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Archiv "Verzahnung ambulant-stationär: Die Drei auf der Chefarztstelle" (02.04.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 13

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2. April 2010 A 589 nicht bereit, diese Diskussion zu

führen“, so Rösler.

Auch Fritz Beske hat zu diesem Thema eine klare Meinung. Sie sieht jedoch anders aus als die des Gesundheitsministers. „Eine impli- zite Rationierung, wie wir sie heute haben, ist die ungerechteste und un- sozialste Form der Leistungsein- schränkung“, erklärt er. Sie sei wahllos und unbegründet, da sie nicht auf einer zuvor festgelegten Rangfolge medizinischer Leistun- gen beruhe, sondern allein auf den fehlenden Finanzmitteln im System.

BÄK soll Prioritäten aufstellen „Schon heute entscheidet allein der Wohnort darüber, ob Patienten eine implizite Rationierung erleben oder nicht“, sagt auch Andreas Köhler.

Wer als älterer Mensch auf dem Land lebe, habe beispielsweise ei- nen ganz anderen Zugang zur medi- zinischen Versorgung als ein junger Mensch in der Stadt. Es sei zudem an der Zeit, „die Begriffe Priorisie- rung und Rationierung zu entdämo- nisieren“.

„Es geht um die zentrale Frage, nach welchem Verfahren die noch vorhandenen Mittel gerecht zuge- teilt werden können“, betont Chris- toph Fuchs. Das IGSF schlägt vor, die Bundesärztekammer als feder- führende Institution für die Aufstel- lung von Prioritätenlisten in der me- dizinischen Versorgung zu benen- nen. Ein Gremium solle dann eine Methodik erarbeiten, wie der Leis- tungskatalog an die begrenzten Mittel angepasst werden könne. Im Zentrum der gesetzlichen Krankenversiche- rung müsse dabei die Behandlung von Erkrankten stehen. „Jeder Bür- ger muss künftig die Gewissheit ha- ben, dass er dann, wenn er ernsthaft krank ist, auch einen zeitnahen Zu- gang zur medizinischen Versorgung erhält“, fordert Beske. Ergänzt wer- den solle der GKV-Kernbereich um die Früherkennung von Krankhei- ten, die Vorsorge für Kinder und Mütter, Schutzimpfungen sowie zahnmedizinische Prävention. „Ver- sicherte müssen wissen, worauf sie sich verlassen können und in wel- chen Bereichen sie selbst vorsorgen

müssen“, so Beske. ■

Falk Osterloh

W

enn es ein Ziel für das Ge- sundheitswesen gibt, auf das sich alle einigen können, dann das:

Die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung gehören überwunden. Wenn etwas umge- hend Bedenken und Abwehr her- vorruft, dann das: Irgendwo über- winden Ärzte auf ungewohnte Art die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.

So wie Dr. med. Thomas Hun- feld (45), Dr. med. Jens Raabe (49) und Dr. med. Torsten Witstruck (39). Die drei Orthopäden sind nie- dergelassen und teilen sich zugleich seit Juli 2009 eine Chefarztstelle.

Als „Ärzteteam an der Spitze der Klinik für Orthopädie und Endo- prothetik“ des Hanse-Klinikums Stralsund stellte sie die Damp-Hol- ding damals vor. Mit drei Niederge- lassenen auf einer Chefarztstelle wolle man „ein innovatives Füh- rungsmodell“ umsetzen, hieß es.

Das treffe zwar mancherorts auf Er- staunen, sei aber „durchaus nicht außergewöhnlich“.

Das sehen die drei Orthopäden anders. Mit ihrem Entschluss, sich eine Chefarztstelle zu teilen, haben sie zumindest in Deutschland Neu- land betreten. Entsprechend kri- tisch, so empfinden sie es, werden sie beäugt. Was aber hat sie an der Stelle gereizt?

Über Langeweile konnte schon vor dem Sommer 2009 keiner der drei klagen. Raabe und Witstruck führen in Stralsund eine Gemein- schaftspraxis und operieren dort mit ihrem Team. Hunfeld praktiziert als Teil einer orthopädischen Gemein- schaftspraxis am Sana-Kranken- haus auf Rügen. Warum also noch die Chefarztstelle?

Im Ausland geht es doch auch Verkürzt lautet die Antwort: weil al- le drei sich beruflich weiterentwi- ckeln wollten – und die Versor- gungsstrukturen. Hunfeld macht nebenher Musik; kann sein, dass ihm manchmal eine Melodie nicht aus dem Kopf geht. Was ihm seit Jahren durch den Kopf geht, ist die

„Wir machen es, sonst ist die schöne Chance weg“: Jens Raabe, Thomas Hunfeld und Torsten Witstruck (von links) arbeiten in der eigenen Praxis

und in der Klinik. Foto: privat

VERZAHNUNG AMBULANT-STATIONÄR

Die Drei auf

der Chefarztstelle

Drei niedergelassene Orthopäden teilen sich eine Chefarztstelle und operieren abwechselnd. Ihre eigenwillige Kooperation wird skeptisch beäugt.

P O L I T I K

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A 590 Deutsches Ärzteblatt

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2. April 2010 Tag Raabe und Witstruck. „Ich zie-

he aber jetzt nicht aggressiv Patien- ten von Sana weg“, betont Hunfeld.

„Hier auf dem Land würde es mir auf die Füße fallen, wenn ich die unter Druck setzte.“

Und was hat das Hanse-Klini- kum von dem Chefarzt-Trio? „Dass ich für ein Chefarztgehalt sechs Hände bekomme und die orthopädi- sche Expertise im Haus erweitert wird“, sagt Geschäftsführer Joa- chim Gemmel. „Auch angesichts des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Ärzteman- gels in einem Flächenland wie

Mecklenburg-Vorpommern ist es notwendig, neue Wege zu beschrei- ten. Unser Ziel ist, ein überregiona- les Kompetenzzentrum Orthopädie aufzubauen.“

Die Fallzahlen, so Gemmel, sind im Vergleich zu früheren Jahren deutlich gestiegen, seit Hunfeld, Raabe und Witstruck in der Klinik operieren. In welchem Ausmaß – das bleibt Betriebsgeheimnis. Hun- feld sagt nur so viel: Den Umfang, den sie für das Jahr 2010 vereinbart hatten, haben sie schon 2009 er- reicht.

Aber den großen Reibach kann man bei diesem Modell nicht ma- chen. „Wir hatten uns das etwas an- ders vorgestellt, aber unter dem Strich verdienen wir so viel wie vorher auch“, sagt Hunfeld. „Die schnelle Mark ist nicht drin.“

Und wie gut funktioniert es tat- sächlich, wenn sich drei Kollegen in ihrer Funktion als Chefarzt die Klinke in die Hand geben? Aus sei- ner Sicht: Gut, weil er ja an drei Ta- gen vor Ort sei und die beiden Kol- legen ihre operierten Patienten abends oder am Wochenende be- suchten, sagt Hunfeld. „Manchmal ist es schon kompliziert“, gibt Wit- struck zu. „Die Erwartung ist eben häufig, dass es einen Chefarzt gibt, auf den man hört. Wir besprechen

uns aber regelmäßig als Team, und wenn Größeres ansteht, sind wir al- le drei da.“

Der Druck durch diese neue Konstellation, das vermitteln alle drei, ist ziemlich groß. Denn ein Fehler wäre nun nicht mehr nur ein Fehler, sondern wohl für viele Kol- legen der Beweis dafür, dass eine dreigeteilte Chefarztstelle mit nie- dergelassenen Kollegen einfach nicht funktioniere kann. Doch war - um so wenig Ermunterung und Un- terstützung?

„Wir werten den Chefarzt ab“, weiß Hunfeld. „Denn jetzt kann ja quasi jeder Niedergelassene kom- men und eine Abteilung überneh- men.“ Raabe lässt durchblicken, dass ihn manche Kritik schon är- gert: „Da wird überhaupt nicht nach der Fachlichkeit gefragt.“

Witstruck glaubt, dass manche Ablehnung auch mit einem Kli- schee zu tun hat: „Wenn man sich als Orthopäde niederlässt, wird man in der Klinik abgeschrieben als ei- ner, der jetzt Einlagen verschreibt.

Viele glauben nicht, dass man sich als Operateur auch in der Niederlas- sung noch weiterentwickeln kann.“

Wie es nun weitergeht? Abwar- ten und die Kollegen vielleicht da- von überzeugen, dass es Grenzgän- ger im Gesundheitswesen geben muss. Ein Problem vieler Chefs hät ten sie immerhin nicht, sagt Wit- struck: „Dass wir einsam auf unse- rem Posten sind und keinen zum

Reden haben.“ ■

Sabine Rieser Tatsache, dass Kollegen im Aus-

land Patienten bequem aus einer Hand versorgen können. Außerdem findet er: „Ärzte in Gegenden wie Rügen müssen angesichts der Nachwuchsprobleme flexibler in Praxis und Klinik arbeiten.“ Und:

„Wir Ärzte sollten uns nicht immer von Geschäftsleuten im Gesund- heitswesen die Strukturentschei- dungen abnehmen lassen.“

„Unser Visionär“, spöttelt sein zurückhaltenderer Kollege Raabe, der auch gut einen erfolgreichen Landwirt abgeben könnte. Der lo- ckere Ton sollte keinen täuschen:

Vor der Bewerbung haben die drei hartnäckig an ihrem gemeinsamen Konzept gearbeitet.

Der jüngste Kollege, Witstruck, erinnert sich noch, dass seine Frau angesichts der Chefarztpläne ent- geistert sagte: „Das machst du nicht.“ Doch Witstruck reizte eben- so wie Hunfeld und Raabe an der neuen Kliniktätigkeit, „dass ich als erfahrener Operateur mein Spek- trum erweitern kann“. So verbreitet ambulante Operationen heute sind – manche Patienten versorgt man lie- ber in der Klinik. Außerdem, er- zählt Witstruck, hätte er zusammen mit Raabe zuweilen überlegt: Was, wenn Krankenkassen eines Tages einen Exklusivvertrag mit dem Hanse-Klinikum abschließen, die Patienten dorthin schicken und ihre eigenen Praxisinvestitionen um- sonst gewesen sind? Am Ende fan- den alle, wie es Raabe formuliert:

„Wir sollten es machen, sonst ist die Chance weg.“

Nun machen sie es. Die drei ha- ben eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, an die Damp die Chefarzteinkünfte zahlt. Diese tei- len sie nach ihrem Arbeitsumfang auf. Hunfeld hat seine Praxiszulas- sung auf die Hälfte reduziert. An drei Tagen in der Woche operiert er im Hanse-Klinikum, an je einem

Ob es berufsrechtliche Einwände gegen die Stralsunder Kooperation gibt, wollen weder die Ärztekammer Mecklen- burg-Vorpommern noch die dortige Kassenärztliche Verei- nigung derzeit sagen. Beide Organisationen prüfen die Ver- träge für das Modell seit geraumer Zeit.

Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Mitglied im Vorstand des Berufsverbands der Fachärzte für Orthopädie und Unfall - chirurgie sowie im Verband leitender Orthopäden und Un- fallchirurgen Deutschlands, kennt das Modell in Stralsund nicht näher. Er weiß aber, dass viele Kooperationen vor al- lem Einweiser binden sollen. Welche Fallstricke Heller sieht, warum man als Niedergelassener in der Klinik nicht reich wird und was man mit Blick auf die Weiterbildung bedenken sollte, im Internet unter: www.aerzteblatt.de/1310. Rie

AUF DEM PRÜFSTAND

Wenn man sich niederlässt, wird man abgeschrieben als Einlagenverschreiber. Viele glauben nicht, dass man sich als Operateur in der Niederlassung weiterentwickeln kann.

Dr. med. Torsten Witstruck, Orthopäde, Stralsund

P O L I T I K

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