflegesatzverord- nung gilt, rechnen für von Belegärzten mit Hono- rarverträgen behandelte Belegpatienten tages-

gleiche Pflegesätze ab, die auch die Vergütung des Belegarztes umfassen.“

Knapp fünf Prozent aller in den Akutkranken- häusern erbrachten Leistungen werden derzeit (2010) in Belegabteilungen beziehungsweise Be- legkrankenhäusern erbracht.

Der Anteil der Belegbetten nach Fachrichtun- gen (HNO, Augenheilkunde, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Gynäkologie, Urologie und Orthopädie) an der Gesamtzahl der Klinikbetten hat sich von 2002 bis 2010 fachbezogen um je- weils zehn bis 15 Prozent verringert. Den höchs- ten Belegbettenanteil hatte 2010 die HNO-Heil- kunde mit circa 30 Prozent, den niedrigsten Anteil die Urologie und die Orthopädie mit heute jeweils nur noch drei bis fünf Prozent.

Im Jahr 2010 gab es 84 eigenständig kal - kulierte belegärztliche Fallpauschalen (DRGs) mit einem Volumen von etwa zwei Dritteln aller im selben Jahr erbrachten belegärztlichen Leis- tungen.

Quelle: Abteilung Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbandes, Berlin, Ende 2010; Bundesverband der Belegärzte e.V., Dr.

med. Klaus Schalkhäuser, Dorfen/München, Januar 2011

BELEGARZTWESEN IN DEUTSCHLAND

P O L I T I K

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4. Februar 2011 ärzte der „schneidenden“ Fächer,

also der operativ tätigen Belegärzte, und die Anästhesisten berücksich- tigt worden. Die Internisten hinge- gen lebten sehr häufig von den übri- gen Leistungen des EBM, die aber ausschließlich nach den Konditio- nen der ambulant tätigen Ärzte kal- kuliert seien und deshalb die Mor- bidität im stationären Bereich nicht abbilden könnten.

Dr. med. Hans-Friedrich Spies, Internist/Kardiologie, selbst seit vielen Jahren als Belegarzt tätig und Leiter einer Belegklinik in Frankfurt am Main: „Das ordnungs- politische Defizit durch das Leis- tungsrecht ambulant/stationär führt immer noch zu Krankenhausleis- tungen, die nicht im diagnoseba- sierten Fallpauschalensystem (DRG) definiert sind, aber der keine EBM- Leistung zugeordnet werden kann.

Die gesetzliche Regelung, wonach Belegkrankenhäuser Hauptabtei- lungs-DRGs (A-DRGs) abrechnen können (sogenanntes Honorarbe- legarztsystem), löst das Defizit prinzipiell. Der seit 2008 einge - führte Abschlag der Hauptabtei- lungsfallpauschalen um 20 Prozent macht das Ganze aber zur Nullnum- mer, weil bei einer nur 80-prozenti- gen Auszahlung der Fallpauschale die Krankenhäuser nach Vergütung des Arztes weniger erhalten als bei einer Belegarzt-Fallpauschale (B-DRG).“

Gezwungen, unter der Kostendeckung zu arbeiten

Hinzu kommt: Während die Beleg- ärzte auch bei ihrer stationären Tä- tigkeit an die restriktiven Bedin- gungen der vertragsärztlichen Ver- gütung und des EBM gebunden sind, haben die Akutkrankenhäuser hingegen einen offenen Leistungs- katalog mit Fallpauschalen, die eine rasche Implementation von neuen Untersuchungs- und Behandlungs- methoden erlauben. Dies bedeutet, dass zunehmend Leistungen von belegärztlich geführten Kranken- häusern abgerechnet werden kön- nen, die aber kein abrechnungs- und vergütungstechnisches Pendant im EBM finden. Bei diesen Leistungen ist der Belegarzt gezwungen, unter der Kostendeckung zu arbeiten.

Die Ungleichbehandlung von Haupt- und Belegabteilungen in Krankenhäusern wollen nun die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Berufsverband Deut- scher Internisten und einzelne Be- legarztgruppen mit vereinten Kräf- ten beseitigen. Allerdings gibt es Unterschiede in der Stoßrichtung.

Einig sind sich DKG, Internisten- verband und verschiedene Beleg- arztverbände darüber, dass gleiche Wettbewerbschancen zwischen Kran- kenhäusern mit Haupt- und Beleg- abteilungen geschaffen werden müssen. Das von der DKG favori- sierte Kooperationsmodell impli- ziert, den Abschlag von 20 Prozent bei den Fallpauschalen bei einer Leistungserbringung in Belegarzt- abteilungen abzuschaffen. Auch müssten die Missstände des derzei- tigen Sozialrechts ausgebügelt wer- den. Die Schwierigkeit für Kran- kenhäuser besteht allerdings darin, dass der Belegarzt bei der 20- prozentigen Malusregelung bei A-DRGs über Honorarverträge nicht ausreichend bezahlt werden kann, ohne dass die Vergütung für Krankenhäuser unter der B-DRG- Vergütung gemindert wird. Die ers- te Wahl vieler Belegärzte ist des- halb ein Verbleiben im bewährten vertragsärztlichen System – bei an- gemessener Honorierung über die Gesamtvergütung.

Die Krankenhäuser sind dagegen mehr an Verträgen über das Ver- tragsarztrechtsänderungsgesetz mit Konsiliarärzten interessiert, weil sie dabei weiter ihre A-DRG abrechnen können. Sie sind mit dieser Rege- lung dennoch unzufrieden, weil es zwar einfach ist, mit einem zugelas- senen Vertragsarzt einen Konsiliar- arztvertrag abzuschließen, anderer- seits ein Krankenhausarzt aber nicht ohne weiteres zur vertrags- ärztlichen Tätigkeit zugelassen wird, weil er sich an die Bedarfs- richtlinien halten muss. Die Kran- kenhausseite ist der Auffassung, dass damit die Kassenärztliche Ver- einigung als Mitglied im Zulas- sungsausschuss eine unzulässige Einflussnahme auf die Kranken- haustätigkeit ausübt.

Die Chancen, den 20-prozenti- gen Abschlag für Beleghäuser,

wenn Hauptabteilungspauschalen abgerechnet werden, aufzuheben, stehen schlecht. Die zuständige Fachabteilung des Bundesgesund- heitsministeriums hat die Belegärz- te wissen lassen, dass das Ministeri- um zurzeit nicht bereit sei, den Be- legarztabschlag kurzfristig zu sus- pendieren. Zumindest wolle man die Erfahrungen mit der reduzierten Vergütung noch einmal ein weiteres Jahr abwarten, um Klarheit zu ge- winnen, sagte Abteilungsleiter Dr.

Ulrich Orlowski. Ungeachtet des- sen soll nach dem Koalitionsvertrag vom November 2009 das Beleg- arztsystem erhalten und weiter aus- gebaut werden. Gesetzesinitiativen sind allerdings noch nicht in Sicht.

Zahlreiche Belegärzte geben ihre Zulassung zurück

Die Belegärzte befürchten, dass die gesetzlichen Bedingungen einer Mengenbegrenzung für die extra- budgetär bezahlten Leistungen auch die Belegärzte betreffen wer- den, so dass die belegärztliche Ver- sorgung ausmanövriert wird. Zahl- reiche Belegärzte haben inzwi- schen die Zulassung zurückgege- ben, selbst Vertreter der operativen Fächer, die im neuen Kapitel 36 des EBM noch relativ gut „bedient“

wurden.

Die Belegarztverbände beobach- ten, dass viele Belegärzte und grö- ßere Belegkliniken Schritt für Schritt vom klassischen Belegarzt auf den Honorarbelegarzt-Status umstellen. Vielen Belegärzten wäre es lieber, im traditionellen, gestärk- ten Belegarztsystem auf vertrags- ärztlicher Basis bleiben zu können und ein angemessenes Honorar aus der Gesamtvergütung zu erzielen.

Die Krankenhäuser hingegen wol- len die lukrativen A-DRGs abrech- nen, und die Belegärzte hoffen, teil- weise durch Verträge mit den Kli- nikträgern ihr Honorar aufbessern zu können. Nur ein Problem bleibt ungelöst: Wie kann im Rahmen ei- ner Honorarbelegarzttätigkeit eine angemessene Vergütung gesichert werden – bei weiter bestehenden Malusabschlägen in hauptamtlich geführten Abteilungen der Kran-

kenhäuser? ■

Dr. rer. pol. Harald Clade

P O L I T I K

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